Kurzvorschau – Die Wandertipps des Schweizer Alpen-Club SAC

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Impressum

Die Angaben in diesem Buch wurden mit grösstmöglicher Sorgfalt und nach bestem Wissen und Gewissen der Autorinnen und Autoren zusammengestellt. Eine Gewähr für deren Richtigkeit wird jedoch nicht gegeben. Die Begehung der vorgestellten Touren erfolgt stets auf eigenes Risiko. Fehlermeldungen und Ergänzungen bitte an: Weber Verlag AG, Gwattstrasse 144, 3645 Thun/Gwatt, sac@weberverlag.ch.

Alle Rechte vorbehalten, einschliesslich derjenigen des auszugsweisen Abdrucks und der elektronischen Wiedergabe.

© 2024 Weber Verlag AG, CH-3645 Thun/Gwatt 1.Auflage

Konzept: Schweizer Alpen-Club SAC, Redaktion SAC-Zeitschrift «Die Alpen» Texte und Bilder: Siehe Angaben im Inhalt. Die Texte und Bilder wurden von der Redaktion der SAC-Zeitschrift «Die Alpen» und vom Weber Verlag redigiert. Karten: swisstopo

Weber Verlag AG

Konzept: Annette Weber-Hadorn und Andreas Mathyer Gestaltung Umschlag: Aline Veugel Satz, Gestaltung Karten: Salomé Mettler, Cornelia Wyssen, Aline Veugel

Der Weber Verlag wird vom Bundesamt für Kultur mit einem Strukturbeitrag für die Jahre 2021–2025 unterstützt.

