MARGARETHA THERESE WYSS - ZAUGG
CHANTAL ELISABETH RYSER - MÄDER

Zuerst ein Geständnis: Ich, Marga, habe nachgelesen, woher dieser Satz: «Am Anfang war das WORT», – den ich damals zusammen mit Liz als Titel für unsere geplante Dorfgeschichte wählte – überhaupt kommt!
«Im Anfang» – heisst es hier – «war das Wort, und das Wort war bei Gott, und das Wort war Gott . Im Anfang war es bei Gott. Alles ist durch das Wort geworden und ohne das Wort wurde nichts, was geworden ist. In ihm war das Leben und das Leben war im Licht der Menschen. Und das Licht leuchtet in der Finsternis und die Finsternis hat es nicht erfasst » Johannes 1,1-1,4
Oje – dachte ich unmittelbar … wer da zu lesen beginnt, der denkt wohl unverzüglich an Frömmigkeit! In unserem Sinn ist es jedoch nicht, zu frömmeln, oder gar zu missionieren.
Übertrieben frommes Gebärden liegt uns beiden nicht. Spirituell, ja, das ist es schon, unser Buch – wir wohnten schliesslich am spirituellsten Berg der Schweiz – der RIGI!
Wie wir, meine Freundin Lizzy und ich – die das Buch gemeinsam verfassen – meinen, darf das Werk unsere Sinnesart aufweisen. Dabei wollen wir weder in das Ketzerische noch in das Sektiererische hineingeraten. Wir möchten, im Sinne der Transzendenz, unsere Wahrnehmungen und Erfahrungen zum Anlass nehmen, Dinge, die unser Bewusstsein übersteigen – das Metaphysische – zu betrachten, und weiterzugeben.
Keiner muss, jeder darf glauben, was er glauben will! Jeder strebt nach seiner eigenen Seligkeit und die wollen wir einem Jeden gerne so belassen. Wohlgemerkt, selig, mit nur einem e geschrieben – herstammend vom altdeutschen Wort «sälig»,
das ausdrücken will, dass etwas überaus zufrieden, erbauend und glücklich macht. Wir wünschen uns, dass dieses Buch wohltuend «sälig» macht und herz- und -sinnerfrischend wirkt. Schwerverdaulich soll es nicht werden.
Wir beabsichtigen, eine kleine Story über unser Dorf zu schreiben. Ein Dorf, in dem überdurchschnittlich viel geschah – und wie man im Dorf munkelte, wurde all das Unglück durch einen Dorf-Fluch verursacht.
Viele der Einwohner wurden damals in unseren Jugendjahren durch den Tod – einige unnatürlich – hinweggerafft. Verwüstung, Trauer, und sehr viel Leid brachte dieser angebliche Fluch!
Unsere Geschichte muss nicht zwingend wahr sein – sie soll aus dem echten Leben erzählen und ist doch erfunden – schlicht mit verschiedenen Charakteren zusammen-GEDACHT. Die literarische Wahrheit – sagt man – ist das, was hinter der Fiktion steht.
Albert Einstein schrieb: «Fantasie ist wichtiger als Wissen, denn Wissen ist begrenzt, Fantasie aber umfasst die ganze Welt!»
Ich weiss – ich beliebe «grosse Geister» zu zitieren – es werden sicherlich noch einige solcher Nacherzählungen folgen … aber sie sind immer mit Quellenangaben versehen, das Schmücken mit fremden Federn kann man mir daher nicht nachreden.
Suchende nach einem Lebenssinn sind wir – mehr oder weniger – alle. Das Trachten nach der Wahrheit ist alt und man muss dafür keinen Monte Verità aufsuchen! Wir dürfen alle – in diesem grossen Angebot – selbst wählen, welche Gesinnung uns gefällt!
Eine Gedichtzeile – unbekannten Ursprungs – in meinem Kopf sagt: «… mag unser Leben auch ein Rennen auf verschiedenen Etagen sein – letztlich müssen wir bekennen, das Stockwerk wählten wir allein!»
