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Kranke Industrie Die heimische Industrie ist weit von Normalauslastung entfernt

Ziemlich knapp vor der Intensivstation

Die heimische Industrie ist vor einem Winterhalbjahr mit großen konjunkturellen Herausforderungen nach wie vor weit von der Normalauslastung entfernt.

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••• Von Paul Christian Jezek

Die konjunkturelle Talsohle wurde im Sommer zwar erreicht, allerdings hat sich die Erholungsdynamik in den vergangenen Wochen deutlich verlangsamt.

„Grund dafür ist das wiederaufgeflammte Covid-19-Infektionsgeschehen, das die wirtschaftlichen Schäden vergrößert und die Industrie bis weit ins nächste Jahr hinein belasten wird“, fasste Christoph Neumayer, Generalsekretär der Industriellenvereinigung (IV), am 14. Oktober in einer gemeinsamen Pressekonferenz mit IVChefökonom Christian Helmenstein die aktuelle wirtschaftliche Situation zusammen:

Schon seit August ist eine Seitwärtsbewegung der wirtschaftlichen Aktivität zu verzeichnen. Mit steigender Intensität der europäisch und weltweit gesetzten Maßnahmen zur Eindämmung der Corona-Pandemie nimmt der wirtschaftliche Druck wieder zu, sodass die Industriellenvereinigung heuer gegenüber der April- und JuliPrognose nach wie vor unverändert einen BIP-Rückgang um

Das IV-Konjunkturbarometer

Aufwärtstrend

Das IV-Konjunkturbarometer als Mittelwert aus den Beurteilungen der gegenwärtigen Geschäftslage und der Geschäftslage in sechs Monaten hat sich von –9,0 Punkten auf +6,1 Punkte verbessert.

Alles ist relativ

Allerdings ist dieser Vorzeichenwechsel auf die deutliche Verbesserung des Geschäftsgangs im Vergleich zum zweiten Quartal zurückzuführen, während sich die Aussichten sogar wieder etwas eintrüben.

Pessimismus

Selbst auf dem derzeit weit unterhalb der Normalauslastung liegenden Aktivitätsniveau erwarten 19% der befragten Unternehmen eine Verschlechterung ihrer Geschäftslage auf Sicht eines halben Jahres.

Quelle: An der jüngsten Konjunkturumfrage der Industriellenvereinigung beteiligten sich 386 Unternehmen mit rund 248.000 Beschäftigten. Den Unternehmen werden drei Antwortmöglichkeiten vorgelegt: positiv, neutral und negativ. Errechnet werden die (beschäftigungsgewichteten) Prozentanteile dieser Antwortkategorien, sodann wird der konjunktursensible „Saldo“ aus den Prozentanteilen positiver und negativer Antworten unter Vernachlässigung der neutralen gebildet.

IV-Experten

IV-Generalsekretär Christoph Neumayer (l.), IV-Chefökonom Christian Helmenstein.

–7,6 Prozent im Vergleich zum Vorjahr erwartet.

Industrie ist stark betroffen

Die sektorale Betroffenheit hat sich während der letzten Monate beträchtlich verändert.

Mit einem Schaden von mehr als acht Mrd. € gehört die Industrie zu den drei von Covid-19 am stärksten betroffenen Wirtschaftsbereichen – nach den sonstigen Dienstleistungssektoren (persönliche Dienstleistungen, Transport, Kultur, Sport) und noch vor der Tourismuswirtschaft (Gastronomie, Beherbergung), die Wertschöpfungsverluste in ähnlicher Größenordnung verzeichnet. „Skepsis ob der weiteren wirtschaftlichen Entwicklung

28%

Besorgnis

Nur jedes fünfte Unternehmen hat bei der IV-Konjunkturumfrage von einer guten aktuellen Ertragslage berichtet, mehr als ein Viertel (28%) bezeichnet diese als schlecht. herrscht vor allem bei Industrieunternehmen mit einer hohen Exportquote sowie – paradoxerweise – besonders bei jenen mit modernen, sogenannten hybriden Geschäftsmodellen“, erläuterte Helmenstein.

Bei Letzteren ist der Absatz von Sachgütern mit Dienstleistungen erheblichen Umfangs, z.B. Wartungsleistungen oder Analytikdiensten, gekoppelt. „Bei diesen Unternehmen schlägt die nach wie vor unzureichende Erreichbarkeit insbesondere von Fernmärkten gleich dreifach negativ zu Buche: durch Ausfälle von Neu- und Folgeaufträgen, durch fehlende Deckungsbeiträge aus der Dienstleistungskomponente, da diese nicht vor Ort erbracht werden können, sowie in Form von Rechtsrisiken. Dies trifft zu, wenn Verfügbarkeiten zugesagt wurden, die unter Covid-Bedingungen jedoch nicht in jedem Fall eingehalten werden können“, so Helmenstein.