ISBN 978-3-85902-493-9

www.weberverlag.ch

Die Wandertipps des Schweizer Alpen-Club SAC

33 Berg- und Alpinwanderungen in der ganzen Schweiz

1. Auflage

Inhaltsverzeichnis

Vorwort 6

Autorinnen und Autoren 8

Gut zu wissen 9

SAC-Wanderskala 10

Sicher unterwegs 12

Umweltfreundlich unterwegs 14

Links, Apps, Telefonnummern 15

Berner Oberland

01 Schönheit ist überall ein gar willkommener Gast –Wanderung ins Hintere Lauterbrunnental

Gerhard Fitzthum 16

02 Die Festung ob Brienz –Anspruchsvolle Wanderung auf die Oltschiburg

Bernd Jung 24

03 In der Stille des Giglistocks –Versteckte Berühmtheit über dem Sustenpass

Fredy Joss 32

04 Vier Kilometer Gratgenuss –Alpinwandern auf die Schwalmere

Bernd Jung 40

05 Im Banne eines verzauberten Riesen –Eine einsame Wanderung hoch über dem Färmeltal Bernd Jung 48

Wallis

06 In sechs Tagen ums Matterhorn –Tour du Cervin: Weitwanderung ab St.Niklaus

Stefan Hartmann 56

07 Eine Route voller Leben –Zweitageswanderung von Arolla nach Verbier

Valentin Abbet 64

08 Über sieben Alpen –Spätherbst im Lötschental

Françoise Funk-Salamí 70

09 Einsames Tal der Schmetterlinge –Wandern im Laggintal

Iris Kürschner 78

10 Schroffe Felsen, heilige Wasser –Gratwanderung im Spätherbst Françoise Funk-Salamí 86

11 Drei Perlen am Grand-Saint-Bernard –

Pilgerwanderung zu den Lacs de Fenêtre

Stéphane Maire 94

12 Gratwanderung zum Mont Brûlé –Zwischen Himmel und Erde im Val d’Entremont

Stéphane Maire 100

Zentralschweiz / Zürich

13 Urner Gedicht –

Anspruchsvolle Wanderung in den Urner Alpen

David Coulin 108

14 Romantische Riginordlehne –

Unterwegs im grössten Schutzwald der Schweiz

David Coulin 116

15 Ein Berg für alle Fälle –Wandern im Zürcher Oberland Françoise Funk-Salamí 122

Tessin / Italien

16 Hoch über dem Lago Maggiore –

Eine Wanderung im Winter auf den Gridone

Steffen Kern 126

17 Lust auf Süden –Urchig-schönes Wandern im Muggiotal

Iris Kürschner 136

4 | Die Wandertipps des Schweizer Alpen-Club SAC

18 Hoch soll sie leben – Cima di Cugn im Tessin: Die Suche nach einer seltenen Alpenpflanze

Sabine Joss 144

19 Bergfrühling im Val Colla –

Von Hütte zu Hütte vom Monte Bar zum Monte Brè

Françoise Funk-Salamí 152

20 Auf die Krone der Schöpfung – Anspruchsvolle

Wanderung auf die Corona di Redòrta

Franz Ulrich 156

Graubünden

21 Unberührte Schönheit – Eine zweitägige Wanderung über die Capanna Sasc Furä CAS

Benedikt Haufs 166

22 Kleinod des Schweizer Nationalparks –Herbstwanderung zu den Lais da Macun

Françoise Funk-Salamí 174

23 Auf zur sagenhaften Alp –

Durch den Naturpark Beverin zur Via Capricorn

Pius Furger 182

24 Juwel in kargen Sphären – Alpine Wanderung von der Greina über den Piz Terri ins Valle di Blenio

Pius Furger 190

25 Im rauen, stillen Tal –

Dreitageswanderung im Tessiner Val Bavona

David Coulin 198

26 Entlang der magischen Linie – Auf dem SardonaWelterbe-Weg durch den wilden Osten

Iris Kürschner 204

27 Als der Berg zu Tale stürzte – Schluchtwanderung durch den Bündner Grand Canyon

Pius Furger 214

Westschweiz / Jura

28 Abenteuerliche Riviera –Wandern um die Rochers de Naye

Laurent Grabet 220

29 Träumen über dem Lac Léman –Mehrtägiges Grenzwandern in der Romandie

Bernd Jung 228

30 Wilder Kamm – Querung der Juraketten auf französischem Gebiet

Geneviève Ruiz 238

Schwarzwald / Haute-Savoie / Aostatal

31 Ein Stück Kulturerbe Frankreichs –Herbstwanderung in der Haute-Savoie

Stéphane Maire 244

32 Im Angesicht des weissen Berges –Höhenwanderung vom Val Vény ins Val Ferret

Françoise Funk-Salamí 250

33 In Nachbars Garten –Ein Fünftages-Trek im Hinteren Wiesental

Iris Kürschner 256

Inhaltsverzeichnis | 5

Vorwort

Haben Sie für Ihre nächste Bergtour bereits seit Längerem eine bestimmte Region auf Ihrer Bucket List notiert? Oder möchten Sie einfach mal den Alltag für 24 Stunden unter sich lassen und suchen noch nach einem herausfordernden Gipfelziel? Ob Sie nun mehrtägige Hüttentrekkings bevorzugen oder doch eher der Typ für kürzere Ausflüge in die Höhe sind, dieses Werk inspiriert mit seinen 33 Tourentipps alle Berg- und Alpinwanderfans für neue Abenteuer.

Die hier präsentierten Berg- und Alpinwanderungen wurden zwischen 2020 und 2023 erstmals in der Zeitschrift «Die Alpen» des Schweizer Alpen-Club SAC publiziert. Mit viel Hingabe wählen wir im Team die Tourentippvorschläge unserer Autorinnen und Autoren aus und erarbeiten die Artikel zusammen. Für unsere Leserinnen und Leser zählen die Tourentipps gemäss einer Befragung aus dem Jahr 2021 zu den beliebtesten Lesestücken. Deshalb haben wir uns gemeinsam mit dem Weber Verlag entschieden, eine Auswahl in einem Grossformat herauszugeben. Die Bandbreite reicht von eintägigen, einfacheren Touren wie zum Beispiel die Wanderung ins hintere Lauterbrunnental bis zum mehrtägigen, anspruchsvolleren Gratwandern hoch über dem Lac Léman.

Mit unseren Autorinnen und Autoren verbindet uns eine langjährige Zusammenarbeit. Sie sind selbst Bergsportliebhaber, Naturfotografinnen, Wanderleiter, sind in der alpinen Rettung engagiert oder haben bereits selbst Bergbücher und Wanderführer herausgegeben. Vom Projekt, eine Auswahl an Tourentipps in einem Buch herauszugeben, waren sie genauso begeistert wie wir.

Bei unseren Tourentipps geht es nie nur um den reinen Auf- und Abstieg, sondern vielmehr um das Eintauchen in alpin-historische und lokal-historische Hintergründe, das Erzählen von Sagen und Mythen sowie das Vermitteln von recherchiertem Wissen. Auf den Bildern begleiten Sie Menschen, die schwitzen, lachen oder müde sind. Menschen, die die Leidenschaft für das Bergsteigen und Wandern teilen. Auch die Autorinnen und Autoren der Touren sind auf den Bildern zu sehen, denn ihre Nähe zu den beschriebenen Erlebnissen verleiht diesem Werk eine ganz persönliche Note.

