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Schweigen ist Gold

Wie reagiert man als Manager auf die Einleitung einer Hausdurchsuchung oder die Beschlagnahme des Handys, und wie setzt man sich gegen mediale Vorverurteilungen zur Wehr? Ein paar Expertentipps.

Selten in der Justizgeschichte saßen gleichzeitig so viele Manager – noch dazu unterschiedlicher Unternehmen – auf der Anklagebank eines österreichischen Gerichts. Rene Benko, Erwin Soravia, Michael Tojner, Günter Kerbler, Willi Hemetsberger – sie alle mussten sich im ChorherrProzess für Amtsmissbrauch und Bestechung verantworten. Nach fünf Jahren Ermittlungstätigkeit der Wirtschaftsund Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) folgte im Jänner 2023 schließlich der Freispruch für alle Angeklagten. „Die Anklage hatte keinerlei Substanz, die Vorwürfe waren von Beginn an falsch und haltlos. Das Gericht hat ein sehr faires Beweisverfahren durchgeführt und die Dinge umfassend geklärt. Damit ist das Thema für mich erledigt“, meinte Immo-Zampano Benko kurz darauf in einer schriftlichen Stellungnahme.

Für Benko mag das Thema vielleicht erledigt sein, für manch andere Manager wie etwa für Ex-Casinos-Austria-AGChefin Bettina Glatz-Kremsner oder den neuen VIG-Chef Hartwig Löger ist das leidige Kapitel Ermittlungen – sie beide werden als Beschuldigte im CasinosVerfahren geführt – noch nicht erledigt.

Ebenso wenig wie für Ronny Pecik, Eva Dichand oder Sigi Wolf. Er wurde soeben in der Causa Eurofighter angeklagt. Was die Betroffenen dabei am meisten stört, sind überlange Verfahren und eine Vorverurteilung durch die Öffentlichkeit. Der jüngst publizierte Wirtschaftskriminalitätsreport der Kanzlei PetscheDemmel Pollak etwa zeigt, dass 76 Prozent von 167 befragten Entscheidungsträgern die Dauer von Ermittlungsverfahren als zu lange empfinden.

Whistleblower-Gesetz als Auslöser Manager bekommen es aber nicht nur immer öfter mit „normalen“ strafrechtlichen, sondern auch mit finanzstrafrechtlichen und unternehmensinternen Ermittlungen zu tun. Ein entscheidender Grund für die steigende Anzahl der Verfahren ist das sogenannte Hinweisgeberschutzgesetz, besser bekannt als Whistleblowing-Gesetz, das nun gerade von Unternehmen bis hinunter zum 50-Mann-Betrieb umgesetzt werden muss. Der Börsianer hat sich unter TopExperten umgehört, was zu tun ist, wenn man ins Visier der Ermittler gelangt ist, und hat die wichtigsten Tipps zusammengefasst.

Kein Widerstand bei Hausbesuch

Felix Ruhmannseder, Partner in der Wiener Anwaltskanzlei Wkk, die hochkarätige Beschuldigte wie etwa die ExMinisterin Sophie Karmasin oder den früheren Commerzialbank-Chef Martin Pucher verteidigt, rät im Fall einer Hausdurchsuchung: „Auf keinen Fall Widerstand leisten!“ Denn dieser Widerstand macht die Ermittler nicht nur noch neugieriger und kann im schlimmsten Fall sogar als Widerstand gegen die Staatsgewalt gewertet werden, was strafbar ist. In jedem Fall solle man sich aber die Anordnung zur Hausdurchsuchung aushändigen lassen und kopieren.

Schweigen ist Gold

In einem zweiten Schritt sollte man dann möglichst seinen Rechtsvertreter hinzuziehen, rät Franz Althuber von der Kanzlei Althuber Spornberger, der vorwiegend in Steuerverfahren zum Einsatz kommt. Ähnlich wie Wirtschaftsstrafermittlungen nehmen Finanzstrafverfahren stark zu. In der Corona-Zeit hat sich einiges aufgestaut. „Man sollte die Beamten bitten, auf den Anwalt zu warten. Ob sie das allerdings tun, bleibt ihnen überlassen.“ In jedem Fall gilt aber: Schweigen ist Gold, und zwar überall. „Man denke nur daran, die Beamten warten in der Kantine, und am Nebentisch plaudert die Sekretärin relevante Interna aus.“

Damit so etwas nicht passiert, raten Ruhmannseder und Althuber zu Vorabschulungen des gesamten Personals, angefangen von den Empfangsmitarbeitern über die Sekretärin bis hin zur IT-Abteilung. Dabei sollte geklärt werden, wer im Ernstfall kontaktiert wird und was man sagen darf oder besser nicht sagen sollte. Ruhmannseder warnt zur Vorsicht: „Viele Ermittler sind sehr erfahren und sehr nett.“ Das verleitet manchen Mitarbeiter zum Plaudern, und der Ermittler macht danach einen Aktenvermerk, wie er es gehört haben will. Und die Liste der Kontaktpersonen sollte in größeren Unternehmen gleich mehrere Rechtsbeistände umfassen, denn meist finden Hausdurchsuchungen an mehreren Standorten gleichzeitig statt.