Gerade eben in der Stockwerkwahl liegt oftmals «der Hase im Pfeffer». Die allermeisten Menschen nehmen in Glaubensfragen an, dass ihre Ansicht – ihre Wahl des Stockwerkes, oft unbedacht – die einzig Richtige sei. Sie wurden, vorwiegend durch die Eltern, auf ein Stockwerk gestellt und da verbleiben sie dann.
Für andere Ansichten Verständnis zu haben, bedeutet nicht, die eigene Sichtweise aufzugeben … man kann ganz ruhig einmal mit dem «Lift der Gesinnung» einige Stockwerke höher, oder auch tiefer fahren. Einem klugen Menschen müsste im Grunde klar sein, dass ein Maulwurf die Welt anders sieht als ein Adler – doch beide Wahrnehmungen sind richtig. Diesen Vergleich habe ich von Liz. Es wäre daher empfehlenswert, wenn sowohl die Säkularen, die keinen Bezug zu Religion haben, wie auch die Klerikalen, und die, die irgendwie, ein geistliches oder spirituelles Leben führen, einmal vorurteilsfrei und unbeeinträchtigt, in die Tiefe des Themenbereiches gehend, nachdenken würden.
Nicht ohne Grund haben wir die Religionen etwas unter die Lupe genommen. Wir hatten in der Schule ein Mädchen, das durfte nicht mit seinem wunderbaren – mit besten Manieren versehenem – Schulschatz zusammenkommen, weil die Religion «nicht stimmte», und das war letztlich eine sehr traurige Geschichte, die uns tief geprägt hat und auf die wir noch zurückkommen.
Zurück zum WORT. Also, wenn am Anfang das WORT stand, dann stellt sich doch die Frage, welcher Art dieses WORT war.
War es Fluch oder Segen?
Im Falle unserer Dorfgeschichte – war es wohl eher Fluch!
Dieses Buch möchte liebevoll aufklären. Einerseits die Story über den Dorf-Fluch, der unser Gemeinschaftswerk durchgehend beherrscht, und anderseits unsere philosophischen Erkenntnisse – die wir sowohl im Dorf wie auch aus den verschiedenen Büchern, die wir beide mit grossem Interesse lasen – erhielten.
Annähernd alles gründet auf dem Glauben und dieser ist bekanntlich vielfältig. Daher gehen der Dorf-Fluch, sowie die philosophischen Betrachtungen, durchwegs «händchenhaltend» gemeinsam durch unser Buch hindurch.
Wir zwei haben in mancherlei Fällen erkannt, dass Gott und die ganzen Glaubensangelegenheiten möglicherweise doch etwas falsch interpretiert wurden. Wir hinterfragten da doch einiges und kamen zur Überzeugung, dass es nicht schlecht wäre, tatsächlich einmal etwas vertiefter zu schauen. Damit möchten wir auf unsere Art etwas Licht in die Angelegenheit bringen … man kann es annehmen oder nicht – alles ist freiwillig.
Aufklären, das ist klar, wollten bis anhin schliesslich wohl alle, die dieses Thema berührten. Wir finden das gut so und fürchten uns vor nichts – auch nicht vor Gott. Einen lieben Gott, den muss man niemals fürchten – denn sonst ist er nicht lieb! Wir respektieren selbstverständlich jedermanns Ansicht.
Vielleicht, das ist möglich, haben wir Gott – samt und sonders alle – fehlverstanden.
Wir sind darauf bedacht zu berühren, erklären, aufhellen und damit dem Denken etwas mehr Möglichkeit zur Klarheit zu verschaffen.
Wir wollen nicht urteilen oder beurteilen und schon gar nicht verurteilen. – Irrtümer, oder gar Schuldige, suchen wir nicht. Mit unseren Überlegungen versuchen wir das Bewusstsein der Mitmenschen zu einem kollektiven Feld zu gestalten. Mit jeder gesetzten Pflanze der Liebe wird das Feld immer grösser und es entsteht ein Energiekraftfeld unglaublichen Ausmasses. Versuchen wir, das Gute in uns zu kultivieren, so werden wir ein erfülltes Leben führen.
Der, der Liebe schenkt, gewinnt immer! Uns ist es ein Anliegen, freundlich und mit Liebe zu agieren.