Nun wünschen wir Ihnen viel Freude beim Schmökern und Planen Ihrer nächsten Tour. Übrigens freuen wir uns immer über Schnappschüsse von Ihren Bergerlebnissen oder wenn Sie uns in den sozialen Medien mit @schweizeralpenclub markieren.

Herzlichst, Fabienne Bögli und das gesamte Alpen-Team

6 | Die Wandertipps des Schweizer Alpen-Club SAC

Für spannendes Bildmaterial ist oft voller Einsatz gefragt.

Foto: Bernd Jung

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Autorinnen und Autoren

Valentin Abbet

Als leidenschaftlicher Trailer und Bergsteiger liebt der Übersetzer der Zeitschrift «Die Alpen» Ausflüge in die Natur.

David Coulin

Ist Kommunikationsberater, freier Fotojournalist und Autor zahlreicher Bergbücher und Wanderführer.

Gerhard Fitzthum

Ist promovierter Philosoph, Reisejournalist und Wanderleiter. Seine zweite Heimat sind die italienischen Alpen.

Françoise Funk-Salamí

Ist freie Fotografin und Autorin mit Vorliebe für Schnee und Eis. Ihr Fokus liegt oberhalb 2000 Metern in den Alpen und über 60 Grad Nord in Grönland.

Pius Furger

Pius Furger ist Lehrer und Autor. Der passionierte Berggänger ist in der Alpinen Rettung engagiert und wohnt in Masein am Heinzenberg.

Laurent Grabet

Freier Journalist und Amateuralpinist. Er durchstreift das Land auf der Suche nach aussergewöhnlichen Berglerinnen und Berglern.

Stefan Hartmann

Ist Journalist und liebt die Berge. Am liebsten sind ihm Weitwanderungen, die immer wieder überraschende Ausblicke eröffnen.

Benedikt Haufs

Er lebt mit seiner Familie in Düsseldorf. Er kennt die Berge Graubündens und der Lombardei vom Wandern. Als Hüttengehilfe hat er auf der Schönbielhütte SAC gearbeitet.

Fredy Joss

Lektor, Korrektor, Autor und Fotograf. Er liebt alpine Wanderungen, Skitouren sowie Schlüsselstellen in Texten und im Fels.

Sabine Joss

Ist Biologin und Autorin von zahlreichen Wanderführern. Sie ist beruflich und auch privat oft in den Bergen unterwegs.

Bernd Jung

Der Physiker, Autor und Fotograf findet seinen Alltagsausgleich – ob mit oder ohne Familie – bei allerlei Bergaktivitäten.

Steffen Kern

Ist Redakteur der Zeitschrift «klettern» und liebt grosse alpine Klettereien sowie Boulderblöcke. Er lebt mit seiner Familie in der Magadino-Ebene.

Iris Kürschner

Ist Alpinjournalistin, Fotografin und Buchautorin. Am liebsten erkundet sie Gebirgsregionen abseits des Mainstreams.

Stéphane Maire

Lehrer, Autor und erfahrener Alpinist, der auch steile Skitouren liebt. Arbeitet seit 1998 mit der Zeitschrift «Die Alpen» zusammen.

Geneviève Ruiz

Ist Journalistin und liebt die Natur. Sie ist am liebsten auf den Kreten des Juras unterwegs.

Franz Ulrich

Ist freischaffender Naturfotograf und bewegt sich gerne zu Fuss und mit Schneeschuhen in alpinem Gelände.

8 | Die Wandertipps des Schweizer Alpen-Club SAC

Gut zu wissen

Tourenplanung

Jede Tour sollte eigenständig geplant werden. Die praktischen Informationen im Routenbeschrieb sowie die Informationen in der swisstopo-App (Zugang via QRCode) unterstützen die Tourenplanung. Wie viele andere Sportarten ist auch Wandern nicht ganz ohne Risiko. Dieses kann erheblich reduziert werden, wenn man sich der eigenen Fähigkeiten bewusst ist und Erfahrungswerte von schon gemachten Touren in die Planung mit einbezieht. Wichtig ist, die Gefahren einer Tour nach bestem Wissen einzuschätzen. Ausführliche Informationen zur Tourenplanung von Wanderungen finden sich im SAC-Ausbildungsbuch Bergwandern / Alpinwandern

