MuseumsMagazin 3

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museum Herausgegeben vom Vorarlberger Landesmuseumsverein

magazin

Schwabenkinder: Der weite Marsch ins nahe Exil

Jahrgang 2 | Nummer 3


Schwabenkind auf dem Rückweg Das vernetzte Museumsprojekt ‘Die Schwabenkinder’ beleuchtet ein zentraleuropäisches Migrationsphänomen der vergangenen Jahrhunderte – eine Mischform aus Gastarbeitertum und Menschenhandel.

Die Kooperationen sind ein wesentliches Thema dieses vom Vorarlberger Landesmuseumsverein herausgegebenen Magazins, dient doch der Verein selbst in besonderer Weise der Vernetzung von landeskundlichen Initiativen. In diesem Zusammenhang sind auch die aktuellen Berichte zu verstehen, welche – neben der unmittelbaren Tätigkeit des Vereins und seiner Ausschüsse – die vorliegende Ausgabe prägen. Im Zeichen der Vernetzung von Museen in vier verschiedenen Ländern steht das Projekt „Die Schwabenkinder“. Gleich mehrere Projektpartner in Vorarlberg präsentieren – ebenso wie das Bauernhaus Museum Wolfegg als Hauptpartner – ab Frühjahr 2012 in diesem Zusammenhang Sonderausstellungen, die von kulturellen Veranstaltungen begleitet werden. Mit Interesse verfolgt der Landesmuseumsverein auch die verstärkten Bemühungen um die Erhaltung der Vorarlberger Burgenlandschaft sowie die Initiativen zur Dokumentation von

Burgenaktion Vorarlberg

Österreichische Museums-Rallye

In Vorarlberg befinden sich etwa 30 mittelalterliche Burgen, Ruinen und Wehranlagen. Das Spektrum reicht von nur mehr als Geländeformation erkennbaren „Burgställen“ über von Bewuchs bedeckte Mauerreste bis hin zur immer noch bewohnbaren Burganlage. Burgen und Ruinen prägen durch ihre exponierten und dominierenden Standorte maßgeblich die Kulturlandschaft Vorarlbergs. Da die meisten kein schützendes Dach mehr besitzen, zerstören fortlaufend Witterungseinflüsse die Bausubstanz, deren Zerfall für alle sichtbar ist. Die Erhaltung und Restaurierung der noch vorhandenen Ruinen stellen eine besondere Herausforderung für die Eigentümerinnen und Eigentümer, die Denkmalpflege und die ausführenden Handwerkerinnen und Handwerker dar, denn es bedarf neben einem hoch spezialisierten Fachund Erfahrungswissen vor allem auch eines sehr hohen Mitteleinsatzes.

Baldur und Hanni Hämmerle haben für 2012 wieder ein umfassendes Exkursionsprogramm zusammengestellt, das den Mitgliedern per Post zugegangen ist. Heute möchten wir Sie auf eine Veranstaltung im Besonderen aufmerksam machen. Von 9. bis 15. Juli 2012 planen wir eine Österreichische Museumsrallye. Dabei stehen aber nicht nur die bedeutendsten Museen mit ihren Sonderausstellungen, sondern auch Architekturführungen aus verschiedenen Epochen auf dem Programm. Dazu zählen etwa die Karlskirche in Volders oder das neu errichtete Stadion für die Skiweltmeisterschaft 2013 in Schladming („voestalpine skygate“). In Graz begleitet uns Bettina Habsburg-Lothringen vom Universalmuseum Joanneum auf einer faszinierenden Zeitreise durch die europäische Kunst- und Kulturgeschichte unter anderem zum Schloss Eggenberg. Wien steht dann im Zeichen Gustav Klimts. Das Leopold Museum zeigt eine Sonderausstellung zu „Klimt persönlich. Bilder – Briefe – Einblicke“. Im Kunsthistorischen Museum gibt es eine Weinverkostung mit den Freunden des Museums und einen Besuch der Ausstellung „Kunst-voller-Wein“. Die Kirche am Steinhof wiederum symbolisiert den Aufbruch der Stadt in die Moderne. Die Besichtigung Otto Wagners Meisterwerk des Jugendstils stellt zweifellos einen Höhepunkt der Reise dar.

Der Vorarlberger Landesmuseumsverein initiiert nun in Kooperation mit dem Bundesdenkmalamt und der Kulturabteilung des Landes Vorarlberg die „Burgenaktion Vorarlberg“ zur Erforschung, Erhaltung und Pflege des mittelalterlichen und frühneuzeitlichen Baubestandes in Vorarlberg. Im Zuge der Burgenaktion Vorarlberg sollen in den Jahren 2012 bis 2014 die dringend erforderlichen Instandsetzungs- und Pflegemaßnahmen für die historisch bedeutendsten Burgruinen in Vorarlberg angeregt und mittels finanzieller Unterstützung von Bund und Land ermöglicht werden. Die Restaurierungsprojekte sollen darüber hinaus im Rahmen von Schulprojekten, Führungen, Workshops, Publikationen und Ausstellungen begleitet und der Öffentlichkeit vermittelt werden. Terminvormerk: Der Landesmuseumsverein hält seine diesjährige Generalversammlung am Samstag, den 5. Mai 2012 (14-18h), in Koblach ab. Im Zuge der Generalversammlung werden Details zum Burgenprojekt vorgestellt. Eine gesonderte Einladung für die Mitglieder des Vereins folgt noch.

Kulturgütersammlungen – vorgestellt am Beispiel Walgau. In bereits gewohnter Manier runden Berichte zu aktuellen Ausstellungen und Projekten die aktuelle Ausgabe des museum magazins ab. Ihre Anregungen dazu sind jederzeit willkommen! Andreas Rudigier, Christof Thöny

Editorial Unter uns Interview Thomas Klagian Der Arlberg und seine Straße Montafoner Brauchtum Typisch jüdisch ...?!

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Gesellschaft Vorarlberger Münzfreunde Die Freunde der Numismatik treffen sich jeden zweiten Mittwoch im Monat im Gasthof Rose in Dornbirn-Hatlerdorf (20 Uhr). Demnächst stehen zwei interessante Vorträge auf dem Programm: Am 11. April referiert Richard Huter über Münzen, die auf Postkarten zu finden sind. Und einen Monat später, am 9. Mai, wird sich der Vorsitzende des Ausschusses Karl Fischer dem Thronfolger Franz Ferdinand und seinen Spuren auf Medaillen widmen. Alle an der Numismatik interessierten Menschen sind herzlich eingeladen. Kontakt: karl_fischer@gmx.at; 0664-3579594

Die Römer in Brigantium Sammlung Walgau Kauffmann in Wiesbaden Schwabenkinder vorarlberg museum Kulturlandschaft Vorarlberg

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Termin: 9. bis 15. Juli 2012, Anmeldungen an Baldur Hämmerle, T 0664-1637100, E exkursionen@vlmv.at

Karst- und Höhlenkundlicher Ausschuss Die Exkursion in die Schneckenlochhöhle im letzten August ist allen Teilnehmerinnen und Teilnehmern sicherlich noch gut in Erinnerung. Aber auch sonst waren unsere Höhlenkundlerinnen und Höhlenkundler 2011 sehr aktiv. Monatlich konnten die Mitglieder im Zuge von eigenen Höhlenfahrten, von organisierten Neuvermessungen sowie im Rahmen anderer Veranstaltungen ihr Können unter Beweis stellen. Höhepunkte stellten der Neujahrsempfang in der Kalkofenhöhle (mit anschließendem Lagerfeuer vor der Höhle), eine Exkursion in das Hölloch im Muothatal (Zentralschweiz), mehrere Vermes-

sungsarbeiten in der Schneckenlochhöhle, die Erkundung eines neu entdeckten Schachts am Südabhang der Kanisfluh oder die traditionelle Forschungswoche an der Sulzfluh dar (aus dem Jahresbericht von Emil Büchel).

Museum Mittelweiherburg Kurz notiert Nachruf Impressum

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Martinsturm, reloaded Ohne Zweifel ist der Bregenzer Martinsturm – das Wahrzeichen der Landeshauptstadt – ein Unikum: Mächtig beherrscht der Vierkant die Bregenzer Oberstadt. Vielfältig ist die Geschichte des markanten Gebäudes, dessen Ursprung auf die Gründung der Stadt durch die Grafen von Montfort zurück geht. Während der Unterbau als Speicher und Sammelstelle der herrschaftlichen Abgaben diente, war im oberen Teil die von Graf Wilhelm III. von Montfort gestiftete Martinskapelle untergebracht. Auf Geheiß der Stadt Bregenz ließ der aus Roveredo (Graubünden) stammende Baumeister Benedetto Prato das Gebäude erhöhen. Aus dem Speicher entstand ein Turm, dem der Meister eine riesige Holzkuppel aufsetzte, was den nunmehrigen Martinsturm zum ersten Bauwerk mit barocker Charakteristik im Bodenseeraum machte. Die Kapelle zum heiligen Martin

„Der Erfolg der Ausstellung Landpartie Vorarlberg hat uns darin bestärkt, eine Dauerausstellung zu realisieren.“ Thomas Klagian, Bregenzer Stadtarchivar

– deren wertvolle Fresken aus dem 14. Jahrhundert stammen – dehnte sich später auf das gesamte Erdgeschoss aus, ihr Langhaus stammt aus dem frühen 18. Jahrhundert. In den vergangenen Jahrzehnten beherbergte der Martinsturm das Vorarlberger Militärmuseum. Letztes Jahr wurde die Ausstellung Landpartie Vorarlberg von Rita Bertolini gezeigt. In den kommenden drei Jahren plant die Stadt Bregenz die Installation einer stadthistorischen Dauerausstellung im Martinsturm. Die wechselvolle Geschichte der ältesten Stadt am Bodensee, der jahrhundertelang „lacus Brigantinus“ („Bregenzsee“) hieß, soll darin ihren Platz finden. Begleitet wird das Projekt von Sonderausstellungen, von welchen die erste dem Thema „Verkehr“ gewidmet ist und im Sommer 2012 eröffnet wird. Stadtarchivar Thomas Klagian berichtet im Gespräch über die konkreten Pläne: mm: Die Stadt Bregenz hat sich dazu entschlossen, ihre Geschichte zukünftig in einer Dauerausstellung im historischen Martinsturm zu präsentieren. Welche Gründe haben dazu geführt, diesen Schritt in den nächsten drei Jahren zu setzen? Klagian: Nun, es ist ja naheliegend, im Wahrzeichen der Stadt etwas über die Stadtgeschichte zu erzählen. Schon 1961 wurde im Martinsturm ein Heimatmuseum eingerichtet. Der Erfolg der Ausstellung Landpartie Vorarlberg hat uns darin bestärkt, das seit 2004 bestehende Projekt zur Einrichtung einer stadtgeschichtlichen Dauerausstellung zu realisieren. mm: Bisher war im Martinsturm das Vorarlberger Militärmuseum untergebracht. Gibt es Pläne, die militärhistorische Sammlung nunmehr andernorts auszustellen? Klagian: Wir haben mit der Gesellschaft Vorarlberger Militärmuseum vereinbart, die Sammlung zu integrieren – so weit das möglich ist. Oberst Georg Bilgeri war ein Skipionier, Bregenz eine bedeutende Garnisonsstadt, da lässt sich schon die eine oder andere Verbindung herstellen.