Da wir beide verhältnismässig gleich «ticken», sollten wir im Stande sein, als ehemals waschechte Dorfmädchen unser Dorf zu vertreten – vertreten durch unsere eigene Geschichte und die im Laufe der Zeit gewonnenen Anschauungen und Sichtweisen. Wir erlebten sehr viel Verwüstung, Tod, und Drangsal – all das hat uns zu diesem tieferen Denken geradezu gezwungen.
Unsere Erkenntnisse weitergeben, zum Denken anregen – das allein ist unser Vorhaben. Auch wir zwei haben nicht die Lösung aller Probleme. Der Weisheit letzter Schluss hat wohl keiner.
Da war dieser diffuse und höchst dubiose Dorf-Fluch. Unsichtbare Mächte eben, die für uns Menschen unerklärlich sind … aber, es gibt sie, diese Mächte!
Diese Fluch-Story, die in unserem Dorf schon all die Jahre hinter vorgehaltener Hand erzählt wird, und die immer noch zu erforschen ist, wollten wir – vor allem Lizzy – schon als Mädchen lösen.
Dazu, ja, auch dazu, haben wir zwei alten Mädels uns nun verpflichtet. Wir wollen dem Unguten auf die Spur kommen und es möglichst eliminieren. Dem Fluch die Stirn zu bieten ist nicht ungefährlich – unser bester Dorfbewohner, den wir zwei verehrten und gar liebten, kam dabei ums Leben.
Ein Fluch ist gar nicht ungefährlich und kann die Sinne von Menschen beeinträchtigen und verseuchen – auch unser Dorf, so nehmen wir an, war mit dieser Verseuchung belastet. Alles, was das Leben lebenswerter macht, ist Segen – davon kann man nicht genug haben. Segen ist das Gegenteil von Fluch und wirkt sich auch auf den Geist aus. Der menschliche Geist ist rege, er erzählt Geschichten und glaubt erst noch alles, was er von sich gibt. Er hält seine Geschichten für sakrosankt. Wir meinen, Liebe für heilig zu halten, wäre die klügere Wahl.
Ralph Waldo Trine schrieb schon damals (1803–1882) über die Wichtigkeit, den menschlichen Geist aus dem inneren Anker der Liebe zu leiten. Er meinte, dass der Arzt der Zukunft nicht den Körper, sondern den Geist zu behandeln und zu heilen hat – der dann seinerseits den Körper heilen wird. Dieser Arzt wird dann Philosoph und Lehrer sein. Dieser Lehrer wird den Menschengeist, mit Grundsätzen wie Liebe, Frohsinn, Güte, edle Taten und Wohlwollen behandeln.
Ein frohes Herz – das meinen auch wir zwei Landpomeranzen – ist die beste Medizin. Jeder wird dann sein eigener Arzt sein – je mehr er mit den höheren Gesetzen des Lebens und des Liebe-Lebens übereinstimmt. Die Kraft seines eigenen
Geistes wird sich dadurch offenbaren und Zufriedenheit, Dankbarkeit, Gesundheit und damit Glück manifestieren.
Ist es nicht wunderbar, dass unser Buch schon im Vorwort darauf hinweist? Ist es vielleicht sogar ein Geist-Gesundheitsbuch?
Nein, Spass! – so ist es nicht gemeint – es soll sogar eine Geschichte werden, die einen jeden von uns zu uns selbst zurückführt und die aufzeigt, dass sich Verwünschungen nicht ohne Wirkung in des Menschen Geist einnisten.
Dass ich, Marga, überhaupt so viel schreibe, hat mit meinem Wesen zu tun – ich kann Wahrnehmungen und Angelegenheiten besser in geschriebene Worte kleiden, als dass ich sie aus dem Stegreif erklären könnte. Was heisst, dass ich nicht unbedingt ohne Vorbereitung oder längeres Nachdenken etwas vortragen kann. Im Grund und Wesen bin ich scheu –nur, nach aussen zeige ich das nicht – somit bin ich wohl nicht authentisch und eben nicht «aussen wie innen» – und genau das würde meine Freundin Lizzy nun zu diesem letzten Satz sagen.