Abkürzungen, Piktogramme, Signaturen

T1–T6 Schwierigkeitsgrade der SAC-Wanderskala h, min Stunden, Minuten

Hm Höhenmeter

N Norden (NO: Nordosten, NW: Nordwesten)

S Süden (SO: Südosten, SW: Südwesten)

O Osten

W Westen

Gipfel

Unterkunft, Übernachtung

Zug

Bus

Seilbahn

Hauptroute Varianten

Laufrichtung

Zeitangaben

Die Zeitangaben verstehen sich als reine Wanderzeit, also ohne Pausen. Je nach Quelle und deren Erhebungsmethode können die Angaben variieren. Durchschnittlich trainierte Wandernde legen beim Aufstieg pro Stunde 4 km Strecke und 350 Höhenmeter zurück. Beim Abstieg sind es 700 Höhenmeter. Das ideale Wandertempo hängt von vielen Aspekten ab. Dazu gehören Fitness, technische Fähigkeiten, Gruppenzusammensetzung und der Zweck der Wanderung.

Schwierigkeit

Für die Bewertung wird die SAC-Wanderskala verwendet (siehe Seite10). Die Schwierigkeitsgrade T1 bis T6 (T für Trekking) reichen von leichten, flachen Wanderungen bis zu ernsthaften, alpinen Touren. Farbmarkierungen im Gelände lassen keine sicheren Rückschlüsse auf den effektiven Schwierigkeitsgrad zu. Bei ungünstigen Bedingungen (Eis, Schnee, Nässe, Nebel nehmen die Schwierigkeiten rasch zu.

Karten und Routen

Das abgebildete Kartenmaterial stammt von swisstopo, Stand April 2024. Ortsbezeichnungen und Höhenangaben unterliegen Änderungen. Auf der swisstopo-Website finden sich interessante Informationen zur Landesvermessung und zur Namensgebung auf den Landeskarten. Auf den Übersichtskarten sind die Hauptrouten mit durchgezogenen, die Varianten mit gerissenen Linien eingezeichnet. Die Laufrichtung ist mit einem Pfeil markiert. Die in weglosem Gelände eingezeichneten Routen sind als Richtungsangaben zu verstehen. Wenn vorhanden, helfen Routenmarkierungen (z.B. inoffizielle Farbzeichen oder Steinmannli) bei der Orientierung im Gelände. Für unterwegs empfiehlt sich die Mitnahme von swisstopoKarten im Massstab 1:25 000 oder ein ausgedruckter Kartenausschnitt. Die für die Tour benötigten Kartenblätter sind im Routenbeschrieb aufgeführt.

QR-Codes

Via QR-Code erhält man Zugang zur swisstopo-App und den Karten mit den eingezeichneten Hauptrouten. Ist die Standortanzeige aktiviert, wird unterwegs die eigene Position direkt auf der Karte angezeigt. In der swisstopo-App lassen sich die Karten kostenlos speichern und offline nutzen. Damit ist die Ansicht auch bei schlechter oder fehlender Mobilnetz-Abdeckung möglich. Die Angaben im Buch weichen aufgrund der verschiedenen Erhebungsmethode leicht von den Informationen in der swisstopo-App ab.

Höhenprofil

Die Höhenprofile sind auf Basis der gezeichneten Routen erstellt. Sie bilden die Hauptroute ab.

Gut zu wissen | 9

«Schönheit ist überall ein gar willkommener Gast»

Bildschön und geheimnisvoll –in manchen Jahren ist der Oberhornsee nahezu trocken.

Wanderung ins Hintere Lauterbrunnental

Schon Johann Wolfgang von Goethe suchte den Oberhoresee auf. Dort war er damals umgeben von Eismassen, heute muss man deutlich höher steigen, um die Gletscher zu sehen. Eine Reise zu Naturschauspielen in Zeiten des Klimawandels.

Die Reste des Wätterlickengletschers: Die Verbindung zum Tschingelfirn ist längst abgebrochen.

Wer in die Naturparadiese des Hinteren Lauterbrunnentals will, fährt für gewöhnlich bis zur Postauto-Haltestelle in Stechelberg und wandert dann an der wild schäumenden Lütschine aufwärts. Die beste Dramaturgie bietet aber der Zugang unterhalb des Tanzbedeli auf rund 2000 Metern – ein Umweg über das Sefinental, in dem ein steiler Serpentinenweg zu einer fantastischen Aussichtsposition hinaufführt. Jungfrau, Schwarzmönch, Gspaltenhorn und Schilthorn wirken hier zum Greifen nah.