nächst die Verkehrsgeschichte von Bregenz Thema sein wird. Was dürfen sich die Besucherinnen und Besucher erwarten? Klagian: Eingerahmt von Bodensee, Pfänder und Bregenzerach besaß und besitzt Bregenz nur eingeschränkte Entfaltungsmöglichkeiten. Pfänderstock und Bodensee berühren sich an der Klause. Die Klause begründete die strategische Bedeutung von Bregenz, war aber gleichzeitig auch ein Verkehrshindernis ersten Ranges. In der Antike war Bregenz ein Verkehrsknotenpunkt, wie die Tabula Peutingeriana eindrucksvoll darlegt. Drei wichtige Straßen kamen in Bregenz zusammen. Oder: Alle Wege führen nach Bregenz. In Mittelalter und Neuzeit aber lief der lukrative Italienhandel an Bregenz vorbei. Man wählte, wann immer es ging, den Wasserweg, und so wurden die Waren von Lindau über den Bodensee nach Fußach transportiert, und dann weiter über Feldkirch nach Chur. Nach dem Dreißigjährigen Krieg gelang es der Stadt Bregenz, den Kornhandel zwischen Südschwaben und dem Vorarlberger- und Ostschweizerraum mit obrigkeitlicher Unterstützung nach Bregenz zu ziehen, was eine 200jährige Phase der wirtschaftlichen Prosperität eingeleitet hat. Das Eisenbahnzeitalter brachte Probleme, eröffnete aber neue Möglichkeiten. Nach dem Bau der Arlbergbahn 1884 kam der Bregenzer Kornmarkt zum Erliegen, doch die Eisenbahn und die noch im selben Jahr eröffnete Bodenseedampfschiffahrt brachten auch wohlhabende Touristen nach Bregenz. Die Kornhandelsstadt entwickelte sich mehr und mehr zur Dienstleistungsstadt. Das erste Auto der Monarchie fuhr 1893 durch Bregenz. Damals konnte noch niemand ahnen, in welchem Ausmaß der Straßenverkehr im 20. Jh. zunehmen würde. Heute erstickt Bregenz fast im Verkehr. Manchmal lag die Stadt im Zentrum, manchmal an der Peripherie. Wir wollen aufzeigen, welche Umstände dafür verantwortlich waren. mm: Gibt es bereits konkrete Pläne für die folgenden Sonderausstellungen? Klagian: Die Zahl der Themen ist Legion. In Frage kämen zum Beispiel: Siedlungsgeschichte, Stadtentwicklung, Stadtplanung oder: Berg und See, die Entdeckung der Landschaft, Fremdenverkehr, Kultur oder auch: Das 19. Jh. – Bürgertum im Biedermeier, das Jahr 1848, Vereine entstehen, die politischen Parteien formieren sich. mm: Da scheint es Ihnen nicht langweilig zu werden. Klagian: Sie sagen es. Die Ausstellung Landpartie Vorarlberg hat gezeigt, dass ein enormes Interesse an stadtgeschichtlicher Aufarbeitung existiert. Und dies nicht nur bei den Bewohnern, die sozusagen auf den Spuren ihrer Altvorderen wandeln, womöglich hie und da auf einem Foto ihre Urgroßeltern entdecken. Im Gegenteil, gerade das positive Echo der vielen auswärtigen Besucher hat uns bestärkt – kurz, die neuerliche, wenn man so will, Inbetriebnahme des Turms als Ort stadtgeschichtlicher Vermittlung kam von Anfang an ausgesprochen gut an.

mm: Wie man weiß, geschah dies mit äußerst bescheiden Mitteln. Klagian: Den kulturellen Füllhörnern, so es je welche gab, die diesen Namen überhaupt verdienen, kann man nachtrauern – oder sich aber am Riemen reißen und sich am Prinzip der Effizienz orientieren. Dies ist nicht unbedingt eine neue Qualität, aber eine, ohne die heute nichts mehr läuft. Sponsoren gab es und wird es immer geben, aber mit dem Logo, das rechts unten prominent platziert wird, ist es beileibe nicht mehr getan. mm: Also sprechen wir insgesamt von neuen Zeiten? Klagian: Als Historiker möchte ich lieber sagen ‘von anderen’. Wir vom Kulturamt haben ja seit langem schon damit geliebäugelt, den Martinsturm zu dem zu machen, was wir als seine eigentliche Bestimmung sehen, nämlich eine Wissensheimat zu sein, die auch Publikum anzieht. Was mir beim Landpartie-Projekt sehr gut gefallen hat, war die Möglichkeit, den Prozess nicht nur archivarisch zu begleiten und fachlich zu betreuen, sondern mich effektiv als Mitgestalter verstehen zu können. Diese Erfahrung wird auch direkt in das neue Martinsturm-Konzept einfließen. Wer mit begrenzten Mitteln punkten will, braucht frische Ideen, Mut und ... ein robustes Naturell. Das Wichtigste ist aber ein Team, das die selben Tugenden besitzt. Und genau deswegen bin ich bester Dinge. Unsere erste Themenausstellung ist deshalb einem Aspekt gewidmet, der bereits gut aufgearbeitet ist und umfassend dokumentiert werden kann. Darüber hinaus hat das Thema Verkehr Relevanz bis heute, denn wenige Kilometer von hier wird gerade an der zweiten Tunnelröhre rund um die Uhr gearbeitet. Pfänderstock und Klause, was Wunder, berühren sich nämlich immer noch. Was die Personenbewegungen anbelangt, würde ich meinen, dass heute in ein paar Monaten mehr Menschen die Gegend zwischen Bregenz und Lochau passieren als im gesamten 19. Jahrhundert. Vom Kornmarkt bis zum ehemaligen ‘Falken’ braucht ein flotter Spaziergänger 15 Minuten. Wir kennen Tage, wo dies heute auch einem Kraftfahrer blühen kann. Dies macht das Thema Verkehr und vermeintliche Beschleunigung auch im historischen Kontext interessant und betrachtenswert. mm: Wie es sich anhört, alles in allem, ein engagiertes Vorhaben. Klagian: Der kulturelle Auftrag wächst, seien es neue Projekte oder unabdingbare Modernisierungen. Schließlich verjüngt sich auch ein Publikum – eine museale Bespielung im Sinne z.B. der Fünfzigerjahre ist heute undenkbar. Das wäre sozusagen ein Museum, das sich selbst ausstellt. Die kulturellen Fördermittel werden wohl in den nächsten Jahren nicht wachsen. Wir werden uns also warm anziehen müssen. Und wenn die Kultur friert, holt sich die Gesellschaft mindestens einen Schnupfen – wenn nichts Ärgeres. mm: Gesundheit!

mm: Begleitet wird die Installation der Dauerausstellung von Sonderausstellungen, wobei ab Sommer 2012 zu-

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www.bregenz.gv.at/kultur-stadtarchiv/martinsturm

Christof Thöny

Borngässer/Toman Architektur des Barock 159 Seiten, Format 28,2 x 22 cm Gebundene Ausgabe Edel Verlag ISBN-13: 978-3868032505


Der Arlberg und seine Straße Sie gehören zu den faszinierendsten Resten historischer Verkehrswege: alte Steinsetzungen, die sich zuweilen mit alten Übergängen in Verbindung bringen lassen. Der Arlbergweg verfügt seit kurzer Zeit ebenfalls über eine solche Attraktivität. Die Spuren lassen sich, von Stuben kommend, knapp vor dem Passübergang bei St. Christoph verfolgen. Die Innsbrucker Firma Ardis unter der Leitung des Archäologen Karsten Wink konnte in den vergangenen Jahren Teile der alten Passstraße freilegen. Die Ergebnisse konnten im vergangenen Jahr im Rahmen einer im Klostertal Museum und im Landhaus in Bregenz gezeigten Ausstellung präsentiert werden ... derzeit läuft die Ausstellung übrigens im Heimatmuseum von St. Anton am Arlberg ... und das Erfreuliche darüber hinaus: das Projekt wird weiter geführt.

den die Walser gegangen sein sollen, die ViaValtellina führt auf die historischen Spuren des Weins oder der Jakobsweg will die Pilger bis nach Santiago führen. Der Jakobsweg ist es auch, der bislang über den Arlberg durch das Klostertal als touristische Einrichtung geführt wird. Nach dem Motto „Jeder Weg ist ein Pilgerweg“ mag dies auch gerechtfertigt sein, die Wiederbelebung der Arlbergroute als „Arlbergweg“ scheint aber aus lokalhistorischer Sicht doch deutlich attraktiver zu sein und tiefer zu den Wurzeln der Menschen vor Ort zu führen. Dies gilt vor allem für jenes Teilstück des historischen Arlbergwegs, der in den vergangenen Jahren durch Karsten Wink und sein Team der Firma Ardis (Innsbruck) zwischen Stuben und der Passhöhe freigelegt und archäologisch dokumentiert wurde. Besonderes Verdienst kommt hierbei dem Museumsverein Klostertal (unter

einer Breite von 6,5 Metern, der 1822 bis 1824 erfolgte, veränderte dann auch deutlich das Ortsbild der Gemeinden im Kloster- und Stanzertal. Die Eröffnung der überregionalen Bahnlinien wie auch die Errichtung der Arlbergbahn (1884) selbst degradierten die Passstraße zum Alp- und Wanderweg für die ersten Touristen. Der Bau der Flexenstraße von 1895 bis 1897 sollte dem Arlbergweg wieder neues Leben einhauchen. Die Errichtung der Schnellstraße und die Eröffnung des Arlberg-Straßentunnels haben im 20. Jahrhundert nicht nur den Verkehr zwischen West und Ost in Österreich deutlich beschleunigt, sondern in den vergangenen Jahrzehnten auch immer deutlicher die zunehmend große Belastung für die Menschen im Kloster- und Stanzertal aufgezeigt. Andreas Rudigier

Fuhrwerk an Fuhrwerk, vom leichten Landauer bis zum schweren Lastwagen, der ächzend Salz, Wein, Getreide und Kolonialwaren, vorzüglich rohe Baumwolle, aus Tirol herüber schleppte, kam angefahren, daneben Postchaisen und kofferbepackte Reisewagen, sogar der Dörcherkarren, vom Besitzer selbst gezogen und von einem Dutzend halbnackter Fratzen gefolgt, fehlte nicht bei dieser Staffage. Die Pausen zwischen dem Fuhrwerk füllten Fussgänger aller Art, reisende Handwerksburschen, lustige Studenten, die singend in die Ferien zogen, Militär, Wallfahrer nach Maria Einsiedeln, aus der Fremde heimkehrende Montafoner und Walgauer ... Ludwig von Hörmann, 1884 Historische Wege als Leitfaden für die Geschichte Die Kenntnis historischer Wege ermöglicht Einblicke in die Geschichte, die aus den Archiven in dieser Form gar nicht ableitbar wären. Während die Menschen heute bestrebt sind, sich gegenüber den Verkehrswegen abzuschotten, war die Straße früher jener Platz, wo Informationen über das „Weltgeschehen“ erhältlich waren. Die Straße hat als Kommunikationsraum längst ausgedient, die Kenntnis historischer Wegverläufe hingegen verhilft den Forschenden jene Räume auszumachen, wo sich einst „Geschichte“ abgespielt hat. Und „Geschichte“ hat sich am Arlbergweg abgespielt. Auch wenn uns wissenschaftlich belegte Straßenführungen beziehungsweise Ereignisse auf jener Straße fehlen, dürfen wir zumindest davon ausgehen, dass die Route über den Arlberg schon in urgeschichtlicher und römischer Zeit eine Rolle gespielt hat. Im Hochmittelalter tauchen dann die ersten greifbaren Quellen auf, welche die Entwicklung der Siedlungen im Kloster- und Stanzertal näher erläutern. EU-Projekt ermöglicht Einblicke in die historische Arlbergroute Weitwanderwege sind in Mode gekommen. Die Via Alpina verbindet die Alpen, der Walserweg eben den Weg,