Liz hatte schon zu Schulzeiten fliessender gesprochen, als ich es je konnte. So auf die Schnelle vermochte ich mich nie konkret auszudrücken. Das ist möglicherweise mithin auch ein Grund, dass ich in unserer Schulzeit so sehr an Liz hing. Sie war meine «Speakerin».
Beim Schreiben allerdings, da habe ich die Angewohnheit, ins Detail der Gefühle zu gehen, und da muss ich gar Vorsicht walten lassen, dass ich «zum Kern der Sache» komme, und zwar nicht ausschweifender als wie es nötig ist. Ich bin geneigt, immer ein wenig von dem Thema, das ich erwähne und erläutern möchte, abzuirren … und komme unbemerkt ganz schön ins Philosophieren! Immer wieder finde ich zurück,
aber oftmals, ich weiss, werde ich die Geister, die ich rief (wie Goethe das so schön formulierte) dann kaum mehr los.
Als Mädchen vermochte ich mit den Dorfbewohnern besser zu kommunizieren, als ich dies heute kann. Ich gehe selten ins Dorf. Darum schreibe ich nun ganz gerne all die Erkenntnisse über die Bewohner auf. Wäre Liz bei mir, ich bin absolut überzeugt davon, würde das anders ausgesehen – wir würden wohl längst zusammen von Haus zu Haus gehen, um die noch verbliebenen Leute oder deren Kinder zu interviewen.
Gemeinsam mit ihr war ich schon immer stark. Aber Lizzy lebt seit langer Zeit nicht mehr hier im Dorf und daher versuche ich vorerst, die in Kindertagen geplante Dorfgeschichte allein niederzuschreiben.
Würde dann Liz mitschreiben, wäre «der Karren geschmiert» und am Laufen!
Es sind nur unsere Erkenntnisse – die jeweilige Ansicht von zwei einfachen Menschen, die einst in ihrem Dorf mehr zu denken begannen als Durchschnitts-Teenager zu denken pflegen.
Lizzy, die seit ihrer Kindheit Sensitive, die über die Norm hinaus fühlen kann, und fähig ist, äussere Reize wahrzunehmen, ist somit, so meine ich, ein Sonderfall.
Ich, als übersensibles Kind, das in einem alten Haus am Dorfrand aufwuchs und schon seit frühester Kindheit eine suchende Seele war, strebte schon früh nach dem Geist der Wahrheit!
Der Geist der Wahrheit … was das WORT, Geist bedeutet, das versuchte mir Chris Hölderlin – mein Lieblingsmensch im Dorf – wie folgt zu erklären:
Geist ist das Denkvermögen, die Wahrnehmung, der Intellekt und das Gefühl. Bei einem alten Menschen – der noch gut denken kann – sagt man oft, er ist geistig rege. Nun, es ist etwas Feinstoffliches – das heisst: nichts Materielles, sondern Imaginäres.
Der Geist der Verstorbenen ist auch über den Tod hinaus fühlbar – da der Tod, wie wir glauben, nur den Körper tötet, nicht aber den Geist.
Der tiefste Seelenfrieden findet sich da, wo sich ein gesunder Geist in einem gesunden Körper befindet. Ein «kranker» Geist kann den Körper in Mitleidenschaft ziehen.
Gott ist Geist – eine universelle Kraft der Liebe! Das Physische geht vorüber – die Liebe bleibt bestehen!
Danke Chris!
Ja, die Seele, davon sind wir, «Marliz» (wir zwei in einem Namen genannt), überzeugt, die lebt ewig.
Die Seele ist der Teil von uns, der mit unseren Mitmenschen in Verbindung steht. (Vertrauen, Geborgenheit, Teilen gleicher Gedanken und Emotionen.) Der Geist ist der Teil, der mit Gott in Verbindung steht. Der Geist wird als innerster Teil unseres Wesens angesehen. Diese Lehre gefällt mir. Ich glaube an Gott – an den Dreieinigen und noch Vielmehreinigen – ich glaube, dass wir ALLE EINS – also ALLEINIG sind. Der menschliche Geist kann als Verbund der intellektuellen und mentalen Fähigkeiten einer Person definiert werden.