Am Passübergang öffnet sich dann der Blick in die Schlünde des Lauterbrunnentals. Wie gebannt starrt man aber erst mal auf die dahinter aufsteigende Dreitausenderkette des UNESCO-Weltnaturerbes – vergletscherte Nordhänge, an denen gewöhnliche Bergwanderer wie wir nichts verloren haben. Nicht weniger eindrücklich ist der akustische Szenenwechsel: Hat der Aufstieg in atemberaubender Stille stattgefunden, so ist die Luft nun plötzlich von einem markanten Rauschen erfüllt. Es sind die Wasserfälle, die im Tal der lauteren Brunnen den Ton angeben.

Goethe musste nur zum Oberhoresee Nun braucht man eine knappe Stunde zum Kerzenhotel Obersteinberg, das uns zwei Tage als Basislager dienen wird. Nicht für Gipfelabenteuer, sondern für ein paar vorsichtige Kontakte mit den ersten Opfern des Klimawandels, den Gletschern. Gut ausgeruht machen wir uns am nächsten Morgen auf den Weg zum Tschingelgletscher. Dafür folgt man den endlosen Steinwüsten, die er bei seinem Rückzug hinterlassen hat. Vom Gletscher selbst fehlt allerdings jede Spur. Johann Wolfgang von Goethe hatte es seinerzeit besser: Er musste nur bis zum Oberhoresee aufsteigen, um auf nahezu allen Seiten von Eismassen umgeben zu sein. Heute weiden hier die Kühe, und vom Tschingelgletscher ist nach wie vor nichts zu sehen. Wir folgen der Oberkante der 1850er-Moräne – sie markiert den letzten Gletscherhochstand –, queren einige ungesicherte Wasserläufe und tauchen in eine fast weglose Schuttwildnis ein. Durch ein Blockmeer klettern wir dann neben einem garstig schäumenden Gletschermilchbach aufwärts und müssen dabei hin und wieder die Hände zu Hilfe nehmen. Endlich scheint sie hell vor uns auf – eine riesige Eisfläche, die nur mässig steil bis zum Horizont aufsteigt und mühelos zu begehen ist. Gletschertische und Sandpyramiden müssen nicht lange gesucht werden. Schneller als erwartet stehen wir auch vor einer Gletschermühle, in der das Schmelzwasser in die Tiefe rauscht. Schliesslich tauchen die ersten Spalten auf, denen man besser nicht zu

nahe kommt. Glaubt man der im Eis stehenden Warntafel, so gilt das auch für die brüchigen Felswände, die nebenan in den Himmel ragen. Selbst auf 2500 Metern Höhe beginnt der Permafrost aufzutauen. Wie naiv es doch wäre, den Klimawandel für eine Sache der Zukunft zu halten.

Unglaubliche Wassermassen schäumen zu Tal Am nächsten Tag steht eine Stippvisite beim Breithorngletscher auf dem Programm. Auf der Wanderkarte ist unterhalb des gleichnamigen Gipfels noch eine riesige weisse Fläche eingezeichnet. Sie müsste aber ganz neu illustriert werden, denn der Gletscherfuss hat schon lange keinen Kontakt mehr zu seinem einstigen Nährgebiet. Vom strahlenden Weiss, das den Tschingelfirn so eindrücklich gemacht hat, fehlt zudem jede Spur. Was immer hier an Eis noch vorhanden sein mag – es ist vollständig von Staub und Geröll verdeckt. Auch dies kein gutes Zeichen: Die grauschwarze Schmutzschicht absorbiert das Sonnenlicht um ein Vielfaches stärker als weisser Firnschnee. Dadurch erwärmt sich die Oberfläche, was wiederum zur Aufheizung der Atmosphäre beiträgt. Das immerhin zehn Meter hohe Gletschertor gleicht einem schmerzhaft aufgerissenen Maul, in dem das leise Murmeln des Schmelzwassers fast unheimlich wirkt. So unheimlich wie die Steine, die uns hin und wieder von oben mit lautem Echo vor die Füsse fallen.

Mittagspause machen wir am oberen Rand der Schmadribachfälle. Unglaubliche Wassermengen schäumen neben uns zu Tal. Goethe hätte sich von diesem Naturschauspiel sicher inspirieren lassen. Im unteren Lauterbrunnental hat er die berühmten Staubbachfälle literarisch verewigt und im Zusammenspiel von Wind und Wasser ein Sinnbild für das menschliche Schicksal gesehen.

