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Urteil gegen Facebook
from medianet 11.02.2022
by medianet
„Sensationelles Urteil“
Die Medienanwältin Maria Windhager im Interview über Facebook vs. Glawischnig-Piesczek und die daraus entstandenen Lösungsansätze.
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••• Von Dinko Fejzuli
Am 2. Februar hat Facebook das Urteil des Handelsgerichts Wien akzeptiert. Das sorgte auch bei der Anwältin der ehemaligen Grünen-Chefin Eva Glawischnig für Überraschung. medianet sprach mit Maria Windhager über den Prozess und die Wege, die das Urteil für zukünftige Angelegenheiten geebnet hat.
medianet: Frau Windhager, Sie haben ein – gemeinsam mit Ihrer Mandantin Eva Glawischnig gegen Facebook erstrittenes – Urteil wegen der Löschung von Hasspostings als ‚sensationell‘ bezeichnet, auch deshalb, weil hier erstmals Grundsatzfragen geklärt worden seien, die bisher in Bezug auf Plattformen wie Facebook nicht adjudiziert waren. Welche sind das? Maria Windhager: Das Urteil ist sensationell, weil essenzielle Grundsatzfragen nun rechtskräftig beantwortet wurden, die international bereits für viel Aufmerksamkeit gesorgt haben. Die Bedeutung wird derzeit in Österreich nicht ausreichend wahrgenommen und von vielen noch total unterschätzt. Die erste Frage war, ob der Unterlassungsanspruch, der im Sicherungsverfahren vorläufig zuerkannt worden war, auch dauerhaft gilt, also etwa nur zeitlich begrenzt sein könnte.
medianet: Sie haben mit diesem Urteil aber auch die Herausgabe von Userdaten erstritten. Windhager: Ja, das war die zweite wichtige Frage, deren Klärung wir mit großer Spannung erwartet haben, weil dieser Punkt hochstrittig war. Eine Verpflichtung zur Herausgabe von Userdaten, wie sie in Österreich in § 18 Abs 4 ECG geregelt ist, gibt es zum Beispiel auch in Deutschland gar nicht.
Facebook hat dazu immer den Standpunkt vertreten, dass diese Bestimmung nicht anwendbar sei, weil Facebook als dort registriertes Unternehmen irischem Recht unterliegen würde, und auch dort gäbe es keine solche Verpflichtung. Das Han-
delsgericht Wien hat Facebook die Herausgabe der Userdaten aufgetragen, und Facebook hat das Urteil wider Erwarten nicht bekämpft und die Userdaten herausgegeben.
medianet: Hat Sie die Aufgabe von Facebook zu diesem Zeitpunkt überrascht? Windhager: Ja, ich habe eher erwartet, dass Facebook wissen will, was das OLG Wien und der OGH dazu sagen. Sensationell ist ja auch, dass Eva Glawischnig ein immaterieller Schadensersatz zugesprochen wurde. Dieser Zuspruch ist für alle, die von Hass im Netz im Zusammen-
Maria Windhager
über das Urteil und zukünftige Wege
hang mit Fotoveröffentlichungen betroffen sind und dagegen vorgehen wollen, sehr wichtig.
Wenn ich mich als Betroffene also zum Beispiel gegen den Beleidiger nicht wehren kann, weil er sich hinter einem Pseudonym versteckt, kann ich Dank dieses Urteils gegen den Plattformbetreiber vorgehen, wenn dieser die rechtswidrigen Inhalte nicht unverzüglich löscht. Das heißt, der Plattformbetreiber haftet selbst, wenn er nicht meine Rechte schützt. Die wichtige Nachricht für Betroffene ist also, dass sogar Schadenersatz verlangt werden kann.
medianet: Apropos Veröffentlichung. Facebook wurde auch aufgetragen, das Urteil auf seiner Einstiegsseite für jeden weltweit für sechs Monate gut sichtbar zu veröffentlichen. Wie zufrieden sind Sie mit dieser Auflage und vor allem wie Facebook sie umsetzt? Windhager: Das ist der nächste sensationelle Punkt: Mit der Verpflichtung von Facebook, das Urteil zu veröffentlichen, wollte das Gericht auch ein sichtbares Zeichen setzten, dass hier eine Klage wegen Hasspostings
© Johannes Zinner
erfolgreich war; und: Die Form und Dauer der Veröffentlichung, nämlich weltweit auf der ersten Seite und für sechs Monate, ist wirklich beachtlich, weil eine solche Veröffentlichungsverpflichtung für kein Medium lustig ist. Niemand will so etwas monatelang auf der Startseite präsentieren müssen.
