Programmheft »Ariadne auf Naxos«

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ARIADNE AUF NAXOS Richard Strauss


INHALT

Die Handlung

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Synopsis in English

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Über dieses Programmbuch

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Ariadne auf Naxos lebt von Subtilitäten → Premierendirigent Franz Welser-Möst im Gespräch

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Theater braucht das Lebendige, Irrationale und Widersprüchliche → Regisseur Sven-Eric Bechtolf im Gespräch 19 Hugo von Hofmannsthal → Arthur Kahane

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Mythos der Ariadne

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Die Entstehung der Ariadne → Andreas Láng

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Briefe

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Stilzitate in Strauss’ Ariadne auf Naxos → Michael Walter

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Der große Verwandler → Andreas Láng

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Klage der Ariadne → Friedrich Nietzsche

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Ariadne und Zerbinetta → Oliver Láng

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Auf dem Weg zu Ariadne... → Kurt Schwertsik

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Wiener Aufführungsgeschichte → Oliver Láng

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Musik ist eine heilige Kunst! Komponist, Vorspiel


ARIADNE AUF NAXOS → Oper in einem Aufzug nebst einem Vorspiel, op. 60 Musik Richard Strauss Text Hugo Laurenz August Hofmann, Edler von Hofmannsthal

Vorlage Le bourgeois gentilhomme, comédie-ballet in fünf Akten von Molière und Jean-Baptiste Lully (1670) Orchesterbesetzung 2 Flöten, 1 Piccoloflöte, 2 Oboen, 2 Klarinetten, 2 Fagotte, 2 Hörner, 1 Trompete, 1 Posaune, Pauken, Schlagwerk, 2 Harfen, 1 Klavier, 1 Harmonium, Celesta, Violine I, Violine II, Viola, Violoncello, Kontrabass Spieldauer Vorspiel 45 Minuten Oper 1 Stunde 20 Minuten Autograf/Manuskript Richard-Strauss-Archiv Garmisch-Partenkirchen Nachträge, Änderungen: Fürstenbergische Hof-Bibliothek Donaueschingen Uraufführung der 1. Fassung 25. Oktober 1912 (Hoftheater Stuttgart, Kleines Haus) Uraufführung der 2. Fassung 4. Oktober 1916 (Wiener Hofoper) Uraufführung der 3. Fassung 9. April 1918 (Deutsches Theater Berlin)




DIE HANDLUNG Vorspiel Die Bediensteten des reichsten Mannes von Wien sind damit beschäftigt, die Bühne für eine geplante Vorstellung im Palais ihres Herrn herzurichten. Hinter den Kulissen treffen die beiden engagierten Truppen ihre Vorbereitungen: Die eine soll das Erstlingswerk eines jungen Komponisten, die Oper Ariadne auf Naxos, zur Wiedergabe bringen, die andere eine Tanzmaskerade in italie­nischer Buffo-Manier. Schon die gegenseitige Eifersucht zwischen den Mitgliedern der beiden Truppen lässt die Emotionen hochgehen. Wie viel mehr erst die unerwartete und unfassbare angeordnete Programmänderung, die der Hausherr, vertreten durch seinen Haushofmeister, mitteilen lässt: Auf seinen Wunsch hin sollen die beiden Bühnenstücke nicht nacheinander, sondern gleichzeitig den geladenen Gästen präsentiert werden. Bis ins Tiefste getroffen, möchte der Komponist, dem es um die wahrhafte Umsetzung seiner künstlerischen Weltanschauung geht, seine Schöpfung zurückziehen und auf die erste öffentliche Darbietung verzichten. Doch der praxisorientierte Musiklehrer und vor allem die in allen Verführungskünsten bewanderte Zerbinetta, die den lebensunerfahrenen jungen Komponisten im Nu zu bestricken weiß, erwirken bei ihm einen Sinneswandel: Mit einem emphatischen Hymnus auf das Wesen der Musik beugt sich der Komponist der Realität und den Anweisungen des Auftraggebers. Die Oper Ariadne auf Naxos wird somit in der gewünschten Form, mit Einlagen einer italienischen Komödiantentruppe, aufgeführt.

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DIE H A N DLU NG

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Oper Vor einer Höhle an den Gestaden der Insel Naxos wartet Ariadne auf den Tod, da sie von Theseus, ihrem Geliebten, verlassen wurde. Und so hört und achtet sie auf nichts mehr um sie herum: nicht auf die drei Nymphen, nicht auf die Komödianten, die sie aufheitern wollen, auch nicht auf Zerbinetta, die in einer halsbrecherischen Arie der Trauernden aus reicher Erfahrung rät, dem Entschwundenen keine Träne nachzuweinen und offen für eine neue Liebe zu sein. Da naht aus der Ferne ein strahlender Jüngling, Bacchus, der Gott der ewigen Erneuerung. Er kommt aus den Armen der Zauberin Circe, bei der er nicht finden konnte, was er suchte. Ariadne, ihn für den Todesboten haltend, geht ihm entgegen und entbrennt sogleich, ohne es sofort zu bemerken, in ekstatischer Hingabe, die vom Gott erwidert wird. Durch den jeweils anderen verwandelt und wie neu geschaffen, können Ariadne und Bacchus als geradezu mystisch vereintes Paar die Oper beschließen.

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DIE H A N DLU NG


SYNOPSIS Prologue The servants of the richest man in Vienna are busy preparing the stage for a performance in their master’s palace. Behind the scenes the two troupes hired for the occasion are making their preparations: the one troupe is to present its rendition of the first work by a young composer, the opera Ariad­ne auf Naxos, the other a dance masquerade in Italian buffo style. The mutual jealousy between the members of the two troupes causes emotions to run high. Much more so the unexpected and incomprehensible programme change that the host, represented by his Majordomo, announces: at his wish, the two performances will not take place consecutively, but are to be presented simultaneously to the invited guests. Deeply distressed, the Composer, who is concerned about the accurate realization of his artistic vision, wants to withdraw his creation and abandon the first public performance. But the pragmatic Music Master and above all Zerbinetta, who is adept in all the skills of seduction and in no time has the inexperienced young Composer in her sway, persuade him to change his mind. With an emphatic hymn to music, the Composer bows to reality and the instructions of his patron. The opera Ariadne auf Naxos is accordingly performed in the desired manner, with interludes by a troupe of Italian comedians.

SY NOPSIS

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Opera In front of a cave on the beaches of the island of Naxos, Ariadne awaits her death, as she has been deserted by Theseus, her rescuer and lover. And so she does not hear or pay attention to anything around her: not the three nymphs, not the comedians who try to cheer her up, not even Zerbinetta, who based on her rich experience in a breakneck aria advises the grieving Ariadne not to shed a tear over her vanished lover and to be open to a new love. A radiant youth approaches from afar: Bacchus, the god of eternal renewal. He has just fled from the arms of the enchantress Circe, where he was unable to find what he was looking for. Ariadne, taking him for a messenger of death, goes to meet him and immediately, without realizing it, becomes inflamed with an ecstatic passion that is reciprocated by the god. Each transformed by the other and as if newborn, Ariadne and Bacchus conclude the opera as a well-nigh mystically united couple.

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SY NOPSIS


ÜBER DIESES PROGRAMMBUCH

So zufrieden und beglückt Strauss und Hofmannsthal nach Beendigung der zweiten Fassung der Ariadne auf Naxos auch waren – viele halten es für das beste Werk der kongenialen Künstlerpartnerschaft –, so mühsam war der Weg der Entstehung. Die erste Fassung, bei der die einaktige Oper Ariadne auf Naxos im Anschluss an Molières Der Bürger als Edelmann gespielt wurde, zeigte sich im Alltag als wenig tauglich. Also schufen Strauss und Hofmannsthal anstelle des Molière-Stückes jenes Vorspiel, das die unmittelbar vor der Aufführung der eigentlichen Oper Ariadne vorangehenden Minuten »im Haus des reichsten Mannes von Wien« beschreibt. Ab Seite 34 beschreibt Andreas Láng den Weg von der Uridee und der Stuttgarter Uraufführung 1912 über die erfolgreiche zweite »Wiener« Fassung 1916 bis hin zur dritten Version des Werks. Auszüge aus dem Briefverkehr des Librettisten und Komponisten (ab Seite 38) geben Einblicke in die Schaffens-Werkstatt und das komplexe Verhältnis der beiden Meister zueinander. Arthur Kahane, unter anderem Dramaturg Max Reinhardts, wirft ein erhellendes Schlaglicht auf den Dichter Hofmannsthal (ab Seite 26), der der Oper zugrundeliegende Mythos der Ariadne wird auf Seite 32 kurz angerissen. Auf Aspekte der Musik, aber auch des spezifischen Hofmannsthal’schen Tonfalls geht Premierendirigent Franz Welser-Möst (ab Seite 12) ein, der Musikwissenschaftler und Strauss-Experte Michael Walter reflektiert ab Seite 44 über den Einsatz von Zitaten und die Verwendung von bekannten musikalischen Erfahrungsräumen in der Strauss’schen Partitur. Dass für Richard Strauss der Topos der Transformation – in vielerlei Hinsicht – ein zentraler war, wird nicht nur in Bezug auf sein Musiktheaterwerk nachgezeichnet (ab Seite 50), auch der Regisseur der Produktion, Sven-Eric Bechtolf, kommt in einem Interview ab Seite 19 auf dieses Thema zu sprechen. Und der große österreichische Komponist Kurt Schwertsik beschreibt ab Seite 68 seine, viele Jahrzehnte umfassende, persönliche Annäherung an Strauss und dessen Ariadne. ÜBER DIESES PROGR A M MBUCH

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Harlekin → Ariadne auf Naxos

Lieben, Hassen, Hoffen, Zagen, Alle Lust und alle Qual, Alles kann ein Herz ertragen Einmal um das andere Mal.




ARIADNE AUF NAXOS LEBT VON SUBTILITÄTEN

Premierendirigent Franz Welser-Möst im Gespräch


Karl Böhm hat einst Ariadne auf Naxos als persönliche Lieblingsoper apostrophiert. Können Sie nachfühlen, warum gerade dieses Opus aus dem Strauss’schen Œuvre für Böhm einen so wichtigen Stellenwert innehatte? Diese Klassifizierung Karl Böhms ist sicherlich eine private, aber zugleich eindeutig eine künstlerische Feststellung. Also die Meinung eines großen Interpreten, dem Mozart sehr nahestand und der, wie ich vermute, durch den Umstand, dass sich in der Ariadne gar nicht wenige mozartische Aspekte finden lassen, einen ganz besonderen Zugang zu diesem Werk fand. Wobei Böhm, wie wohl die meisten Dirigenten – mich nicht ausgenommen –, grundsätzlich alle Strauss-Opern gerne dirigiert hat. Bei mir selbst konnte ich zudem feststellen, dass mich einmal dieses, dann wieder jenes seiner Werke besonders intensiv ergreift – so hatte ich zum Beispiel einmal eine richtiggehende Elektra-Phase. Jetzt nimmt naturgemäß die Ariadne einen außergewöhnlichen Platz ein. WELSER-MÖST

Inwieweit ist die Qualität des Librettos für einen Dirigenten von Belang? Anders gefragt: Macht es für Sie, von der Musik abgesehen, einen Unterschied, ob Sie eine Strauss-Oper mit einem hofmannsthal’schen Text oder mit einem von Joseph Gregor dirigieren? Und was für einen Unterschied es macht! Ich habe den Sängern schon im Vorfeld zu den Proben unserer Ariadne-Neuproduktion gesagt: Passen Sie auf! Der Tonfall, dieser eigentümliche hofmannsthal’sche Tonfall muss immer erhalten bleiben, muss immer zu seinem Recht kommen, da er sich auch in der Musik ausdrückt – ganz besonders im Vorspiel. Es handelt sich ja um diesen ganz speziellen wienerischen Redetonfall des Großbürgertums im Fin de Siècle, der sich übrigens deutlich von jenem der Aristokratie unterschied. Ich habe noch die Art und Weise der Sprache meines Großonkels Josef Wild, der am Neuen Markt im ersten Wiener Gemeindebezirk ein Delikatessengeschäft besaß, im Ohr. Es war genau dieser von Hofmannsthal nachempfundene Stil der Sprache. Man hört ihn im Grunde auch in allen Wiener Schauspielaufnahmen beziehungsweise Schauspielaufzeichnungen etwa mit einem Attila Hörbiger oder Rudolf Leopold. Und dieser Tonfall ist Teil des musikalisch farblichen Ausdrucks. Es geht also um viel mehr als um die Frage, an welcher Stelle ich ein Rubato, eine Fermate und Ähnliches mache. Es geht vielmehr darum, die Nähe zwischen der Wiener Klassik und dem klassizistischen Richard Strauss auszumachen respektive hörbar und fühlbar zu machen. Gerade heute, in der Zeit der allgemeinen Internationalisierung, braucht es schon gelegentlich sehr viel Vorbereitungsarbeit, um den dies­bezüglichen Ansprüchen gerecht zu werden. FWM

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FR A NZ W ELSER-MÖST IM GE SPR ÄCH


Ariadne auf Naxos weist ein recht kleines Orchester auf. Hat man es da als Dirigent leichter, immerhin besteht kaum Gefahr, die Sängerinnen und Sänger zuzudecken? Die Ariadne stellt ganz andere Herausforderungen an den Dirigenten. So sollten die beiden Aspekte, hie Komödie da Heroische Oper, nahtlos miteinander verbunden werden – das fängt schon in der Orchestereinleitung zum Vorspiel an. Weiters bedarf es eines profunden kapellmeisterlichen Handwerks, um diesen rezitativischen Duktus des Vorspiels gut hinzubekommen. Und der vorhin erwähnte mozartische Aspekt verlangt eine Leichtigkeit, einen stetigen Fluss des musikalischen Geschehens. Und was das kleine Orchester betrifft: Wir alle wissen um die großartige Orchestrierungskunst von Richard Strauss, und Marcel Prawy hat nicht umsonst auf die Erstaunlichkeit hingewiesen, dass die letzten Minuten der Oper so klingen, als ob nicht 38, sondern 80 Musiker im Orchestergraben sitzen würden. FWM

Hofmannsthal arbeitet in der Ariadne mit sehr viel Ironie, die Strauss aufgegriffen hat. Wie setzt man diese als Dirigent um, verstärkt man sie, oder lässt man sie unbetont? Ich finde es immer furchtbar, wenn Interpreten mit dem Holzhammer auf etwas hinweisen möchten, plakativ werden. Leider kommt es heutzutage einem Gegen-den-Strom-Schwimmen gleich, wenn man auf Subtilität setzt. Aber Ariadne auf Naxos lebt von solchen Subtilitäten. Die Harlekintruppe der Zerbinetta etwa ist auf keinen Fall eine billige Jahrmarkttruppe, keine Oktoberfesttruppe. Nie darf dieses notwendige Maß an Eleganz verlorengehen. Nie darf die Komödie ordinär werden. FWM

Was dem Komponisten im Vorspiel widerfährt, war und ist Opernalltag. Spricht Strauss hier der Tatsache das Wort, dass Kunst ohne Kompromiss nicht möglich ist? Richard Strauss beharrte bei Uraufführungen seiner eigenen Werke immer ganz penibel darauf, dass alles ganz exakt so ausgeführt wurde, wie es die Partitur vorschrieb. Nach der Uraufführung hingegen verwandelte er sich dann in den Praktiker, der zu allen möglichen Kompromissen bereit war. Ich finde diese Einstellung interessant, da der Komponist im Ariadne-Vorspiel irgendwo sicher auch ein bisschen als Selbstporträt von Strauss zu verstehen ist. Ein Abbild dessen, der versucht, das Unmögliche möglich zu machen, nämlich sein Kunstwerk so aufzuführen, wie er es sich erträumt hat. Und auch wenn die Realität ihn vor die Wahl stellt, das Werk gar nicht oder nur unter den Bedingungen des Auftraggebers FWM

FR A NZ W ELSER-MÖST IM GE SPR ÄCH

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auf die Bühne zu bringen, gelingt dem Genie das Unglaubliche, beides wie gewünscht zu vereinigen: das Traurige und das Lustige, ohne dabei sich und das Werk zu verraten. Dass aber die letzten Takte der Oper musikalisch nicht dem Lustigen, sondern dem Schönen gelten, kommt dem Publikum wie den Interpreten irgendwie doch sehr entgegen? Selbstverständlich! Strauss wusste ja genau, wie er sein Publikum behandeln musste, was er ihm schuldete. In der Frau ohne Schatten etwa erklingt am Schluss der Chor der Ungeborenen – etwas Berührenderes kann man sich kaum vorstellen. Und in der Ariadne hören wir die drei unisono geführten Stimmen von Dryade, Echo und Nymphe eine Melodie singen, von der Strauss wusste, dass er diese nicht konterkarieren, diese Emphase nicht kaputtmachen darf. Sie ist der letzte Höhepunkt einer Wellenbewegung, die die gesamte Oper durchzieht und auf die der Hörer, wie auf einem Surfbrett, um es mit einem modernen Vergleich auszudrücken, zum Ziel getragen wird. Das ist ja immer das Geniale an den großen Komponisten, dass sie einerseits das Wissen und das Gespür für die notwendige Abfolge der Höhen und Täler dieser Wellenbewegung haben und andererseits auch wissen, nach welchem Höhepunkt ein Stück noch eine Fortsetzung verträgt beziehungsweise fordert und nach welchem Höhepunkt keine Steigerung mehr möglich ist. Dieses erste Zusammentreffen von Bacchus und Ariadne beispielsweise hat eine unglaubliche Wirkung. Natürlich hätte Strauss theoretisch schon hier aufhören können, aber er wusste, dass er dann musikalisch nicht alles zu Ariadne gesagt hätte. Um die finale Welle vorzubereiten, musste er daher folgerichtig etwas zurücknehmen. Die insgesamte Dramaturgie des musikalischen Aufbaus in der Ariadne ist also perfekt. FWM

Wie geht man als Dirigent mit diesen Wellen um? Muss man in die Höhen Emotionen investieren und die Täler quasi bloß verwalten? FWM

Es ist wie beim Autofahren: Es gibt den Geschwindigkeits­rausch, aber auch die Vernunft, wenn eine Kurve kommt. Strauss arbeitete grundsätzlich, also auch hier bei der Ariadne gerne mit allerlei stilistischen Zitaten. Ist es eine Aufgabe des Dirigenten, die verschiedenen Zitate dem Publikum so zu präsentieren, dass sie alle als solche erkannt werden?

