KOLUMNE
«Vulkane, Kunsthandwerk und Treue zur alten Kultur» Einblicke in ein Land, dessen Volk über Jahrhunderte wertvolle kulturelle Eigenheiten bewahrt hat und trotz immer neuen Naturkatastrophen seiner Heimat treu bleibt.
Peter Santschi Brienz
In unserem Autoradio waren die 9-Uhr-Nachrichten vom 8. Januar fast zu Ende – da kam noch die Meldung: «In Guatemala ist erneut der ‹Volcano de Fuego› ausgebrochen. Es gab zahlreiche schwere Explosionen. Aschewolken erreichten eine Höhe von 4800 Meter über dem Meeresspiegel. Über Schäden ist noch nichts bekannt.» Erschrocken schauten wird einander an. Gerade im letzten November waren wir auf einer Reise durch Mittelamerika auch in Guatemala gewesen. Wir hatten einen Tagesausflug ins berühmte Hochland gebucht, und auf einer abenteuerlichen Strasse brachte uns ein Bus zum Hochpla-
teau der antiken Stadt Antigua. Rings herum stehen elf Vulkane, von denen mehrere noch aktiv sind.
sind vorwiegend die Nachkommen der Mayas. Antigua ist als historische Stadt UNESCO-Weltkulturerbe.
Die Fahrt mit dem Bus führte uns an unzähligen Baustellen vorbei und wurde zum Teil über eine unfertige Notstrasse geführt. Auf der rechten Seite stand der imposante Feuervulkan, den jetzt oben am Krater nur ein harmloses Räuchlein zierte. Der einheimische Führer erzählte vom verheerenden Ausbruch im Juni 2018. Damals war die Strasse verschüttet worden. Hunderte Menschen waren ums Leben gekommen. 201 Tote wurden nach diesem Ausbruch gefunden, weitere 229 gelten seither als vermisst. «Wieso baut man jetzt wieder am gleichen Ort auf?» fragte ich den Führer. Er antwortete: «Es ist unsere Heimat. Die Alarmierung wird immer besser. Und wo sollten wir denn hingehen?» Seit 1586 sind über vierzig Ausbrüche dokumentiert. 1773 wurde Antigua, das damals Hauptstadt der spanischen Kolonien in Mittelamerika war, durch ein Erdbeben fast vollständig zerstört. Die Hauptstadt wurde verlegt und ist seither in Guatemala Stadt. Antigua hatte früher 50 000 Einwohner. Heute sind es nur noch 1500. Es
Der Bus führte uns an der Stadt vorbei in ein Wäldchen am Hang. Wir konnten in einer Lichtung aussteigen und kamen zu einer Ansammlung steinerner Hütten. Dort herrschte emsiges Treiben. Eine Grossfamilie – oder wohl eher eine richtige MayaSippe – betreibt dort eine Weberei.
«Die Verbundenheit aller Bergbewohner und ihre Liebe zur Heimat sind offenbar überall grösser als die Angst vor Naturkatastrophen.»
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Bödeli- / BrienzInfo | März 2020