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Den Blues im Herzen: Interview mit Lucky Wüthrich

«Ich wollte Blues und AC/DC spielen, nicht ‹Hänschen klein›»

Mit elf Jahren kam Lucky Wüthrich an einem Konzert von Philipp Fankhauser erstmals mit Blues in Kontakt. Jetzt, 14 Jahre später, produziert er mit ebendiesem sein erstes Album. Der 25-Jährige hat den Blues – im Herzen, in den Fingern und in der Seele.

In Ihrer Wohnung stehen alte Gitarren und ein altes Wurlitzer Piano. Haben Sie

ein Faible für alte Sachen? Ja! Sie tönen wundervoll und sind schön. Und vor allem erzählen die alten Instrumente Geschichten. Das gefällt mir. Eine fabrikneue Gitarre muss man zuerst einspielen, bevor sie anfängt zu reden.

Erzählen Sie uns eine der Geschichten?

Diese schwarze Gitarre zum Beispiel, die Gibson Les Paul, gehörte einem Freund. Er hatte eine riesige Gitarrensammlung und freute sich auf seine Pensionierung und die Zeit, um ganz viel Gitarre zu spielen. Am Tag seines 65. Geburtstags starb er. Nach seinem Tod lud mich sein Bruder ein, die Gitarren zu spielen und eine auszusuchen. Diese schwarze, wohl die älteste, fühlte sich wunderschön an und lässt sich super spielen.

Sie sind erst 25. Viele junge Leute interessieren sich eher für Hip-Hop oder Pop.

Warum Blues? Ich spüre einfach, dass es die Wurzel von allem ist – von Rock’n’Roll, Funk, Hip-Hop. Mit elf Jahren hörte ich an einem Konzert zum ersten Mal Blues. Ich hatte keine Ahnung von dieser Musik und musste einfach tanzen. Seither liess mich die Musik der grossen Blues-Musiker wie Muddy Waters, Freddie King oder John Lee Hooker nicht mehr los. Meist haben sie nur ihre Gitarre und ihre Stimme und erzählen echte Geschichten. Das ist einfach richtig «real», «rough», anders als bei Pop. Mir gefällt es, wenn jemand hinsteht, die Gitarre einsteckt und dann «gib ihm».

Sie begannen etwa mit zehn, Gitarre zu

spielen. Ja, und es liess mich nicht mehr los. Einzig als ich in der Schule diese Liedchen spielen musste, bestand kurz die Gefahr, dass ich aufhöre. Ich wollte lieber Blues spielen oder wie Angus Young werden und AC/DC spielen, nicht «Hänschen klein».

Mit 14 Jahren waren Sie in der TV-Show «Die besten Schweizer Talente». Ja, da erhielt ich ziemlich viel Aufmerksamkeit. In Thun dachten sie schon, «jetzt ist es dem Wüthrich wohl in den Kopf gestiegen». Danach musste ich zuerst rausfinden, wer ich eigentlich bin und wohin ich will. Ich wollte keine TV-Shows machen, sondern eine richtige Musikkarriere. Ich wusste, ich will mein Leben mit Musik meistern. Diese Kraft in mir war extrem stark. Ich war felsenfest davon überzeugt.

Sie besuchten dann die Kunst- und Sportklasse an der Progymatte in Thun.

Das war eine super Sache. Dort hatte ich die Möglichkeit, viel zu üben, was mich darin bestärkte, Musiker zu werden.

Umgangssprachlich sagt man «den Blues haben», wenn man melancholisch ist. Sie wirken nicht wie ein Melancholiker.

Nein, aber es gab schon Phasen in meinem Leben, in denen ich eher pessimistisch war. Zum Beispiel, als mich meine erste Freundin verliess. Oder nach meiner USA-Reise mit Philipp Fankhauser zweifelte ich und dachte: Ich bin jung und weiss, aus mir wird nie ein richtiger Blueser. Den Kopf hängen zu lassen bringt aber nichts. Deshalb sehe ich das Glas lieber halb voll.

Hilft Ihnen da die Musik? Ja, sehr. Mit der Musik kann ich abschalten. Sie ist ein Instrument, mich auszudrücken. Musik gibt mir Hoffnung, Kraft und Motivation.

Sie haben ihn schon erwähnt, Philipp Fankhauser. Eine wichtige Person für Sie.