Impulse für den Arbeitsmarkt

„Die Corona-bedingte konjunkturelle Entwicklung hat naturgemäß Auswirkungen auf den heimischen Arbeitsmarkt. Nachhaltiges Wachstum ist der einzig mögliche Weg aus der Krise, auf dem Arbeitsplätze wiederaufgebaut werden können. Dafür braucht es Wachstumsimpulse“, betonte Neumayer.

Aus Sicht der Industrie gibt es fünf zentrale Hebel im Kampf gegen die Arbeitslosigkeit: 1. Konjunkturbelebung durch gezielte Wachstumsimpulse 2. Entlastung von Menschen und Unternehmen im Bereich

Steuern- und Abgaben, Bürokratie und Regulierung 3. Betriebsnahe Qualifizierungsmaßnahmen 4. Reform der Rot-Weiß-Rot-

Karte und Fachkräfteoffensive 5. Anreize bzw. Vermeiden von

Fehlanreizen bei der Arbeitslosenversicherung.

Auf dem weiten Land

In Niederösterreich stehen für die Industrie die Bekämpfung des Fachkräftemangels und die Erreichbarkeit der Fernmärkte im Fokus.

Verschlechtert

Nahezu die Hälfte (46%) der befragten nö. Industrieunternehmen geht von schlechteren Erträgen im nächsten halben Jahr aus. Unterm Strich sank der Bewertungssaldo hier von –27 auf –37 Prozentpunkte.

ST. PÖLTEN. Das IV-NÖ Konjunkturbarometer ist seit dem zweiten Quartal von –14,6 auf –6,0 Punkte deutlich gestiegen, befindet sich aber nach wie vor im negativen Bereich. „Wir befinden uns aktuell in einer sehr heiklen Phase. Die Betriebe unternehmen sehr viel, um ihre Beschäftigten vor der Ausbreitung der Covid-Pandemie zu schützen“, sagt Thomas Salzer, Präsident der Industriellenvereinigung Niederösterreich (IV-NÖ). „In den kommenden Wochen gilt es, sehr umsichtig miteinander umzugehen, um möglichst viele Ansteckungen und einen neuerlichen Lockdown zu verhindern.“

Bei den Detailergebnissen zur Konjunkturumfrage zeichnet sich ab, dass die Unternehmen in den nächsten Monaten Anpassungen beim Personalstand vornehmen werden müssen.

Fachkräftemangel bleibt

So rechnen etwa 42% der Unternehmen mit einem geringeren Beschäftigtenstand in den kommenden drei Monaten.

Mehr als die Hälfte (58%) geht von einem gleichbleibenden Personalstand aus. „Es gibt aber auch Betriebe, die nach Fachkräften suchen – vor allem im

ZURÜCKHALTENDE PROGNOSEN FÜR KOMMENDE MONATE

Langsame Erholung bemerkbar

Konjunktur

Immerhin gibt es auch positive Umfrageergebnisse: 40% der befragten Unternehmen bewerten ihre aktuelle Geschäftslage als gut, 28% als schlecht und 32% als durchschnittlich. „Damit stieg der Bewertungssaldo von –3 auf +12 Prozentpunkte“, erklärt IVNÖPräsident Thomas Salzer. Auch bei der Einschätzung des aktuellen Auftragsstands stieg das Barometer von +2 im Vorquartal auf +16 Punkte. Jedoch rechnen die Unternehmen überwiegend mit sinkenden Verkaufspreisen in den nächsten drei Monaten. Hier fällt der Saldo mit –26 Prozentpunkten (nach –30 im Vorquartal) deutlich negativ aus. (pj) technisch-naturwissenschaftlichen Bereich“, meint Salzer.

