DerBörsianer 13. Ausgabe, Q2 2016

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INVESTOREN

Nachbarschaftshilfe. Innenministerin Johanna Mikl-Leitner und ihr slowakischer Amtskollege Robert Kalinak haben am 21. Juli 2015 eine Vereinbarung zur vorüber­gehenden Unterbringung von 500 Flüchtlingen in der Slowakei unterzeichnet.

BRATIS-LOVER N

achbarn kann man sich bekannt-

haben sich mittlerweile zahlreiche mo-

Story. Denn Jaguar Land Rover inves-

lich nicht aussuchen, aber anders

derne Industriekonzerne aus aller Welt

tiert gerade 1,4 Milliarden Euro in seine

als mit Tschechen, Ungarn oder

angesiedelt, die der Slowakei ein stabiles

erste kontinentaleuropäische Produk­

Slowenien war Österreich mit der Slo-

Wachstum bescheren: Mit einem Wirt-

tionsstätte und schafft damit ab 2018 in

wakei immer recht gut ausgekommen.

schaftswachstum von 3,5 Prozent heu-

Nitra 2.800 neue Arbeitsplätze.

Das lag wohl auch an der Nähe: Zu Kai-

er und 2017 rangiert die Slowakei mit

sers Zeiten fuhr man sonntags mit der

Schweden, Polen und Rumänien in der

Und diese Arbeitsplätze seien von

„Elektrischen“ von der Wiener Groß-

Spitzengruppe der EU. Die Inflation be-

hoher Qualität, bestätigt Stephan Ge-

markthalle schnurstracks ins Zentrum

wegt sich um die Nulllinie, und so dürf-

beshuber, Österreichs Wirtschaftsde-

vom damaligen Pressburg zum Kaffee

ten Lohnsteigerungen weiterhin voll auf

legierter in Bratislava. „Es handelt sich

oder, in der Gegenrichtung, in den Pra-

den Konsum durchschlagen, dem be-

um moderne Werke mit hoher Produk-

ter nach Wien. Nach dem Zweiten Welt-

währten Wachstumstreiber des Landes.

tivität.“ Der Standort Slowakei sei vor

© MICHAEL GRUBER / EXPA / PICTUREDESK

krieg kam freilich der Eiserne Vorhang,

allem wegen der großen Zahl von Fach-

und damit war erst einmal Schluss mit

Alles Auto

arbeitern aus dem Maschinenbausek-

den Ausflügen zum Nachbarn.

Basis des Booms ist das außergewöhn-

tor zum Zug gekommen, eine Spätfol-

Mittlerweile bewegt man sich längst

liche Engagement der automotiven In-

ge der Ansiedelung von Rüstungsbetrie-

wieder ohne Grenzkontrolle zwischen

dustrie, ausgelöst durch die VW-Grup-

ben unter den Kommunisten. Rund um

Wien und Bratislava, den am engsten

pe, die jenseits der March einen frühe-

die großen Autowerke haben sich Scha-

benachbarten Hauptstädten Europas.

ren Zulieferbetrieb für Skoda und Tatra

ren von Zulieferern angesiedelt, um die

Heute pendeln zehntausende Slowaken

übernahm. Heute produziert Volkswa-

branchenüblichen Just-in-time-Diens-

zur Arbeit oder zum Studium nach Ös-

gen an drei Standorten eine bunte Mo-

te zu garantieren, darunter auch öster-

terreich. Umgekehrt haben sich 2.500

dellpalette aus dem Konzern bis zum

reichische Unternehmen wie Magna,

österreichische Unternehmen in der

Porsche Cayenne und steuert rund vier

Pankl Racing AG, Miba Sintertechnik

Slowakei niedergelassen, 200 produzie-

Prozent zum slowakischen Bruttoin-

oder der Wieselburger Licht- und Elekt-

ren vor Ort. Und nach den Niederlanden,

landsprodukt (BIP) bei. Mittlerweile ha-

ronikspezialist ZKW-Zizala.

dem Steuerparadies für globale Konzer-

ben aber auch andere Autokonzerne die

ne, ist Österreich mit rund fünfeinhalb

Slowakei entdeckt. In Trnava, östlich

Die üblichen Verdächtigen

Milliarden Euro zweitstärkster auslän-

von Bratislava, produziert Peugeot-Cit-

Wie in den meisten anderen exkom-

discher Investor in der Slowakei.

roen rund 260.000 Fahrzeuge pro Jahr.

munistischen Reformstaaten hat sich

Mit fünfeinhalb Millionen Einwoh-

Und weiter im Norden, in Zilina, lau-

auch in der Slowakei vor allem der ös-

nern zählt die Slowakei, bis 1918 als kö-

fen jährlich mehr als 330.000 Pkws der

terreichische

niglich-ungarische Provinz Oberungarn

koreanischen Marke Kia vom Band. In

macht. Doch im Gegensatz zu anderen

von den Magyaren dominiert, danach bis

Summe wurden 2015 fast eine Milli-

Ostmärkten läuft das Geschäft der hei-

1993 Teil der Tschechoslowakei, nicht

on Fahrzeuge in der Slowakei gefertigt,

mischen Banken hier deutlich runder.

gerade zu den Großen unter den Re-

da kommen glatt 186 Pkws auf tausend

Marktführer ist die Slovenska Spori-

formländern des ehemaligen Ostblocks.

Einwohner. Das ist klarer Weltrekord,

telna, die von der Erste Group Bank AG

Doch in dieser einst agrarlastigen Ecke

aber offenbar noch nicht das Ende der

im Rahmen der Bankenprivatisierung

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Finanzsektor

breitge-


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