Ich finde, dass das Publikum in erster Linie die Oper genießen soll. Es ist die Aufgabe der Interpreten, sich mit diesen Details auseinanderzusetzen und sie organisch im Gesamten zu verankern. Meines FWM

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Erachtens nach ist es nicht die Aufgabe des Dirigenten, den Zuschauern mit erhobenem Zeigefinger etwas unter die Nase zu reiben, wie: Hört, da kommt eine barocke Episode und dort eine klassizistische und dort eine hochromantische. Es ist gescheiter, man spielt nicht den Oberlehrer. Sie haben die Ariadne schon in Zürich dirigiert, verwenden Sie jetzt für die Neuproduktion in Wien dieselbe Partitur? FWM

Ja. Kann man sich von früheren Interpretationsansätzen lösen? Wie frei ist man, Neues zu versuchen?

Jeder Mensch macht im Laufe der Zeit Entwicklungen durch, und alles, was man tut, hat automatisch Auswirkungen auf alles, was man später machen wird. Das künstlerische Leben wie das gesamte Leben ist ein Mosaik, bei dem immer wieder ein neues Steinchen hinzugefügt wird. Seit ich die Ariadne zum letzten Mal dirigiert habe, stand ich unter anderem bei Neuproduktionen des Da-Ponte-Zyklus, einer neuen Zauberflöte, bei unserer Arabella, der Frau ohne Schatten, bei Wagner-Premieren am Pult, leitete viel symphonisches Repertoire von Strauss. Diese Auseinandersetzungen hinterlassen Spuren, sodass man an Werke, die man schon früher gemacht hat, anders herangeht. FWM

Gibt es Tendenzen, die dieses »anders« kennzeichnen? Man wird konzentrierter, man nähert sich immer mehr der eigentlichen Essenz an – ein Zeichen des Älterwerdens, des Reifens. In der Jugend ist man im Allgemeinen voller Energie, meint vieles zu wissen, obwohl man in Wahrheit nicht viel weiß. Und je älter man wird, desto mehr ergreift einen Demut, und je mehr Wissen dazukommt, umso größer wird die Erkenntnis, dass es noch vieles zu lernen gibt. Es ist wie beim Zwiebelschälen: Man versucht immer mehr an das Eigentliche heranzukommen und ver­schwendet dabei zugleich weniger Energie. FWM

Das Gespräch führte Andreas Láng vor der Premiere 2012

→ KS Stephen Gould als Bacchus, 2012

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THEATER BRAUCHT DAS LEBENDIGE, IRRATIONALE UND WIDERSPRÜCHLICHE Regisseur Sven-Eric Bechtolf im Gespräch

Inwiefern lassen sich die beiden Fassungen der Oper, also die Stuttgarter Urfassung und die üblicherweise, auch heute Abend gespielte Version aus 1916, miteinander vergleichen? Die beiden Versionen haben Ähnlichkeiten, sind aber dennoch sehr unterschiedlich. Wie etwa zwei sehr verschiedene, aber äußerst attraktive Schwestern. BECHTOLF

In vielen Werken lässt sich eine zentrale Sympathiefigur einfach ausmachen. Wie steht es damit bei Ariadne auf Naxos? Gibt es eine solche? Ich glaube, dass die Oper einen Helden und eine Heldin, einen Protagonisten und eine Antagonistin hat: den Komponisten und Zerbinetta; und im Laufe der Handlung gewinnt man natürlich auch Ariadne lieb. Aber unabhängig von mangelnden oder nicht mangelnden IdentifikaSEB

← Sven-Eric Bechtolf

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tionsfiguren ist die Oper Ariadne auf Naxos ein bisschen ein Konstrukt, das zu oft durch die Bearbeitungsmühle gegangen und dramaturgisch nicht ganz ausgewuchtet ist. Ich jedenfalls werde das Gefühl nicht los, dass speziell die Fassung von 1916 ein bisschen windschief zusammengebastelt wurde. Aber das macht ja nichts! Man muss sich halt überlegen, wie man damit umgeht – und wird es in hundert Jahren noch überlegen. Die dramaturgische Windschiefe ergibt sich aus den beiden unterschiedlichen Teilen des Abends? Unter anderem. Das Vorspiel und die Oper sind nicht konsequent ineinander verwoben, und man könnte zu Recht fragen: »Worum geht es hier eigentlich?« Als Zuschauer wird man auf eine falsche Fährte gelockt, man glaubt, dass auf der Bühne im zweiten Teil ein Chaos zu erleben sein wird, wenn die beiden Elemente »Opera seria« und »Opera buffa« zusammenstoßen. Dazu kommt es aber nicht wirklich. Es fängt zwar burlesk an, mit einem Blick hinter die Kulissen, auf die Eitelkeiten, die Diven, die Verstiegenheiten der Künstler und Auftraggeber, aber dieser mögliche fruchtbare Konflikt wird weder dramaturgisch noch musikalisch durchgehalten, stattdessen rückt doch die Problematik der Ariadne in den Vordergrund. Max Reinhardts Dramaturg Arthur Kahane hat in seinem Tagebuch des Dramaturgen behauptet, dass das Drama und das Theater zunächst überhaupt nichts miteinander zu tun haben. Das Theater wolle andere Dinge als das Drama, das die geistige Auseinandersetzung fordere. Das Theater sei dagegen beherrscht von Gefallsüchtigkeit und einer auf das Wort nicht angewiesenen Bildlust. Kahane formuliert den Vergleich, dass, ein Drama aufs Theater zu bringen, dasselbe sei, wie einer »Hure« das »Allerheiligste« anzuvertrauen. – Er attestiert allerdings, dass beide Partner aus dieser Mesalliance enorme Vorteile zögen. Das ist schlau! Denn das Theater braucht ja tatsächlich das Durchblutete, Lebendige, auch das Irrationale und Widersprüchliche, um überhaupt zu interessieren. Ariadne auf Naxos bringt immerhin diese entferntesten Enden des Theaters zusammen und freundlich betrachtet könnte man sagen, das Postulat lautet: Nur wenn diese beiden, auch fälschlich, zusammenkommen, geschieht – paradoxerweise – das Richtige. SEB

Inwiefern lassen Sie diese beiden Welten: erster Teil – zweiter Teil miteinander in Kontakt kommen? Ich versuche, mehr Querverbindungen zu schaffen, um den Opernteil dann doch ein bisschen zu stören. Es ist ja eben dieses Experiment der konstituierende Witz des Werks. Oder sollte es sein. Wenn E und U darin nicht kollidieren, dann ist etwas faul... SEB

SV EN-ER IC BECH TOLF IM GE SPR ÄCH

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Ariadne auf Naxos wird beherrscht vom Thema der Transformation... Hofmannsthal hat klug an Strauss geschrieben: Das Leben zwingt uns, uns zu verwandeln, aber niemals ohne Erinnerung, sondern immer eingedenk dessen, was und wer wir waren. Es ist unsere Aufgabe, uns dem Leben immer wieder neu zu öffnen – aber in Anerkennung des Gewesenen. Es geht in Ariadne um mehr als um trauernde Witwen oder Verlassene und Betrogene. Es geht um Transformation im Allgemeinen, um das Auflösen von Verhärtungen in der Kunst und im persönlichen Leben. Wer älter ist, wird diese Herausforderung kennen. SEB

Ich komme noch einmal zum Komponisten und zu Zerbinetta als Sympathieträger: Sind diese beiden ein Gegensatzpaar? Zerbinetta gibt uns keinen Anlass, sie nicht zu mögen – ein paar moralinsüchtige Zeitgenossen ausgenommen: Sie ist lustig, begnadet und auch ein bisschen traurig. Der Komponist wiederum ist ein jugendlich-naives Genie. Und wirklich unsympathische Figuren treten ja nicht auf. Der Garderoben-Tenor ist vielleicht gewöhnungsbedürftig, aber als Bacchus ist er schon wieder hinreißend. SEB

Ariadne auf Naxos ist natürlich auch eine Hommage an das Theater. Im Gegensatz zum deutlich später entstandenen Capriccio allerdings weniger abgeklärt. Ist die Oper aber wirklich nur Theater auf dem Theater? Sie ist dadurch mehr als das! Das Theater stellt alleine durch seine Existenz die Frage nach der Verbindlichkeit dessen, was wir Realität nennen. Wir gehen ins Theater oder ins Kino und wohnen einem Geschehen bei, von dem wir wissen, dass es nicht »echt« ist. Aber unsere Empathie, oder irgendwelche Spiegelneuronen, sorgen dafür, dass wir es – zumindest sekundenweise – für die Realität halten. Dieser Vorgang ist doch für tiefergehende Betrachtungen geeignet... SEB

Der Komponist mit seinem Glauben an das Heilige der Kunst: Verliert sich dieser im Laufe eines Künstlerlebens? Man sollte ein Anliegen haben. Und dieses Anliegen mit Leidenschaft vorbringen. Aber man darf dabei das Theater nicht vernachlässigen. Brecht hat einmal gesagt: »Einen Mann mit Gallenleiden müsse man für den Kaufmann von Venedig zunächst einmal interessieren.« Und das ist wahr! Irgendetwas muss ein Abend über sein Anliegen hinaus können, um SEB

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T HEAT ER BR AUCH T DAS LEBEN DIGE U N D W IDERSPRÜCHLICHE


wirksam zu werden. Das Theater muss ein Transformator sein, denn das am Papier sich Befindliche muss ins Leben zurück oder überhaupt erst hineingebracht werden. Da kann man nicht zu dogmatisch sein, zu eng denken! Wenn Theater gelingt, dann durch Generosität und Widersprüchlichkeit, nicht durch lineare Ausschließlichkeit. Im Leben ist es ja auch nicht anders. Das Gespräch führte Oliver Láng vor der Premiere 2012

→ Rachel Frenkel als Komponist und Erin Morley als Zerbinetta, 2017

T HEAT ER BR AUCH T DAS LEBEN DIGE U N D W IDERSPRÜCHLICHE

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Hugo von Hofmannsthal an Ottonie Gräfin Degenfeld, 1911

Neulich war das Begräbnis Mahlers. Ich stand an dem offenen Grab, in einem Gedräng von Menschen, warf Erde hinein, war unendlich traurig um ihn, fühlte ganz das Bittere Schwere des unwiederbringlichen Verlustes, dann im Weggehen verstand ich auf einmal, dass Menschen etwas verlieren


würden, wenn ich stürbe und vielleicht irgend jemand auch in dieser Weise um mich traurig wäre, wie ich um Mahler, mit dem ich nur einmal im Leben gesprochen habe. Die Unbegreiflichkeit unserer Existenz, wie die meinige, war mir in diesem Augenblick gar nicht drückend.


Arthur Kahane

HUGO VON HOFMANNSTHAL Es ist erschreckend lange her. Es war frühestes Mittelalter. Man stockt, es niederzuschreiben: 1890. Man hat sich gerade langsam ein paar Jahrzehnte lang an die Eisenbahn gewöhnt, die ersten Telephone begannen eben, den Begriff der Häuslichkeit zu demolieren, das Auto ratterte noch im Kopfe seines Erfinders, der gummigeradelte Fiaker erfüllte kühnste Rekordansprüche, die kapitalistische Weltordnung hatte außer ihren anderen Reizen fast noch den Reiz der Neuheit, zwei kleine Buchstaben k. k. lösten als österreichische Form des kategorischen Imperativs alle Probleme der Willensfreiheit, und der Unterschied der Geschlechter dachte noch nicht daran, aufgehoben zu werden. Wir allerdings glaubten, soeben die Zeit der letzten Modernität zu erleben: sozusagen die zwölfte bis dreizehnte Stunde der Weltgeschichte. Wir empfanden unsere Gegenwart nicht als heute, sondern als übermorgen: Was sollte noch darüber hinaus kommen, dann war’s eben aus. Ich hatte soeben das Gymnasium verlassen und übte fleißig meine zu diesem Alter gehörenden Führereigenschaften. Ich war der anerkannte Führer einer kleinen Gruppe junger Menschen, Gymnasiasten, einige Hörer (sonderbarer­weise!) der tierarzneilichen Hochschule, einige serbokroatische Studenten, die sich zu Verschwörungszwecken in dem dafür so geeigneten Wien aufhielten (wenn ich mich recht erinnere, hießen sie meistens Raditsch und sind heute die jugoslawischen Minister), die ersten schüchternen Engerlinge der Frauenemanzipation, einige junge Musiker, die sich anschickten, alles umzuschmeißen, und einige junge Leute, die schon die feste Absicht hatten, demnächst berühmt und Schriftsteller zu werden, außer dieser Absicht aber nichts. Wir waren alle Sozialdemokraten, aber schon ganz links. Wir hatten eine vollkommen fertige und definitive Weltanschauung, eine nicht vieles, sondern alles umfassende Weltanschauung, die so gebaut war, dass sie spielend jedes Problem jeden Gebietes unfehlbar lösen konnte. Geheimnisse gab es also nicht mehr für uns; denn wir besaßen den in alle Löcher passenden Schlüssel, jedes Geheimnis zu öffnen: die marxistische Geschichtsauffassung. Es konnte uns also nichts mehr passieren. Damals brach in Berlin Revolution aus. H UGO VON HOFM A N NST H A L