Heute würde er hier wohl ganz andere Verse schreiben –über ein Schicksal des Menschen, das dieser selbst zu verantworten hat, weil er nichts gegen den selbst gemachten Klimawandel tut. Und über Wasserläufe, deren Schicksal bereits besiegelt scheint: Da sie sich vor allem den Gletschern verdanken, werden sie mit ihnen verschwinden, im Sommer zumindest. Dann wird es im Tal der lauteren Brunnen ziemlich still werden, gespenstisch still.

«Schönheit ist überall ein gar willkommener Gast» | 19

Praktische Infos

1 Stechelberg (910 m) –

Obersteinberg (1778 m)

Eckdaten

T2, 3 h 15, 1030 Hm, 180 Hm

Route

Gut markierter Steilanstieg ins Sefinental, zweifacher Wechsel der Bachseite, dann ab Brücke (ca. 1210 m) steil hinauf nach Busenbrand und Richtung Tanzbedeli (1a Abstecher zum Tanzbedeli [T3]). Kurz darauf über den aussichtsreichen Busengrat ins Lauterbrunnental mit Abstieg zum Berghotel Obersteinberg (1778 m).

2 Obersteinberg –

Tschingelgletscher (2400 m) –Obersteinberg

Eckdaten

T3, 4 h 30, 675 Hm

Route

Über Schafläger in 1 h 15 zum Oberhoresee (2065 m) hinauf. Von dort auf weiss-blau-weiss markierter, aber teilweise wegloser Route in südwestlicher Richtung zum Gletscherrand (1 h 15). Der Tschingelgletscher ist im unteren Teil sehr flach und entsprechend leicht zu begehen. Trotzdem muss man auf Spalten achten. Rundgang auf aperem Gletscher mit Steigeisen; bei verschneitem Gletscher nur mit entsprechender Ausrüstung. Rückkehr auf dem gleichen Weg.

3 Obersteinberg – Gletschertor

Breithorngletscher (2050 m) –Stechelberg (910 m)

Eckdaten

T2, 5 h 30, 400 Hm, 1200 Hm

Wie am Vortag bei Schafläger über die Brücke. Nach 15 min Richtung Oberhoresee am Ende einer weiten Mulde nach links auf gut markiertem Weg Richtung Oberhoren/ Schmadrihütte aufsteigen. Dort über eine kleine Brücke und weiter hoch auf die Moräne, von wo aus man das Gletschertor unter sich liegen sieht. Ab der Brücke über den Schmadribach ist es flach, aber weglos (2 h 15). Vorsicht: Vom Gletscherrücken fallen immer wieder Steine vor das Gletschertor. Es folgt der Abstieg über die Ziegenalp zum Gasthaus Trachsellauenen. Dann links am Haus vorbei den alten Saumpfad nach Stechelberg hinuntergehen und dabei die Schotterstrasse queren.

Anreise

Mit dem Zug via Interlaken Ost nach Lauterbrunnen und weiter mit dem Postauto nach Stechelberg, Hotel.

CO2-Treibhausgas, in kg pro Person und Weg: Beispielreise Aarau–Stechelberg. Quelle: www.sbb.ch

30.1 kg

2.1 kg

Ausrüstung

Für eine eventuelle Gletscherbegehung braucht man einen Führer oder viel Erfahrung sowie Steigeisen. Ansonsten genügt eine ganz normale Bergwanderausrüstung.

Karte und Route Karte und Route Karte und Route Route
1 000 500 2 000 3 000 1 500 2 500 0 km m 30 km Tag 2 17 km Tag 1 7 km 20 | Die Wandertipps des Schweizer Alpen-Club SAC

Stechelberg (910 m)

Karten

LK 1 : 25 000, Blatt 1248 Mürren

LK 1 : 50 000, Blatt 264 Jungfrau

Literatur

Tanzbedeli (ca. 2130 m)

2 3 1a

Obersteinberg (1978 m)

Trachsellauenen (1202 m)

– SAC-EnviroTool Phänomene auf Gletschern, www.sac-cas.ch/de/envirotools

– A. Rosenkranz, J. Meyer, M. Lüthi, F. Zoller, Lebenswelt Alpen, sehen – kennen – verstehen

Übernachtung

Berghotel Obersteinberg (Sommerbetrieb bis Ende September), 033 855 20 33, www.stechelberg.ch

Tschingelgletscher

Breithorngletscher

Der gemütlichste Teil der Tour führt über die Hochfläche Oberhoren. Im Hintergrund ist die Doppelspitze der Chanzel, die den Wätterlickengletscher vom Tschingelgletscher trennt, zu sehen.