der Leitung des Mitherausgebers des Museumsmagazins Christof Thöny) zu, der von Anfang an um dieses Forschungsvorhaben bemüht war. Zur Verkehrsgeschichte des Arlbergs Es ist hier nicht der Platz, Details zur Verkehrsgeschichte des Arlbergs darzulegen ... da lohnt jedenfalls ein Blick in die Ausstellung und alternativ in die Studie, die Helmut Tiefenthaler 2002 zur alpinen Verkehrskultur am Arlbergweg von Landeck bis Bludenz verfasste. Zu den bekanntesten Ereignissen, die mit der mittelalterlichen Erschließung der Arlbergroute in Zusammenhang stehen, zählen die Stiftung des Montforter Grafen Hugo I., der zur Förderung des Verkehrswesens dem Johanniterorden 1218 ein Haus in Feldkirch und eine Kapelle „im Tal der heiligen Maria mit dem Wald, der an den Arle anschließt“ (im heutigen Klösterle) zur Verfügung stellte, oder die Gründung eines Hospizes durch Heinrich von Kempten (Heinrich Findelkind) im Jahr 1386. In späterer Zeit gab es Auf und Abs für die Bedeutung der Straße. Unter Josef II. wurde die Straße ab 1785 erstmals durchgängig befahrbar errichtet. 1796 konnte die regelmäßige Briefpost eingesetzt werden. Die Aufhebung der Wegzölle unter den Bayern (1807) gab der Straße noch zusätzliche Belebung vor allem hinsichtlich des Warenverkehrs. Der Ausbau zur Kunststraße bis zu

Ebster/Sassmann/Nemec Arlberg 224 Seiten, Format 29 x 29 cm Vehling Verlag ISBN-13: 978-3853331880

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Die Pflastertechnik ist sehr sauber umgesetzt und zeugt von hohen straßenbautechnischen Fachkenntnissen. Die nachgewiesene Breite der so genannten Geleisspuren, also der Abstand zwischen den einzelnen häufig mit Reifen aus Metall beschlagenen Holzrädern, misst etwa zwei Meter und entspricht somit einem mittelalterlichen und neuzeitlichem Maß im Gegensatz etwa zu der bei den Römern gängigen Spurrillenbreite von 1,1 bis 1,2 Meter.


„Funka, Fasnacht und Schiebaschüßa“ – Winterbräuche im Montafon Dem winterlichen Brauchtum in der Talschaft geht die aktuelle Ausstellung im Montafoner Heimatmuseum in Schruns auf die Spur. Zwischen dem Ende der traditionellen Erntezeit und Ostern als Höhepunkt des Kirchenjahres prägen zahlreiche Rituale unseren Lebensalltag, auch wenn ihr ursprünglicher Hintergrund heute oft kaum mehr verstanden wird. Bräuche … Anhand zahlreicher Beispiele beleuchtet die von Elisabeth Walch und Michael Kasper kuratierte Ausstellung den Hintergrund winterlicher Bräuche und der damit verbundenen Festlichkeiten. Gewachsene Tradition, christliche Glaubensinhalte, kulturelle Eigenheiten des Landes

und gesellschaftliche Normen finden sich darin ebenso wieder wie mediale, politische und wirtschaftliche Einflüsse. Durch die Verbindung des kirchlichen Jahres mit dem bäuerlichen Arbeitsablauf entstanden charakteristische Rituale, die von einer romantisch, später auch nationalistisch gesinnten Volkskunde einst als möglichst alt, „germanisch“ oder gar „keltisch“ interpretiert wurden. Der heutige Wissenschaftler betrachtet dies sehr viel kritischer, handelt es sich doch vielfach um Bräuche, die erst im 19. Jahrhundert eingeführt wurden.

Winterliche „Blütezeit“ im Museum Huber-Hus Während der Garten vor dem Huber-Hus in Lech am Arlberg derzeit unter einer meterhohen Schneedecke begraben ist, erblühen die Pflanzen im Obergeschoss des Museums in einer Sonderausstellung mit dem Titel „Blütezeit“. Die „unARTigen Bäuerinnen und Lecherinnen“ laden dazu ein, malerisch in die Welt der Pflanzen einzutauchen. Die „unARTigen Bäuerinnen“ in Vorarlberg Eine Gruppe künstlerisch versierter Landwirtinnen begründete 2008 unter der Leitung von Sabine LingenhöleRainer das Projekt „unARTige Bäuerinnen“. Abseits jeglicher, oft medial vermittelter Klischees soll damit ein Bild der modernen Bäuerin und ihres Arbeitsumfeldes vermittelt werden. Kreativität, Flexibilität und Einsatzfreude stehen im Mittelpunkt der Arbeiten. Themen der künstlerischen Auseinandersetzung sind jene Tiere und Pflanzen, die den Arbeitsalltag der Bäuerinnen prägen.

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… und ihre Funktion Die jeweiligen Bräuche dienten variierenden Zwecken: Der Zusammenhalt der regionalen Gesellschaft war ebenso von Bedeutung wie „magische“ Praktiken zum Sichern der Nachhaltigkeit in der bäuerlichen Wirtschaft. Oft ging es auch schlicht um Unterhaltung – gemeinsame Freude ist schließlich genauso wichtig wie gemeinsame Arbeit und Trauer. Infolge veränderter Lebens- und Arbeitsbedingungen hat sich das Brauchtum in den vergangenen Jahrzehnten entsprechend angepasst. So dient manches ursprüngliche Ritual heute vermehrt als Tourismusattraktion und hat sich von seinem religiös-ideologischen Kern eher entfernt.

Präsentation in der Ausstellung Neben den über die Region hinaus praktizierten Bräuchen werden in der Ausstellung auch regionaltypische Phänomene in den Fokus gerückt. Neues und bisher Unbekanntes lässt sich nicht zuletzt zu sehr populären Themen wie dem Funkenabbrennen oder dem Brauchtum der Weihnachtszeit entdecken. Dass die Zeit nicht stehen bleibt und Traditionen deshalb nicht statisch sondern ständig im Wandel begriffen sind, zeigt die Gegenüberstellung des religiösen Festes „Allerheiligen“ mit dem

Mehrfach ist die Projektgruppe in den vergangenen Jahren bereits an die Öffentlichkeit getreten: In Krumbach konnte 2009 mit dem Titel „Der Raub der Europa“ die erste Ausstellung realisiert werden. Mit „Viecherei“ folgte ein Jahr später in Hittisau eine weitere Gemeinschaftsproduktion. Ausstellung in Lech Schon der Franziszeische Kataster des Jahres 1857 verzeichnet ein kleines Gärtlein vor dem Haus Nr. 26 in Lech, dem heutigem Museum Huber-Hus. Der Anbau von Nutzpflanzen für den Hausgebrauch hat hier also eine mindestens 150jährige Tradition. Bis heute werden

modernen „Halloween“, welches die Montafoner Jugend in den 1990er Jahren in ihr „Brauchtumsrepertoire“ aufgenommen hat. Die Ausstellung wird während des ganzen Jahres im Montafoner Heimatmuseum zu sehen sein. Im Hinblick auf die Sommermonate wird ihr Inhalt jedoch adaptiert werden; ab Juni gesellen sich zu den Winterbräuchen auch die traditionellen Rituale des Sommers hinzu. Sonderausstellungen gibt es derzeit auch in den anderen drei Montafoner Museen zu sehen: Unter dem Titel „Urlaubsgrüße aus dem Montafon“ präsentiert das Tourismusmuseum in Gaschurn Ansichtskarten aus 150 Jahren Fremdenverkehr, im Bergbaumuseum Silbertal begegnen BesucherInnen der Welt des Lehrers Johann Bitschnau und im Frühmesshaus Bartholomäberg wer-

den Einblicke in „Die Welt des Luzius Hauser“ vermittelt – einer schillernden Figur in der Seelsorge des 17. Jahrhunderts. Christof Thöny „Funka, Fasnacht und Schiebaschüßa“ – Winterbräuche im Montafon Bis 13. April, Montafoner Heimatmuseum Di-Fr, 16-18h

in dem nach Süden ausgerichteten Garten dem Lecher Klima entsprechend Salate, Gemüse und Kräuter angepflanzt. Als besonderes Highlight erblüht der Türkenbund jeden August im Museumsgarten. Diesen lokalen Gegebenheiten entsprechend hat Museumsleiterin Birgit Ortner die „unARTigen Bäuerinnen“ eingeladen, ihre künstlerischen Arbeiten in einer Sonderausstellung zu präsentieren. Angeschlossen haben sich auch Hobbykünstlerinnen aus Lech – die „unARTigen Lecherinnen“. Daraus entstanden ist eine bunte Schau, welche die vielfältige Welt der Pflanzen in den Mittelpunkt des Interesses rückt: Sinnliches Erleben, religiöse und kultische Rituale werden ebenso thematisiert wie die Funktion der Pflanzen als Arznei-, Gewürz oder Nahrungsmittel. Christof Thöny Blütezeit – Malerisch in die Welt der Pflanzen eintauchen 11. Dezember bis 19. April und vom 26. Juni bis 27. September 2012, Museum Huber-Hus Lech am Arlberg Di, Do und So 15-18h


Typisch jüdisch ...?! Rund um das Judentum gibt es viele Fragen, manche sind tabuisiert, manche scheinen es nur zu sein. Wo ein Geheimnis vermutet wird, suchen viele schnell nach dem „Jüdischen“. Doch ... was ist typisch jüdisch? Welche Klischees und Stereotype kommen Menschen bei dieser Frage in den Sinn?

mm: Welche Intention verfolgt die Ausstellung „Was Sie schon immer über Juden wissen wollten ..."? Sulzenbacher: Die Ausstellung beschäftigt sich mit oft gestellten Fragen über Juden und das Judentum, will dabei aber aufzeigen, dass „Hinter-Fragen“ manchmal lehrreicher (und lustiger!) ist als eine Antwort.

Die Liste ist lang. Juden gelten als geldgierig beziehungsweise „geschäftstüchtig“, fallen durch ihre Kleidung und Kopfbedeckung auf, haben die „typische" Nasenform. Dazu meint der Historiker Sander L. Gilman: Ich werde oft gefragt, ob Juden eine semitische Nase haben. Nach 54 Jahren der Beschäftigung mit diesem Thema kann ich nur feststellen, dass jeder Jude, den ich getroffen habe, eine Nase hat.