→ Hugo von Hofmannsthal

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Natürlich nur in der Literatur. Sie trug ihre Wellen bis nach Wien hinüber, die aber, als sie Wien erreicht hatten, bereits sehr sanft geworden waren. Nur in der Erotik waren wir über: Da kam nichts gegen uns auf. Da erschien ein schmales Bändchen: Gestern, ein Akt in Versen von einem gewissen Theophil Morren. Dieser Theophil Morren hieß aber gar nicht Theophil Morren, sondern Loris, und eigentlich hieß er auch nicht Loris, sondern Hugo von Hofmannsthal. Er durfte nämlich nicht unter seinem Namen schreiben, weil er noch Gymnasiast und den Gymnasiasten in Österreich das Dichten damals verboten war. Da es aber in Österreich für jedes Verbot auch einen Ausweg der Umgehung gibt, dichtete er doch und musste nur seine Sachen unter Pseudonymen erscheinen lassen. Dagegen hatten seine Professoren nichts, sondern waren vielmehr auf den Schüler stolz, der seiner Anstalt so viel Ehre machte, dass sein Name sogar in der Neuen Freien Presse stand, was in Wien wohl die höchste Sprosse der menschlichen Stufen­leiter bedeutete. Infolgedessen fing das ganze akademische Gymnasium zu dichten an. Diese ersten Hofmannsthal’schen Verse aber waren gleich so wunderschön, wie wir noch keine gelesen hatten, und ergriffen uns mit einer Süße, die wir bei keinem anderen Dichter fanden. Dabei stand von allen den Gedanken, die uns damals bis zum Sprengen füllten, gar nichts drin, sondern ganz andere Gedanken, die mit dieser Gegenwart gar nicht zusammen­zuhängen schienen, zeitlose, und doch fanden wir mit einem Male uns und unsere heimlichste Sehnsucht in ihnen stärker ausgedrückt als in irgend­einem der dampfenden Bücher jener Tage. Dann kamen in den modernen Zeitschriften Gedichte von ihm, ganz wenige, aber jedes einzelne wie ein köstliches Juwel, das man sich nur in edelsten Samt gebettet vorstellen möchte, ganz schwer von tiefen Gedanken und doch von einer himmlisch beglückenden, mozarten tanzenden Leichtigkeit der Form, Landschaften einer reichen und wehmütig bewegten Seele; und dann gab es die ersten Prosaaufsätze, in einer prachtvoll goethischen, höchst gepflegten Sprache, über einen erlesenen Dichter oder wenig gekannten Psychologen; und das alles bei aller Kultur und Tradition, ganz neu, überraschend, in seiner stillen Weise erregend durch Ton und Gehalt, von einer hohen Warte der geistigen Haltung, fern von Programmliteratur und Tagesrealität, und nur auf unsere besondere österreichische Art ausgesprochen und unsere besondere österreichische Art aussprechend. Da wussten wir, dass uns in diesem Knaben Loris der neue Dauphin der Dichtung geschenkt sei, und Hermann Bahr war der erste, der ihn erkannte und begrüßte. Damals lernte ich als Achtzehnjähriger den Sechzehnjährigen kennen. Natürlich in Wien und im Kaffeehaus. In dem sagenumflossenen Café Grien­ steidl, wenn meinen Lesern dieser Name etwas bedeuten sollte. Gleich nach der Vorstellung setzten wir uns abseits, weil wir einander anmerkten, dass wir einander etwas zu sagen hatten. »Etwas Gescheites kommt doch nur heraus, wenn man unter vier Augen spricht. Leute stören einen immer«, A RT H U R K A H A N E

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meinte Hofmannsthal. Mir war ungefähr ebenso zumute, wie dem Marquis Posa vor der großen Unterredung mit dem König, obwohl ich eigentlich der unendlich Ältere war und das Leben damals durch und durch kannte, das jenem doch höchstens das unbetretene Traumland einer genialen Intuition war. Aber ich hatte nichts Geringeres im Sinne, als in dieser ersten Unter­ redung den neuen Prinzen unserer Literatur kurzerhand für den Sozialismus, für das Proletariat und für die Revolution zu gewinnen. Was wäre das für ein Fang gewesen! »Ein wahrer Mordsbruder für die Bande«, schwebte es mir ganz unhofmannsthalisch vor. Ich will nur gleich vorweg bekennen: Es ist mir nicht sehr geglückt. Es stellte sich nämlich heraus, dass er mit dem Sozialismus als Wissenschaft gar nicht unvertraut war; dass er ihn aber lediglich von seiner geistesgeschichtlichen Seite ansah, ohne dafür oder dawider Partei zu nehmen; und dass ihn eben andere Dinge stärker beschäftigten. Diese Dinge waren: Bücher, Bilder, Ideen, Menschen; diese Dinge waren: Form und Inhalt; diese Dinge waren: Schönheit der Zeiten und der Einzelseele; waren: die große Persönlichkeit. Ist dies so wenig? Ist dies: Enge des Ästhetenhorizonts? Diese Dinge waren nicht, gewiss nicht: Programme und Parteibildungen. Der kultivierte Knabe stand jenseits von Partei und Programm, drüber: Und er riss mich mit hinauf. Das liebenswürdig Werbende seiner bald schnellen, bald wie vor Überfluss stockenden, wie im Vorübergleiten pointierenden Sprechweise faszinierte. Er hatte bereits den etwas nachlässigen Tonfall der jungen österreichischen Aristokraten und damals schon eine gewisse Nervosität in den ruckweisen Handbewegungen, besonders, wenn er mit den langen, schlanken Fingern über einen Schnurrbart strich, der noch nicht da war. Es war dieselbe Art von Grazie und Charme in seiner Jugend und in der Art, wie er sprach, als in dem, was er sprach: »Sagen Sie mir nur alles, was Sie gern haben!«, drängte er, und ich fragte ihn nach einem seltsamen Buche, über das er vor kurzem sehr schön geschrieben hatte, nach dem Journal intime des Schweizers Amiel, der raffiniertesten und unerbittlichsten Selbstanalyse, die es seit Kierkegaard gibt. Er erzählte, was ihn darauf gebracht hatte, und nannte den bürgerlichen Namen eines Literaten; »Wissen Sie,« sagte er so nebenbei, »ein Mann, der nicht viel kann, aber sehr viel kennt, und das sind die Leute, von denen man eine Menge hat, wenn man nicht zu viel von ihnen verlangt«. Dann sprach er von dem Buche. Es war wie geschaffen, die Bibel des Egotismus zu werden, wie man damals die Kunst der Selbstbeschauung und Selbsterkenntnis nannte, und kam dem Culte du moi, der in Wien sehr beliebt war, gefährlich entgegen. Hofmannsthal aber sprach ganz anders darüber, ganz unprogrammatisch, streng sachlich, etwa, wie man von einem guten Landschafter spricht, dessen Landschaft nur eben die menschliche Seele ist. Und nur zum Schluss sagte er: »Man darf sich nur nicht einbilden, selber so einer zu sein. Dann 29

H UGO VON HOFM A N NST H A L


werden solche Bücher eine Gefahr und bekommen etwas Hässliches, gefährlich Nahes. Aber je unähnlicher man sich vorkommt, umso mehr erfährt man von sich selbst. Und das kann doch nie schaden!« Wir sprachen von Österreich, das für ihn kein Völkerkonglomerat, sondern eine geliebte und unverlierbare Einheit war, und das er gegen meinen Internationalismus heftig verteidigte, und von Grillparzer, dem österreichischsten Österreicher, und kamen schließlich aufs Burgtheater. Gegen das auch er in einer Fronde stand wie wir Jungen damals alle. »Wenn sie wenigstens die französischen Tragiker spielen wollten statt ewig die faden Lustspiele! Aber wissen Sie, das macht das Gymnasium. Das Gymnasium hat etwas Ansteckendes. Ich glaube, die großen französischen Dichter sind viel schöner, als unsere Herren Professoren ahnen, und ich müsste sehr irren, wenn in ihnen nicht viel mehr von den lieben Griechen wäre als in dem ganzen Laokoon.« Und damit waren wir beim Gymnasium angelangt, das für den, der’s noch erleidet; ebenso wie für den, der’s eben überstanden hat, einen unerschöpflichen Gegenstand bedeutet. Trotz Kultur­niveau und Volksbeglückung. Ich war nach diesem ersten Gespräch sehr glücklich. Wie ich es nach jedem der vielen Gespräche war, die ich im Laufe vieler Jahre mit Hofmannsthal haben durfte. Ich wüsste von all den Menschen, denen ich begegnet bin, keinen, dem ich tieferen Einblick in das Geheimnis der Kunst verdanke als diesem. Aber wie vieles von dem, was Hofmannsthal weiß, ahnte Loris bereits! Aus: Tagebuch des Dramaturgen Arthur Kahane, 1928

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Harlekin → Ariadne auf Naxos

Musst dich aus dem Dunkel heben, Wär es auch um neue Qual! Leben musst du, liebes Leben, Leben noch dies eine Mal.


MYTHOS DER ARIADNE In der griechischen Mythologie war Ariadne die Tochter des kretischen Königs Minos (ein Sohn des Zeus) und der Pasiphaë, ihrerseits Tochter des Sonnengottes Helios. Als der Held Theseus auszog, den menschenfressenden Minotauros, der in einem Labyrinth auf Kreta hauste, zu töten, verliebte sich die Halbschwester des Minotauros, Ariadne, in ihn. Sie half Theseus, indem sie ihm einen Faden gab, mit dessen Hilfe er nach der Ermordung des Minotauros wieder aus dem Labyrinth herausfand. Gemeinsam mit Theseus floh Ariadne von Kreta nach Athen, wurde allerdings auf der Insel Naxos im Schlaf alleine zurückgelassen – und verzweifelte. Dort fand sie der Gott der Fruchtbarkeit, Dionysos (Bacchus), ein Sohn des Zeus. Dionysos, genannt der Zweimalgeborene, wurde von seinem Vater zunächst mit Persephone gezeugt, allerdings auf Befehl der Hera von den Titanen zerrissen, Zeus schluckte sein Herz und rettete es so. Gemeinsam mit Semele zeugte er seinen Sohn ein zweites Mal, rettete ihn abermals, als seine Mutter auf Betreiben der Hera den Feuertod starb. Zeus nähte das ungeborene Kind in seinen Schenkel ein und gebar ihn später. Dionysos verliebte sich auf Naxos in Ariadne und heiratete sie; als seine Gemahlin gebar Ariadne vier Söhne. Dann die schwierige Tür, die vormals keiner gewonnen, War auf der Jungfrau Rat mit gewickeltem Faden gefunden, Schiffte von hinnen alsbald, entführend die Tochter des Minos, Aigeus’ Sohn gen Naxos und ließ die Begleiterin grausam Dort am Gestade zurück. Der verlassnen und klagenden Jungfrau Nahete Bacchus zu Schutz und Umfangen, und dass sie für immer Stehe erhöht als lichtes Gestirn, so nimmt er die Krone Ihr von der Stirn und wirft sie empor. Die fliegt durch den Luftraum; Sieh, da werden im Flug die Juwelen zu leuchtenden Funken, Und sie erhalten die Statt, in Gestalt der Krone verbleibend, Zwischen dem knienden Bild und dem Träger der Schlange inmitten.

Aus dem 8. Buch der Metamorphosen von Ovid

→ Angelika Kauffmann, Die verlassene Ariadne (Ausschnitt), Öl auf Leinwand, vor 1782

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Andreas Láng

DIE ENTSTEHUNG DER ARIADNE

Die frühesten, (unbewussten) indirekten Spuren zu Ariadne auf Naxos legten Richard Strauss und Hugo von Hofmannsthal im ersten Akt des Rosenkavalier, genauer in jener Arie des Sängers, also des italienischen Tenors, die während des Levers der Feldmarschallin erklingt. Die entsprechenden Verszeilen entstammen nämlich Molières Bürger als Edelmann, der, gekürzt und bearbeitet, bekanntlich der ursprünglichen Fassung der Ariadne voransteht. Bei der konkreten Stoffsuche für die nächste Oper nach dem Rosenkavalier griff Hofmannsthal aber zunächst zu einem anderen Molière-Stück, zur Komödie La Comtesse d’Escarbagnas, das er als Rahmenstück für die Oper umzuarbeiten begann. Doch nach einigem Hin und Her – Max Reinhardt sollte eine Molière-Bearbeitung erhalten – kehrte Hofmannsthal von der Comtesse zum Bourgeois gentilhomme zurück. Nun sollte Ariadne als Opernvorstellung, in die Handlung des Schauspiels eingebunden und sie zugleich abschließend, quasi als Präsent an die eingeladenen Gäste von der reichen Hauptfigur Jourdain präsentiert werden. Was Hofmannsthal in seinem Libretto verhandelte, war nichts weniger als ein, wie er es nannte, »simples und ungeheures Lebensproblem: das der Treue« sowie die gegensätzlichen Einstellungen zu ihr: Hie Zerbinetta, die im Wechsel der Liebhaber das »Alltägliche« sieht, da Ariadne, die »nur eines Mannes Gattin oder Geliebte sein konnte« und sich schlussendlich dem Gott gibt, den sie für den Tod hält. (Interessant ist in diesem Zusammenhang eine biografische und inhaltliche Parallele: Hofmannsthal hatte wenig vorher zu einer, anhand vieler Briefe dokumentierten, Freundschaft mit der jungen Witwe Ottonie von Degenfeld gefunden, die nach dem A N DR EAS LÁ NG

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→ Nächste Seiten: KS Krassimira Stoyanova als Ariadne, 2012

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Tod ihres Mannes in eine tiefe Depression und Krise verfallen war. Gleich Bacchus, der Ariadne aus der weltabgewandten Betäubung herausholte, gelang es Hofmannsthal, die junge Degenfeld dem Leben wiederzugeben.) So sehr aber Hofmannsthal an dem Ariadne-Stoff hing, so sehr war Strauss’ diesbezügliches Interesse fürs Erste sehr enden wollend. Den handschriftlich abgefassten Entwurf des Textes las er nur sehr oberflächlich, die komplexe Tiefe des Inhalts erkannte er nicht und sah daher insgesamt in dem Projekt lediglich ein kleines Übergangswerk, gewissermaßen ein Nebenprodukt. Durch einen nichtssagenden Brief Richard Strauss’ über die Qualität des Librettos zutiefst verletzt, erklärte Hofmannsthal dem Komponisten daraufhin in einem Mitte Juli 1911 verfassten, berühmt gewordenen Brief die tiefere Bedeutung der Handlung. Solcherart entzündet, begann nun auch Strauss Gefallen an der Ariadne zu finden: Ein Jahr später war die Partitur fertig, wieder einige Monate später, am 25. Oktober 1912, konnte die Premiere stattfinden. Nicht, wie ursprünglich gedacht, in Max Reinhardts Deutschem Theater in Berlin, sondern im Kleinen Haus des Stuttgarter Hoftheaters. Über diese insgesamt sechsstündige Uraufführung, an der eine Vielzahl an Schauspielern und Sängern (unter anderem Maria Jeritza als Ariadne) mitwirkten, befanden nicht wenige, dass es sich um ein »Begräbnis erster Klasse« gehandelt habe. Eine Umarbeitung war die logische Konsequenz, so sehr Strauss auch am ursprünglichen Mischwesen Schauspiel-Oper hing. Bereits im Juni 1913 hatte Hofmannsthal das sogenannte Vorspiel fertiggestellt, in dem außer dem Haushofmeister keine einzige Sprechrolle mehr verblieb (selbst die ursprüngliche Titelfigur Jourdain war nur mehr fiktiv vorhanden), musste aber abermals warten, ehe Strauss bereit war, erneut in die Ariadne-Werkstatt zurückzukehren. In der heute allgemein üblichen Gestalt, in der das Vorspiel das Molière-Stück ersetzt, gelangte die Oper mitten im Ersten Weltkrieg am 4. Oktober 1916 an der Wiener Hofoper, der heutigen Staatsoper, zur Uraufführung. Am 9. April 1918 kam schließlich in Max Reinhardts Berliner Deutschem Theater die dritte Fassung zur Weltpremiere. Für diese letzte, heute kaum noch gezeigte Version, hatte Hofmannsthal die Molière-Komödie komplett neu bearbeitet und mit Schauspielmusiken von Strauss versehen (acht Nummern kamen aus der ersten Ariadne, zwei überhaupt von Lullys 1670 uraufgeführtem Bourgeois gentilhomme). Aus diesen wiederum stellte Strauss die Orchestersuite Bürger als Edelmann zusammen, die am 31. Jänner 1920 unter seiner Leitung vom Kammerorchester der Wiener Philharmoniker im Österreichischen Finanzministerium aus der Taufe gehoben wurde. Das Violinsolo hatte damals, nebenher bemerkt, der berühmte Geiger, Kammermusiker und Konzertmeister der Wiener Philharmoniker, Arnold Rosé gespielt.