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Es wird spannend. Irgendwo muss bald auftauchen, was vom Tschingelfirn übrig geblieben ist.

22 | Die Wandertipps des Schweizer Alpen-Club SAC

Oben: Endlich Eis unter den Sohlen. Die nächste Generation wird länger suchen müssen.

Unten: Aufstieg nach Obersteinberg: der Blick reicht von der Jungfrau bis zum Lauterbrunner Breithorn.

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Die Festung ob Brienz

Beeindruckend: Am oberen Ende tost der Oltschibachfall in die Tiefe.

Anspruchsvolle Wanderung auf die Oltschiburg

Wie eine Festung wird die Oltschiburg von einem Felsgürtel umzogen. Allerdings hat der Gürtel einige «Schwachstellen», sodass der Berg prima überschritten werden kann. Eine wunderbare Tour, um den Alpinwanderbereich bis T5 kennenzulernen.

Das malerische Hinderburgseewli erreicht im Sommer eine angenehme Badetemperatur. Im Hintergrund die Westflanke der Oltschiburg.

«Kurz vor den senkrechten Felsabstürzen befindet sich
ein exzellenter Platz für eine Pause mit atemberaubender
Sicht auf den Brienzersee»

Die Axalp ist vor allem bekannt für die Flugschau der Schweizer Luftwaffe, das Fliegerschiessen, an dem die Piloten mit ihren Jets ihre Flug- und Zielkünste demonstrieren. Leider werden ausserhalb des Fliegerschiessens gelegentlich auch Übungsflüge ausgehend von Unterbach absolviert. Diese Tage sollte man vermeiden, damit einer angenehmen Wanderung in der vergleichsweise ruhigen Ecke um den Brienzersee nichts im Wege steht.

Die Route beginnt reizvoll mit dem Schnitzlerweg. Hier stehen über 100 Holzfiguren am Wegesrand. Viele davon wurden aus den Baumstümpfen gefertigt, die der Sturm Lothar im Jahr 1999 hinterlassen hat. Reizvoll ist auch das erste Etappenziel, an dem der Schnitzlerweg endet: das malerische Hinterburgseeli, das versteckt in die Bergkulisse um die Gipfel von Oltschiburg und Axalphoren eingebettet ist. Läge nicht noch ein langer Weg vor uns, wäre die Mitnahme von Bade- und Picknicksachen obligatorisch.

Sich nicht von der Aussicht ablenken lassen

Nach einem kurzen Anstieg können wir das Hinterburgseeli noch mal aus verschiedenen (Vogel-)Perspektiven betrachten, da es auf einem 300 Meter darüber gelegenen Höhenweg halbseitig umrundet wird. Während der kleine Bergsee langsam dem Blickfeld entschwindet, tritt mehr und mehr der Brienzersee mit seiner fast schon surreal anmutenden türkisenen Farbe ins Bild.

Bei der Durchsteigung der steilen Felsrinne – der Schlüsselstelle der Tour – sollte man sich aber nicht zu sehr vom reizvollen Blick in die Tiefe ablenken lassen. Es empfiehlt sich zudem, die Gipfelrast nicht direkt auf dem höchsten Punkt der Oltschiburg abzuhalten. Bevor man die letzten Meter zum flachen Gipfel aufsteigt, hält man sich am besten rechts und peilt einen schon aus der Distanz gut sichtbaren Steinmann an. Kurz vor den senkrechten Felsabstürzen befindet sich ein exzellenter Platz für eine Pause mit atemberaubender Sicht auf den Brienzersee, das Hinterburgseeli – man glaubt fast, mit genug Anlauf hineinspringen zu können – und das darüber aufragende Axalphoren.

Der Abstieg von der Oltschiburg beginnt leicht, sodass das Panorama gegen Osten mit dem Wandelhoren und den dahinterliegenden Urner Alpen in vollen Zügen genossen werden darf. Sobald es dann aber in die südliche Bergflanke hineingeht, ist der Blick automatisch wieder auf den schmalen Pfad gerichtet, der sich äusserst elegant auf Bändern durch die steile Flanke zieht. Ist man wieder zurück auf markierten Wegen, führt einen die Route sanft bergab über Felder, durch Wald und an Höfen vorbei.