Harley Swedler (New York/Paris): „dirty Movies! Edelweiss“ Video, 1996, Ó Harley Swedler

„Die ganze Welt in einem Kleeblatt“, Landkarte von Heinrich Bünting, 1581

Sulzenbacher: Ich sehe hier keine Gratwanderung. Auch bezüglich der Schoa gibt es jede Menge unbequeme, scheinbar tabuisierte oder sogar peinliche Fragen, von denen wir ohnehin nur einen kleinen Teil ansprechen können. Manche davon wurden zum Inhalt von Kunstwerken, die kontroversielle Diskussionen auslösten: Wir zeigen ein berühmtes Beispiel, das „LegoKZ“ des polnischen Künstlers Zbigniew Libera. Aber kann man besser ausdrücken, dass die industrielle Massenvernichtung heute einfach zum „Bausatz“ der grundsätzlichen Erfahrung der Welt gehört?

mm: Wie ist die Ausstellung konzipiert, in welcher Form werden gängige Klischees widerlegt? Woody Allen in „Everything You Always Wanted to Know About Sex* * But Were Afraid to Ask“, 1972

Um vorgefertigte Meinungen zu entkräften und so manche vielleicht auch zu bekräftigen, beschäftigt sich die neue Sonderausstellung im Jüdischen Museum Hohenems ab dem 25. März (bis 7. Oktober 2012) in Anlehnung an Woody Allen mit der Frage „Was Sie schon immer über Juden wissen wollten ... aber nie zu fragen wagten". Am Ende des Museumsbesuchs sind die Besucherinnen und Besucher aufgefordert, ihre eigenen Fragen zu stellen, Antworten sind auf www.wasSieschonimmerueberJudenwissenwollten.at zu finden. Ausstellungsmacher Hannes Sulzenbacher, der schon die neue Dauerausstellung im Jüdischen Museum kuratiert hat und nun neben Hanno Loewy als Kurator für diese Ausstellung verantwortlich zeichnet, im Gespräch:

Die Römer in Brigantium Vor mehr als 2000 Jahren eroberten die Römer Gebiete des heutigen Vorarlberg und errichteten am östlichen Ufer des Bodensees die Stadt Brigantium mit Kastell, Forum, Tempel und Therme – die typischen Baudenkmäler einer römischen Stadt sind jedoch heute nicht mehr beziehungsweise nur noch als "Überreste" von Ausgrabungen zu sehen. Objekte und Gegenstände aus dieser Zeit befinden sich in einer Ausstellung im Vorarlberger Landesmuseum. Da das Gebäude noch bis Ende 2013 wegen den Umbaumaßnahmen für das zukünftige vorarlberg museum für das Publikum gesperrt ist, haben Schülerinnen und Schüler dennoch weiterhin die Möglichkeit, sich im Landhaus in Bregenz auf Spurensuche in die Römerzeit zu begeben.

Sulzenbacher: Ich glaube nicht, dass Ausstellungen gängige Klischees widerlegen können, sie können aber versuchen, ihr Publikum zum Nachdenken anzuregen. Ich glaube aber auch nicht, dass sich ein Klischee durch seine Widerlegung auflöst, dann gäbe es ja längst keine mehr. Eine Gruppe, der Klischees zugeschrieben werden, muss nolens volens mit diesen Fremdzuschreibungen irgendwie umgehen, was in einer defensiven Weise genauso möglich ist wie in einer ironischen, parodistischen. Wir wollen zeigen, mit wie viel Geist und Witz gerade zeitgenössische Künstlerinnen und Künstler mit solchen Klischees spielen, nicht um sie durch Widerlegung unschädlich zu machen, sondern beispielsweise um sie zu veralbern.

Was Sie schon immer über Juden wissen wollten ...aber nie zu fragen wagten Eine Ausstellung des Jüdischen Museums Hohenems kuratiert von Hannes Sulzenbacher und Hanno Loewy 27. März bis 7. Oktober 2012 Eröffnung: 25.3.2012, 11h Dienstag bis Sonntag und an Feiertagen 10-17h

mm: Wie gelingt die Gratwanderung bei der Thematik Holocaust?

Neugierig und auch ein wenig skeptisch sind die Kinder und Jugendlichen anfangs, da sie sich nicht vorstellen können, dass sie anhand von Originalobjekten aus der Römerzeit sowie einem Modell des historischen Brigantium Spannendes zum Alltagsleben der Römer erfahren sollen. Doch den Kulturvermittlerinnen und Kulturvermittler des Museums gelingt es, die Schülerinnen und Schüler durch ihre interessanten und eindrücklichen Erzählungen zu begeistern und ihre Fragen zu beantworten: Wie lebten die Menschen damals? Wie kleideten sie sich? Womit spielten die Kinder in der Römerzeit? Mussten sie auch zur Schule gehen? Wie haben die Schulkinder geschrieben – mit dem Federkiel oder doch mit dem Griffel? Wie waren die römischen Soldaten ausgerüstet? Anhand von Gegenständen werden einzelne Geschichten tast- und greifbar und einige mutige Schauspielerinnen und Schauspieler können sich mit Toga und Tunika in römische Sklaven und wohlhabende Bürger verwandeln. Mit einem selbstgebastelten Mühle-Spiel kann zum Schluss ein bisschen "Römerzeit" mit nach Hause genommen werden.

„Römische Reste“ in Bregenz Die Alltagsgegenstände, die die Kinder und Jugendlichen zu sehen bekommen, stammen großteils aus der sogenannten "Villa" auf dem Steinbühel, deren Überreste sich neben der Autobahnausfahrt des Citytunnels in Bregenz befinden. Aus dem ehemaligen Brunnen-

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Susanne Emerich

schacht wurden zahlreiche Keramikfragmente, Gläser, Lampen, Bronze- und Eisengegenstände geborgen, darunter Tierknochen, aber auch Austernschalen – was auf wohlhabende Genießer der römischen Küche schließen lässt. Im Frühjahr letzten Jahres hat ein Team des Bundesdenkmalamts bei den Erweiterungsarbeiten des Gymnasiums Gallusstraße in Bregenz eine ganze Reihe von Gräbern aus der späten Römerzeit entdeckt – darunter sechzehn Körpergräber und neun Überreste von Feuerbestattungen – rund 1.700 Jahre alt. Schon in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts wurden tausende Urnen und Skelette gesichert, unter dem Thurn-und-Taxis-Park werden weitere Gräber vermutet. Da dieses Areal unter Denkmalschutz steht, können dort aber keine Grabungen stattfinden und so bleibt ein Teil der regionalen römischen Geschichte weiterhin im Verborgenen. Workshop: Die Römer in Bregenz Dauer ca. 2 Stunden Teilnehmer: Schüler von 6 bis 16 Jahren Veranstaltungsort: Landhaus, Bregenz Informationen und Anmeldung Anja Rhomberg Kulturvermittlung Tel. 0043-(0)5574 46050 522 a.rhomberg@vorarlbergmuseum.at Susanne Emerich


Kulturgütersammlung Walgau – Kooperation regionaler Museen und Sammlungen Zu den vier international definierten Kernaufgaben eines jeden Museums zählt das Sammeln. Doch gerade dieser Tätigkeitsbereich stellt regionale Museen vielfach vor große Herausforderungen, denn schließlich fehlt es oft am nötigen Platz zur Anlegung größerer Depots. Fehlende finanzielle Voraussetzungen und Strategien tragen nicht dazu bei, sondern verhindern eine gezielte Sammlungstätigkeit. Diesen Umständen entsprechend und der Tatsache Rechnung tragend, dass gerade Kulturgütersammlungen eine wichtige Funktion in der Bildung regionaler Identität zufällt, bemüht sich ein neuer Verein im Walgau um die Vernetzung bestehender privater und öffentlicher Sammelinitiativen.

Vernetzung und Vereinsgründung Im Rahmen des Prozesses „Regionalentwicklung im Walgau“ wurde der Bedarf einer verstärkten Kooperation der Vertreter von öffentlichen und privaten Museen und Sammlungen erkannt, weshalb in verschiedenen Sitzungen eine Strategie der zukünftigen Vernetzung entwickelt wurde. Dies und die akut vorherrschende Platznot bewogen die beteiligten Institutionen dazu, die Gründung eines Vereins anzustreben, welcher zukünftig die Trägerschaft für die Umsetzung konkreter Maßnahmen bilden sollte.

Ausgangssituation In einem dreijährigen Prozess – initiiert vom Land Vorarlberg und den Gemeinden – wurde im Walgau zwischen 2009 und 2011 ein Regionales Entwicklungskonzept erarbeitet. Begleitet wurde diese Tätigkeit von konkreten Projekten und Kooperationen in der Region, die bewusst forciert und umgesetzt wurden. Unter anderem galt ein besonderes Augenmerk den zahlreich vorhandenen Sammlungen und Museen im Walgau. Dabei stellte Projektleiter Manfred Walser fest, dass diese „mit großem Engagement gehegt und gepflegt werden – vom privaten Motorradmuseum in Feldkirch über die militärgeschichtliche Ortssammlung Schnifis bis zum Bienenmuseum in Beschling.“ Weitere private Sammlungen, überwiegend zu Themen des alten Handwerks, können derzeit aus Mangel an Räumlichkeiten und finanziellen Möglichkeiten nicht der Öffentlichkeit präsentiert werden. Eine Vernetzung der Initiativen wurde bislang weitgehend vernachlässigt, schien doch jeder mit seiner eigenen Aufgabe mehr als ausreichend beschäftigt zu sein.

Museumsbetreiber und Archivare im Walgau bilden. Gleichzeitig wird der gemeinsame Auftritt in der Öffentlichkeit durch geeignete Maßnahmen gesucht, um das regionale Kultur-Bewusstsein zu fördern. Besonders wichtig ist den Verantwortlichen – wie schon im Vereinsnamen ausgedrückt – die Schaffung eines Depots mit entsprechender Infrastruktur und personeller Ausstattung zur Sicherstellung der Dokumentation des regionalen Kulturerbes im Walgau. Dabei steht nicht die Schaffung eines eigenen Walgau-Museums, sondern vielmehr die Bewahrung der Exponate für die Zukunft und für Ausstellungen in den jeweiligen Gemeinden bzw. Museen im Vordergrund. Im Bewusstsein, dass im Walgau noch viele historische Gebäude, Betriebsstätten und Sammlungen vorhanden sind, welche bisher noch nicht dokumentiert wurden, soll der Blick zukünftig auch verstärkt auf solche noch nicht beachtete „Schätze“ gerichtet werden. Im Hinblick auf die Bedeutung für die Identität der Region ist im Laufe der Zeit der Charakter der „Kulturgütersammlung“ an die Stellte des reinen „Museumsdepots“ getreten. Konkrete Lösungen

Die Gründungsversammlung ging am 7. Dezember 2010 im Gasthof Rössle in Nenzing über die Bühne, bei der Helmut Schlatter (Artenne Nenzing) zum Obmann gewählt wurde. In der Folge erarbeiteten die Vorstandsmitglieder und Regionalentwickler Manfred Walser konkrete Ziele für die Zukunft. Aufgaben des Vereins Zunächst wurden drei wesentliche Aufgaben des neuen Vereins „Museumsdepot Walgau“ (so der Name bei der Gründungsversammlung) definiert: Als Trägerschaft sollte dieser eine Plattform für die Vernetzung aller Sammler,

Verschiedene Optionen für die Schaffung eines Museumsdepots Walgau sind durch den Vereinsvorstand in den vergangenen Monaten geprüft worden, wobei die Entscheidung für eine konkrete Lösung noch aussteht. Schließlich gilt es auch, die finanzielle Basis zu schaffen, die es dem Verein ermöglicht, als Mieter entsprechender Räumlichkeiten aufzutreten. Es kann jedoch mit Sicherheit gesagt werden, dass die Entscheidung für ein gemeinsames Vorgehen ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung war; mehr noch, es kann davon ausgegangen werden, dass auch die Kooperation über den Walgau hinaus in Zukunft von großer Bedeutung sein wird – erste Ideen dazu existieren bereits. Christof Thöny

Malerei und Mythos – Angelika Kauffmann in Wiesbaden Am 8. Februar fand in den altehrwürdigen Mauern der Casino-Gesellschaft in Wiesbaden die Vernissage zur Schau „Angelika Kauffmann. Malerei und Mythos“ statt, zu sehen war die Ausstellung bis zum 18. März.