DIE EN TST EH U NG DER A DR I A N E




BRIEFE

Hofmannsthal an Pauline Strauss RODAUN, 11. FEBRUAR 1916

So scheint mir, dass das Schicksal der Ariadne ein scheinbar ungünstigeres, in der Wahrheit aber weit schöneres hätte werden können, wenn ich darüber zu entscheiden gehabt hätte: Ich hätte ganz bestimmt das Werk damals nach der nicht geglückten Stuttgarter Aufführung von der Bühne zurückgenommen, vielleicht auf Jahre, und es dann erst als ein unberührtes, frisch herausgebracht. In einer einzigen Stadt, in Wien, ist nach meinem Sinne gehandelt worden – und das Resultat ist mir die größte Freude, und ich habe die schöne Aufführung nun selbst schon fünf- oder sechsmal gehört, und jedesmal hat sie etwas Festliches, wirklich Weihevolles. – Abermals muss ich sagen: Ich weiß nicht, ob es nicht weit bessere Politik gewesen wäre, die Ariadne nach dem abermals ausbleibenden Erfolg in Berlin in diesem Herbst für ein bis zwei Jahre resolut aus dem Repertoir zu nehmen und im Stillen zu lauern, bis man eine Besetzung in die Hand kriegt, mit der das Werk rein und wie neugeboren vor die Berliner hintritt. Dies alles schreibe ich nur so hin, weil Ihr so gütiger Brief mich zum Plaudern über diese Dinge anregt. Bezüglich der neuen Oper unterschreibe ich Ihre Worte: Man muss das Für und Wider sorgfältig und reiflich erwägen; wenn ich nur nicht die schnellen, jähen Entschlüsse von Dr. Strauss ein wenig fürchten gelernt hätte. Für Wien scheint ja manches zu sprechen: Doch spricht sehr Gewichtiges dagegen. Vor allem dies: dass von Wien aus eine Entscheidung, die ganz Deutschland akzeptiert, nicht fallen kann; nur den Misserfolg würde Deutschland als besiegelt akzeptieren, nicht den Erfolg. Dann: Nirgend findet Roller einen so schlechten Boden, nirgend die Dichtung einen so geringen guten Willen, so viel vorgefasstes Unverständnis wie in Wien. – Nun habe ich vielleicht mehr geschrieben, als die Zensur gestattet... BR IEFE

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Strauss an Hofmannsthal BERLIN, 6. APRIL 1916

Manuskript erhalten, wird nach Ihrem Wunsch alles sofort, wenn ich 23. April nach Garmisch komme, gemacht. Ich bin bis Ostern (mit Ausnahme des 17. April) hier und werde mich sehr freuen, mit Direktor Gregor über alles, was er wünscht, zu verhandeln. Zum 4. Oktober für Wien wird alles bereit sein: Hier soll Ariadne Ende Oktober folgen: Wien hätte also eventuell die erste Aufführung, wofür ich nur die offizielle Zustimmung des Grafen Hülsen einholen muss. Die Rolle des Komponisten (da die Tenore so fürchterlich sind) werde ich Fräulein Artôt übergeben, Sie müssen nur daran denken, wie wir ihr die Rolle eventuell noch mit einer kleinen Gesangsnummer ausgestalten können und dass Sie dem Komponisten zum Schluss noch eine kleine hübsche Soloszene (nach Ariadne!) hinzudichten: poetisch-melancholisch – vielleicht, dass er nach der Ariadne verzweifelt hervorstürzt: »Was haben Sie aus meinem Werke gemacht«, dann könnte der Haushofmeister erscheinen, dem armen Teufel das Honorar einhändigen, vielleicht der Graf erscheinen, ihm Komplimente machen, Annahme der Oper für die kaiserliche Oper in dieser Form (mit den Zerbinettaszenen) ankündigen oder was Ihnen sonst Hübsches einfällt und dann melancholisch-poetische Schlussbetrachtung. Bitte schicken Sie mir dies bald: Denn ich kann Frl. Artôt nur für die Sache gewinnen, wenn ich ihr so eine kleine Paraderolle präsentieren kann...

Hofmannsthal an Strauss RODAUN, 13. APRIL 1916

Ich überlege mir seit zwei Tagen Ihren Brief mit dem sehr überraschenden Schlussvorschlag hin und her, komme aber der Sache nicht näher, sondern ferner. Ich fürchte, hier hat Sie der Theateropportunismus total auf den Holzweg gebracht. Zunächst ist mir die Besetzung des jungen Komponisten mit einer Dame völlig gegen den Strich. Dieses Verniedlichen gerade dieser Figur, um die der »Geist«und die »Größe« wittern sollen, in eine immer leise operettenhafte Travestie, das ist mir, verzeihen Sie meine Offenheit, gräulich. Ich kann mir leider nur denken, dass unsere Auffassung dieser Figur hier sehr weit auseinandergeht, leider Gottes, wieder einmal, wie bei Zerbinetta! O Gott, wäre es mir gegeben, Ihnen das Eigentliche, Geistige der Figuren ganz deutlich zu machen. Andererseits bin ich ja nicht so verstockt, dass ich nicht verstünde, was Sie vermeiden wollen: den grässlichen Tenor! Ja, das verstehe ich schon. Immerhin: Dort gibt es zufällig die Artôt, aber wer soll das anderswo singen? Z.B. in Wien? Und dann: Wenn schon das Irrationale, dass Sie die Rolle einer Frau geben, dann dürfen Sie, um alles, die Rolle nicht nach der Besetzung hin richten, sondern eine besondere Frau, wie die Artôt, muss 39

BR IEFE



sich in das ernste Jünglinghafte der Figur hineinfinden, sonst ist die Taube in der Hand für den Sperling auf dem Dach vertan. – Und nun, ob Mann oder Weib – dieser Einfall für den Schluss ist geradezu entsetzlich, verzeihen Sie mir, lieber Dr. Strauss –, Sie haben diesen Brief in keinem guten Moment geschrieben. Denken Sie die Höhe der Stimmung, die mühsam erklommen ist, vom Anfang des Vorspiels an, immer höher, in die herrliche Oper hinauf, dann im Kommen des Bacchus, im Duett eine fast mystische Höhe. Und nun, wo die nötige Coda nicht mehr als ein Moment sein darf (so die ganz berühmten Schlussworte des Jourdain), und nun soll solcher Quark wieder sich breitmachen (auf dem breit liegt der Ton): der Haushofmeister, das Honorar und der Graf und Tod und Teufel! Und das alles, damit die Rolle ein Endchen länger wird! Dazu die stilistische Unmöglichkeit, nachdem das Höchste an Lyrik eben in der Oper selbst gegeben ist, nun in dem Rahmen wieder »Lyrisches« zu verlangen, damit das Charakteristische des Rahmens aufheben – wo doch einzig möglich ist, aus dem höchsten Lyrischen ins Charakteristische zurückzugleiten, zuerst durch die Masken, dann durch ein kurzes, charakteristisches Wort, gesprochen jetzt in Gottes Namen vom Komponisten, besser war’s ja aus Jourdains Mund –. Bitte schreiben Sie mir ein paar Worte express, dass Sie mich verstehen, mir wird ganz flau um Kopf und Magen, uns einmal so weit auseinander zu fühlen!

Strauss an Hofmannsthal BERLIN, 16. APRIL 1916

← Handschriftliche Notiz Hugo von Hofmannsthals: »Musik ist heilige Kunst zu sammeln alle Arten von Mut wie Cherubim um einen strahlenden Thron.« (sic!)

Warum werden Sie immer gleich so bitterböse, wenn wir uns mal nicht gleich verstehen: Sie tun ja gerade, als ob ich Sie niemals verstanden hätte! Über die Zerbinettafigur kann man schließlich zweierlei Meinung sein: Meine Vorschläge bezüglich des Schlusses der Ariadne waren doch nur ganz gedankenlose Vorschläge, die Sie ohne Besinnen in den Papierkorb werfen konnten, die doch nur den Zweck hatten, Sie zu veranlassen, sich mit den Schlussworten des Komponisten einmal ernstlich zu beschäftigen, wobei ich nicht wissen konnte, ob Ihnen für den Schluss nicht noch was besonders Hübsches einfallen würde, wenn ich Ihnen sagte, dass die Artôt es machen soll. Also für den Schluss machen Sie, was Sie wollen, nur machen Sie es bitte bald! Aber von der Artôt – als junger Mozart, etwa am Hofe von Versailles oder bei den Banausen des Münchner Hofes, für den [er] als 16jähriger Idomeneo komponiert hat, lasse ich mich nicht mehr abbringen: aus künstlerischen und praktischen Gründen. Ein Tenor ist unmöglich, schon deshalb, weil ich für den Bacchus schon nicht den Primo Tenore bekomme, weil er dem Intendanten zu teuer und dem Sänger diese Rolle schon zu klein und die beiden Buffos mit Brighella und Truffaldin beschäftigt sind. Ein erster Bariton singt mir den Komponisten nicht: Was bleibt übrig, als das einzige Sängergenre,

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BR IEFE


das in Aria­dne nicht vertreten ist, mein Rofrano, der überall in einer intelligenten Sängerin vorhanden: Berlin Artôt, Leipzig Sanden, Wien Schoder, München Krüger und zwanzig andere: Meistens die talentvollste Sängerin des Theaters, die sich auf die kleine Kabinettrolle freut, aus ihr was machen wird, was liegt daran, ob es schließlich etwas männlicher oder etwas niedlicher wirkt. Glauben Sie mir, der Rosenkavalier ist die einzig mögliche Besetzung für den jungen Komponisten, bedenken Sie doch, was ich für das Vorspiel sonst noch an Sängern brauche: Musiklehrer (Bass), Tanzmeister (Tenor), Offizier etc. Wir wollen doch nicht schon wieder etwas machen, was dann schließlich an Besetzungsschwierigkeiten scheitert oder von Sängern zweiten und dritten Ranges verpfuscht wird. Vergessen Sie doch nicht, dass die ersten Sänger doch nicht für die Opern lebender deutscher Komponisten vorhanden sind oder nur in Ausnahmefällen, sondern für Verdi, Meyerbeer und Flotow! Also bei der Artôt bleibt’s, und eine hübsche Rolle muss es werden! Punktum!

Strauss an Hofmannsthal GARMISCH, 1. MAI 1916

... Ich freue mich sehr, dass in Wien das Werk am 4. Oktober endlich kommt, und werde mein Möglichstes tun, dass alles klappt.

← Brief Richard Straussʼ an Hugo von Hofmannsthal

BR IEFE

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Hugo von Hofmannsthal → Terzinen über Vergänglichkeit IV

Zuweilen kommen niegeliebte Frauen Im Traum als kleine Mädchen uns entgegen Und sind unsäglich rührend anzuschauen, Als wären sie mit uns auf fernen Wegen Einmal an einem Abend lang gegangen, Indes die Wipfel atmend sich bewegen Und Duft herunterfällt und Nacht und Bangen, Und längs des Weges, unsres Wegs, des dunkeln, Im Abendschein die stummen Weiher prangen Und, Spiegel unsrer Sehnsucht, traumhaft funkeln, Und allen leisen Worten, allem Schweben Der Abendluft und erstem Sternefunkeln Die Seelen schwesterlich und tief erbeben Und traurig sind und voll Triumphgepränge Vor tiefer Ahnung, die das große Leben Begreift und seine Herrlichkeit und Strenge.


Michael Walter

»ALLES DAS, WAS NICHT GEFÜHL IST, MUSS IN DEN HINTERGRUND RÜCKEN«

Stilzitate in Strauss’ Ariadne auf Naxos


»Ich bin gerade dabei, den Bourgeois gentilhomme von Molière zu beenden, den mein lieber Mitarbeiter Hugo von Hofmannsthal auf zwei Akte reduziert hat. […] Statt des kleinen Balletts am Ende findet man eine kleine Oper, von der wir uns viel erhoffen. Die Musik erfordert Psychologie, damit sie sich leicht bewegt, und alles das, was nicht Gefühl ist, muß in den Hintergrund rücken.« So äußerte sich Richard Strauss in einem im Jänner 1912 veröffentlichten Interview mit René Delange in der französischen Zeitschrift Musica. Das war im ersten Teil wieder eine jener Bemerkungen, die Hofmannsthal zutiefst erbosten, der das Verhältnis zwischen ihm und Strauss genau andersherum sah, also den Komponisten als Mitarbeiter des Dichters betrachtete. Für Hofmannsthal war – und gerade bei Ariadne auf Naxos – der Text das zentrale und ästhetisch wirksame Element der gemeinsam mit Strauss verfassten Werke. Für diesen hingegen war das Wesentliche der gemeinsamen Werke die Musik. Erst die Musik machte die Texte Hofmannsthals zu Opern, deren wirkungsästhetisches Zentrum der Komponist zu verantworten hatte. Beide Ansichten prallten bei der Entstehung der Ariadne aufeinander, was zu einem gravierenden Zerwürfnis zwischen Strauss und Hofmannsthal führte, nicht zuletzt deshalb, weil Ariadne in der Presse üblicherweise als Werk von Strauss bezeichnet und Hofmannsthal nur am Rande erwähnt wurde. Der bedeutende Musikkritiker Paul Bekker stand mit seiner Meinung allerdings nicht alleine, als er 1912 nach der Uraufführung des Werks schrieb: »Derb gefaßt könnte man sagen: das Vorhaben, die alte Oper zu kopieren, ist den Autoren über ihre Absicht hinaus gelungen, in dem die Ariadne das Schicksal der meisten Opern teilt, einen schlechten Text und eine gute Musik zu haben.« Das Werk würde sich aber, so Bekker, dennoch seine Existenz auf der Bühne ertrotzen, weil Strauss ihm »soviel Blut und Eigenwärme« verliehen habe. Zwar kannte Bekker 1912 nur die Oper und nicht das später für die 1916 uraufgeführte Fassung komponierte Vorspiel, doch belegt seine Meinung, wie erfolgreich Strauss mit der Konzentration auf die leichte Beweglichkeit der Musik und »Gefühl« war. Letzteres war aber nicht in einem sentimentalen Sinne gemeint, sondern umfasste auch das Heitere. Bewusst wollte sich Strauss von Wagner abwenden: »Ihr Notschrei gegen das Wagner’sche ›Musizieren‹ ist mir tief zu Herzen gegangen und hat die Tür zu einer ganz neuen Landschaft aufgestoßen, in der ich, von Ariadne und besonders dem neuen Vorspiel geleitet, mich ganz ins Gebiet der unwagner’schen Spiel-, Gemüts und Menschenoper zu begeben hoffe«, schrieb Strauss im August 1916 an Hofmannsthal. Ariadne auf Naxos gehört operngeschichtlich gesehen zu einem Genre, das heute meist »Meta-Oper« genannt wird. Das sind Opern über Opern, das heißt Opern, deren Sujet die Gattung Oper selbst und die Konventionen der Werkentstehung ist. In der Regel handelt es sich hierbei um Satiren wie L’opera seria (1769) von Leopold Gassmann und Ranieri de Calzabigi oder Le convenienze ed inconvenienze teatrali von Gaetano Donizetti und Domenico 45