Anderer Meinung oder Auffassung zu sein, ist in Wirklichkeit keine so grosse Sache. Stöcke und Steine leben in aller
Freundschaft beisammen. Niemand versucht, einen Stock in einen Stein umzuwandeln. Das wollen auch wir nicht.
Aus der Quelle von Abraham-Hicks lernten wir, den Lesern gegenüber etwas zurückhaltend zu sein mit philosophischen Weltbild-Ansichten. Da steht unter anderem:
«Du hast sie weder zu belehren, wie sie zu schwingen haben, noch mögest du sie alle dorthin bringen wollen, wo sie so wie du schwingen. Deine Arbeit lautet nicht, sie zu beheben, sie sind nicht ‹kaputt›. Deine Arbeit lautet, unter all dem, was sich für dich als das Beste anfühlt, auszuwählen, und dich an ihm festzumachen, so lange wie dies dir Vergnügen und Freude bringt. Indem du das tust, bringst du dich in Übereinstimmung mit der Energie deiner Quelle.»
Da es mir viel Freude macht, in diesen Themen zu forschen, muss ich mich meist etwas stoppen, um nicht ein «Skywalker» – Himmelsläufer – zu werden. Dieser Name ist biblischen Ursprungs (im Alten Testament) – und beschreibt eine Rasse von Riesen.
Eher als Zwerg fühlte ich mich oftmals – ein Zwerg, der etwas mitteilen möchte aus der lichtvollen Welt, und der sich immer mal wieder gegen Schattengeister unter einem schön roten – mit weissen Punkten versehenen – Pilz, in Sicherheit bringen musste!
Wir zwei Schulfreundinnen waren geprägt von der traurigen Geschichte der unglücklichen Liebe jener schon erwähnten Mitschülerin. Dieses prägende Geschehen und auch der Fluch, der über unserem Dorf lag, hat uns zu echten Forscherinnen gemacht – wir wollten die verschiedenen Glaubensarten erforschen und waren wirklich davon überzeugt durch intensives Bemühen an ein gutes Ziel zu gelangen. Genauso
waren wir letztendlich gewillt, den Dorf-Fluch – und dessen Schadenzauber unsichtbarer Mächte, die der Mensch nicht erklären kann – dingfest zu machen.
Wir, Marga und Liz, beschlossen damals also, aus jeweils unserer Sicht diese Story gemeinsam zu schreiben.
Da wir zusammen in dem kleinen Dörfchen am Fusse der Rigi aufwuchsen, wurden wir geprägt von dieser mystischen Gegend, beeinflusst von unserem väterlichen Freund und Mentor, dem Verleger Chris Hölderlin, aber auch durch die Bewohner unseres Dorfes. Daher begann für uns schon früh eine spirituelle Suche.
Wir lernten durch Lesen, Zuhören und Beobachten sowohl persönlicher wie auch fremder Schicksale. Bald erkannten wir, dass es Dinge zwischen Himmel und Erde gab, die uns nicht der Verstand erklären konnte.
Auch nicht die katholische Kirche.
Da musste mehr sein und in dieses Abenteuer wollten wir uns stürzen.
Wir wollten alles aufschreiben, was sich in unserer kleinen Dorfwelt ereignete. Im Glauben an die hermetische Lehre: Wie im Innen so im Aussen, wie im Kleinen so im Grossen …
Die Schlüsse, die sich aus unserer «Dorfchronik» ziehen liessen, müssten demnach auf die gesamte Welt anwendbar sein. Nun, wir glauben noch heute daran, dass dieser Gedanke nicht abwegig ist! Doch es mussten erst viele Jahre vergehen, ehe wir nun endlich vollbringen können, was uns schon als Teenager vorschwebte.
… oder war es der Gedanke? War das Wort vielleicht LIEBE? War es möglicherweise FLUCH?