Es war sein Konzert, das mich damals zum Blues brachte. Später durfte ich mit ihm spielen und er nahm mich mit auf seine Harley Blues Cruise durch die Südstaaten der USA. Er wurde mein Mentor und lehrte mir sehr viel über die Geschichte des Blues. Mittlerweile kennen wir uns lange und inspirieren uns auch gegenseitig, wie er sagt. Ich glaube, er schätzt das Jugendliche, meine Power. Er ist ein Freund.

Und Förderer. Mit ihm können Sie Ihre erste Platte produzieren. Was bedeutet Ihnen das? Es ist wie ein Sechser im Lotto. Ich bin nun seit drei Jahren selbständig, spielte anfangs an Hochzeiten, Geschäftsanlässen, aber auch in Clubs. Ich konnte mich nicht beklagen, aber eigentlich will ich auf die grossen Bühnen. Mit meiner jetzigen, wirklich tollen Band nahm ich die zweite EP auf und schickte sie Philipp. Eines Nachts erhielt ich eine SMS, dass ich bei ihm unter Vertrag bin.

Zur Person

Lucky Wüthrich ist 1996 in Thun geboren. Er besuchte die Kunst- und Sportklasse an der Progymatte. Nach einer Lehre zum Logistiker studierte er einige Semester an der Jazzschule in Bern. 2019 veröffentlicht er seine erste EP «Tell Me Why». 2021 nimmt ihn Philipp Fankhauser unter Vertrag. Bei seinem Label produziert er seine erste LP. Am 10. Dezember ist Plattentaufe in der Mühle Hunziken. Sind Sie schon im Studio? Ja, wir sind schon mit der Band am Aufnehmen. Die Songs stehen. Einige habe ich zusammen mit der Sängerin und Songwriterin Freda Goodlett und dem Thuner Musiker und Mundharmonika-Virtuosen Josua Romano geschrieben.

Wie entstehen Ihre Songs. Ist zuerst die

Musik? Meistens. Das kann ein Schlagzeugbeat sein, der am Anfang steht. Dann kommen Bass und Gitarre dazu. Der Text ist meist am Schluss. Hier schätze ich die Zusammenarbeit mit anderen sehr. Allein gerate ich oft in eine Sackgasse. Sie bringen mich jeweils wieder auf andere Ideen.

Ihre Musik hat auch Elemente von Soul

und Funk. Ja, gemäss Philipp bin ich ja eigentlich kein Bluesman. Ich sei viel mehr, hat er mal gesagt. Das kann man jetzt unterschiedlich interpretieren… Jedenfalls inspiriert mich John Lee Hooker ebenso wie Aretha Franklin oder James Brown. der ein normales Live-Konzert spielen kann. Andererseits habe ich auch Zeit, um zu üben, Songs zu schreiben. Ich versuche, es positiv zu sehen.

Woher nehmen Sie die Motivation?

Ich will einfach ein guter Musiker sein. Dafür stecke ich mir konkrete Ziele. Aktuell übe ich regelmässig Gitarre, Bass, Klavier und Gesang. Hinzu kommen neben der eigenen Platte diverse Musikprojekte mit anderen Bands. Ich sehe zu, dass ich keine Zeit habe zu hadern.

Was möchten Sie mit der Musik errei-

chen? Ich finde es schön, Leute mit der Musik zu berühren. Mein grösstes Ziel ist es aber, ein wahrer Meister meines Fachs zu werden, ein «Sheriff», wie Prince oder James Brown. Und irgendwann will ich einen Grammy gewinnen.

Interview: Simone Tanner Bilder: Erich Häsler, Florian Spring und riccomat (rawk.ch)

Als Künstler sind Sie stark von der CoronaKrise betroffen. Wie haben Sie die letzten Monate erlebt? Es ist ein Wechselbad der Gefühle. Einerseits frage ich mich, wohin das alles führt, ob ich je wie-

Bild linke Seite: Nicht nur Gitarren. In Lucky Wüthrichs Wohnung stehen auch diverse Bassgitarren und ein Wurlitzer-Piano. Bild rechts: Lucky Wüthrich sehnt sich nach live Auftritten, wie hier an der Kulturnacht in Burgdorf. Bild unten: Seit Februar ist Lucky Wüthrich bei Philipp Fankhauser unter Vertrag.

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