Der tosende Oltschibachfall ist ein Geheimtipp Wenn man nichts davon wüsste, würde man prompt an einer kleinen Besonderheit nur wenige Meter abseits des Weges vorbeiwandern, ohne Notiz davon zu nehmen: Geht man vor dem Hof Gugger 30 Meter am Waldrand entlang und ein paar Meter im Wald steil hinab, gelangt man an die Stelle, wo das Wasser des Oltschibachs über eine Felsstufe schiesst und in der Tiefe verschwindet. Der 140 Meter hohe Oltschibachfall ist der erste grosse und auffällige Wasserfall auf der rechten Seite des Haslitals, wenn man von Brienz in Richtung Meiringen fährt. Doch so eindrücklich dieser Ort auch sein mag, Leichtsinn ist auch an dieser feuchten und exponierten Stelle fehl am Platz. Zu guter Letzt kann der tosende Oltschibachfall von unten bestaunt werden, bevor es entlang des fliessenden Gewässers nach Unterbach geht, fast unmittelbar neben dem Militärflugplatz – hoffentlich ohne Getöse von etwaigen Jets.

Die Festung ob Brienz | 27

Praktische Infos

Oltschiburg (2234 m)

Eckdaten

T5, 6 h 30, 940 Hm, 1890 Hm

Route

Von der Axalp aus dem Schnitzlerweg in Richtung Hinderburgseewli für ca. 30 min folgen, bis rechts der Weg abzweigt, der nach Chruttmettli und zum Restaurant Hilten führt. Auf dem Höhenweg bis Urserli (P. 1805), dann links und oberhalb des Hinterburgseeli weiter, bis der Weg bei den Wiesen von Arven einen Rechtsbogen macht. Auf halbem Weg dieses Bogens zweigt ein unscheinbarer Pfad nach rechts ab und geht direkt über die Wiese aufwärts, passiert ein paar Felsen und zieht weiter über Wiesengelände bis zu einer markanten Felsrinne hoch (Einstieg blau markiert). Oberhalb der Rinne (Fixseil) sich leicht rechts haltend und noch einen steilen Abschnitt (Fixseil) passierend bis auf den breiten Rücken des N-Grats zum Gipfel.

Abstieg: Auf dem Grasrücken hinab bis in den Sattel zwischen Haupt- und Ostgipfel. Beim Sattel sich schräg rechts halten und weglos bis zu einer gut sichtbaren Eisenstange. Ab hier beginnt die rot markierte Querung auf einem gelegentlich sehr schmalen und ausgesetzten Pfad unterhalb des Ostgipfels und oberhalb des steilen Felsgürtels, der die Oltschiburg umgibt. Bei Chübel mit dem kleinen Turm (P. 1886) macht der Pfad einen Linksbogen und zieht in die NO-Flanke hinüber. Ab hier auf einem guten Wanderweg hinab bis zur Fahrstrasse (P. 1509).

Auf der weiss-rot-weiss markierten Wanderroute nach Furen (P. 965) und links hinab nach Unterbach zur Haltestelle Rössli beim gleichnamigen Restaurant.

Anreise

Mit dem Zug nach Brienz und mit dem Postauto bis zur Endhaltestelle Axalp, Sportbahnen. Endpunkt: Postauto von Unterbach, Haltestelle Rössli, zu den Bahnhöfen Brienzwiler oder Meiringen

CO2-Treibhausgas, in kg pro Person und Weg: Beispielreise Thun–Axalp. Quelle: www.sbb.ch

12.8 kg

2.1 kg

Beste Saison

Juni bis Oktober

Schiessanzeigen

Die Schiessanzeigen der Schweizer Armee werden unter www.armee.ch/schiessanzeigen publiziert.

Karte und Route
500 1 000 2 000 1 500 2 500 0 km m 13 km 28 | Die Wandertipps des Schweizer Alpen-Club SAC

Ein letztes Schneefeld im Abstieg über den Ostgrat, darüber das markante Wandelhoren.

Karten

LK 1 : 25 000, Blatt 1209 Brienz

LK 1 : 50 000, Blatt 254 Interlaken

Übernachtung

– Chemihüttli, 079 876 19 55, www.apartments-axalp.ch

– Chalet Oltschi, 033 951 23 74

Axalp (1532 m) Oltschiburg (2234 m) Unterbach (578 m)

Das Gipfelpanorama: Axalphoren (links), Axalp, Hinderburgseewli, Brienzersee und Brienzergrat.

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