Die Verlängerung der Kurzarbeit mit der Phase 3 sei für die Industrieunternehmen sehr wichtig gewesen, und zwar „vor allem für jene Betriebe, die in den ersten Monaten noch einen Auftragspolster hatten und bei denen die Krise nun zeitversetzt ankommt“, so Salzer. „Trotzdem darf die Kurzarbeit in der aktuellen Form keine Dauereinrichtung werden. Wichtiger wäre hingegen eine zeitliche Ausdehnung der Investitionsprämie. Investitionen sind essenziell, um Wachstum zu generieren, sodass wieder mehr Arbeitsplätze geschaffen werden können“, so Salzer. Derzeit leben die Unternehmen vor allem von Inlandsaufträgen, während die Exportmärkte nach wie vor schwächer sind. „In den Fernmärkten fehlen unseren Betrieben neben Neuaufträgen auch Folge- und Montageaufträge“, klagt Salzer. „Dazu kommt eine hohe Planungsunsicherheit, wenn große Projekte, die bereits zugesagt wurden, aufgrund der CovidSituation doch nicht umgesetzt oder aufgeschoben werden oder Pönale-Zahlungen drohen, da Projekte durch Reisebeschränkungen nicht fristgerecht umgesetzt werden“, so Salzer. (pj)

„Digitalisierung muss in Krisen klappen“

Der Betrieb von BMD Systemhaus im Lockdown lief weiter. Wichtig waren das Homeoffice sowie das gute und gefestigte Betriebsklima.

WIEN. Zweihundertzwanzig Tage sind seit dem Lockdown vergangen. Grund genug für BMD Systemhaus-Geschäftsführer Markus Knasmüller, ein vorläufiges Resümee zu ziehen: „Für Unternehmen, die schon vor Corona ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern die technische Ausrüstung bereitstellten, war das Arbeiten im Homeoffice schnell umzusetzen. De facto lief die Zusammenarbeit sowohl mit den Kunden als auch im Unternehmen reibungslos weiter.“

BMD fasste lange vor Corona die Grundsatzentscheidung, den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern Hard- und Software zur Verfügung zu stellen, die auch firmenintern ein arbeitsplatzunabhängiges Arbeiten ermöglicht. „Im Lockdown hat sich dieser Schritt als goldrichtig bestätigt, da so für eine kurzfristige Umstellung der gesamten Firma auf Homeoffice bereits die notwendige Basis vorhanden war“, erläutert Romana Hausleitner, Leiterin Human Resources. „Trotzdem bedurfte die gleichzeitige Umstellung des ganzen Unternehmens innerhalb weniger Tage einer intensiven Leistung seitens der BMD Technik-Abteilung.“

Denn es ist ein großer Unterschied, ob wie vorher zehn bis 20 Prozent der 550 Mitarbeiterinnen

© Gabor Bota/BMD

Leiterin Human Resources Romana Hausleitner und Geschäftsführer Markus Knasmüller im Lockdown.

und Mitarbeiter in sechs Ländern im Homeoffice waren, oder in nur zwei Tagen 97 Prozent der Belegschaft. Natürlich bestand damals in manchen Abteilungen erhöhter Abstimmungsbedarf, weiters war eine dezentralisierte Arbeitsphilosophie noch nicht etabliert.

Kunden benötigen Krisensicherheit

„Gerade in Krisenzeiten kommt es für einen Softwaredienstleister darauf an, dass alles funktioniert

und die Kunden ungehindert weiterarbeiten können“, sagt Knasmüller. „Fakt ist aber auch, dass man den Ausnahmezustand nie gänzlich vorausplanen kann. Unser Anspruch ist es dennoch, dass unsere Kunden sich auch in turbulenten Zeiten auf uns verlassen können.“ Die Kundenbetreuung konnte mit gleicher Servicequalität weitergeführt werden, wenngleich sich auch die Methoden verändert haben.

Vor-Ort-Schulungen beim Kunden wurden remote durchgeführt, und der Großteil an Besprechungen lässt sich gut in SkypeKonferenzen umwandeln. Der reguläre Software-Support war zu den gewohnten Zeiten für die Anwenderinnen und Anwender erreichbar. im Büro“, erklärt Knasmüller. Überraschend war, dass Homeoffice auch in Bereichen funktionierte, von denen man sich anfangs dachte, dass es sich als schwierig gestalten könnte.

Als Beispiele führt Knasmüller Bewerbungsgespräche via Skype sowie die Einbindung neuer Kolleginnen und Kollegen an. Im Unternehmen hatten sich sehr schnell neue Möglichkeiten für Sozialkontakte wie „virtuelle gemeinsame Mittagspausen“ und „After Work Calls“ entwickelt. Abschließend meint Knasmüller: „Geschäftsführerinnen und Geschäftsführer sollten vor dem Homeoffice keine Angst haben.“

Positive Erfahrungen mit dem Homeoffice

„Wichtig ist ein gutes und gefestigtes Betriebsklima, da die Kommunikation mit den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern im Homeoffice anders funktioniert als

BMD Systemhaus GesmbH

Sierninger Straße 190 A-4400 Steyr +43 50 883 oder bmd@bmd.at www.bmd.com

ANTRIEBSSYSTEME

Zoerkler setzt auf Industrie 4.0

JOIS. Die Zoerkler Gears GmbH & Co KG hat in den letzten Monaten ihre Kapazitäten durch neue Fertigungsprozesse sowie die Aufrüstung der Produktion zur Serienfertigung von Antriebssystemen erweitert.