MICH A EL WA LT ER


Gilardoni. Der Text solcher Opern macht sich über die üblichen Usancen des Opernbetriebs und seine Auswirkungen auf die Oper lustig und übertreibt dabei bis zum Grotesken, um komische Wirkungen zu erzielen. In gleicher Weise verfahren die Komponisten mit den üblichen Stilelementen der Opera seria und deren Aufführungspraxis durch die Sänger. Librettisten und Komponisten gehen dabei keineswegs subtil vor, sondern vertrauen auf eine drastische, manchmal fast sketchartige Komik, die unmittelbar zum Lachen reizt. Strauss konnte einem solchen Muster aus zwei Gründen nicht folgen. Erstens war der Text Hofmannsthals so artifiziell, dass drastische musikalische Komik dem Text widersprochen hätte. Und zweitens stand Strauss’ Neigung zur subtilen Ironie dem nur plakativen Gebrauch von satirisch gemeinten Stilzitaten entgegen. Im Übrigen war der Komponist ohnehin der Meinung, dass Musik selbst nicht komisch sein könne. Die Komponisten des 18. und 19. Jahrhunderts hätten ihm widersprochen, allerdings waren die üblichen Mittel musikalischer Komik – Übertreibung und bewusste Form- und Stilverstöße – am Anfang des 20. Jahrhunderts kaum mehr realisierbar, weil sie feste, im Hörverhalten des Publikums verankerte Konventionen voraussetzten, die kaum noch vorhanden waren, wofür nicht nur Wagner, sondern auch Strauss selbst mit Salome und Rosenkavalier gesorgt hatten. Freilich, und das verbindet Ariadne auf Naxos mit dem Genre der »MetaOper«, greift auch Strauss auf die Technik des Stilzitats und des Abrufens von Hörgewohnheiten wie im alten komischen Genre zurück, verwendet beides aber nicht in komischer Weise. Am auffallendsten ist der Beginn des Lieds von Harlekin »Lieben, Hassen, Hoffen, Zagen«, bei dem die Melodie der ersten beiden Takte dem Andante grazioso aus Mozarts A-Dur-Klaviersonate KV 331 entnommen zu sein scheint. Bei näherem Hinsehen allerdings erweist sich, dass der punktierte Rhythmus sich bei Strauss (im Gegensatz zu Mozart) aus der Wortdeklamation ergibt und dadurch ungleichmäßig über die Takte verteilt ist (die Nymphe Echo nimmt den punktierten Rhythmus bezeichnenderweise nicht auf ), auch fehlt die für Mozarts Melodie charakteristische nachschlagende Sechzehntel im Sekundabstand. Die Ähnlichkeit der Melodie reduziert sich damit auf den die beiden Takte verbindenden Quartsprung, die Tonrepetitionen und die melodische Terzstruktur. Das ist weniger ein Zitat, als dass es das Aufgreifen der auf ihre Essenz reduzierten Grundstruktur von Mozarts Thema ist. Es ist, als wolle Strauss zeigen, wie man aus einer solchen Grundstruktur Musik unter den Bedingungen des frühen 20. Jahrhunderts machen konnte. Die Allusion auf Mozart wird schon in der zwischen F-Dur und f-Moll schwankenden Harmonisierung aufgehoben, und der bei Mozart nur latent vorhandene melancholische Gefühlsausdruck zum hervorstechenden musikalischen Inhalt gemacht, der nicht etwa Harlekins Stimmung wiedergeben soll, sondern der Reflex von Ariadnes Gemütszustand ist: »Es ist alles vergebens. Ich fühlte es während des Singens«, sagt Harlekin. Oberflächlich gesehen reagiert Harlekin auf die Situation der BühnenhandMICH A EL WA LT ER

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lung, musikalisch aber evoziert sein Lied ausgehend von der umgedeuteten, aber nicht unbekannten Stimmung des Mozart-Themas in den Zuhörern die Hoffnungslosigkeit der emotionalen Situation Ariadnes. Vorlage für das Terzett der Nymphen »Töne, töne, süße Stimme« ist Franz Schuberts Wiegenlied, op. 98/2. Strauss zitiert die Melodie der ersten beiden Takte, entwickelt diese dann aber, sich paraphrasierend immer weiter vom Zitat entfernend, fort, wobei er jedoch den Schubert’schen Tonfall in auffallend intensiver Weise beibehält. Das Schubert-Zitat erscheint musikalisch nicht überraschend, denn schon Bacchus zitiert bei »ich kann lächeln und ruhn« in der Mitte des Takts beginnend ein Motiv aus dem fünften Takt von Schuberts Lied, wobei die Melodietöne über »ruhn« ebenfalls eine weiterführende Paraphrase sind. Strauss hebt diese Passage hervor, indem er für den Sänger ein piano vorschreibt und die Instrumentation auf die beiden Harfen und eine Violine reduziert. Dieses piano wird allerdings in der Aufführungspraxis häufig ebenso ignoriert wie das nachfolgende piano über »tun« (»was war dein Wille an mir zu tun?«), dessen hohes a sängerisch schwer im piano zu realisieren ist. Die musikalischen Bezüge zwischen Bacchus und dem Nymphengesang werden durch das Fehlen der diffizilen dynamischen Schattierungen jedoch zerstört. Nach Bacchus’ leisem hohem a setzt Ariadne mit ihrem »Es greift durch alle Schmerzen« ein, und zwar »leisest«. Der Orchesterklang wird bis zum Ende ihrer Passage auf ein dreifaches pianissimo reduziert, die Töne der Streicher und Bläser befinden sich in der hohen Lage, sodass das Orchester fast verlöscht. Der Nymphengesang beginnt kaum lauter, im zweifachen Pianissimo und »leise, zaghaft«. Auch beim nachfolgenden Einsatz des Bacchus (»doch da ich unverwandelt«) wird der Orchestersatz nach dem forte des Anfangs sofort wieder ins pianissimo zurückgeführt. Die Szene des Zusammentreffens von Bacchus und Ariadne ist eine musikalisch leise Szene, bei der Strauss, alle lauten Akkorde umgehend, wieder zu einem leisen Tonfall reduziert und dies durch die Instrumentation verstärkt. Dies ändert sich erst beim fortissimo-Ausbruch des Orchesters vor Ariadnes »Theseus«-Ruf. Strauss komponiert hier nicht das »Gefühl« der handelnden Personen aus, sondern evoziert für die Zuschauer auf der Grundlage des Nymphengesangs die magische und entrückte Stimmung vor dem Moment des tatsächlichen Aufeinandertreffens von Ariadne und Bacchus. Was Strauss im Pariser Interview mit »Gefühl« meinte, war nicht die Veräußerlichung des Gefühls der handelnden Personen (ein Konzept, das etwa den Opern Puccinis zugrunde liegt), sondern die emotionale Entrückung der Zuhörer. Genau das aber war ein romantisches Konzept, weshalb es nicht verwunderlich ist, dass Strauss für diese Szene im Nymphengesang auf Schuberts ebenfalls eine entrückte Stimmung imaginierendes Lied zurückgriff. Dabei kam es gar nicht darauf an, dass das Zitat tatsächlich erkannt wurde (tatsächlich scheint das überwiegend nicht der Fall gewesen zu sein), denn es genügte, dass mit ihm als musikalischem Kern des Nymphengesangs ein Ausschnitt jenes musikali 47

ST ILZITAT E IN A R I A DN E AU F NA XOS


schen Gefühlsrepertoires beim Publikum abgerufen wurde, das sich seit dem frühen 19. Jahrhundert als Ansammlung von musikalischen Emotions-Topoi sedimentiert hatte (und heute noch vorhanden ist). Im Gegensatz zu seinen musikalisch illustrativen Verfahren, die darauf abzielten, dass die Zuhörer den Sinn der musikalischen Illustration rational nachvollziehen konnten, ging Strauss in Ariadne auf Naxos gerade den umgekehrten Weg und zielte auf jene Schichten des Hörerlebens, die am Beginn des 20. Jahrhunderts immer noch abrufbar waren, weil sich zwar die Bedingungen des modernen Komponierens geändert hatten, aber infolge des weiterhin aufgeführten historischen Repertoires die mit diesem verbundenen Gefühlsinhalte beim Publikum weiterhin als unreflektierte und unbewusst wahrnehmbare vorausgesetzt werden konnten. Das gilt selbst für den mit der Commedia dell’arte-Truppe verbundenen Gebrauch des Klaviers (während das Harmonium ausschließlich in der eigentlichen Oper verwendet wird), denn das Klavier war in der Oper noch am Ende des 19. Jahrhunderts durchaus kein unübliches Instrument. Es wurde in Werken mit Secco-Rezitativen als Ersatz für das Cembalo eingesetzt. Infolge der Repertoirestruktur der Opernhäuser waren dies aber wohl ausschließlich ältere komische Opern, an erster Stelle Rossinis Barbiere di Siviglia. Das Harmonium dagegen, von Strauss selbst auch in Salome und dem Rosenkavalier eingesetzt, war um 1900 typischerweise in der ernsten Oper zu hören, sei es Massenets Thaïs, Korngolds Tote Stadt oder Dvořáks Rusalka (wobei das Instrument für die Oper nicht neu war: Meyerbeer schrieb es in Dinorah ebenso vor wie Verdi in Don Carlos). Für die populären ernsten Werke, auch jene Wagners, existierten zudem Bearbeitungen für Harmonium für den Hausgebrauch. Mit der Verwendung von Klavier und Harmonium stellte Strauss also sicher, dass in den Ohren der Zuhörer aufgrund ihrer Hörerfahrung die beiden Sphären der Truppe Zerbinettas und der Opera seria über Ariadne und Bacchus nicht nur als unterschiedlich wahrnehmbar wurden, sondern auch jeweils das ›richtige‹ Genre mit ihnen assoziiert wurde. Obwohl Strauss in Ariadne auf Naxos personenbezogene Motive verwendet, verzichtet er auf ein Leitmotivnetz, denn dieses setzte wie in Wagners Werken oder in Elektra, in welcher Strauss Leitmotive exzessiv und in nur schwer nachvollziehbarer Weise verwendet hatte, das reflektierende Verstehen der Leitmotive beim Zuhörer voraus. Ariadne war im Gegensatz dazu tatsächlich eine »unwagner’sche Gemütsoper«, in der deshalb alles »leicht bewegt« war, weil Strauss den emotionalen Erfahrungsraum der Zuhörer als musikdramaturgisches Mittel verwendete. Die sensualistische Technik der Ariadne auf Naxos begründete für Strauss’ Opern jedoch keinen grundsätzlichen Stilwandel, vielmehr führte er den konzeptionellen Gegensatz zwischen Elektra und Ariadne auf Naxos dann in einem Werk zusammen, das er selbst als »Verbindung der Elektra mit der Ariadne« bezeichnete. Gemeint war damit die Frau ohne Schatten. ST ILZITAT E IN A R I A DN E AU F NA XOS

→ Jochen Schmeckenbecher als Musiklehrer und KS Krassimira Stoyanova als Ariadne, 2012

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Andreas Láng

DER GROSSE VERWANDLER Metamorphosen, Transformationen im Opernwerk von Richard Strauss

Im Theater ist Verwandlung, geschieht Verwandlung, Theater lebt durch Verwandlung. Szenenwechsel, Vertauschung der Realitäten (hie Wirklichkeit, hie Eintauchen in die Welt der Fiktion), Wechsel des Darstellers von der Privatperson in jene des darzustellenden Charakters, emotionale Aufwühlung der diesbezüglich empfänglichen Zuschauerinnen und Zuschauer – das alles sind Schlagwörter, Aspekte des metamorphischen Instituts Theater. Wer ein solches als Besucher einer Aufführung betritt, ist sich dieses Umstands bewusst und lässt sich verwandeln, wer das Theater durch den Bühneneingang betritt, ist sich dieses Umstands bewusst und führt Verwandlungen herbei. Wer schöpferisch für das Theater wirkt, ist sich dieses Umstands bewusst und kreiert Verwandlungen. Richard Strauss, der große Musiktheaterpraktiker und noch größere Musikschöpfer, erhob die Verwandlung sogar zum Leitmotiv in seinem Œuvre. Und so schrieb er, nicht gerade zufällig, gegen Ende des Lebens und als Beginn eines letzten neuen musikalischen Weges seine Metamorphosen. Durchstöbert man die Opern von Richard Strauss, fällt einem erst auf, wie häufig er Verwandlung als Thema wählte. Zum Teil in Kombination mit dem Lebensraum Theater und dessen Umfeld. Ariadne auf Naxos mit seinem Theater im Theater dürfte diesbezüglich den absoluten Höhepunkt darstellen. Eine vielstimmige Fuge, in der das Thema Verwandlung immer neu erklingt, zum Teil alleine, zum Teil parallel, zum Teil enggeführt: Die Primadonna verwandelt sich in Ariadne, Ariadne wird zu einer Verwandelten, die Karikatur eines Tenors wird zum idealen Abbild eines Gottes, die Gelegenheitskomödiantin Zerbinetta zur Muse, der Komponist des Vorspiels erfährt überhaupt die wohl grundlegendste Metamorphose, sein Werk dergleichen gleich mehrere, die emphatischen Aufschwünge in der Strauss’schen Partitur unterstreichen nicht nur die wichtigsten, sie bewirken sie auch im Zuhörer, und Zerbinetta besingt sie in Hinblick auf die Liebe ziemlich eindrücklich. Eine ganz besondere Verwandlung brachten Strauss und Hofmannsthal A N DR EAS LÁ NG

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im Vorgängerwerk von Ariadne, im Rosenkavalier, zur Sprache. Eine, die alle betrifft und die wohl die meisten zum Nachdenken anregt, weil sie stetig, aber unmerklich vor sich geht, kein konkreter Zeitpunkt auszumachen ist und sie dennoch nicht zu leugnen ist: das Altern. »Wie kann denn das geschehn? Wie macht denn das der liebe Gott? Wo ich doch immer die gleiche bin«, singt die Marschallin im ersten Akt. Wie konträr diese Verwandlung doch zu jener des Komponisten in der Ariadne ist. Diese ist nach außen gut erkennbar, wird aber von der betreffenden Person nicht erfühlt. Jene hinterlässt kaum sichtbare optische Spuren, verändert aber das gesamte Wesen des jungen Mannes, sodass er sich vielleicht sogar interessiert in einem Spiegel betrachten wird, ob die seelische Umformung nicht doch auch eine Änderung der eigenen Züge mit sich gebracht hat. Die offensichtlichste Metamorphose in Strauss’ Opernschaffen findet sich wohl in der Daphne, da hier eine tatsächliche, physische Transformation eines Menschen in einen anderen Wesenszustand geschieht – in einen (reinen) Baum. Und zwar bleibend. Vor allem geschieht diese Verwandlung mit Zustimmung, ja, auf ausdrücklichen Wunsch der Titelfigur, anders also als in der Oper Ariadne, in der die dortige Titelfigur zwar die Umwandlung durch den Tod anstrebt, aber letztendlich eine ganz andere, sehr lebendige Veränderung erfährt (und damit auch sehr glücklich ist). Dass Strauss diese daphne’sche Fluchtumwandlung gegen Ende seines Leben schuf, mag zwar auf den ersten Blick zufällig sein, überraschend ist sie für einen betagten Künstler jedoch nicht, denn die Wandlungsfähigkeit der Liebe, wie sie von Zerbinetta besungen wird, ist eher jüngeren Komponisten – wie eben jenem des Ariadne-Vorspiels, vorbehalten. Neben Daphne und Ariadne bediente sich Strauss, in Hinblick auf die Opernbühne, noch zweimal der griechischen Mythologie – und beide Male sind Umwandlungen beziehungsweise Verwandlungen grundlegende handlungsbestimmende Faktoren: In der Liebe der Danae erscheint der schlussendlich erfolglose Jupiter einmal als Goldregen, dann in der Gestalt des Midas, dann wieder als Goldregen und zu guter Letzt als alter Mann; und auch Danae muss zwischenzeitlich, ähnlich wie die spätere Jill im James-Bond-Film Goldfinger, zur goldenen Statue erstarren. In Die ägyptische Helena wiederum führen Zauber- respektive Erinnerungstränke (die Situation erinnert entfernt an Hagens Zaubertrank in Wagners Götterdämmerung) bei Menelas innere Verwandlungen herbei, um die Geschichte einem Happy End zuzuführen. Von der Mythologie ist es kein großer Schritt zum Märchen, konkret zur Frau ohne Schatten, wo gleich zwei Metamorphosen zur Disposition stehen. Zwei, die zusammen zur selben Zeit nicht zur Ausführung gelangen können; die Existenz der einen muss zwangsläufig die andere letztlich obsolet machen und umgekehrt – eine aber muss stattfinden: Entweder jene der Kaiserin vom Geistwesen zum Menschendasein (wie es dann auch sein wird) oder jene des Kaisers vom lebenden Menschen zum versteinerten leblosen Ding. 51

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Selbstverständlich sind beide Möglichkeiten vielfach und auf jeden Fall tiefenpsychologisch deutbar. Viel einfacher und eindeutiger sieht es hingegen in der Arabella aus: Ein Mädchen wird als Bub in die Gesellschaft eingeführt und darf sich just durch ihre erste Liebesnacht auch offiziell wieder und ohne jede metaphysische Dimension zur jungen Frau »zurückverwandeln«. Um einige Grade symbolischer geht es schlussendlich in Capriccio zu: Aus den beinahe schon allegorischen Gestalten Olivier und Flamand, und vor allem aus deren Zuneigung zur Gräfin, wird – auf einer anderen Ebene – eine neue Oper: Personen verwandeln sich aus Liebe in eine rein ideelle Sache, in ein Kunstwerk. Eine schönere Verneigung hätte Strauss vor der Gattung Oper kaum machen können. Und so erweist Strauss wie schon in Ariadne auch in Capriccio dem »Weltenrad der Bühne«, der gesamten Welt des Theaters, dieser großen Verwandlerin, seine Reverenz.