Sogar eine Juppe eines privaten Leihgebers sowie einige Briefe Kauffmanns an ihre Verwandten in Schwarzenberg haben den weiten Weg vom Bregenzerwald bis nach Wiesbaden gemacht, womit auch diese Facette des Lebens der Künstlerin dem Wiesbadener Publikum nahe ge-

Die Wiesbadner Casino-Gesellschaft, die die Schau organisiert hat, besteht seit 1816, und hat im Zuge ihrer kulturellen Aktivitäten in den letzten Jahren auch immer wieder Ausstellungen veranstaltet. Anknüpfungspunkte für das Thema Angelika Kauffmann gibt es mehrere: zum einen besitzt ein Mitglied des Vereins eine kleine KauffmannSammlung und stand gerne als Leihgeber zur Verfügung, zum anderen zählt die Casino-Gesellschaft die Wiesbadner Goethe-Gesellschaft zu ihrem Freundeskreis. Damit ergibt sich die Beschäftigung rund um den Kreis Goethes – und da liegt Angelika Kauffmann ja nicht fern. In drei Räumen in dem historistischen Gebäude aus dem Ende des 19. Jahrhunderts wurden Gemälde, Druckgrafik und Porzellan von und nach Kauffmann präsentiert. Entsprechend der Beschäftigung mit Goethe spielt das kulturelle Umfeld der Malerin in Rom in der Ausstellung eine Rolle, unter anderem mit Leihgaben aus dem Goethe Museum in Frankfurt, Museen in Düsseldorf, Wiesbaden und Schwarzenberg. Eine Zeichnung, die Herder zeigt, und eine Radierung mit dem Porträt Reiffensteins, beide aus dem vorarlberg museum, ergänzen diesen Themenkreis.

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bracht wird. Einen weiteren Schwerpunkt in der Schau bilden zahlreiche Grafiken nach Werken Angelika Kauffmanns, die vor Augen führen, wie beliebt ihre Motive auf dem Druckgrafikmarkt waren – und welche Popularität sie dadurch erlangte. Dazu erläuterte Georg Schmidt-von Rhein vom Vorstand der Casino-Gesellschaft die Idee, dass hier mittels der Grafiken die für die Künstlerin so typischen Motive aufgezeigt werden. Ein Kauffmann-Kenner

bemerkte übrigens begeistert, dass viele Stiche zu sehen waren, die sonst kaum in der Öffentlichkeit auftauchen. Zur Ausstellung ist auch ein sogenanntes Handbuch erschienen, in dem Aufsätze von Waltraud Maierhofer, Josef Pokorny, Bernd Blisch, Ulrike Laufer, Gisela Sachse und Hartmut Schmidt Angelika Kauffmanns Leben und Werk in unterschiedlichen Facetten beleuchten. An der Ausstellungseröffnung nahmen rund 300 Personen teil, darunter aus Vorarlberg unter anderem eine Vertretung des vorarlberg museum und des Angelika Kauffmann Museums in Schwarzenberg, stilecht in die Juppe gekleidet. Magdalena Häusle-Hagmann


Auf den Spuren der Schwabenkinder In den letzten Jahren ist die Thematik der Schwabenkinder vor allem durch den gleichnamigen Roman von Elmar Bereuter und einen darauf basierenden Kinofilm ins Bewusstsein der Öffentlichkeit gerückt. Rund sieben Jahrzehnte nach der letzten Wanderung der Hütekinder begibt sich seit mehreren Jahren ein EUgefördertes Projekt auf ihre Spuren und verbindet die Herkunftsgebiete in vier Alpenländern (Österreich, Liechtenstein, Schweiz, Italien) mit dem ehemaligen Arbeitsplatz in Oberschwaben (Deutschland). Am Projekt beteiligte Partner sind die Museen und Stadtarchive in Wolfegg, Ravensburg, Friedrichshafen, Bregenz, Dornbirn, Schwarzenberg, Hittisau, Alberschwende, Schröcken, Bezau, Elementa Walgau, Lech am Arlberg, Wald am Arlberg, Schruns, Landeck, Galtür, Ischgl, St. Anton am Arlberg, Imst, Schluderns, Vals und Ilanz. Kleinere und größere Ausstellungen und Installationen schildern dort Aspekte der Geschichte der Schwabenkinder. Die Eröffnung der Dauerausstellung des Hauptprojektpartners Bauernhaus-Museum Wolfegg sowie mehrerer Ausstellungen in Vorarlberg steht nunmehr unmittelbar bevor. Schwabenkinder Spätestens seit dem 17. Jahrhundert zogen alljährlich im Frühjahr Kinder armer Bergbauernfamilien aus den Alpen zur Arbeit nach Oberschwaben. Allmählich entwickelten sich sogenannte Hütekindermärkte, von denen jener in Ravensburg der am stärksten frequentierte war. Die jugendlichen Saisonarbeiter wurden an Höfe im Allgäu und in Oberschwaben vermittelt; ihre Hauptaufgabe war das Hüten des Viehs, weshalb sie dort immer noch als „Hütekinder“ bezeichnet werden. Im Herbst kehrten

ten sollen. Ein weiterer wichtiger Aspekt ist die Einrichtung einer Datenbank, für welche die vor allem aus dem 19. Jahrhundert stammenden Dienstverzeichnisse in den Ortsarchiven von Oberschwaben ausgewertet wurden. Die erhobenen statistischen Angaben werden – teilweise ergänzt durch Recherchen in den Herkunftsgebieten – in die Datenbank einfließen, die in den beteiligten Museen und Archiven von den BesucherInnen eingesehen werden kann. Auch aktuelle Aspekte von Migration und Integration werden im Rahmen des Projekts thematisiert und – vor allem im Rahmen der Museumspädagogik an Kinder und Jugendliche – vermittelt. Der Weg der Schwabenkinder Ein eigenes Projekt ist die Installation eines Themenwanderwegs auf den Spuren der Schwabenkinder. Die Ausstellungsstationen in den jeweiligen Museen werden auf diese Art und Weise verbunden. Die Routen führen aus Südtirol, Tirol und Vorarlberg sowie Graubünden in Richtung Bauernhaus-Museum Wolfegg. Der aus dem Bregenzerwald stammende Autor Elmar Bereuter hat die historischen Wege der Schwabenkinder umfassend dokumentiert und stellt die einzelnen Etappen in einem Wanderführer vor, der zum Begehen der Routen Richtung Oberschwaben oder retour einlädt. Die Publikation ist in vier Einzelbände eingeteilt (Oberschwaben, Vorarlberg, Schweiz, Nord- und Südtirol). Die Herausgabe des Bandes „Vorarlberg“ folgt im Juni 2012, während „Oberschwaben“ bereits 2011 erschien. Nicht die reine Beschreibung des Weges steht dabei im Vordergrund, sondern die Beschreibung kultureller Besonderheiten entlang der Strecke und sozialgeschichtliche Hintergründe und Episoden aus dem Leben der Schwabenkinder. Bauernhaus-Museum Wolfegg

die Kinder mit neuer Kleidung und ein wenig erworbenem Bargeld in ihre Heimatorte zurück. Bis heute ist hierzulande der Begriff „Schwabenkinder“ bzw. „Schwabengänger“ für die Bezeichnung dieses Phänomens gebräuchlich. Die Ursachen dafür, der Weg ins Schwabenland und die dortigen Arbeitsbedingungen werden im Rahmen des Projekts aufgearbeitet und vermittelt. Das Projekt Im Bauernhaus-Museum Wolfegg entstand die Idee, die Herkunfts- und Dienstorte der Schwabenkinder in einem gemeinsamen Projekt zu verbinden. Konkretes Ziel ist die wissenschaftlich fundierte Aufarbeitung der Thematik und deren Präsentation in Museen und Installationen entlang der ehemaligen Wanderroute der Schwabengänger sowie die Einrichtung eines Themenwanderwegs zum Nachwandern. Die grenzüberschreitende Kooperation der beteiligten Museen und Archiv aus fünf Ländern stellt dabei einen wesentlichen Schwerpunkt dar. Gefördert wird das Projekt aus dem Interreg-Programm „Alpenrhein-Bodensee-Hochrhein“, dessen erklärtes Ziel darin besteht, neue Netzwerke im Bodenseeraum zu bilden, die einen Beitrag zur Europäischen Integration leis-

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burg des 19. Jahrhunderts vertraut gemacht. In Friedrichshafen informieren am Hafen Tafeln über einen Aspekt der Spätphase des Schwabenkinderwesen: Die Ankunft mit dem Schiff und den Hütekindermarkt in Friedrichshafen.

Der bedeutendste Teil des grenzüberschreitenden Projekts ist die Einrichtung der Dauerausstellung zum Thema „Schwabenkinder“ im Bauernhaus-Museum Wolfegg. Die Kulturgeschichte Oberschwabens wird dort umfassend vermittelt: 16 originale Bauernhäuser und Wirtschaftsgebäude, liebevoll gepflegte Bauerngärten, Tiere, zahlreiche Feste und Sonderveranstaltungen laden ein, die historischen Lebens- und Arbeitsumstände der Landbevölkerung zu entdecken. Besonders bekannt sind Wolfeggs museumspädagogische Mitmach-Aktionen. Die Eröffnung der Schwabenkinder-Ausstellung wird am 23. und 24. März 2012 erfolgen. Bereits seit vergangenem November werden die BesucherInnen im Museum Humpis-Quartier in Ravensburg in drei „wundersamen Kammern“ mit der Geschichte der Schwabenkinder und ihrer Bedeutung im Ravens-

Ausstellungen und Projekte in Vorarlberg Im Bregenzerwald und im Walgau wird ab März 2012 umfassend an die Schwabenkinder erinnert. Die ELEMENTA WALGAU als kulturelles Netzwerk der Walgaugemeinden präsentiert in Kooperation mit der Regio Im Walgau und weiteren Kulturträgern der Region eine Wanderausstellung, welche – ausgehend von Schnifis – an acht Standorten zugänglich ist. Zur jeweiligen Eröffnung werden in verschiedenen Referaten zahlreiche Aspekte der Schwabengängerei beleuchtet. Im Mittelpunkt der Ausstellung stehen die Schicksale der Schwabenkinder aus dem Walgau, deren bekanntestes sicherlich Regina Lampert war. Ihre Lebenserinnerungen wurden unter dem Titel „Die Schwabengängerin“ in Buchform veröffentlicht. Im Rahmen des Interreg-Projekts sind in fünf Gemeinden des Bregenzerwaldes Installationen bzw. Ausstellungen entstanden. Koordiniert wurden die Aktivitäten durch das Bregenzerwald Archiv, wobei zahlreiche Museen, Gemeinden und Vereine in die Umsetzung eingebunden sind. Zwischen März und November finden zahlreiche Veranstaltungen statt, wobei unter anderem auch Zeitzeugen zu Wort kommen. Im Montafon wird ab September eine Ausstellung die Schicksale der Schwabenkinder des Tales präsentieren. Die Ursachen der saisonalen Auswanderung und ihre sozialen Umstände im hinteren Montafon stehen dabei im Mittelpunkt. Christof Thöny