AUTOMATISIERUNG Auszeichnung für Zulieferer

GRAMBACH. PIA Automation Austria versorgt bereits seit vielen Jahren American Axle & Manufacturing, einen der weltweit führenden Automobilzulieferer, mit Produktionsanlagen und Präzisionsmesssystemen.

PIA wurde jetzt mit dem „Supplier Excellence Award“ honoriert: Geschäftsführer Nikolaus Szlavik (l.) und Andreas Stugger (Head of Sales & Customer Service) setzen neben Powertrain, EMobility und Industrie 4.0 den Fokus nun verstärkt auf Kundenservice.

© PIA Automation Austria

MEHR PHOTOVOLTAIK

Neuer Mix in Sachen Ökostrom

PFAFFENSCHLAG. Die Waldviertler WEB Windenergie AG will verstärkt auf Solarenergie setzen: 80% Windkraft, 20% Sonne.

In der Pipeline gibt es Entwicklungsprojekte von mehr als 1.500 MW. (pj)

Wenn Kloster- auf Korneuburg trifft

Ein Tunnel unter der Donau soll die Versorgungssicherheit für die beiden Stadtgemeinden nachhaltig erhöhen.

© Daniela Matejschek

KLOSTERNEUBURG/KORNEUBURG. Alles andere als alltäglich ist das neueste Bauvorhaben der EVN AG: Mittels eines Tunnels unter der Donau sollen die Versorgungssysteme der beiden Stadtgemeinden miteinander verbunden werden. Immerhin hat die weltweite Coronakrise u.a. auch gezeigt, wie wichtig es ist, die regionale Versorgungssicherheit zu erhöhen.

Für das Verlegen der unterschiedlichen Leitungen, also Trinkwasser, Naturwärme, Internet, Strom und Gas investiert die EVN rund 10 Mio. €.

Damit sollen die Versorgungssicherheit in einer stark wachsenden Region zusätzlich verbessert und der Ausbau der nachhaltigen Energieversorgung weiter vorangetrieben werden.

Die beiden Schwesterstädte waren lange vereint und wurden

erst gegen Ende des 13. Jahrhunderts in „Neuburg klosterhalben“ (Klosterneuburg) und „Neuburg markthalben“ (Korneuburg) getrennt. Nun sollen die beiden Stadtgemeinden durch das zukunftsweisende LeitungsInfrastrukturvorhaben wieder näher zusammenwachsen.

Donautunnel im Detail

Der rund 450 m lange Tunnel mit einem Innendurchmesser von zwei Metern soll auf Klosterneuburger Seite am nördlichen Rand der Rollfährensiedlung beginnen und auf Korneuburger Seite in Tuttendörfl enden.

Der Tunnel wird im RohrVortriebverfahren mit einem Radius von 1.600 m gebohrt, d.h. die Bohrung verläuft nicht gerade, sondern in „Bananenform“, mit einer Überdeckungshöhe bis zur Donausohle von ca. 5 m im Ufer

Alle Druckhäuser auf einen Blick

Verbindung

Stefan Schmuckenschlager, Bürgermeister von Klosterneuburg, Stefan Szyszkowitz, Vorstandssprecher der EVN AG, Christian Gepp, Bürgermeister von Korneuburg (v.l.).

bereich und max. 11 m in der Donaumitte.

Um die Transportwege zu minimieren, wird das TunnelAbraummaterial für die Errichtung eines Wildrettungshügels in der Klosterneuburger Au verwendet. Wenn alle behördlichen Genehmigungen vorliegen, kann frühestens im Mai 2021 mit den Bauarbeiten begonnen werden, die rund ein Jahr dauern sollen. „Für uns ist das Projekt eine wichtige, langfristige Infrastrukturinvestition“, erklärt EVNVorstandssprecher Stefan Szyszkowitz. „Beide Gemeinden befinden sich in absoluten Wachstumsregionen. Da müssen wir rechtzeitig vorsorgen, um neuen Einwohnern und Unternehmen zukunftsfähige Infrastruktur garantieren zu können. Und im Jahre 2020 bedeutet das: sicher und nachhaltig.“ (pj)

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