→ Kate Lindsey als Komponist und Klaus Florian Vogt als Bacchus, 2014

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Friedrich Nietzsche

KLAGE DER ARIADNE Klage der Ariadne: Wer wärmt mich, wer liebt mich noch? Gebt heiße Hände! gebt Herzens-Kohlenbecken! Hingestreckt, schaudernd, Halbtotem gleich, dem man die Füße wärmt, geschüttelt ach! von unbekannten Fiebern, zitternd vor spitzen eisigen Frostpfeilen, von dir gejagt, Gedanke! Unnennbarer! Verhüllter, Entsetzlicher! Du Jäger hinter Wolken! Darniedergeblitzt von dir, du höhnisch Auge, das mich aus Dunklem anblickt! So liege ich, biege mich, winde mich, gequält von allen ewigen Martern, getroffen von dir, grausamster Jäger, du unbekannter – Gott... FR IEDR ICH N IETZSCHE

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Triff tiefer! Triff einmal noch! Zerstich, zerstich dies Herz! Was soll dies Martern mit zähnestumpfen Pfeilen? Was blickst du wieder, der Menschen-Qual nicht müde, mit schadenfrohen Götter-Blitz-Augen? Nicht töten willst du, nur martern, martern? Wozu – mich martern, du schadenfroher unbekannter Gott? Haha! du schleichst heran bei solcher Mitternacht? ... Was willst du? Sprich! Du drängst mich, drückst mich, Ha! schon viel zu nahe! Du hörst mich atmen, du behorchst mein Herz, du Eifersüchtiger! – worauf doch eifersüchtig? Weg! Weg! wozu die Leiter? willst du hinein, ins Herz, einsteigen, in meine heimlichsten Gedanken einsteigen? Schamloser! Unbekannter! Dieb! Was willst du dir erstehlen? Was willst du dir erhorchen? Was willst du dir erfoltern, du Folterer du – Henker-Gott! Oder soll ich, dem Hunde gleich, vor dir mich wälzen? Hingebend, begeistert außer mir dir Liebe – zuwedeln?

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Umsonst! Stich weiter! Grausamster Stachel! Kein Hund – dein Wild nur bin ich, grausamster Jäger! deine stolzeste Gefangne, du Räuber hinter Wolken... Sprich endlich! Du Blitz-Verhüllter! Unbekannter! sprich! Was willst du, Wegelagerer, von – mir ? ... Wie? Lösegeld? Was willst du Lösegelds? Verlange viel – das rät mein Stolz! und rede kurz – das rät mein andrer Stolz! Haha! Mich – willst du? mich? mich – ganz? ... Haha! Und marterst mich, Narr, der du bist, zermarterst meinen Stolz? Gib Liebe mir – wer wärmt mich noch? wer liebt mich noch? gib heiße Hände, gib Herzens-Kohlenbecken, gib mir, der Einsamsten, die Eis, ach! siebenfaches Eis nach Feinden selber, nach Feinden schmachten lehrt, gib, ja ergib, grausamster Feind, mir – dich! ... Davon! Da floh er selber, mein einziger Genoss, mein großer Feind, mein Unbekannter, mein Henker-Gott! ...

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Nein! komm zurück! Mit allen deinen Martern! All meine Tränen laufen zu dir den Lauf und meine letzte Herzensflamme dir glüht sie auf. O komm zurück, mein unbekannter Gott! mein Schmerz! mein letztes Glück! ... Ein Blitz. Dionysos wird in smaragdener Schönheit sichtbar. Dionysos: Sei klug, Ariadne! ... Du hast kleine Ohren, du hast meine Ohren: steck ein kluges Wort hinein! – Muss man sich nicht erst hassen, wenn man sich lieben soll? ... Ich bin dein Labyrinth... Friedrich Nietzsche Aus der Sammlung Dionysos-Dithyramben

→ Nächste Seiten: Andreas Hörl als Truffaldin, Pavel Kolgatin als Brighella, Christine Schäfer als Komponist, Adam Plachetka als Harlekin, Carlos Osuna als Scaramuccio und Daniela Fally als Zerbinetta, 2012

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Oliver Láng

ARIADNE UND ZERBINETTA

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In seinem ausführlichen Ausseer-Brief vom 23. Juli 1911 umriss Hugo von Hofmannsthal das Grundkonzept seiner Ariadne-Konzeption und entwarf das finale Szenario: »Endlich wird die kluge Soubrette vorgerufen (Zerbinetta), ihr wird die Handlung der heroischen Oper erzählt, der Charakter der Ariadne gut erklärt; sie wird beauftragt, sich mit ihren Gesellen so gut als möglich ohne Störung als Intermezzo in diese Oper einzumischen. Zerbinetta sieht sogleich den springenden Punkt; eine Figur wie die Ariadne ist ihr eine Heuchlerin oder eine Närrin, sie verspricht, nach Kräften, aber diskret, in die Handlung einzugreifen. So ist eine scherzhaft verkleidete Gelegenheit gegeben, das Symbolische im Gegenüberstehen der beiden Frauen sehr deutlich zur Sprache zu bringen.« Und er forderte Richard Strauss auf, die Gegensätze zwischen den beiden Figuren auch musikalisch entsprechend zu schärfen, wobei gerade die Konzeption der zweiten Figur nicht immer in Übereinstimmung zwischen dem Komponisten und dem Librettisten erfolgte. Es ging also zunächst verstärkt, als »geistiger Angelpunkt des Stückes«, um die »diametrale Kontrastierung des Frauencharakters«– und doch sind die Gegensätze nicht ganz so einfach abzuhandeln, wie es auf den ersten Blick erscheint: Denn die Figuren treten in eine Wechselwirkung zueinander, sie sind von ihrem Ausgangspunkt her verschieden – und aus beiden spricht der Dichter, wenn auch in unterschiedlichen Aspekten. Augenfällig ist Hofmannsthals Unterscheidung der beiden Typen, die die Verhandlung des Theaters im Theater in Ariadne auf Naxos unterstreichen. Ariadne ist die Opera seria, Zerbinetta die Opera buffa. Das fängt bei der eigentlichen Figur an – hie mythologisch-ernster Charakter, da Theaterpraxis von der Straße –, und zieht sich weiter durch das Agieren dieser Figuren bis hin zur eigentlichen Charakterisierung und Zielsetzung. Doch führt das Zusammentreffen beider nicht zu einer Synthese oder einem Ausgleich, sondern die jeweiligen Sphären bleiben, vom Typentheater aus gesehen, erhalten, Zerbinetta ist Zerbinetta und bleibt es auch, und Ariadne beharrt letztlich in ihrer Sphäre, wenn auch ihre Trauer sich wandelt. Schon die unterschiedliche stoffliche Herkunft der Ariadne und Zerbinetta reflektiert die Widersprüchigkeit: Zerbinetta ist – wenn auch mitunter hinterfragt – letztlich eine Kunstfigur, zumindest in der eigentlichen Oper, die einen bestimmten Figurentypus der Commedia dell’arte, also der italienischen Stegreifkomödie, darstellt. Ihre Handlungsweise, ihre Weltsicht und Einstellung, ihr Agieren und Interagieren sind nichts anderes als ein vordefiniertes Programm, das nicht nur einem Klischee entspricht, sondern auch einer spezifisch umrissenen Publikumserwartung. Eine »unreflektierte und unreflektierende Lebensmaske« für Hofmannsthal. Sie trägt die Tradition der raffinierten, gerissenen, jungen und schönen Liebhaberin – einer Colombina – in sich, die ihr Schicksal in die Hand nimmt und mit den Männern umzugehen weiß. Ihre Schwestern bevölkern nicht nur die Sprechtheaterbühne, sondern gleichermaßen auch die Opernbühne. Der Charakter ist ein scharf umrissener: Nicht nur der leichte 61

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Umgang mit Männern ist ein Erkennungsmerkmal, sondern auch das Zutraulich-Ratschlaggebende, mit dem sie sich an Ariadne wendet. Nicht weit liegt da eine Despina, die in Mozarts Così fan tutte den Schwestern Fiordiligi und Dorabella über das Wesen der Liebe Auskunft gibt. Schon von der Anlage her trägt Ariadne mehr in sich, sie entstammt dem gewachsenen Mythos, ist herber, ernster und auch schwieriger in eine klare, schmale Form zu gießen: Die Tradition, die aus der antiken Mythologie heraufgewachsen ist, bietet ein breites, vielschichtiges Personenbild an. Das Zusammentreffen dieser beiden Ebenen ist freilich zunächst kein einfaches, da seria und buffa nicht dieselbe Sprache sprechen. Bei Ariadne zeigt es sich auch deutlich, wie sie auf die anfänglichen Zurufe ihrer Bühnenpartnerin sprachlich erst gar nicht reagiert, sondern sich noch stärker in ihr hochpersönliches Element und ihren symbolischen Ort zurückzieht: die Höhle auf der zerklüfteten Insel, die – selbstverständlich – den zerrütteten, also zerklüfteten Seelenzustand der Protagonistin abbildet. Natürlich steht Ariadne dem Dichter näher als die Zerbinetta, wenn auch beide seine Schöpfungen sind; und natürlich schwingt in beiden auch eine Farbe der Einsamkeit mit. Die Einsamkeit der Ariadne liegt auf der Hand, sie ist gewissermaßen Merkmal der Figur, die auch augenfällig durch eine physische Menschenabgewandtheit dargestellt wird. Doch ist auch Zerbinetta in all – oder gerade wegen – der Kurzwelligkeit ihrer Bindungen und Freuden, nicht pure Geselligkeit, sondern weiß sich mitunter verloren: »Ach, solcher wüsten Inseln sind unzählige, auch mitten unter Menschen, ich – ich selber, ich habe ihrer mehrerer bewohnt«, sagt sie zu Ariadne. Weiters: »Ich scheine munter, und bin doch traurig, gelte für gesellig und bin doch so einsam«, lässt der Librettist sie im Gespräch mit dem Komponisten sagen. Und dieser Komponist, die symbolhaft dargestellte jugendlich-brennende Künstlerseele, kann auch das benennen, wozu das Buffo-Repertoire der kecken Figur keine Worte gibt, doch was sie wohl im Innersten empfindet: »Du sprichst, was ich fühle«, und gleichzeitig ist es Zerbinetta, die um den Verlust der Zuneigung des Komponisten fürchtet. Es wäre vielleicht banal, in der Wechselhaftigkeit der Liebe Zerbinettas eine kompensierte Flucht und Verlustangst sehen zu wollen; das hieße sicherlich auch, den intendierten Charakter der Figur zu verleugnen. Doch drängt sich der Aspekt der Austauschbarkeit – bei aller momentanen Intensität – der Liebe einer Zerbinetta durchaus auf: So ist auch die Gegenüberstellung des Paares Ariadne-Bacchus und Zerbinetta-Harlekin zwar auf der Hand liegend, aber dennoch nicht vollkommen deckend. Die Leichtigkeit der Zerbinetta (die im Übrigen nicht mit jener der Marschallin, die mit leichter Hand geben und nehmen will, verwechselt werden darf!) ist ihre Kraft als auch ihr Los. Ist Hofmannsthal vielleicht auch später von seiner ursprünglichen Konzeption dieser Figur abgewichen und hat ihr mehr Gewicht, als ursprünglich intendiert, verliehen, so ist sie doch, auch wenn sie auf das Verständnis der Frauen untereinander pocht (»Sind wir nicht OLI V ER LÁ NG

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Frauen unter uns, und schlägt denn nicht in jeder Brust ein unbegreiflich, unbegreiflich Herz?«), aus einem anderen Holz geschnitzt als die Ariadne; und so »sind die beiden Seelenwelten in dem Schluss ironisch verbunden, wie sie eben verbunden sein können: durch das Nichtverstehen« (Hofmannsthal). Es ist müßig, die Frage nach dem eigentlichen Glück am Ende der Oper zu stellen: Zerbinetta wird weiterwandern, von einem zum nächsten, und jeder Neue wird als Gott gekommen sein; Ariadne hingegen hat ihren Gott in Ba­cchus gefunden, es ist aber nicht auszumachen, in wieweit dieser Bacchus jener ist, der der Wahre ist. »Liebt Ariadne den Bacchus? Darauf antwortet sich nicht so leicht. Sie hält ihn für einen anderen, für Hermes, den Todesboten, der sie hinabzuholen kommt«, schrieb Hofmannsthal an Ottonie Gräfin Degenfeld, der er auf eine intensive Weise zugetan war und die seinen Ariadne-Schaffensweg in einem Briefwechsel begleitete. Wichtiger ist es, den für Hofmannsthal maßgeblichen Aspekt, die Transformation des Lebens und alles Lebendigen, ins Auge zu fassen. »Es handelt sich um ein simples wie ungeheures Lebensproblem: das der Treue. An dem Verlorenen festhalten, ewig beharren, bis an den Tod – oder aber leben, weiterleben, hinwegkommen, sich verwandeln, die Einheit der Seele preisgeben, und dennoch in der Verwandlung sich bewahren, ein Mensch bleiben, nicht zum gedächtnislosen Tier herabsinken«, schrieb er an den Komponisten. Das Vergessen, ohne zum »gedächtnislosen Tier« zu werden, beschäftigt ihn auch noch Jahre später, als er in einem berühmten Brief notiert: »Verwandlung ist Leben des Lebens, ist das eigentliche Mysterium der schöpfenden Natur; Beharren ist Erstarren und Tod. Wer leben will, der muss über sich selber hinwegkommen, muss sich verwandeln: er muss vergessen. Und dennoch ist ans Beharren, ans Nichtvergessen, an die Treue alle menschliche Würde geknüpft. Dies ist einer von den abgrundtiefen Widersprüchen, über denen das Dasein aufgebaut ist, wie der delphische Tempel über seinem bodenlosen Erdspalt.« Zerbinetta ist letztlich gegen die große Lebens-Wandlung immun, sie ist ein Lebensprinzip, sie hat sich die laufende, kleine Veränderung, den ständigen Tausch des einen gegen den anderen zum führenden Prinzip ihres Daseins gemacht oder, genauer: ist diesem Prinzip unterworfen. Doch bleibt sie in dieser Kleinheit verhangen, von Pagliazzo zu Mezzetin bedeutet es keine Transformation der Seele, des Herzens, denn sie bleibt immer sie selbst. Die Wandlung findet beim anderen Paar statt, bei Bacchus und Ariadne: Erst durch sie wird er sich seiner Göttlichkeit bewusst, wird ganz Bacchus, erst durch Ariadne vollendet sich, was Circe begonnen hat. Den größten Schritt vollzieht allerdings die Titel­heldin der Oper: Durch die Abwendung vom Leben, die willentliche Konfrontation mit dem Tod, durch den Verlust der Liebe und damit auch den Verlust ihres ursprünglichen Daseins, der Verleugnung der Möglichkeit eines Weitergehens, die von Hofmannsthal genannte Erstarrung im Leid – auch hier eine wesentliche Parallele zur Gräfin Degenfeld, die der Schriftsteller nach dem Tod ihres Gatten zu einer Rückkehr 63

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ins Leben drängt –, erlischt die alte Ariadne, um in der neuen Liebe wieder neu, gewandelt zu erwachen. Hofmannsthal: »Sie gibt sich Bacchus, denn sie nimmt ihn für den Tod: er ist Tod und Leben zugleich, die ungeheueren Tiefen der eigenen Natur enthüllt er ihr, macht sie selber zur Zauberin, zur Magierin, die die arme kleine Ariadne verwandelt hat, zaubert ihr in dieser Welt das Jenseits herbei, bewahrt sie uns, verwandelt sie zugleich.« Es wird freilich bis zu einem gewissen Grad immer noch Ariadne sein, jene, die in einem Wesenskern ganz unverändert ist, und immer nur einen lieben wird: »Sie kann nur eines Mannes Gattin oder Geliebte, sie kann nur eines Mannes Hinterbliebene, Verlassene sein.« Und sie wird immer eine sein, die mehr im Sehnen und Träumen als in der Realität verankert ist...