Keine Emotionen

Für den ehemaligen Compliance-Chef der OMV AG und Anwalt Robert Eichler gilt zuallererst, wenn man von konzerninternen Untersuchungen Wind bekommt: Emotionen rausnehmen! „Natürlich neigt man dazu, in so einer Situation emotional zu agieren, aber man muss sich bewusst sein, dass von nun an alle Handlungen, die man setzt, Handlungen sind, die dokumentiert und später beurteilt werden.“

Besser persönlich als telefonisch Außerdem agieren Betroffene meistens zu schnell, weiß Eichler. „Sie wollen die Themen hinter sich bringen. Das tut ihnen im Nachhinein aber oft leid. Zu schnelle Unterschriften bereut man oft.“ Und Achtung! Entlassungsgründe müssen, damit sie nicht verwirken, von einem Unternehmen schnell geltend gemacht werden, also ein gewisser Zeitdruck besteht schon. Dadurch entsteht auch Druck auf den Mitarbeiter. Aber auch wenn dann der Rechtsanwalt einmal eingebunden ist, sollte nicht unbedingt hemmungslos loskommuniziert werden. Ruhmannseder: „Selbst beim rechtlich geschützten Austausch mit dem Anwalt sollte man das persönliche

Gespräch der schriftlichen oder telefonischen Kommunikation vorziehen. Schon um Missverständnisse und zweideutige Interpretationen zu vermeiden.“

Die Momente am Beginn der Ermittlungen sind jedenfalls die entscheidenden, hier kann man dem Verfahren als Beschuldigter noch einen Spin geben. „Ich schätze, dass zu Beginn die meisten Fehler gemacht werden“, glaubt auch Althuber. Was ihm im Steuerbereich oft widerfährt: dass bei einer routinemäßigen Betriebsprüfung irgendetwas Verdächtiges gefunden wird und aus der Betriebsprüfung auf einmal eine finanzstrafrechtliche „99er-Prüfung“ –gemäß § 99 Finanzstrafgesetz – wird. „Oft ist es dann aber schon zu spät, weil während der Betriebsprüfung schon zu viel gesagt wurde.“

Daten nicht löschen

Eine immer zentralere Bedeutung bei Ermittlungen jeglicher Art spielen elektronische Geräte. Vom Löschen von Daten oder Gesprächen rät Anwalt Ruhmannseder dringend ab: „Das kann als Vernichten von Beweisen gewertet werden. Das wiederum hieße Verdunkelungsgefahr und ist sogar ein Haftgrund“, warnt der Experte. PINs oder Codes müsse man aber nicht unbedingt herausrücken. Ob es allerdings ratsam ist, die Ermittler hinzuhalten, ist fraglich. Man kann aber jedenfalls, so Ruh- mannseder, der Beschlagnahme von Geräten widersprechen und gegebenenfalls die Versiegelung von Unterlagen beantragen.

Sind die Ermittlungen einmal im Gange, hat der Beschuldigte kaum eine Möglichkeit, das Verfahren zu beschleunigen. Vor allem bei komplexen Fällen und Ermittlungen über die Staatsgrenze hinaus, muss man fast immer mit jahrelangen Verfahren rechnen. „Aber“, so Anwalt Ruhmannseder, „der kurze Prozess ist nicht unbedingt ein Vorteil des Betroffenen.“ Auch wenn es länger dauert, sollte man die rechtlichen Mittel ausschöpfen und sich, so gut es geht, zur Wehr setzen, glaubt er.

Nicht mediengeil sein Dass die lange Zeit von Ermittlungsbeginn bis zur Anklage oder – noch häufiger – zur Einstellung des Verfahrens eine sehr anstrengende und psychisch schwierige Zeit ist, liegt vor allem an der medialen Berichterstattung und häufig auch Vorverurteilung. Aber wie damit umgehen? „Dafür gibt es kein Patentrezept. Man muss von Fall zu Fall entscheiden, wer wie viel kommuniziert“, sagt Ruhmannseder. Wenn allerdings in Medien die Persönlichkeitsrechte verletzt werden, hätte man schon die Möglichkeit, sich dagegen zu wehren. Aber der Anwalt gibt zu bedenken: „Will man wirklich dann noch ein zweites Mal mit

#TIPPS

Handlungsempfehlungen

1. Kein Widerstand bei Hausdurchsuchung

2. Beamte bitten, auf Anwalt zu warten

3. Liste haben, wer im Ernstfall kontaktiert wird

4. Schweigen ist Gold

5. Emotionen rausnehmen

6. Persönliches Gespräch besser als Telefon oder E-Mail

7. Daten nicht löschen einer Richtigstellung in der Zeitung stehen?“ Steuerrechtsexperte Althuber rät grundsätzlich gegenüber Medien zur Zurückhaltung: „Wir raten eher dazu, nicht zu mediengeil zu sein.“ Denn Medien würden dann in der Folge weitere Informationen erwarten, und der Fall käme nie aus der Öffentlichkeit heraus.

Strafprozessordnung ist zu alt

In diesem Zusammenhang hält Anwalt Ruhmannseder auch ein von der Regierung gefordertes Zitierverbot aus Strafakten für sinnvoll. „Das wäre ein wesentlicher Aspekt, um ausufernde einseitige mediale Berichterstattung im Ermittlungsverfahren zu verhindern“, glaubt er. Auch die Auswertung von elektronischen Daten hält er aktuell für zu ausufernd, weil oft der gesamte Datenbestand beschlagnahmt wird. „Die Strafprozessordnung ist schon sehr alt. Es wird Zeit, dass der Gesetzgeber bezüglich der Sicherstellung von Datenträgern und vor allem Handys eine Reform angeht.“

Das hat übrigens auch Armenak Utudjian, Präsident des Österreichischen Rechtsanwaltskammertags, mehrfach gefordert. Bis zu etwaigen gesetzlichen Änderungen kann es aber noch dauern. Für Beschuldigte heißt das wohl, sich auf die bestehenden Gegebenheiten, wie von den Experten empfohlen, einzustellen. n

Schwierig. Öbag-Chefin

Edith Hlawati saß und sitzt in Aufsichtsräten börsennotierter Unternehmen, einige davon hatte ihre damalige Kanzlei Cerha Hempel auch gleichzeitig beraten.

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