Börsianer 38. Ausgabe, Edition grĂŒn

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FINANZPLATZ DIMENSIONEN

Es grĂŒnt so grĂŒn. Am Agrarsektor hĂ€ngen im vor- und nachgelagerten Bereich laut der Österreichischen Hagelversicherung 500.000 ArbeitsplĂ€tze.

„­Versorgungsketten haben ĂŒber ­Landesgrenzen gut ­funktioniert.“ NICOLE BERKMANN

„Brauchen grĂŒne Kostenwahrheit bei Lebensmittelimporten.“ KURT WEINBERGER

keiten. Wenn ein Lieferant in Schweden

„Dann wĂŒrden heimisch produzierte Le-

Probleme hat, können wir sofort nach

bensmittel auch einen klaren Preisvor-

Brasilien oder China ausweichen“, sagt

teil gegenĂŒber den auslĂ€ndischen haben

Palfinger-AG-Vorstand Martin Zehnder

und regionale Produkte von den Konsu-

zum Börsianer. In der Bauindustrie gebe

menten bevorzugt werden. Eine diffe-

es keine Lieferkettenprobleme, bestÀ-

renzierte Bewertung der Globalisierung

tigt die Strabag SE. Im Gesundheitswe-

ist kĂŒnftig notwendig“, sagt Weinber-

sen sah es am Anfang der Corona-Pan-

ger, der wie die Agentur fĂŒr Gesundheit

demie in puncto Versorgungssicherheit

und ErnÀhrungssicherheit (Ages) auch

im Kampf um Masken und Schutzbe-

auf eine ganz andere Bedrohung in Ös-

kleidung indes kritischer aus. Preise ex-

terreich hinweist.

© BMLRT / ALEXANDER HAIDEN

plodierten, nationalstaatliche Begehren

gelversicherung AG, der das etwas diffe-

wurden einer EU-Gemeinschaft vorge-

Bedrohung ist eine andere

zogen. Die Austria Airlines baute flugs

FlĂ€chen in der GrĂ¶ĂŸenordnung von 20

ihre Passagiermaschinen in Frachtflug-

Fußballfeldern gehen jeden Tag durch

zeuge um und fliegt immer noch fĂŒnfmal

Verbauung verloren, sagt Weinberger.

pro Woche nach China, um mit Schutz-

In Österreich lag der Bodenverbrauch in

ausrĂŒstung wiederzukommen. Umge-

den vergangenen 20 Jahren laut Daten

stellt hat auch die Wolford AG, die jetzt

des Umweltbundesamts zwischen 38 und

ebenso Masken nÀht wie auch ein eigens

104 Quadratkilometer pro Jahr, 32 bis 41

dafĂŒr gegrĂŒndetes Joint Venture zwi-

Prozent davon wurde versiegelt. Zumeist

schen der Lenzing AG und Palmers.

betrifft dies landwirtschaftlich genutz-

renzierter sieht: „Wir können uns in Ös-

te Böden, was sowohl ökologisch als auch

terreich schon lÀngst nicht mehr selbst

Kostenwahrheit der Importe

wirtschaftlich negative Folgen nach sich

ernĂ€hren. Wir haben bei GemĂŒse einen

Der Standort Europa könnte als Gewin-

zieht. „Der Boden muss als kritische In-

Selbstversorgungsgrad von nicht einmal

ner dieser Pandemie hervorgehen, da auf

frastruktur deklariert und so vor weite-

50 Prozent. Die Krise hat uns eines ge-

einmal nicht mehr der Preis, sondern die

rer Verbauung geschĂŒtzt werden“, for-

zeigt: Die RegionalitÀt muss und wird in

Versorgungssicherheit an erster Stel-

der Weinberger, denn ohne Boden gebe

Zukunft einen höheren Stellenwert be-

le steht. Dazu passt, dass Lebensmittel

es keine Lebensmittel.

kommen. Bei der Versorgung, beispiels-

bis dato Weltreisende sind, die „grĂŒnen

Derzeit kann man in Österreich noch

weise mit Medikamenten, im Energie-

Kosten“ jedoch nicht einberechnet wer-

mehr Getreide und Kartoffeln ernten, als

und Lebensmittelbereich. Denn im Kri-

den. „Wir brauchen aber gerade bei den

verbraucht werden. Bei Sonnenblumen,

senfall liefern auch Nachbarstaaten wie

Lebensmitteln endlich Kostenwahrheit

Raps und Sojabohnen betragen die Ver-

Deutschland nicht mehr nach Österreich,

beim Import. Kosten wie die Belastung

sorgungsgrade hingegen nur 43 Prozent,

wenn es im eigenen Land Bedarf gibt.“

des Klimas und der Umwelt durch den

34 Prozent und 15 Prozent. Laut der Pro-

zwecks

Transport mĂŒssen abgebildet werden,

gnose der Ages fĂŒr die Periode 2036 bis

funktionierender Lieferketten gibt es aus

wenn Tomaten 2.500 Kilometer mit dem

2065 werden noch weitere Kulturpflanzen

weiten Teilen der Industrie. „Die heuti-

Lkw von Spanien nach Österreich trans-

mit negativem Saldo dazukommen. Nicht

gen Probleme der Lieferketten kommen

portiert werden“, fordert Kurt Weinber-

zu vergessen: Am Agrarsektor hÀngen in

hauptsÀchlich aus Italien. Alle anderen

ger. Neben CO2-Ausstoß sollten zusĂ€tz-

Österreich mit den vor- und nachgela-

LĂ€nder inklusive China liefern fast pro-

lich schlechte Arbeitsbedingungen und

gerten Bereichen 500.000 ArbeitsplÀt-

blemlos. Dank der Globalisierung ha-

niedrigere QualitÀt in der Lebensmittel-

ze. Vielleicht wÀre ja jetzt ein guter Zeit-

ben wir sogar wesentlich mehr Möglich-

produktion preislich bewertet werden.

punkt, um nervös zu werden. n

Positive

RĂŒckmeldungen

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