→ KS Johan Botha als Bacchus und KS Soile Isokoski als Ariadne, 2014 → Nächste Seite: KS Adrianne Pieczonka als Ariadne, Ileana Tonca als Echo, 2019

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Hugo von Hofmannsthal → Im Grünen zu singen III

Die Liebste sprach: »Ich halt dich nicht, Du hast mir nichts geschworn. Die Menschen soll man halten nicht, Sind nicht zur Treu geborn. Zieh deine Straßen hin, mein Freund, Beschau dir Land um Land, In vielen Betten ruh dich aus, Viel Frauen nimm bei der Hand. Wo dir der Wein zu sauer ist, Da trink du Malvasier, Und wenn mein Mund dir süßer ist, So komm nur wieder zu mir!«


Kurt Schwertsik

AUF DEM WEG ZU ARIADNE... Als 16-jähriger Student der Musikakademie, der alles kennenlernen wollte, hatte ich sowohl den Briefwechsel Strauss-Hofmannsthal als auch einen Klavier­auszug von Ariadne aus der Bibliothek entlehnt. Beides – Auszug und Briefwechsel – haben mich damals total überfordert. Allerdings war es ein Klavierauszug der 1. Fassung mit der Musik zum Bürger als Edelmann von Molière. Die Idee einer Kombination von Theater und Oper hat mich begeistert, mit der Folge, dass ich mich – bei aller Bewunderung – mit dem Vorspiel der 2. Fassung nie so recht anfreunden konnte. Aus der Lektüre des Briefwechsels hatte ich den Eindruck gewonnen, dass Strauss auf die Poesie seines Librettisten kühl reagierte. Besonders, was Ariadne betrifft, scheint mir heute eine Briefstelle bezeichnend: Der Komponist verlangt vom Dichter, er solle seinen »Pegasus etwas stimulieren, damit der Versklang mich etwas aufreizt. Sie kennen vielleicht meine Vorliebe für Schiller’sche Hymnen und Rückertsche Schnörkel, und die müssen hier herhalten, wo das Innere der Handlung einen kalt lässt.« In einem wunderbaren Brief ( Juli 1911) legt Hofmannsthal seine Sicht der Dichtung dar; Strauss bleibt unbeeindruckt, aber irgendwie kommt es zu einer Einigung. Immer wieder warnt Hofmannsthal den Komponisten vor dem »Wagner’schen Musizierpanzer« und Strauss schreibt schließlich: »Ihr Notschrei gegen das wagner’sche ›Musizieren‹ ist mir tief zu Herzen gegangen und hat die Tür zu einer ganz neuen Landschaft aufgestoßen...« Und in der Tat: Die herrlichen Girlanden von Najade, Dryade und Echo und deren durchwegs liebevoll ironische Betrachtung Ariadnes im Terzett am Anfang, der nobel distanzierte Erzählduktus der Musik, eine eher mitfühlende K U RT SCH W ERTSIK

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als selbstempfundene Tonsprache offenbaren eine musikalische Landschaft, die in meinen Ohren nach Art déco tönt. Dieser Eindruck wird durch die Pastiches der Commedia dell’arte-Szenen noch verstärkt: eine Musik, die sich an Zitaten und ironischen Anspielungen ergötzt. Was Hofmannsthal in seinem ursprünglichen Vorschlag imaginiert hatte – » ...ein neues Genre, das scheinbar auf ein älteres wieder zurückgreift...« –, war verwirklicht. Selbst im hymnischen Schlussduett von Ariadne und Bacchus, wo Strauss das kleine Orchester zu Klangwundern verzaubert (ein Glitzern, das an das Blattgold bei Klimt gemahnt) und ironische Distanz und Nüchternheit sich verflüchtigen, eignet den melodischen Linien eine schlanke Klarheit! Ich glaube, Hofmannsthal fühlt mit Ariadne – Strauss ist eher auf der Seite Zerbinettas. Meine musikalische Sozialisation begann 1947 am Stehplatz im Theater an der Wien, 2. Galerie rechts, mit Blick auf die Horngruppe, 2- bis 3-mal in der Woche. Fidelio, Fliegender Holländer, die Mozart-Opern, Fürst Igor, Boris Godunow etc., aber vor allem Walküre, Tristan und Meistersinger. Dazu die großartigen Sängerinnen und Sänger, an denen in der Stehplatzgemeinde gnadenlos herumkritisiert wurde. An die Inszenierung der Ariadne im Jahr 1947 kann ich mich nicht erinnern, wahrscheinlich habe ich sie gehört und gesehen, aber andere Eindrücke waren offenbar stärker. Gut in Erinnerung ist mir die Neuinszenierung von 1951. Da war ich schon ein Jahr lang Tonsatzstudent und Hornschüler an der Musikakademie gewesen und wusste bereits, dass Gickser zum Alltag eines Hornisten gehören. Das Vorspiel allerdings scheint auch damals an mir vorbeigegangen zu sein. Habe ich es ausgeblendet? Was habe ich damals wirklich wahrgenommen? Gewiss die Musik. Aber die rauscht vorbei – vor allem beim ersten Mal – und hinterlässt höchstens den Wunsch, sie wiederzuhören. Mindestens ebenso wichtig war und ist mir die Bühne: das Schauspiel der Sänger. Da wird dann die Musik manchmal nur unterbewusst wahrgenommen, weil das Auge alle Aufmerksamkeit beansprucht. Die Handlung begriff ich zwar nach und nach, doch für den Schmerz der Ariad­ne hatte ich wenig Geduld, auch die nachsichtig ironische Haltung der Nymphen bemerkte ich nicht, zumal mir der Text nicht so naheging. Mit großer Aufmerksamkeit verfolgte ich das Orchester samt dem Dirigenten und naturgemäß meinen Lehrer Freiberg am 1. Horn. Die Commedia dell’arte-Figuren haben mich zwar amüsiert, aber ich war damals schon eingebildet genug, die Trivialität, die Strauss hier virtuos in Musik abbildet, zu verachten. Das kontrapunktische Raffinement dieser Musik beachtete ich kaum. Und dass dies die einzigen Passagen waren, die ich nachher bruchstückhaft nachbrummen konnte, fiel gar nicht auf und machte mich daher auch nicht nachdenklich. Meinem Alter entsprechend war ich 69

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gegen alles bürgerlich Etablierte: Die Begeisterung meiner – wie mir schien – erzkonservativen Lehrer für die Oper Ariadne war mir zutiefst verdächtig und unsympathisch. In einem Brief an seine Frau charakterisiert Ferruccio Busoni Strauss als »diese Mischung aus Genie und Großunternehmer«. Das schien mir ziemlich treffend, ich habe an ihm herumkritisiert wie seinerzeit am Stehplatz. Und doch: Auch in meiner extrem avantgardistischen Zeit habe ich mir nicht versagt, den Rosenkavalier mit großer Freude und Rührung zu besuchen! Ariadne durfte ich seitdem an verschiedenen Häusern in unterschiedlichen Interpretationen erleben, und jedes Mal hatte ich das Gefühl, dieser Oper näherzukommen. In den vergangenen Tagen, seit ich unvorsichtigerweise darüber schreibe, habe ich mich, mit großer Demut und nicht geringem Vergnügen, am Klavier durch den Auszug gekämpft – für mich immer noch die wirksamste Art, in die Musik einzudringen. Wieder fiel mir in der Ouvertüre zur Oper (eigentlich nur eine große melodische Geste) diese nüchtern verhaltene Glut, ein fast ornamentaler Stil, auf: voll von parallelen Quarten und herben Harmonien; alles klingt vertraut, Straussisch prächtig und zugleich voller Zurückhaltung. In dieser Musik steckt mehr Emotion als sie nach außen hin zeigen möchte. So erkläre ich mir das. Wenn ich dann die gerade gespielten Stellen auf CD nachhöre, begreife ich in etwa, wie souverän dieser Komponist mit der Zeit umgeht. Was ich umständlich am Klavier buchstabiert und in seiner kunstvollen Konstruktion bewundert habe, geht so rasch vorbei, ist kaum bewusst wahrzunehmen und bewirkt doch musikalische und szenische Wirkungen. Endlich hab ich auch den Hofmannsthal’schen Text besser verstanden in seinem heiter-melancholischen Grundton und der delikaten Handlung, die eine zarte Balance einander widerstrebender Tendenzen hält. Theoretisch war mir das längst bekannt, nun hat es sich aus der poetischen Sprache erschlossen. Da fühle ich mich gleich auf eine neue Verständnisebene erhoben. Mit einem Satz: Ich bin weiterhin auf dem Weg und bin froh, wieder einige Schritte in Richtung Verständnis gemacht zu haben. Das ist ja das Wunderbare an guter Musik: Man kommt nie ans Ziel, aber jede Näherung ist Gewinn.

→ Margarita Gritskova als Dryade, Valentina Naforniță als Najade und Olga Bezsmertna als Echo, 2012

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Hugo von Hofmannsthal → Terzinen über Vergänglichkeit I

Noch spür ich ihren Atem auf den Wangen: Wie kann das sein, dass diese nahen Tage Fort sind, für immer fort, und ganz vergangen? Dies ist ein Ding, das keiner voll aussinnt, Und viel zu grauenvoll, als dass man klage: Dass alles gleitet und vorüberrinnt. Und dass mein eignes Ich, durch nichts gehemmt, Herüberglitt aus einem kleinen Kind,


Mir wie ein Hund unheimlich stumm und fremd. Dann: dass ich auch vor hundert Jahren war Und meine Ahnen, die im Totenhemd, Mit mir verwandt sind wie mein eignes Haar, So eins mit mir als wie mein eignes Haar.


Oliver Láng

WIENER AUFFÜHRUNGSGESCHICHTE »Hofmannsthals geniales Vorspiel, das schon der Länge des Abends wegen in Stuttgart fast ganz gestrichen werden musste, wurde von mir (und zwar sehr glücklich – als Vorbote zu Intermezzo) neu komponiert, und mit ihm ging die Oper im Herbst 1916 zum ersten Mal in Wien in Szene, mit der prächtigen, von mir neu entdeckten Lotte Lehmann (meiner späteren Ariadne, Färberin, Arabella, Octavian, der unübertrefflichen Christine und unvergesslichen Marschallin) als Komponist.« So erinnerte sich Richard Strauss im Jahr 1942 an die Uraufführung der zweiten Fassung der Ariadne, und es war Hugo von Hofmannsthal, der wenige Tage nach der Wiener Ariadne-Premiere an Lehmanns Kollegin, Selma Kurz (Zerbinetta), schrieb: »Im Begriff in die Stadt zu fahren, um zum 2ten Male Ariadne zu hören, möchte ich Ihnen doch ein Wort des Dankes und der Freude sagen, für das was die unvergessliche Gabe der Stimme und Kunst des Gesanges in dieser großen Arie dem Hörer bietet. Lassen Sie mich hinzufügen, dass – im Vorspiel wieder – auch eine lebendige und leibliche Gestalt vor Augen tritt. Sie werden zahllosen Menschen aufs neue eine reine Freude bereiten und durch lauten und stillen Beifall belobt werden.« Hinter der Bühne gab’s vor der Uraufführung kleine Scharmützel, etwa mit dem damaligen Staatsopern-Direktor Hans Gregor, der sich an der Abendgage der Sängerin – 2800 Kronen – stieß: »Die Zerbinetta hat 28 Minuten Gesang, hundert Kronen pro Minute! Das ist zu viel!« Doch der Produktion – in der Ausstattung von Alfred Roller – war ein großer Erfolg beschieden, der sich auch in guten – wenn auch nicht gänzlich kritiklosen – Rezensionen widerspiegelte. »Der Akt, der gewissermaßen ›ein Spiel im Spiele‹, ›eine Bühne auf der Bühne‹, ein Ineinandergreifen des tragischen Vorwurfes und der leichtfüßigen Intriguenszene des Balletts bringen soll, geht nicht einheitlich vor sich, die beiden Typen gehen nicht miteinander, sondern mehr nebeneinander her und nur in der großen Arie der Zerbinetta, der Soubrette des OLI V ER LÁ NG

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Singspiels, in der sie die einsame Ariadne beschwört und dem Leben wieder zu gewinnen sucht, mag eine Verbindung dieser beiden dramatischen Handlungen erblickt werden« (Reichspost). Und die Abendpost schrieb: »Mit der neuen Bearbeitung soll die Ariadne von Molière völlig losgelöst werden: Sie übersiedelt aus dem Hause Jourdains in das des ›reichsten Mannes‹ in Wien und erhält mit einem Vorspiel ihr eigenes Fundament. Die ganze Verschiebung vollzieht sich natürlich auf Kosten einer plausiblen Motivierung, auf die man jedoch gerne verzichtet, weil das Hauptstück, die Ariadne, dadurch eine weitaus günstigere Folie erhält.« Hochgelobt wurde jedenfalls die Premiere, wie etwa in der genannten Abendpost vom 5. Oktober 1916 zu lesen war: »An der Aufführung in der Hofoper, es war die Uraufführung der neuen Bearbeitung, ist vor allem zu rühmen, dass für das ganze Stück ein entsprechender spielerischer Stil gesucht und wohl auch in glücklicher Weise getroffen wurde, ein Stil, der das Burleske wie das Ernste zur richtigen Geltung bringt und doch keine unversöhnlichen Gegensätze aufkommen lässt. Ein Vorbau an der Bühne schafft für die Darsteller der Masken einen Zugang aus dem Orchesterraum, wodurch der Eindruck der improvisierten Einmischung in die Handlung der Oper sehr befestigt wird. Die beiden Hauptrollen singen Frau Jeritza (Ariadne) und Frau Kurz (Zerbinetta). Eine jede ist in ihrer Art unübertrefflich; für den Hörer ist’s ein gleichwertiges Vergnügen, die herrliche, helle Stimme der Frau Jeritza zu vernehmen, in der alle schönen Gefühle des Herzens und der Seele mitzuschwingen scheinen, oder die schalkhaften und graziösen Koloraturen der Frau Kurz zu bewundern. Die wechselnden Empfindungen des jungen ›Komponisten‹ aus dem Vorspiele wurden von Frl. Lehmann mit allem erwünschten Überschwang des Herzens dargestellt. In dieser ausgezeichneten Sängerin fand sich für die sympathische Rolle eine ebenso sympathische Darstellerin. Herrn von Környeys Bacchus hat den großen Vorzug eines prächtigen, mächtigen Tenors, wenn auch gerade die Bezeichnung ›reizender Knabe‹ auf ihn nicht recht passen will. Aber auch die übrigen Mitwirkenden in größeren und kleineren Rollen verdienen uneingeschränktes Lob: die Damen Kittel, Dahmen, Jovanović, die Herren Duhan, Maikl, Gallos, Stoll und Betetto. Einen besonders herzlichen Dank schulden wir dem Orchester und dem musikalischen Leiter der Aufführung, Herrn Schalk.« Ähnliches schrieb Julius Korngold, der regierende »Kritikerpapst« seiner Zeit, in der Neuen Freien Presse: »Das Hofoperntheater, spröde gegen die erste Ariadne, hat die zweite, für Wien neu bearbeitete warm aufgenommen und warm gebettet. Es war eine Uraufführung, die für das Werk den Glanz der Szene und der Stimmen aufbot. Das kleine Orchester ermöglichte eine der Intimität der Wirkung dienliche Neuerung, eine Erweiterung der Bühne in den Orchesterraum hinein. Dazu eine Nutzanwendung oder Variante des Reinhardt­’schen Einfalls: Zerbinetta und Konsorten steigen über Treppen aus dem Orchesterraum auf die Szene. Damit scheint nicht nur der burleske Charakter des 75