Nur: Unserer Ansicht nach setzt Facebook das Urteil nicht formgerecht um, erfüllt also nicht den gerichtlichen Auftrag, weil das Urteil nur in Österreich und nur dann, wenn man vorher nicht eingeloggt war, abrufbar und damit sichtbar ist. Dagegen wollen wir vorgehen.
medianet: Im Vorfeld des nun endgültigen Urteils gab es aber durchaus auch Bedenken, dass dieser weltweite Löschungsanspruch nun auch dazu führen könnte, unliebsame Kritiker, egal wo auf der Welt, mundtot zu machen, auch etwa durch Diktatoren ihren Kritikern gegenüber. Sehen Sie diese Missbrauchsgefahr? Windhager: Diese Frage wird sehr oft gestellt. Im Zusammenhang mit Haftungsfragen von Plattformbetreibern werden Persönlichkeitsrechte oft gegen die Meinungsfreiheit ausgespielt.
Im Glawischnig-Fall wurde besonders deutlich, dass es hier verschiedene Interessengruppen gibt: Auf der einen Seite das Persönlichkeitsschutzrecht, das im Widerspruch steht zu dem, was sich manche Plattformen mit Berufung auf selbsternannte Gemeinschaftsstandards anmaßen. Und dann kommen auch noch Verfechter der Meinungsfreiheit, die gegen eine Kontrolle und Regulierung von Plattformen lobbyieren.
medianet: Wie geht man damit um? Windhager: Ich halte die Meinungsfreiheit grundsätzlich sehr hoch und bin mir sicher, dass die Lösung darin besteht, dass man sich auch gegen unrechtmäßige Löschungen sehr schnell und effizient wehren können muss. Ich finde es problematisch, wenn die Abwägung zwischen Meinungsfreiheit und Persönlichkeitsschutz immer zugunsten von Plattformbetreibern vorgenommen wird, denn beide Grundrechte haben ihre Berechtigung.
Das andere ist, dass die Internationalität als Gefahr gesehen wird und die Befürchtung geäußert wird, dass wir uns Urteilen von irgendeinem fremden Rechtsregime unterwerfen müssen, mit dem wir überhaupt nicht einverstanden sind. Diese Befürchtung ist aus meiner Sicht nicht begründet, weil es zahlreiche Schutzmechanismen und Korrekturmöglichkeiten gegen die Umsetzung solcher Urteile gibt. Ich glaube also, dass dieses Problem keine große praktische Bedeutung haben wird.
medianet: Wir reden immer nur von Facebook, aber es gibt auch auf anderen Plattformen Foren. Ist das für alle anwendbar? Windhager: So ist es. Deshalb ist genau dieses Verfahren im Ausland mit mehr Interesse verfolgt worden, weil man versteht, dass das Glawischnig-Verfahren eine Messlatte für alle zukünftigen Verfahren sein wird. Alle werden sich daran orientieren, weil es das erste Urteil ist, das hier Antworten auf diese offenen Fragen geliefert hat.
Es war ein mühsamer Weg, der nur mit Unterstützung des Grünen Parlamentsklubs möglich war, und er ist auch noch nicht zu Ende, aber ich hoffe, dass sich die Situation für alle Betroffenen von Hass im Netz nun insgesamt verbessert.
Glawischnig-Piesczek vs. Facebook
Der Weg zum Urteil
2017 forderte Eva Glawischnig nach einer Welle von Hasspostings von Facebook, sowohl diese als auch wort- und sinngleiche Postings zu unterbinden. Das Handelsgericht Wien hat Eva Glawischnig nun fünf Jahre später im Musterprozess recht gegeben und entschieden, dass die Anfeindungen gegen die ehemalige Grünen-Chefin gelöscht werden müssen. Zudem muss Facebook das Urteil für sechs Monate auf der Startseite abrufbar halten. Die FacebookMutter Meta hat dieses Urteil am 2. Februar wider Erwarten akzeptiert.
Ohne Social Media geht nichts mehr
Die Frage ist daher nicht mehr ob, sondern wie intensiv und welche Social Media-Kanäle genutzt werden.
Studienpartner
Christoph Auböck, Head of Research Media1, und Sarah Schwarzinger, Junior Strategy & Business Innovation Manager Mediaplus Austria.
Gastkommentar
••• Von Christoph Auböck und Sarah Schwarzinger
WIEN. Welche Sozialen Plattformen sind bei den jüngeren Generationen derzeit angesagt? Und will jeder Nutzer auch ein Influencer sein? Die Studie „Generation Video 3.0“, die Mediaplus Austria und Media1 bereits zum dritten Mal durchgeführt haben, offenbart tiefergehende Details, wie die jüngeren Generationen YouTube, Instagram & Co. verwenden. Zwar zeigen sich zwischen den 14 bis 22Jährigen (Z) und den 23 bis 29Jährigen (Y) viele Parallelen, aber auch erkennbare Unterschiede.
