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ÖMG-Talk
from medianet 15.04.2022
by medianet
Nachhaltigkeit bedeutet auch Profitabilität
Wo fängt man als Marke an, wenn man wirklich alle Aspekte der Nachhaltigkeit – ökonomische, ökologische und soziale Verantwortung – erfassen will?
Advertisement
••• Von Martina Berger
Durch Corona und Klimawandel haben sich unser Konsumverhalten und die Präferenzen fundamental verändert. Nachhaltigkeit, Ökologie, Regionalität sind zu einem wesentlichen Faktor für Marken und Unternehmen geworden. Das stellt beide, Marken und Unternehmen, vor die Herausforderung, ökologischen Nutzen zu stiften. Doch gilt es dabei, unser Handeln in allen Aspekten zu hinterfragen, soll es tatsächlich nachhaltig sein. Was ist „richtig“ nachhaltig und wie identifiziert man die nicht-grünen aka schwarzen Schafe?
Alexander Oswald, Präsident der ÖMG, eröffnete die Diskussion mit einer der schwierigsten Fragen, nämlich mit dem Beginn: Wo fängt man als Marke an, wenn man alle Aspekte – ökonomische, ökologische und soziale Verantwortung – der Nachhaltigkeit erfassen möchte?
Elisabeth Müller, Geschäftsführerin der Agentur sgreening, empfahl in ihrem Statement, beim Kerngeschäft zu starten. „Es ist bei Nachhaltigkeitsprojekten extrem wichtig, sich das Committment des Managements zu holen. Sonst läuft man Gefahr, mit ‚netten Zusatzprojekten‘ anzufangen. Und Nachhaltigkeit muss immer beim Kerngeschäft beginnen.“ Dort hätte man den größten Hebel und läuft weniger Gefahr, dem Greenwashing zu erliegen, so Müller.
Geballtes Wissen
Andreas Tschas (CEO/CoFounder Glacier), Andreas Perotti (CMO FACC), Elisabeth Müller (GF sgreening), Jürgen Bauer (Obmann FG Werbung und Marktkommunikation Wien), Alexander Oswald (ÖMG-Präsident), Astrid Salmhofer (Head of Communications Wien Energie), Martin Rohla (Unternehmer, Investor, Biolandwirt, v.l.).
Astrid Salmhofer, Head of Communications bei Wien Energie, stößt beim Thema Greenwashing ins selbe Horn: „Kunden sind extrem kritisch. Man muss als Unternehmen zeigen, was man tut und nicht bloß ‚verkaufen‘, man sei ein Green Brand.“ Wien Energie hat als Energiekonzern als oberste Priorität die Versorgungssicherheit. Strom muss also fließen, „aber wir wollen die Energie grüner machen“, so Salmhofer. Dieses Vorhaben wird nicht einfacher, wenn man den Aspekt der Leistbarkeit hinzufügt. Gerade in Zeiten der Krisen, der steigenden Inflation ist ein Energieversorger gefordert.
Kunden zuverlässig versorgen „Wichtig ist, dass der Strom leistbar bleibt, dass wir sicherstellen, dass wir unsere Kunden zuverlässig versorgen. Und das alles mit möglichst wenig CO2Ausstoß. Das funktioniert am besten, wenn man erwirtschaftete Gewinne in Nachhaltigkeit investiert“, erläutert Salmhofer.
Als CMO der FACC AG, einem als Zulieferer der Luftfahrtindustrie bekannten Unternehmen, hat auch Andreas Perotti mit dem Thema Nachhaltigkeit eine Herausforderung: „Die Luftfahrt hat die Automobilindustrie als Underdog abgelöst. Und es gibt viel zu tun. Denn Bedingung für große Investments ist die Umsetzung von Nachhaltigkeitskriterien. Das Thema ist aber nicht in der DNA eines Unternehmens wie des unseren. Das ist nicht ganz leicht, diesen Switch zu schaffen.“
Dennoch ist das Thema ein großes, ist doch das Fliegen mittendrin in der Mobilitätsdebatte. „Wir brauchen dazu eine faktenbasierte Diskussion; es macht keinen Sinn, die Verkehrsmittel gegeneinander auszuspielen. Es geht nicht um ‚fliegen oder nicht fliegen‘, sondern um ‚anders fliegen‘“, ist Perotti überzeugt. FACC arbeitet jedenfalls an dieser Trendwende, auch wenn hier natürlich Profitabilität weiterhin an erster Stelle steht.
Martin Rohla, Unternehmer, Investor und Biolandwirt, ist überzeugt – und überraschte damit einige im Publikum –, dass Nachhaltigkeit nur erreicht werden kann, wenn die Unternehmen auch profitabel sind: „Man ist nicht nachhaltig, wenn man nicht profitabel ist. Erst wenn man profitabel ist, kann man die anderen Kriterien erfüllen.“
Sein Beispiel eines von Landwirtschaft geprägten Dorfs bringt es auf den Punkt, wie Nachhaltigkeit zu Überzeugung wird. „Ein Bauer in diesem Dorf hat begonnen, auf biologische Landwirtschaft umzustellen. Am Anfang hat er investiert, seine Böden verbessert – und nach einigen Jahren höhere Erträge erzielt als die anderen Bauern, die konventionelle Landwirtschaft
betrieben haben. Heute ist das ganze Dorf auf Bio umgestiegen.“
Relevant für Unternehmen ist auch immer die Frage, wo denn das Thema Nachhaltigkeit angesiedelt werden soll, wenn man denn endlich den Einstieg gefunden hat. Andreas Tschas, CEO und Founder der KlimaschutzCommunity Glacier, ist überzeugt, dass sogenannte Nachhaltigkeitsabteilungen wenig Sinn haben und es daher auch wenig geben wird. Denn Nachhaltigkeit betrifft alle Bereiche.