FLUCH – Sage, Märchen, Fabel
Im Gebiet der Rigi werden – wie vielerorts in der Innerschweiz – verschiedene Sagen, Mären und Fabeln erzählt. Von Wildmännchen und Zwergen über feuerspeiende Drachen bis zu den drei schönen Schwestern, die vor den Nachstellungen eines adeligen Verehrers in die Wildnis flüchteten.
Dort sollen sie dann, in einer einfachen Hütte erbaut aus Rinde, gelebt haben. Man weiss nicht, wie lange sie den Entbehrungen standhielten. Doch man erzählt sich, eines Tages hätte ein Bauer über dem Wald drei Lichtlein schweben gesehen. Als er ihnen folgte, fand er die Hütte mit den seelenlosen Körpern der drei Schwestern.
Die meisten Geschichten über die Rigi sind aber freundlich.
Sie handeln oft von Wildmännlein, die den Bauern und dem Volk zu Hilfe kommen.
Die düsteren Geschichten über Hexen, Zauberer und wütende Drachen schreibt man eher dem Pilatus zu.
Dieser durfte sogar per Gesetz bis ins 16. Jahrhundert nicht bestiegen werden.
Man glaubte, dass dort im Bergsee die letzte Ruhestätte Pontius Pilatus’ liege. Wer dessen Totenruhe störe, zum Beispiel durch einen Steinwurf in den See, beschwöre schwere Unwetter herauf.
Eine Sage über einen Fluch erzählt man sich aber eben auch im Rigigebiet.
Dereinst vor langer Zeit soll ein reicher Adeliger einen Bauern aus der Region um ein gutes Stück Land betrogen haben. In seiner Wut darüber, verfluchte der Bauer den Adeligen und die gesamte Region.
Der Fluch besagt, dass der Adelige und alle Bewohner der Region ins Unglück gestossen würden und erst wieder Ruhe und Frieden fänden, wenn ein Gerechter käme, dem es gelänge, den Bauern und den Adeligen zu versöhnen.
Nie sollen Liebende glücklich bleiben – immer werden zwei in grosser Zuneigung entflammte Seelen voneinander getrennt werden.
Tatsächlich ist die Region und besonders unser Dorf bis heute von vielen Naturkatastrophen, Lawinen und Erdrutschen betroffen.
Auch schien es bei uns mehr schlimme Schicksale, Selbstmorde, Ehebrüche und Unfälle als anderswo gegeben zu haben.
Bis heute erzählt man sich in der Region diese Sage und viele Einheimische glauben daran, dass der Fluch bis heute besteht.
Mir hat die Geschichte erstmals Chris Hölderlin erzählt.
Chris meinte, dass so mancher Dorfbewohner überzeugt sei, unsere Gemeinde liege genau auf dem Flecken Erde, um den der Adelige damals den Bauern gebracht hatte.
Als ich ihn fragte, ob er, Hölderlin, an solch einen Fluch glaube, meinte dieser nur: «Wer weiss, Mädchen! Unterschätze niemals die Macht von WORTEN!»
Als junge Mädchen hatten Liz und ich den Beschluss gefasst, gemeinsam die Dorf-Fluch-Geschichte zu Papier zu bringen und dem Fluch auf den Grund zu gehen. Jetzt, das fühlte ich, war der Zeitpunkt dafür reif. Doch Liz war seit Jahren aus meinem Leben verschwunden. So begann ich alleine mit der Niederschrift. Bald schon aber liess meine Gesundheit nach an ein Weiterschreiben und gar Vollenden der Dorfgeschichte konnte ich nicht mehr denken. Zudem hatten wir damals ja felsenfest abgemacht, das zusammen zu schreiben – alleine mochte ich nun nicht mehr schreiben – mich verliessen die mentalen Kräfte und der Wille ging völlig «flöten».
Genau an dem Tage erhielt ich jenen situationsverändernden Brief.
Liebe Marga
Wie geht es dir? Als ich gerade mit meinem Hündchen am Fluss entlang spazieren war, gingen zwei Teenager-Mädchen vor mir, Hand in Hand, wie wir das früher machten und ich musste unvermittelt an uns zwei denken!
