Waldegg Kalender 44/13

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Berühmte Botschafter des Appenzellerlands: Zwerg Seppli Fässler und Riese Jan van Albert Kramer

Peter Eggenberger

Zu den seinerzeit berühmten Botschaftern des Appenzellerlandes gehörten nicht nur die sieben kleinwüchsigen Leutchen aus Oberegg (siehe Waldegg-Kalender September – Dezember 2012), sondern auch Zwerg Seppli Fässler aus Herisau. Er bildete mit seinem riesenhaften Schwager Jan van Albert Kramer ein vielbestauntes Künstlerpaar. Ältere Semester erinnern sich noch gut und gern an Seppli Fässler. Er hatte Innerrhoder Wurzeln und wurde 1898 in Herisau geboren, wo er auch

zeitlebens wohnte. Als Gööfli kränkelte er ständig und litt unter anderem an Epilepsie. Zum Schrecken der Mutter wollte es auch mit dem Wachstum nicht vorwärts gehen. Als er sich 1917 beim Militär zu melden hatte, wurde mit ihm kurzer Prozess gemacht. Nach einer weniger als eine Minute dauernden Begutachtung wurde in seinem Dienstbüchlein eine Körpergrösse von 90 Zentimetern vermerkt. Der Aushebungsoffizier stellte ihn zurück, lachte und riet: „Geh nach Hause zu deiner Mutter und iss wacker Läckerli, Hung ond Schmalz.“ Genützt hat es nichts, und Seppli blieb zeitlebens ein kleiner Mann. Mit einem Riesen unterwegs Volljährig geworden, machte Seppli das Beste aus seiner Situation. Nun war er fast täglich mit seinem aus Holland stammenden Schwager Jan van Albert Kramer unterwegs, der mit seiner beeindruckenden Körperlänge von sagenhaften 2 Metern und 70 Zen– 31 –

timetern der grösste Mann der Welt war. Der hohe Zylinderhut und der vornehme Frack liessen ihn noch grösser erscheinen. An Jahrmärkten, Kilbenen, Messen und Volksfesten im In- und Ausland sorgte das ungleiche Paar regelmässig für riesiges Aufsehen. Wenn sich genug Gaffer um die beiden ungleichen Männer geschart hatten, lud der Riese lautstark zu einer Wette ein. „Heee, Achtung, ihr lieben Leute! Wir kommen aus dem schönen Appenzellerland. Schaut her und passt gut auf! Ich beweise euch nun, dass ich Seppli auf meiner Hand zu tragen vermag. Wer wagt es und wettet dagegen?“ „Schwätzer! Prahlhans! Das ist unmöglich!“, hiess es dann in der Runde. Albert brach in schallendes Gelächter aus, liess sich Seppli auf den Handteller stellen und bewies, dass es halt doch möglich war. Dann stellte er seinen Gefährten sanft auf den Boden und kassierte bei den Verlierern schmunzelnd das Wettgeld.


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