„Wir stecken noch tief in der Digitalisierungsdebatte und müssen gleichzeitig tief in die Klimaschutzdebatte einsteigen“, so Tschas. Gemäß seinem Credo „Every job will be a climate job“ sei es ganz wichtig, das Thema Klima-Intuition bei allen Mitarbeitern zu verankern – vom Kantinenpersonal bis zu den Marketeers. Seine „Climate Ranger Academy“ bildet Mitarbeiter aus, erhöht die Sensibilität und hilft, gefährliches Halbwissen loszuwerden. Denn Nachhaltigkeit kann schlecht verordnet werden, sie muss von allen gelebt werden.
Das Thema „richtiges Mindset“ ist auch für Jürgen Bauer, Obmann Fachgruppe Werbung und Marktkommuni-
kation Wien, ein wichtiger Baustein in der Nachhaltigkeitsdebatte. „Es ist extrem wichtig, das richtige Mindset zu schaffen auf diesem Weg der Transformation. Man muss die Mitarbeiter auf die gemeinsame Reise mitnehmen. Und es wird im War for Talents künftig eine große Rolle spielen, ob ein Unternehmen nachhaltig agiert“, meint Bauer. Denn viele würden ohne diese Aspekte einfach gar keinen Job annehmen wollen.
Elisabeth Müller
GF sgreening
Nachhaltigkeit in der Markenführung ist Schritt eins. Green KPIs für Marketing der nächste.
Alexander Oswald
Präsident ÖMG
Astrid Salmhofer
Wien Energie
© Österreichische Marketing-Gesellschaft/APA-Fotoservice/Schedl (3)
Querschnittsmaterie
„Grünes Marketing“ nur auf die kommunikative Ebene zu reduzieren, wäre viel zu kurz gegriffen, so Kommunikationsexpertin Beatrix Skias.
Gastkommentar
••• Von Beatrix Skias
WIEN. Der Klimawandel stellt unsere Gesellschaft vor große Herausforderungen. Das ambitionierte EU-Ziel einer klimaneutralen Gesellschaft bis 2050, zu dem sich Österreich bereits für 2040 bekannt hat, erfordert radikale Veränderungen seitens Industrie, Wirtschaft und Bevölkerung. Bei den heranwachsenden Generationen ist das Bewusstsein für eine nachhaltige Lebensweise bereits stark ausge-
prägt. Etliche Wirtschafts- und Industriezweige nehmen ihre Verantwortung ernst und arbeiten intensiv daran, den Konsumentinnen und Konsumenten ökologische Antworten und Produkte anbieten zu können.
Green Marketing kann dabei einen wesentlichen Beitrag zur Bewusstseinsschärfung und zur Steigerung des nachhaltigen Konsums in der Gesellschaft leisten. Die glaubhafte Vermittlung der ökologischen Vorteile von Produkten und Services sowie deren positive Auswirkungen auf den Klimawandel unterstützt die Konsumenten dabei, nachhaltige Kaufentscheidungen treffen zu können.
„Grünes Marketing“ nur auf die kommunikative Ebene zu reduzieren, ist natürlich zu kurz gegriffen. Es geht vielmehr darum, ein ganzheitliches Konzept zu verfolgen und die Unternehmensstrategie sowie alle Bereiche des Marketings umweltfreundlich und nachhaltig auszurichten. Das beginnt bei der Optimierung von Prozessen, über die Produktions- und Lieferkette bis hin zu Vertrieb und Kommunikation – sämtliche Maßnahmen also, die auf eine Optimierung der Umweltbilanz eines Unternehmens abzielen.
Nachhaltig entscheiden
Neben der Energie- und Automobilbranche ist hier der Bau- und Immobiliensektor besonders gefordert. Denn energieeffiziente Gebäude sowie innovative Bau- und Wohnkonzepte sind wesentliche Faktoren zur Erreichung des Green Deals. So investiert beispielsweise die Massivbaubranche seit Jahren in Forschungsprojekte und Studien, um mit den Ergebnissen Antworten und Lösungen für dringende Fragen bieten zu können. Im Gebäudesektor sind Recycling, Upcycling und die „Stadt als Rohstofftresor“ optimal zu nutzen das Gebot der Stunde. Ebenso wie sämtliche Anstrengungen, Wohnprojekte und Gewerbeimmobilien energieeffizient zu gestalten.
Glaubhaft und authentisch kann die Kommunikationsarbeit in Richtung Konsumentinnen und Konsumenten sowie Entscheidungsträger nur dann sein, wenn die Beweisführungsebene dahinter stimmig und schlüssig ist. Es werden ehrliche Konzepte, Produkte und Services überzeugen, mit denen es gelingt, wirtschaftliche Erfolge mit den ökologischen und sozialen Vorteilen zu vereinen. Und das setzt eine Kraftanstrengung und absolute Willensbekundung der gesamten Gesellschaft voraus.
Beatrix Skias
Skias strategy + relations

© Anzenberger-Fink
Beatrix Skias ist Gründerin und Eigentümerin von Skias strategy + relations.
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retail
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© Mondelez International
Livia Kolmitz
Mondelez International Nach fast fünf Jahren im Corporate & Government Affairs Management bei Mondelez International ist Livia Kolmitz (43) nun zur Leiterin der Unternehmenskommunikation und Public Affairs aufgestiegen. Kolmitz studierte Soziologie in Wien und kam im Juni 2017 zu Mondelez; davor war sie fast acht Jahre lang bei Imperial Tobacco Austria und davor dreieinhalb Jahre bei TNS Info Research Austria.