Wie schnell doch die Zeit vergangen ist. Erscheint es nur mir so oder schien die Sonne heller damals, war der Himmel nicht blauer, die Wolken weisser? Der Duft des frisch gemähten Grases vermischt mit dem der Rosen aus dem Garten des Pfarrhauses, so intensiv und süss
Könnten wir doch die Zeit zurückdrehen, nur für einen einzigen Tag!
So schnell haben wir gelebt damals, nur mit dem Blick nach vorne
Verschwenderisch fast, da uns die Tage noch endlos bemessen schienen. Schön, dass wenigstens unsere Freundschaft in meinen Gedanken nicht vergessen ging und ich denke, noch Bestand haben darf. Trotz aller Hürden und meiner, wie mir wohl bewusst ist, manchmal gar direkten Art und meinem Wesen, das plötzlich aus dem Leben verschwinden kann. Nein, wir haben nicht unendlich Zeit! Darum will ich dir heute schreiben . Ich habe dich nie vergessen und immer noch lieb und ich danke für deine Freundschaft einst, und erhoffe mir für jetzt, dich wie in alten längst verflossenen Tagen wieder an mich drücken zu können. Wir sind beide älter geworden und müssen uns unbedingt wiedersehen .
Vergiss nicht, wir werden niemals wirklich alt, Marga! Unsere Körper, ja, aber im Herzen bleiben wir jung! Solange wir Freude haben und etwas bewegen können, für uns und für Andere, sind wir voller jugendlicher und frischer Lebensenergie!
Das war alles etwas blockiert durch die Umstände des Lebens – aber niemals verloren. Darum erreicht dich heute dieser Brief von mir.
Deine Lizzy Wahnsinn! Hühnerhaut! Dieser Brief liess mich vom Boden abheben – meine Freude unnennbar!
Dass mich dieser Brief in freudige Erschütterung versetzte, müsste ich wohl nicht speziell erwähnen – er zeigte mir erneut, was ich früher schon so empfand: Lizzy kann Dinge sehen, die andere nicht erkennen – sie merkte wohl, dass ich sie brauche.
Nun kam wieder Leben in mich. Ich musste nur im schon verfassten Teil aus dem MIR ein UNS machen und das würde ich mit grosser Begeisterung tun. Wie bekannt ist, kommt mit der Freude auch wieder die Kraft.
Hätten wir Menschen mehr Freude am Leben, gäbe es einige Kranke weniger!
Lizzy war zuvor viele Jahre aus meinem Leben verschwunden – sie hatte sich weggestohlen – sie war unauffindbar und der Verlust war schmerzlich! Ich zürnte ihr in jenen Jugendjahren, in denen sie mich einfach allein zurückliess. Wiederholt dachte ich damals: «Diese Lizze hat mich einfach sitzen gelassen – die wusste wohl nicht, wie sehr ich sie liebte!» Lizzy war damals für mich wie ein Teil von mir – Mädchenliebe in der Pubertät. Vor allem aber war sie Mitwisserin von wichtigen Dorfgeschehnissen. Liz kannte das seit Jahren im Dorf immer wieder erwähnte Thema «Fluch», das über allen und allem zu schweben schien, und dessen Existenz nie richtig aus der Welt zu schaffen war.
Nicht nur, dass Liz den wunderbarsten Dorfbewohner Hölderlin auch kannte und liebte, nein, sie war sogar indirekt durch ihn mit dem geheimnisvollen Dokument der Fluch-Geschichte vertraut gemacht worden. Ich mochte damals diese Geschichte nicht glauben – darum wohl hat man mich nicht eingeweiht.
Wir, damals im Teenageralter und damit auf der Identitätsfindung, waren sehr verletzlich und es brauchte nicht viel, um Eifersucht aufflammen zu lassen … und diese Eifersucht kannte ich sehr wohl. Gott sei Dank hatte Hölderlin immer das richtige «Löschwasser» bereit, um aufglimmende Glut schnell im Keim ersticken zu lassen, bevor ein Grossbrand entstand.
Wir schrieben uns nun gegenseitig per WhatsApp – und das mit grosser Begeisterung. Bald schon hatten wir einen Termin unserer Wiedervereinigung vereinbart, und freuten uns riesig darauf.