Wanderausstellung „Die Schwabenkinder“ der Elementa Walgau Schwerpunkt der Ausstellung sind die historischen Wanderbewegungen von schulpflichtigen Kindern und hier vor allem der Schwabenkinder aus dem Walgau. Ihr Schicksal und das anderer Kinder sowie ihre Wege hinaus ins Schwabenland werden aufgezeigt. Auf Schautafeln und Bannern werden die gesellschaftlichen und landwirtschaftlichen Bedingungen thematisiert, die damals im Walgau die Kinder zu „Fremdarbeitern“ machten. Auch das Schwabenland in seiner damaligen Situation wird vorgestellt. Für jeden Ort gibt es ein eigenes Plakat, das örtliche Historiker gestalten. Darauf werden alle namentlich bekannten Schwabenkinder des Ortes sowie ergänzende lokalhistorische Erkenntnisse aufgeführt. Gestaltung: Christof Thöny und Thomas Gamon Vorträge und Ausstellung Schnifis Termin: 25. bis 29. März 2012 Eröffnung am 25. März um 20h mit Vortrag Kinder und Knechte – Vorarlberger als Arbeitskräfte im Schwabenland von Meinrad Pichler Ort: Laurentiussaal Öffnungszeiten: Mo-Do 17-20h

spektive von Christine Brugger Ort: Wolfhaus-Dachboden Öffnungszeiten: Di 18-20h, Mi 15-17h, So 18-20h Thüringen Termin: 29. September bis 7. Oktober 2012 Eröffnung am 29. September um 19:30h mit Vortrag Freud und Leid - Schwabenkinder aus Vorarlberg von Gerhard Wanner Ort: Villa Falkenhorst Öffnungszeiten: täglich 15-17h Frastanz Termin: 19. bis 28. Oktober 2012 Eröffnung am 19. Oktober um 19:30h mit Vortrag Kinderarbeit in der Fremde - Frastanz und seine Schwabenkinder von Thomas Welte Abschlussveranstaltung am 28. Oktober - alle sind zu einer Jause in die Bibliothek eingeladen Ort: Domino s‘Hus am Kirchplatz Öffnungszeiten: Fr 19.10. 19:30-21:30h So 21.10. 16-19h, Di 23.10. 19-21:30h, Do 25.10. 19-21:30h, So 28.10. 11-15h Bludenz Termin: 5. bis 16. November 2012 Eröffnung 5. November um 19:30h mit Vortrag Schwabenkinder aus der Region Bludenz von Christof Thöny, Schlussveranstaltung am 16. November um 9h am Bundesgymnasium Bludenz mit Präsentation der Projektarbeit der Schüler des BG Bludenz sowie Sonderpostamt mit Sonderbriefmarke Ort: Aula Bundesschulzentrum Öffnungszeiten: Mo-Fr 8-17h Weitere Informationen

Nüziders Termin: 30. März bis 18. April 2012 Eröffnung am 30. März um 20h mit Vortrag Nüziger Schwabenkinder von Nicole Ohneberg Finissage am 17. April um 20h Im Gespräch zum Thema Schwabenkinder u.a. mit Elmar Bereuter Ort: Gemeindehaus Öffnungszeiten: Mo-Do 14-16h, So 1.4. 16-18h, Ostermontag 9.4. 16-18h So 15.4. 16-18h Göfis Termin: 20. bis 29. April 2012 Eröffnung am 20. April um 20h im Konsumsaal mit Vortrag Die Schwabenkinder aus der oberschwäbischen Perspektive von Mag. Stefan Zimmermann Vortrag am 27. April um 20 Uhr im Konsumsaal mit Bernhard Tschofen zu Das Schwabenkind Regina Lampert. Zur Aktualität eines einmaligen Selbstzeugnisses Ort: Gemeindekeller im Gemeindeamt Öffnungszeiten: Mo-Fr 8-12h, 14-18h, Sa+So 14-18h Feldkirch

Ausstellungen im Bregenzerwald Alberschwende „Huoweh heane kea, viel Nüs heane gsea“ Heimweh hab ich gehabt, viel Neues hab ich gesehen Die Gemeinde Alberschwende als geographische Übergangszone zwischen Gebirge und Rheintal behandelt die Themen „Abschied“ und „Unterschied“: Auf dem Lorena-Pass erinnert eine künstlerisch gestaltete Sitzgelegenheit an das schwere Abschiedserlebnis der Schwabenkinder. In Mesmers Stall sind vergleichende historische Informationen zu den Gebieten abrufbar, für die das Schwabengehen Bedeutung hatte. Ort: Lorena-Pass sowie Heimatmuseum Alberschwende (Außenstelle „Mesmers Stall“) Öffnungszeiten: Sitzbank im Freien (ab April 2012), jederzeit frei zugänglich Ausstellung Mesmers Stall: Mai bis Oktober nach Voranmeldung +43 (0)5579 4233 Bezau

Termin: 3. bis 18. Mai 2012 Eröffnung am 3. Mai um 20h mit Einführungsvortrag Kinderarbeit in Feldkirch von Christoph Volaucnik Führung durch die Ausstellung am 8. Mai um 17 Uhr mit Christoph Volaucnik Ort: Palais Liechtenstein Öffnungszeiten: Mo-Do 8-12h, 13.30-17h; Fr 8-16h Nenzing Termin: 24. Juni bis 5. Juli 2012 Eröffnung am 24. Juni um 20h mit Vortrag Die Schwabenkinder aus der oberschwäbischen Per-

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http://wiki.imwalgau.at/wiki/Schwabenkinder_Programm_2012 sowie die Homepages der Ausstellungsgemeinden

„Ga schaffo gau“. Zum Arbeiten gehen Im Schalterraum des Bahnhofsgebäudes wird das Thema Arbeitsmigration beleuchtet. Während sich die Schwabenkinder aufgrund der Notlage ihrer Familie ins Ausland verdingen mussten, kamen ab den 1970er zahlreiche Gastarbeiter nach Bezau, um in Baufirmen, holzverarbeitenden Betrieben und im Gastgewerbe zu arbeiten. Auch heute sind zahlreiche Bezauer damit konfrontiert, dass sie keine Arbeit an ihrem Wohnort finden und pendeln täglich aus. Schautafeln und Hörbeispiele verdeutlichen die unterschiedliche Arbeitssituation der Betroffenen. In einem Waggon der Bregenzerwaldbahn

Elmar Bereuter Schwabenkinder-Wege Vorarlberg 208 Seiten, Format 16,5 x 11,5 cm Bergverlag Rothner ISBN-13: 978-3763344130

befindet sich eine Installation mit allen Namen der bekannten Bezauer Schwabenkinder. Ort Schalterraum des Bahnhofs Bezau, Waggon der Bregenzerwaldbahn Öffnungszeiten: Während der Betriebszeiten der Bregenzerwaldbahn. Jeweils Samstag und Sonntag von Juni bis Anfang Oktober. In den Sommermonaten und im November und Dezember auch an bestimmten Wochentagen. Hittisau „Ou d’Schmelga süand ganga“ Auch Mädchen sind gegangen Unter den Kindern, die aus Vorarlberg alljährlich zu den Kindermärkten ins Schwäbische zogen, waren auch zahlreiche Mädchen. Mit deren Geschichten und Schicksalen befasst sich das Frauenmuseum Hittisau. Im Rahmen eines geladenen Wettbewerbs zur Errichtung eines Kunstwerks im öffentlichen Raum nähern sich fünf Künstlerinnen dem Thema der Schwabengängerinnen. Ausgangspunkt ihrer Konzepte bilden dabei die Erinnerungen eines Hittisauer Schwabenmädchens. Ab Dezember 2012 präsentiert das Frauenmuseum die Ergebnisse des Wettbewerbs im Foyer. Ab 2013 ist die künsterlische Installation im öffentlichen Raum frei zugänglich. Ort: Projektpräsentation: Foyer des Frauenmuseum Hittisau (zu den Öffnungszeiten des Museums, ab Dezember 2012) künstlerische Installation im öffentlichen Raum (frei zugänglich, ab 2013) Öffnungszeiten: Do 15-20h / Fr-So 10-12h / 14-17h Schröcken „Orme Goga hend müssa go“ Arme Kinder mussten gehen Kurzbeschreibung Ausstellungstafeln dokumentieren den familiären Hintergrund der namentlich bekannten Schröckener Kinder und ihre Wohnorte. Orte: Ortszentrum Schröcken, Vorarlberger Alpmuseum „uf m Tannberg“ Öffnungszeiten: Alpmuseum: Ab Juni 2012 (je nach Witterung) Juli bis September: Fr und So 13-16h Die Tafeln sind in Schröcken frei zugänglich www.alpmuseum.at Schwarzenberg „dahoam und foat“. Einblicke in die Lebenswelt von (Schwaben-) Kindern Kurzbeschreibung Die Ausstellung im Rahmen des Schwabenkinder-Projektes soll Einblicke in die Lebenswelt von (Schwaben-) Kindern im 19. und frühen 20. Jhd. in einer bäuerlich strukturierten Gemeinde wie Schwarzenberg geben. Dabei wird der Blickwinkel auf die Situation der Kinder gelegt: von denen, die daheim waren, und von denen, die aus Armut zur Arbeit als Hütejungen, Mägde und Knechte fort ins Schwabenland ziehen mussten. Themenbereiche wie Arbeit und Freizeit, Kirche und Schule, Bekleidung und Nahrung, Armut und Alltag werden aufgegriffen und durch Gegenstände und Tondokumente veranschaulicht. Es besteht für BesucherInnen die Möglichkeit im Museum vor Ort in der Schwabenkinder- Datenbank selbst zu recherchieren. Ort: Angelika Kauffmann Museum Öffnungszeiten: Eröffnungswochenende Sa 24. März 2012 / 14-17h So 25. März 2012 / 10:30h – offizielle Eröffnung bis 11. Mai 2012 So 13-17h / Mi-Sa 14-17h 12. Mai bis einschließlich 28. Oktober 2012 Di-So 10-17h


Ankäufe – Praxis und Hintergründe Mit der Verabschiedung des Kulturförderungsgesetzes im Jahr 1974 verpflichtete sich das Land Vorarlberg zur Sicherung und Unterstützung kultureller Vielfalt. Die Ankäufe, die in Folge dieser Förderpraxis getätigt wurden, dokumentieren das regionale Kunstschaffen und bedeuten gleichzeitig einen Zuwachs der Bestände des vorarlberg museums an zeitgenössischer Kunst. Für den Ankauf von bildender und angewandter Kunst sind in den Jahren 2011/2012 Dr. Ingrid Adamer und Mag. Hans Dünser bestellt.

mm: Rückblickend auf ein Jahr Ankaufstätigkeit – wie haben Sie diese Arbeit im direkten Austausch mit den Künstlerinnen und Künstlern erlebt?

wieder den Eindruck, einen ausgegliederten Job für unangenehme Tätigkeiten zu machen. Übrigens: Diese Tätigkeit nimmt bedeutend mehr Zeit in Anspruch, wie angenommen. mm: Können Sie uns Ihre Atelierbesuche, die Sie in Vorarlberg bzw. auch bei außerhalb des Landes arbeitenden KünstlerInnen getätigt haben, skizzieren? Welche Ateliersituationen haben Sie vorgefunden? Ingrid Adamer: Jeder Besuch war auf seine Weise reizvoll. Unlängst haben wir den 96-jährigen Leopold Fetz in seinem Atelier in Bregenz aufgesucht, was aufgrund des hohen Alters des Künstlers ein besonderes Erlebnis war. Es ist sehr interessant, Einblicke in die Ateliers und Wohn-

