LEBENDIGE TRADITION
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Ein Engel im ewigen Eis Als Florian Sinn das russische Frachtflugzeug betritt, um damit zur Antarktis zu fliegen, ist ihm ein wenig mulmig zumute. Und doch erfüllt sich in diesem Moment sein Lebenstraum. Mit an Bord: ein Engel von Wendt & Kühn.
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geschützt in einer stabilen Dose, ruhte er in Florian Sinns Seesack, als das Versorgungsflugzeug zur Landung im Norden des Königin-Maud-Landes in der Schirmacher Oase ansetzte – etwa 4.200 Kilometer südlich von Kapstadt, wo der Flug fünfeinhalb Stunden zuvor begonnen hatte.
Schnell stand fest, dass ein Schutzengel mit auf diese besondere Reise gehen sollte. Und da die Wend & Kühn-Figuren in Florians Sinns Familie keine F L O R I A N S I N N vor Schildern, die auf Unbekannten sind, fiel Ziele in der ganzen Welt verweisen. die Wahl auf einen Engel S T O L Z S T E H T D E R B A L A L A I K A- E N G E L aus Grünhainichen. „Wir neben der kleinsten Matroschka. Im haben ein ganzes Engelor- Gästehaus hat er ein warmes Zuhause in der Antarktis gefunden. chester, die ältesten stammen noch aus den 1930er Jahren und haben mich durch meine Kindheit begleitet“, erzählt der Sammler, für den eine Figur ganz besonders wertvoll ist: „Das Blumenmädchen mit Margerite, das mein Vater 1936 zu seiner Geburt geschenkt bekam.“
Der Abenteurer erlebte in der Antarktis zwei faszinierende Tage, wanderte über die Weiten des Eises, kletterte über Felsen und genoss die Ruhe. Von Zeit zu Zeit wärmte er sich im gemütlichen Gästehaus auf, das von Herbergsmutter Nadja geführt wurde. „Im Aufenthaltsraum stand auf dem Regal eine vierteilige Matroschka-Reihe, an deren Ende ich den Engel für ein Foto platzierte. Hieran hatte die Herbergsmutter so viel Freude, dass ich ihr den kleinen Balalaika-Spieler schenkte. So einen Engel hatte sie noch nie gesehen“, erzählt der 45-Jährige. Nun wohnt der himmlische Bote in der Antarktis und ist dort vermutlich der einzige seiner Art. Florian Sinn hofft, dass er noch lange viele Gäste erfreuen wird und zum Schmunzeln bringt, wenn sie sich fragen, wie denn der Engel in die Antarktis flog. „Als ich am Ende meines Aufenthalts die Tür der Herberge hinter mir schloss, wusste ich, dass ich wohl nicht wiederkommen würde. Umso schöner war es, zu wissen, dass durch den Engel ein Teil von mir bleibt“, erinnert sich der Weltenbummler ein wenig wehmütig und fügt mit einem Augenzwinkern hinzu: „Er hält nun dort die Stellung. Und in guter Gesellschaft weiß ich ihn zum Glück auch: Mit den Matroschkas hat er sicherlich viel Spaß.“
Russisches Flugzeug, russische Herberge – da fiel die Entscheidung für einen Reisebegleiter leicht: der Engel mit Balalaika, 2018 gerade rechtzeitig ins Sortiment gekommen. Sicher
Und wenn Florin Sinn in diesem Jahr im Advent wieder sein großes Engelorchester aufbaut, sendet er natürlich auch einen Weihnachtsgruß zu seinem Engel in die Antarktis.
s ist elf Uhr, als sich die Klappe des Frachtraums der russischen Ilyushin IL-76-Maschine schließt. Florian Sinn nimmt im Flugzeuginneren, das eher einer großen Halle gleicht, Platz. Direkt neben ihm große Kisten und Container. Wohin diese ungewöhnliche Reise geht? Zur Antarktis. Schon seit vielen Jahren ist es sein Traum, einmal dorthin zu fliegen. Die beeindruckenden Fotoaufnahmen eines befreundeten Wissenschaftlers hatten ihn in den Bann gezogen. Nach vielen Jahren des Wartens, und als er fast schon nicht mehr daran glaubte, erhielt er im Dezember 2018 durch eine glückliche Fügung doch noch die Chance, einen Journalisten in die Antarktis zu begleiten. Für zwei Tage würde er im Gästehaus der russischen Forschungsstation „Nowolasarewskaja“ wohnen.
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