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Stegreifspiels betont, sondern auch das äußere Eindringen der Masken in die seriöse Opernhandlung versinnbildlicht. Herr v. Wymetal, der Regisseur des Abends, hat die neuen Spielgelegenheiten mit Geschmack genützt, für Bewegtheit der Theaterszenen wie für Diskretion des Tanzspiels und eindrucksvolle Einfachheit der Apotheose gesorgt. Das Orchester der Ariadne, das Solisten wie kleinsten Gruppen bald delikatesten, bald sattesten Klang abfordert, ist so recht eine Aufgabe für die erlesenen Künstler des Hofopernorchesters. Was war das für ein entzückendes Klingen und Singen! Herr Hofkapellmeister Schalk führte mit liebevollster Versenkung in die Intentionen des Tondichters, mit überlegenem Kunstempfinden, mit außerordentlicher Feinheit. Man merkte dem ausgezeichneten Dirigenten den Schumann’schen ›Enthusiasmus der Darstellung‹ an...« Kürzer das Wiener Salonblatt: »Dritte Verbeugung vor der Künstlerschaft des herausraffinierten Hyperkammerorchesters im Hofopern­ orchester (Rosé, Foll, v. Lier, Buxbaum), und Reverenz vor Ausstattung und Inszenierung. Rauschender Beifall, zahlreiche Hervorrufe.« In den darauffolgenden 20 Jahren wurde die Oper im Haus am Ring fast einhundertmal gegeben, davon dirigierte Richard Strauss 25 Vorstellungen, weiters standen Dirigenten wie Franz Schalk, Clemens Krauss und Josef Krips am Pult. Als Darstellerinnen und Darsteller waren unter anderen zu erleben: Lotte Lehmann, Marie Gutheil-Schoder, Wanda Achsel (Komponist), Béla von Környey, Karl Aagard Øestvig, Josef Kalenberg, Alfred Piccaver (Bacchus), Selma Kurz, Marie Gerhart, Maria Ivogün, Lotte Schöne (Zerbinetta), Maria Jeritza, Lotte Lehmann, Vera Schwarz, Lucie Weidt, Claire Born (Ariadne). Am 10. Mai 1935 fand die Premiere der folgenden Neuproduktion statt, diesmal übernahm Josef Krips die musikalische Leitung (unter anderen sollte auch Rudolf Moralt diese Produktion dirigieren), es sangen bei der Premiere unter anderen Eva Hadrabová (Komponist), Josef Kalenberg (Bacchus), Adele Kern (Zerbinetta) und Vera Schwarz (Ariadne), die Inszenierung stammte von Lothar Wallerstein, das Bühnenbild von Oscar Strnad, die Kostüme von Ladislaus Czettel. »Die musikalische Neustudierung war Kapellmeister Krips anvertraut, der sich, ziemlich unbekümmert um stilistische Probleme, mit viel Temperament und musikalischem Schwung seiner Aufgabe entledigte. Die beiden Hauptpartien, Ariadne und Bacchus, waren mit Vera Schwarz als Gast und Herrn Kalenberg nicht eben glücklich besetzt; beide Künstler schienen sich diesmal nicht recht im Vollbesitz ihrer stimmlichen Kräfte zu befinden«, meinte der Rezensent der Reichspost, in der Wiener Zeitung fand sich eine detaillierte Beschreibung der Szenerie: »Ein mächtiger Rahmen markiert die Bühne auf der Bühne. Ariadnes Lager ist vorteilhaft gegen die Rampe zu vorgeschoben und auch Najade, Dryade und Echo sind mit lebhafterer Bewegung in die Handlung einbezogen. Eine Felsenhöhle ragt am Ufer auf. Sie dient dem Auftritt des Bacchus und sie spaltet sich am Schlusse, um die Aussicht auf das Meer, auf das von Ariadne OLI V ER LÁ NG

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erträumte goldene Märchenschiff freizugeben. Das Haus bleibt verdunkelt, spielt nicht mehr als Gast des reichsten Mannes von Wien mit. Links und rechts sind Grotten als Ausfallspforten für die lustigen Personen, die früher vom Orchesterraum auf die Bühne kletterten. In verschiedenen Höhen neupostierte Scheinwerfer spielen fleißig mit.« Wichtige Interpreten in dieser Produktion waren etwa Max Lorenz und Helge Roswaenge als Bacchus oder Anny Konetzni als Ariadne. Nach nur 14 Aufführungen wurde die Oper 1941 in der NS-Zeit neu einstudiert – der Name des vertriebenen Regisseurs Lothar Wallerstein sollte nicht mehr am Abendzettel aufscheinen. Erwin Kerber übernahm die Regie, Rudolf Moralt dirigierte die Premiere. Den Premieren-Bacchus übernahm Karl Friedrich (später sangen auch Josef Kalenberg, Max Lorenz oder Svet Svanholm), die Zerbinetta wurde von Adele Kern gestaltet (später: Alda Noni, Elisabeth Schwarzkopf ), Anny Konetzni war die Ariadne. Am 17. Dezember 1943 wurde das Werk von Heinz Arnold neu inszeniert, Dirigent: Karl Böhm, Musiklehrer: Paul Schöffler, Komponist: Irmgard Seefried, Bacchus: Max Lorenz, Ariadne: Maria Reining, Zerbinetta: Alda Noni. Die nächste Neuproduktion fand 1947 (Premiere am 13. Mai) im Theater an der Wien statt, da die Wiener Staatsoper zerstört war. »Krips regierte gleich Hermes mit seinem Stab die Seelen und ließ das Wunderwerk der durchsichtigen und doch so klangreichen Partitur blühen und funkeln. Namentlich der Schwung des Vorspiels und des Schlussduetts gerieten ihm.« (Neues Österreich) »Für einen genialen Regisseur, wie es Professor Lothar Wallerstein ist, bietet sich hier die Möglichkeit, Großes zu schaffen. Mit der sicheren Hand des hervorragenden Könners ergreift er die richtige Gelegenheit am richtigen Platze. Die, besonders im Opernakte, böcklinhaft schönen Bühnenbilder und stilvollen Kostüme Robert Kautskys unterstützen sein Bestreben nach Vollendetem aufs Beste.« (Wiener Zeitung) Es sang Irmgard Seefried den Komponisten (später Sena Jurinac), Max Lorenz den Bacchus (später Julius Patzak, Helge Roswaenge), Elisabeth Schwarzkopf die Zerbinetta (später Wilma Lipp), Maria Reining die Ariadne (später Anny Konetzni und Maria Cebotari). Immer noch im Theater an der Wien wurde 1951 ebendiese Produktion unter Clemens Krauss wiederaufgenommen. Auch in dieser Serie wurden große Namen aufgeboten: Sena Jurinac als Komponist, Wilma Lipp als Zerbinetta, Hilde Zadek als Ariadne (ihr folgte u. a. Lisa Della Casa) und Torsten Ralf als Bacchus. Am 22. April 1956, bereits wieder im Haus am Ring, erfolgte die Übernahme einer Produktion von den Salzburger Festspielen, und diese wurde von Karl Böhm musikalisch geleitet. Josef Gielen inszenierte, Stefan Hlawa steuerte Bühnenbild und Kostüme bei, nach der Premierenbesetzung (Christa Ludwig als Komponist, Josef Gostič als Bacchus, Erika Köth als Zerbinetta und Hilde Zadek als Ariadne) fanden sich bei den folgenden über 130 Aufführungen noch Namen wie Michael Gielen, Joseph Keilberth, Rudolf Moralt, 77

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Hans Swarowsky, George Széll, Horst Stein (Dirigent), Sena Jurinac, Irmgard Seefried, Margareta Sjöstedt, Agnes Baltsa (Komponist), Mimi Coertse, Reri Grist, Hilde Güden, Rita Streich, Edita Gruberova (Zerbinetta), Jean Cox, James King, Rudolf Schock, Jess Thomas, Waldemar Kmentt (Bacchus) und Lisa Della Casa, Christel Goltz, Leonie Rysanek, Gundula Janowitz (Ariadne). »So hübsch und reizvoll die Aufführung im Festspielhaus wirkte, die Wiener Dimensionen scheinen die szenische Harmonie empfindlich zu stören. Namentlich die Schlussszene wirkt dürftig, wenn da ein Schleiervorhang fällt, hinter dem die ›Grotte‹ weggeräumt und ein kahles Brett gelegt wird, das ins Meer führt. Auch mit der praktikablen Muschel aus dem Theater an der Wien ergab sich ein solches, und es kann nicht schwerfallen, mit den Mitteln unserer modernen Bühnenmaschinerie demnächst eine wirklich eindrucksvolle ›Verwandlung‹ auf die Szene zu zaubern.« (Die Presse) Und der Kurier: »Es gibt freilich auch weniger Unzulängliches bei dieser von Salzburg nach Wien transferierten Aufführung, die szenisch im Finale wie das Werk sehr, sehr schwach wird – ja, sie hat sogar einige Vortrefflichkeiten bereit. Erika Köths Zerbinetta zum Beispiel, die mit größter Brillanz und der Natürlichkeit des Atmens gesungen wird. Hilde Zadek als gut anzuschauende und anzuhörende Ariadne mit kultivierter Empfindung im in allen Lagen tragenden Sopran. Schließlich das Herz der Ariadne, das in der Brust – des Komponisten schlägt. Christa Ludwig gibt ihn noch intensiver und noch gelöster als in Salzburg, lebendig in jeder Nuance des Spiels und mit warmer, gefühlssinniger Stimme: ganz Klang gewordene Poesie, ganz Bild gewordene Verzauberung.« 1976 schließlich kam die von Filippo Sanjust inszenierte und ausgestattete Premiere auf den Spielplan der Wiener Staatsoper, und diese – auch auf DVD erhältliche – Produktion ist dem (Wiener) Opernpublikum durch rund 170 Vorstellungen in den 35 Jahren ihrer Laufzeit wohlbekannt. Wohl bekannt auch aus einem geradezu opernhistorischen Grund: Mit der Gestaltung der Zerbinetta gelang Edita Gruberova am Premierenabend – 20. November – der Durchbruch zur Weltkarriere. Auch diesmal stand Karl Böhm am Dirigentenpult, und auch diesmal glänzte die Besetzung mit prominenten Namen: Walter Berry war der Musiklehrer, Erich Kunz der Haushofmeister, Agnes Baltsa der Komponist, James King der Bacchus und Gundula Janowitz die Ariadne. »Ich habe Richard Strauss’ und Hugo von Hofmannsthals Werk in seinen psychologischen Tiefen wie im Reichtum geistvoller Anspielungen noch nie so im Lot erlebt. Oper als amüsant-witziges Handgemenge der Stile und Traditionen: Da die geistvoll kalkulierte Paraphrase auf den heroischen Opernstil des ausgehenden Barock, dort die klassische Opernreform Glucks, zwischendurch italienische Kasperlkomödie, die Commedia dell’arte«, schrieb Karlheinz Roschitz in der Neuen Kronen Zeitung nach der Premiere, und Franz Endler merkte in der Presse an: »Selbstverständlich war vorauszusehen, dass Ariadne auf Naxos in der Wiener Staatsoper ein großer Erfolg wird. Was jeOLI V ER LÁ NG

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doch nicht vorherzusagen war und somit dem Premierenabend immerhin den notwendigen Reiz der Überraschung gab, war die außerordentliche Größe des Erfolgs. Sie ist einer ziemlich einfachen, durchwegs geschmackvollen, mitunter fein-humoristischen Inszenierung von Filippo Sanjust ebenso zu danken wie der nicht einfach-souveränen, sondern diesmal eminent dramatischen musikalischen Leitung Karl Böhms, von der noch zu jubeln sein wird. Vor allem aber entstand sie, die besondere und besonders erfreuliche Größe des Erfolgs, dank einiger Protagonisten, die schöner und sicherer sangen als je zuvor und in einigen Fällen auch als viele ihrer Vorgänger in den Partien.« Kaum aufzulisten die Namen der berühmten Interpreten dieser Produktion, aus deren großer Zahl nur einige wenige herausgegriffen werden sollen: Angelika Kirchschlager, Waltraud Meier, Ann Murray, Anne Sofie von Otter als Komponist, Thomas Moser, Ben Heppner oder Jess Thomas als Bacchus, Gwyneth Jones, Jessye Norman, Camilla Nylund, Adrianne Pieczonka, Deborah Polaski, Leonie Rysanek, Cheryl Studer als Ariadne, Diana Damrau oder Natalie Dessay als Zerbinetta. Die aktuelle Produktion feierte am 19. Dezember 2012 Premiere, die musikalische Leitung hatte Franz Welser-Möst inne, Sven-Eric Bechtolf inszenierte, die Bühnenbilder stammten von Rolf Glittenberg und die Kostüme entwarf Marianne Glittenberg. In der Premierenserie sangen unter anderen Krassimira Stoyanova die Titelpartie, Stephen Gould den Bacchus, Christine Schäfer den Komponisten und Daniela Fally die Zerbinetta. Auch über diese Produktion las man in der Wiener Presse viel Positives: »Regie und Personenführung von Bechtolf sind klug, humorvoll, fein und präzise gearbeitet, durchwegs überzeugend«, stand etwa im Kurier, über Franz Welser-Mösts Premierendirigat notierte die Kronen Zeitung »Er fühlt sich bei Strauss zuhause. Bei ihm funkelt die Partitur, er lässt die Streicher wunderbar schmelzen und trägt die Stimmen einfühlsam.« Wichtige Interpretinnen und Interpreten dieser Produktion waren u.a. auch noch Lise Davidsen, Soile Isokoski, Gun-Brit Barkmin und Adrianne Pieczonka (Ariadne), Íride Martínez, Hila Fahima und Erin Morley (Zerbinetta), Johan Botha, Klaus Florian Vogt, Herbert Lippert und Gerhard A. Siegel (Bacchus), Kate Lindsey, Sophie Koch und Rachel Frenkel (Komponist).

→ Bühnenbildentwurf von Alfred Roller für die Uraufführung der 2. Fassung der Ariadne auf Naxos an der Wiener Hofoper

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Impressum

Richard Strauss ARIADNE AUF NAXOS Spielzeit 2022/23 (Premiere der Produktion: 19. Dezember 2012) HERAUSGEBER Wiener Staatsoper GmbH, Opernring 2, 1010 Wien Direktor: Dr. Bogdan Roščić Musikdirektor: Philippe Jordan Kaufmännische Geschäftsführerin: Dr. Petra Bohuslav Redaktion: Sergio Morabito, Oliver Láng, Andreas Láng Gestaltung & Konzept: Fons Hickmann M23, Berlin Layout & Satz: Julia Pötsch Bildkonzept Cover: Martin Conrads, Berlin Lektorat: Martina Paul Druck: Print Alliance HAV Produktions GmbH, Bad Vöslau TEXTNACHWEISE Alle Beiträge dieses Programmbuches stammen aus dem Programmbuch der Wiener Staatsoper 2012 BILDNACHWEISE Coverbild: Chema Madoz, Sin título, 2018 © Bildrecht, Wien 2022 Szenenbilder Seite 2, 3, 10, 11, 17, 18, 23, 36, 37, 49, 53, 58, 59, 65, 66, 71, 80, 81: Michael Pöhn / Wiener Staatsoper GmbH Seite 27, 33: akg-images Seite 40, 42: Privatarchiv Thomas Schulz Nachdruck nur mit Genehmigung der Wiener Staatsoper GmbH / Dramaturgie Kürzungen werden nicht gekennzeichnet. Rechteinhaber, die nicht erreicht werden konnten, werden zwecks nachträglicher Rechtsabgeltung um Nachricht gebeten.


Generalsponsoren der Wiener Staatsoper


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