Ingrid Adamer: Bereichernd waren vor allem die Besuche in den Ateliers der Künstlerinnen und Künstler und die dort stattfindenden Gespräche. Da die finanziellen Mittel sowie die zur Verfügung stehende Zeit beschränkt sind, ist es nur möglich, mit einem kleinen Teil der Kunstschaffenden persönlich in Kontakt zu treten. Als besonders erfreulich empfinde ich es, wenn wir KünstlerInnen dazu animieren können, schon länger konzipierte aber nie ausgeführte oder neue Werke in Angriff zu nehmen. Meistens werden die Ankäufe von den Kunstschaffenden als willkommene finanzielle Unterstützung gesehen, häufig aber auch als Anerkennung für ihr Schaffen. Es ist vielen KünstlerInnen ein Anliegen, mit repräsentativen Werken in der Sammlung des Landes Vorarlberg vertreten zu sein. Hans Dünser: Ich war sehr positiv überrascht – aus den Besuchen haben sich meist richtiggehend intensive Diskussionen und Ateliergespräche entwickelt. Vielfach hatte ich das Gefühl, dass die KünstlerInnen auch froh waren, mit jemandem über ihre Arbeit sprechen zu können. Der Kontakt der Künstler untereinander scheint bei vielen ein nicht guter zu sein. Gerade der gegenseitige Austausch muss in der Kunstszene allgemein ein Problem sein. Bei unseren Besuchen hat es sich auch bewährt, dass nicht Künstler andere Künstler beurteilen. Manche/r der von uns Besuchten war sehr überrascht und erfreut, dass wir sie aufsuchten, weil sie schon damit abgeschlossen hatten, diesbezüglich je besucht zu werden. Die Ankaufstätigkeit müsste eigentlich vom Bedarf her ausgeweitet werden in eine „Ankaufs-, Beratungstätigkeit, in einen Kunstbeichtvater oder -mentor“. Unangenehm ist die Fülle der Ansuchen, die vom Amt an uns weitergegeben werden. Das Ankaufsbudget wäre mit Erfüllung dieser Ansuchen alleine schon zu klein. Hier müsste bei der Durchführung von Amtsseite etwas überlegt werden, auf dass die Ankaufstätigkeit bzw. die Ankaufkommission nicht obsolet wird. Man hat hin und

mm: Ihnen war die Kunstszene Vorarlbergs vor Antritt als AnkäuferIn nicht unbekannt. Hat sich Ihr Blick durch diese noch intensivere Auseinandersetzung verändert?

räume der Kunstschaffenden zu bekommen, die so unterschiedlich wie die einzelnen KünstlerInnen selbst sind. Manche Orte waren schwierig zu erreichen, so mussten wir kürzlich aufgrund der Schneelage unser Auto stehen lassen und die letzten Meter bis zu einem Atelier im Bregenzerwald mit dem Skidoo zurücklegen. Eindrücklich war auch ein Besuch bei Marianne Greber in Wien. Die Künstlerin fotografiert Transvestiten und Transsexuelle in Brasilien, Kuba sowie in Österreich nicht im Atelier sondern in der Öffentlichkeit. Für ein filmisches Porträt über die Künstlerin, welches aktuell für das vorarlberg museum entsteht, durften wir Marianne Greber bei einem Fotoshooting mit Nicole Foucher begleiten. Zur Frau wurde die Wahlwienerin erst im reiferen Alter, ihre Geschlechtsumwandlung erfolgte nach der Pensionierung und seither sprüht sie vor Energie. Entwickeln und vergrößern lässt Marianne Greber ihre analogen Fotografien im Studio, so auch die Arbeit A Última Ceia, die wir für das Land Vorarlberg ankaufen konnten.

Auf der Suche nach Vorarlberg. Objekte, Menschen, Beziehungen

Mode bis zu Kuriositäten reicht das bunte Kaleidoskop der Vorträge, zu denen das vorarlberg museum während des ganzen Jahres dienstags um 18h in die Studiensammlung einlädt.

Der Endspurt Richtung Neueröffnung des vorarlberg museums hat begonnen, aber noch sind der Mitarbeiterstab wie auch die Objekte in ihrem Ausweichquartier in der Studiensammlung. Die räumliche Nähe und die Konzeption der neuen Ausstellungen bedingen natürlich eine intensive Auseinandersetzung mit den zukünftigen Exponaten. Neue Erkenntnisse bilden den Ausgangspunkt unserer Vortragsreihe, mit der sich die wissenschaftlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter vorstellen und einem breiten Publikum Einblick in ihre aktuellen Aufgaben und Forschungen gewähren. Von Terra Sigillata bis Otto Ender, von Fritz Krcal zu Angelika Kauffmann, von Liturgischem über

Dienstag, 17. April 2012, 18h Markus Barnay: Von „echten“ und anderen Vorarlbergern

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Hans Dünser: Die Ateliers der KünstlerInnen in Vorarlberg haben mich durchaus überrascht, da es doch grundsätzlich schwierig ist, im Lande Raum zu finden und die Mietpreise bekanntermaßen recht hoch liegen. Man erlebt Gegensätze – trotzdem fanden wir kein von uns besuchtes Atelier vor, in dem das künstlerische Arbeiten problematisch gewesen wäre. Hin und wieder hatte ich das Gefühl, dass manche Künstler ihre Arbeiten den räumlichen Möglichkeiten anpassen müssen. Anders scheint die Situation in Wien zu sein. Von dem von mir besuchten Atelier – eine Substandardwohnung – in der gewohnt und gearbeitet wird, steht geradezu in einem krassen Gegensatz zu den Vorarlberger Ateliers. Das wird in Wien nicht generell so sein, aber es tut im innersten weh, solches zu erleben.

Wenn von „heimischen“ Familien die Rede ist, die bevorzugt werden sollten, dann steht dahinter auch die Vorstellung, man könne die Bevölkerung in „echte Vorarlberger“ und „Fremde“ einteilen. Doch wer sind die „echten“ Vorarlberger? Und wie wird ein „Fremder“ zum „echten Vorarlberger“? Schwierige Fragen in einem Land, dessen Geschichte seit Jahrhunderten von Aus- und Einwanderungsbewegungen geprägt wurde. Wie und mit welchen typischen Objekten soll eine solche Geschichte in einem Museum dargestellt werden? Dienstag, 8. Mai 2012, 18h Ute Pfanner: Harmonie und Farbe – der Maler Fritz Krcal Durch das großzügige Legat von Carmen Krcal, der Witwe des Künstlers, an das Land Vorarlberg, verfügt das vorarl-

Ingrid Adamer: Die Vorarlberger Kunstszene ist vielfältig, spannend und verfügt über eine große Ausstrahlung. Viele KünstlerInnen leben in Wien oder im Ausland und befruchten Vorarlberg mit ihrem Schaffen ebenso wie die im Land arbeitenden Kunstschaffenden. Diese Erkenntnis ist für mich nicht neu, aber durch die intensive Beschäftigung und die zahlreichen persönlichen Begegnungen ist sie präsenter geworden. Und natürlich entdecke ich immer wieder Neues! Hans Dünser: Es gibt unter den Vorarlberger Künstlern auch viele, die leise arbeiten, die nicht schreien und man daher nicht so kennt. Gerade solche waren interessant zu entdecken. Die Tätigkeit zwingt auch mit Künstlern direkt zu reden, sich nicht nur in Eröffnungs-Smalltalks auszutauschen. Die Auseinandersetzung bringt näher, macht die Szene greifbarer. Die junge Künstlergeneration fehlt im Lande.

Cornelia Mathis-Rothmund

berg museum über ca. 1000 Gemälde und Zeichnungen, Schachteln mit Büchern, Briefen und persönlichen Gegenständen. Der Vortrag geht der künstlerischen Entwicklung Krcals nach, der im Laufe seiner außergewöhnlich langen Schaffensperiode einen unverwechselbaren Stil entwickelte. Dienstag, 26. Juni 2012, 18h Peter Melichar: Otto Enders Schreibtischarbeit – Empfehlungen, Bitten, Vermittlungen, Abwiegelungen Otto Ender (1875-1960) war und ist eine legendäre und umstrittene Politikerpersönlichkeit, als langjähriger Landeshauptmann, Bundesminister und als einziger Vorarlberger, der je Bundeskanzler war. In dem Vortrag geht es um die Alltagsarbeit des Politikers Ender. Dabei wird einiges über die Wertvorstellungen und Interessenslagen der Zwischenkriegszeit erkennbar. Ganzjährige Veranstaltungsreihe im vorarlberg museum (Studiensammlung am Brachsenweg 62, Bregenz), Eintritt frei; Info: Anja Rhomberg, 05574-46050, a.rhomberg@vorarlbergmuseum.at Anja Rhomberg


Kulturlandschaft Vorarlberg – schützenswertes Erbe Landeskonservatorin DI Eva Hody erläutert im Gespräch mit dem museum magazin wichtige Eckpunkte und zukünftige Projekte, um die Kulturlandschaft Vorarlberg zu erhalten beziehungsweise den Gegebenheiten und Anfordernissen der Gegenwart anzupassen. mm: Welche typischen Merkmale prägen das Erscheinungsbild und beeinflussen die Lebensraumfunktionen der Kulturlandschaft Vorarlberg? Welchem Wandel ist das ländliche und urbane Erscheinungsbild Vorarlbergs unterworfen?

flächen. Zäune verfallen, da sie nicht mehr gebraucht werden. Stallgebäude stehen leer, denn sie genügen den modernen Anforderungen der Viehzucht nicht mehr. Maisäßgebäude werden umgebaut und als Wochenendbeziehungsweise Ferienhäuser genutzt. Kirchen aber bilden nach wir vor die Wahrzeichen der besiedelten Gebiete, Kapellen und Wegkreuze hingegen geraten immer mehr in Vergessenheit. Die traditionelle Holzbaukultur ist im alpinen Raum hoch entwickelt und prägte die Landschaft maßgeblich mit. Die

Hody: Im Alpinen Raum Vorarlbergs ist die Kulturlandschaft zwar heute noch durch die ursprüngliche Form der Bewirtschaftung von Wald und Viehzucht bestimmt, aber einem deutlich sichtbaren Wandel unterworfen. Kulturlandschaft ist und war immer schon dynamisch in dem

„Je mehr die Menschen über ihre Vergangenheit wissen, um so eher können sie auch das kulturelle Erbe als wertvoll und erhaltenswert erkennen.“ Eva Hody, Bundesdenkmalamt

Maß, wie sich der Mensch und die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen entwickelten. So hat sich die Form der Bewirtschaftung der Landschaft gegenüber dem frühen 20. Jahrhundert grundlegend geändert. Waldwirtschaft und Viehwirtschaft wird durch den Einsatz von Maschinen lukrativ und der Tourismus ist neue Lebensgrundlage geworden. Wälder dienten einst der Gewinnung von Rohstoffen für Behausungen und Energie. Die gerodeten Gebiete wurden als Weideflächen für die Viehzucht genutzt, heute ohne Beweidung verbuschen sie jedoch wieder. Wege mit Lesesteinmauern sind längst befahrbaren Straßen gewichen. Skigebiete erfordern neue Rodungs-

Zeugnisse der Vorarlberger Textilgeschichte Die Volkskundlerin und Expertin für Textilgeschichte Dr. Theresia Anwander hat kürzlich ausgewählte Museumsobjekte aus dem Textildruckmuseum Mittelweiherburg für die Veröffentlichung auf www.vorarlbergmuseen.at dokumentiert und aufbereitet. mm: Was ist das Besondere an der Sammlung des Textildruckmuseums Mittelweiherburg? Anwander: Das Museum Mittelweiherburg und das Gemeindearchiv in Hard beherbergen eine außerordentliche Sammlung an Druckmodeln, Musterbüchern, Rapportzeichnungen, losen Stoffmustern, Textilien und Werkzeug aus der Zeit der textilen Hochblüte während des 19. Jahrhunderts. Die Sammlung an textilem Kulturgut in Hard lässt uns hinter die Kulissen der damaligen Stoffproduktion blicken. Die Textilunternehmen Jenny & Schindler und deren Nachfolger bündelten mit viel Innovationsgeist an mehreren Standorten in Hard und Umgebung einmaliges textiles Wissen und Know-how.

mm: Wie können die Menschen für den Erhalt und die Pflege der Kulturlandschaft sensibilisiert werden? Gibt es spezielle Aktionen?

durchschnittliche Größe eines Baums bestimmte neben Nutzungserfordernisse und kulturellen Bedürfnissen die Konstruktion, Proportion und Erscheinung der Bauten. Heute gibt es neue Nutzungserfordernisse und moderne Baumaterialien für größere Bauten mit einer veränderten Formensprache. Der Wandel von Bewirtschaftung, Baukultur und Besiedelungsdichte sind in der heutigen Kulturlandschaft deutlich sichtbar. mm: Mit welchen aktuellen Projekten trägt das Bundesdenkmalamt zum Schutz und Erhalt des regionalen Kulturerbes, vor allem im ländlichen Raum, bei? Welche Bereiche haben dabei Priorität?