Eindeutiger Gewinner
Am gravierendsten lässt sich die Abweichung in der Nutzung am „ältesten“ und am „jüngsten“ Kanal aufzeigen:
Während die Generation Y trotz einer rückläufigen Tendenz noch deutlich am Social MediaUrgestein Facebook hängt, ist diese Plattform beim Großteil der Gen Z out: Die 14 bis 22Jährigen sind stattdessen bevorzugt auf TikTok und Snapchat unterwegs. Vor allem TikTok hat seit 2019 bei den Jüngeren einen enormen Sprung nach vorn in der Nutzung gemacht: von 15 auf 52%. Bei den etwas Älteren hat sich die Verwendung in diesem Zeitraum zwar ebenfalls mehr als verdreifacht, das dann aber auf deutlich niedrigerem Niveau (von acht auf 26%).
Ein Social MediaKanal erfreut sich gleichermaßen hoher Beliebtheit: Sowohl Gen Z (88%) als auch Gen Y (90%) lieben YouTube mehr denn je, womit die Videoplattform auch als Gewinner aus der Coronapandemie hervorgeht.
Liken & geliked werden
Im Gegensatz zu vielen anderen Medienkanälen verleitet Social Media die jungen Zielgruppen dazu, sich aktiv einzubringen.
Einfaches BerieselnLassen ist allenfalls auf YouTube und auf Twitch angesagt, der Konsum der Videos ähnelt dann doch sehr dem des LeanbackMediums Fernsehen. Doch selbst auf YouTube lässt es sich ein knappes Drittel der Gen Zler nicht nehmen, die Beiträge regelmäßig zu liken.
Die jüngere Generation Y dagegen bleibt auf YouTube in jeglicher Hinsicht passiv. Ansonsten wird gepostet, kommentiert und geliked, was das Smartphone hergibt, sodass der Eindruck entsteht, dass in jedem Digital Native ein heimlicher Influencer steckt. Knapp zwei Drittel der Gen Z generieren regelmäßig Content auf Instagram. 60% teilen dabei Stories/Reels, 59% private und 51% öffentliche Bilder, 62% teilen ihre privaten Bilder auch gern auf Snapchat. 63% der 23 bis 29Jährigen tun Ähnliches auf Instagram, kommentieren aber grundsätzlich aktiver auf Facebook und Snapchat. Facebook ist damit das einzige SocialMedium, auf dem die Generation Y aktiver als die Jüngeren unterwegs ist.
Werbung wird übersprungen
Die Studie hat auch die Einstellung zu Werbung auf Social Media untersucht. Dabei weisen sowohl die Gen Y als auch die Gen Z einen ähnlichen Umgang damit auf: Zwei Drittel beider Zielgruppen überspringen Werbevideos für gewöhnlich, wobei hier die Devise gilt, je jünger, desto anfälliger für die Werbung. Denn während sich 35% der 14 bis 22Jährigen schon mal durch ein Werbevideo zum Kauf des Produktes verleiten ließen, scrollen knapp 40% der Älteren gleich weiter, wenn ein Video von einer Werbung unterbrochen wird.
Alles in allem beurteilen beide Altersgruppen Werbung in Social Media eher als unsympathisch, fragwürdig und vor allem als nervig.
Die nächsten Artikel dieser Serie widmen sich dem Thema Werbeakzeptanz der Gen X und Y näher.
© Niklas Schnaubelt © Lukas Jahn


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Gefestigt Auch für Radio Arabella weisen die Zahlen Erfreuliches aus 31 Nutzung Im Vergleich Privatsender gegen ORF führt dieser deutlich 34 Tausch RMS Top Kombi überholt ersmals den Konkurrenten Ö3 24

Neue Verbreitungswege bringen auch Wachstum
Neben klassischem Hörerzuwachs liefern auch digitale Kanäle für die einzelnen Sender ein schönes Plus.
© Sabine Hauswirth
Zahl der Woche
188 Minuten 6 Mio. Hörer
Beliebtes Medium
Die aktuellen Zahlen des Radiotest belegen es eindrucksvoll: Die Österreicherinnen und Österreicher in der Zielgruppe ab 10 Jahren verbringen täglich mehr als drei Stunden (188 min) mit dem Medium. Die Gattung Radio selbst erreicht täglich rund 6 Mio. Österreicherinnen und Österreicher.

Plus Die Antenne-Sender freuen sich laut Radiotest über 15 Prozent mehr Hörer.
Mehrheit Gut 72 Prozent der Nutzungszeit 28 entfallen auf die Radiosender des ORF.
© Ö3/Roman Pfeiffer