Hody: Je mehr die Menschen über ihre Vergangenheit wissen, um so eher können sie auch das kulturelle Erbe als wertvoll und erhaltenswert erkennen. Es können alle Generationen für unser kulturelles Erbe begeistert werden. Von ganz verschiedenen Institutionen des Landes werden Schulprogramme, öffentlichen Veranstaltungen, Vorträge, Maisäßwanderungen, Führungen und Berichte in den Medien angeboten, das Bundesdenkmalamt ist hier häufig unterstützend tätig. Herausheben möchte ich die jährliche Veranstaltung „Tag des Denkmals“, die heuer am 30. September statt finden wird. (http://www.tagdesdenkmals.at/vorarlberg). An diesem Tag laden DenkmaleigentümerInnen in Kooperation mit dem Bundesdenkmalamt die interessierte Bevölkerung zur Besichtigung von sonst verschlossenen Denkmalen ein, um das baukulturelle Erbe zu erfahren und einiges darüber zu lernen. Susanne Emerich

mm: Was „erzählen“ uns die alten Musterbücher und Druckmodel? Anwander: Diese Zeugen der textilen Vergangenheit erzählen bei genauem Betrachten von der Geduld und Handfertigkeit der Formenstecher, die mit viel Fingerspitzengefühl und handwerklicher Erfahrung die Druckmodel nach der Mustervorlage gestalteten. Die Designer hingegen bewiesen viel Phantasie. Sie spiegelt sich in der Ästhetik der Muster wider. In der Sammlung des Textildruckmuseums erfahren wir von den Vorlieben der damaligen Mode für indisch inspirierte Muster, türkischrote Trachtentüchlein und Rosenmuster auf seidenen Foulards oder auf Regenschirmen. Jenny & Schindler war in der gesamten österreichisch-ungarischen Monarchie und darüber hinaus für bunt bedruckte Tücher bekannt. mm: Welches Muster gefällt dir persönlich am besten? Anwander: Wer die Wahl hat, hat die Qual. Aus der Fülle an Motiven ein Lieblingsmuster heraus zu suchen, ist gar nicht einfach. Aber ein Alloverdessin mit stilisierten Kaschmirmotiven auf einem zarten Wollstoff spricht mich besonders an. Das Muster besteht aus plakativen

www.vorarlbergmuseen.at/objekte

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Hody: Denkmalschutz besteht für jene Objekte, die eine geschichtliche, künstlerische und kulturelle Bedeutung aufweisen. So ist das Bundesdenkmalamt vornehmlich mit der Erhaltung einzelner Gebäude beschäftigt. Die Pflege und Erhaltung von Kulturlandschaft ist keine Aufgabe des Denkmalschutzes, sie kann nur durch eine gesellschaftliche Sensibilisierung und eine differenzierte Raumordnung geschehen. Die Erhaltung und Restaurierung einzelner historischer Objekte kann dabei eine beispielhafte Wirkung haben. In den letzten Monaten wurden in Zusammenarbeit mit dem Bundesdenkmalamt einige denkmalgeschützte Wohn- und Wirtschaftsgebäude im Bregenzerwald und im Montafon revitalisiert und setzen so hoffentlich ein positives Zeichen. Darüber hinaus beteiligt sich das Bundesdenkmalamt am „Kulturlandschaftsfonds Montafon“ als auch an der „Fassadenaktion Bregenzerwald“ und fördert finanziell und beratend damit in den Regionen breiter angelegt die Erhaltung der Kulturlandschaft.

Füllhörnern mit ornamentalen Zick-Zackstreifen, die diagonal versetzt auf dem hellen Stoffgrund angeordnet sind. Der Stoff wird durch stilisiertes florales Rankwerk zusätzlich belebt und erinnert mich in seiner Formensprache an Muster der Wiener Werkstätte. Barbara Motter


Neue Schriftleitung der Bregenzerwald-Hefte

Reiseziel Museum! 2012 auch in Liechtenstein und in der Bodenseeregion

Seit 1982 gibt der Heimatpflegeverein Bregenzerwald die Bregenzerwald-Hefte heraus. Nachdem Walter Johler als Gründungsobmann des Vereins für die Herausgabe von 29 Bänden der regionalen Zeitschrift verantwortlich zeichnete, hat im vergangenen Jahr die Historikerin Mag. Lieselotte Hammerer diese Funktion übernommen. „Die jährlich erscheinenden Bregenzerwald Hefte halte ich für ein sehr wichtiges regionales Medium, um neue wissenschaftliche Erkenntnisse über den Bregenzerwald zu veröffentlichen und den Freunden unserer Talschaft Wissenswertes und Interessantes aus der Region mitzuteilen. Ich sehe diese Jahreshefte aber auch als eine wichtige Quelle für heimatkundliche Forschung“ beschreibt die neue Schriftleiterin die Bedeutung der Bregenzerwald-Hefte. Zahlreiche eingesandte Beiträge machten die Ausgabe Nr. 30 zu einer vielseitigen Lektüre. Der Redaktionsschluss für das BregenzerwaldHeft 2012 wurde mit Juli 2012 festgelegt, wobei die Schriftleiterin um Zusendung von Beiträgen bittet. Auch junge Forscherinnen und Forscher, die im Begriff sind, Seminar-, Diplomarbeiten oder Dissertationen zu verfassen, sind eingeladen, ihre Erkenntnisse in den Bregenzerwald-Heften zu publizieren. Kontakt: Mag. Lieselotte Hammerer 6863 Egg, Hub 822 lieselotte.hammerer@heimatpflegeverein.at

Im fünften Jahr der Sommeraktion „Reiseziel Museum!“ haben sich die Initiative „Kinder in die Mitte“ und die Kulturabteilung des Landes gemeinsam mit 28 teilnehmenden Museen in Vorarlberg auf die drei Aktionstage festgelegt: • Sonntag, den 1. Juli 2012 • Sonntag, den 5. August 2012 • Sonntag, den 2. September 2012 Besonders erfreulich ist die Zusammenarbeit mit dem Städtebund Bodensee und der Kulturstiftung Liechtenstein. Dank großem Einsatz ist es gelungen, für das Jahr

2012 insgesamt 11 neue Partnermuseen (darunter das „Museum Ravensburger“ in Ravensburg, das Naturhistorische Museum in St. Gallen, das Dornier Museum Friedrichshafen und das Kunstmuseum Liechtenstein) zur Teilnahme zu begeistern.

Hedwig Reckefuß-Kleiner (9. November 1912 – 2. Februar 2012)

Mit Frau Hedwig Reckefuß-Kleiner ist – nach Franz Metzler (19211981) und Professor Elmar Vonbank (19212009) – eine Persönlichkeit d a h i n g e s ch i e den, die über ihre engeren Aufgaben als Sekretärin und Buchhalterin hinaus Arbeit und Stil des Vorarlberger Landesmuseums zu ihrer Zeit wesentlich mitgetragen und mitbestimmt hat: kenntnisreich, verantwortungsbewusst und voller Elan. Aus ihrer familiären Herkunft brachte sie Grundlegendes mit: als Tochter des Landesarchivars Viktor Kleiner der Geschichte und Kultur zugetan und dank der Mutter Ida geb. Schwärzler mit dem Geschäftsleben (Fa. Pircher) vertraut. Während Auslandsaufenthalten hat sie sich das Französische und das Italienische angeeignet, diese Sprachen auch an der kaufmännischen Wirtschaftsschule Marienberg in Bregenz unterrichtet und diese Kenntnisse dann natürlich am Vorarlberger Landesmuseum einbringen können. So waren es mit diesen Voraussetzungen und Vorleistungen verbundene Umgangsformen, Auftreten, Übersicht, was der Anstalt insgesamt zugute kam. Man darf als Glanzpunkte dieser Ära wohl auf die 100Jahr-Feier des Vorarlberger Landesmuseumsvereins (1957) und die Wiedereröffnung des umgebauten Vorarlberger Landesmuseums (1960) verweisen. Über Veröffentlichungen im Jahrbuch des Vorarlberger Landesmuseumsvereins, Zeitungsartikel zu Ausstellungen, Personen und allgemein landeskundlichen Themen (gezeichnet HRK), desgleichen in Führungen, dank ihres Engagements als Pensionistin noch im Kulturkreis der Bregenzer Senioren konnten viele Menschen an den Kenntnissen von Frau Reckefuß-Kleiner teilhaben. Sie hat das kulturelle Leben hier tatsächlich mitgestaltet und sich ein ehrendes Andenken gesichert. (Ein ausführlicher Nachruf ist für das Jahrbuch Vorarlberger Museumsverein 2012 in Vorbereitung).

Durch die Öffnung des Projektes von Vorarlberg auf die Länder Liechtenstein, Schweiz und Deutschland wird „Reiseziel Museum“ nun tatsächlich zum Projekt der Vier-Länder-Region Bodensee.

Helmut Swozilek

Werden Sie Mitglied! Mit den 22€, die Ihre Mitgliedschaft ausmacht, unterstützen Sie nicht nur die Arbeit der Museen im Lande, sondern tragen Sie auch zum Erhalt der Kulturlandschaft Vorarlberg bei. Zusätzlich genießen Sie folgende Vorteile: •Kostenloses Abo des Museummagazins•Anspruch auf ein Freiexemplar des wissenschaftlichen Jahrbuches •Detaillierte Informationen über Vereinsveranstaltungen•Ab 2013 freier Eintritt in das neue vorarlberg museum Kontakt: Vorarlberger Landesmuseumsverein, Wacker Villa, Römerstraße 24, 6900 Bregenz, wackervilla@vlmv.at; Tel 0664-88624801

Herausgeber: Vorarlberger Landesmuseumsverein Römerstraße 24 A-6900 Bregenz Für den Inhalt sind die angeführten Autorinnen und Autoren verantwortlich.

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Idee und inhaltliches Konzept: Andreas Rudigier, Christof Thöny Redaktion und Beiträge: Theresia Anwander, Susanne Emerich, Silvia Groß, Magdalena Häusle-Hagmann, Anja Rhomberg, Cornelia MathisRothmund, Barbara Motter, Andreas Rudigier, Helmut Swozilek, Christof Thöny

Produktion: Frank Mätzler Druck: Vorarlberger Verlagsanstalt, Dornbirn Auflage: 2000 Fotonachweis: Die Fotos stammen, wenn nicht anders ausgewiesen, von den jeweiligen Institutionen.

Vorarlberger Landesmuseumsverein Präsident: Andreas Rudigier Vizepräsident: Thomas Klagian Geschäftsführerin: Brigitte Truschnegg Kassierin: Karin Tagwerker-Wehinger


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