Magazin Visit Sommer 2022

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LEBENSRAUM

«Sie haben viel und laut geschnarcht!» Mehr als ein Viertel der Bevölkerung leidet zeitweise unter Schlafstörungen und Tagesschläfrigkeit. Dies beeinträchtigt unsere Lebensqualität. Visit wirft mit einem Selbstversuch einen Blick hinter die Kulissen des Zentrums für Schlafmedizin Hirslanden in Zürich. Text und Fotos: Robert Bösiger

Bei meiner Reise Mitte März nach Zürich, abends um 21 Uhr, ist es bereits dunkel draussen. Norma­ lerweise würde ich im Zug einnicken. Doch heute bin ich wohl zu aufgeregt. Viele Fragen lassen mich wach bleiben: Was mich in diesem Schlaflabor wohl erwarten wird? Ob ich dort einen guten, tiefen und gesunden Schlaf finde oder kein Auge schliessen kann? Welcher Schlaftyp bin ich – eher eine Eule oder eine Lerche? Und ob ich – wie so oft – schnarchen werde? Kurz vor 22 Uhr erreiche ich unweit der Station Rehalp in Zollikon das Zentrum für Schlafmedizin Hirslanden. Obwohl hellwach, wird mir ein Schlaf­ zimmer zugewiesen. Stünden da nicht neben dem Bett einige mir unbekannte Apparate und würde nicht über dem Bett ein Mikrofon hängen und an der Decke eine Videokamera kleben – der Raum würde sich kaum unterscheiden von einem nüch­ ternen Hotelzimmer. Die Fensterfront ist mit einem schweren Vorhang verdunkelt, obwohl es draussen stockdunkel ist. Verkabelt vom Scheitel bis zur Sohle Ich solle mich bereit machen für die Nacht, wird mir beschieden. Es werde demnächst jemand ­erscheinen, um mich «fachgerecht zu verkabeln». Minuten später schiebt eine Frau einen Wagen ins Zimmer, stellt sich als Medizinische Praxisassis­ tentin Susanne Metzger vor und beginnt damit, mir gefühlt ein Dutzend Elektroden ins Gesicht und auf den Schädel zu kleben. Um die Brust kommen wei­ tere Elektroden und ein Gürtel mit Anschlüssen, ebenso um den Bauch. Ums Handgelenk wird eine Art Uhr festgezurrt, und ein Finger dient dazu, die Sauerstoffsättigung zu messen. Verkabelt werden auch die Beine, um festzustellen, ob ich nachts ­womöglich rastlos «unterwegs» bin. Und nun darf ich mich ins Bett legen. Nach ein paar Funktionstests stellt mir Frau Metzger Leila Longo vor, Fachfrau für neurologische Diagnostik. 16

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Sie habe während der Nacht Aufsicht. Dann wünscht Susanne Metzger eine «Gute Nacht» und verabschiedet sich in den «Feierabend». Ob ich – derart verkabelt und unter ständiger Beobachtung – überhaupt schlafen kann? 7 Stunden und 31 Minuten Tage darauf, beim Gespräch mit der ärztlichen Leiterin Dr. med. Rositsa Neumann (47), werde ich von ihr erfahren, dass ich aussergewöhnlich rasch – nach nur wenigen Minuten – eingeschlafen sei. Dass ich netto 7 Stunden und 31 Minuten geschlafen habe und unter Schlafapnoe leide. Doch dazu kommen wir später. Selber habe ich beim Aufwachen den Eindruck, ich hätte kaum oder zumindest nicht viel geschla­ fen. Um 7 Uhr morgens klopft es an die Zimmer­ tür. E ­ s ist Frau Longo, die mich und weitere drei Schlafende vom Regieraum aus beobachtet und überwacht hat. Auf meine Frage, wie ich denn ge­ schlafen habe, sagt sie lachend: «Sie haben viel und laut geschnarcht!» Leila Longo arbeitet drei Nächte pro Woche je­ weils von 23:30 bis zirka 8:30 Uhr. Sie erlöst mich nun vom «Kabelsalat» und entfernt den Klebestoff von Haut und Haar. Dann serviert sie mir Kaffee und Toast und bittet mich, bevor ich gehe, noch einen Fragebogen auszufüllen. Darin wird ­unter anderem nach der subjektiven Einschätzung der Schlafqualität gefragt und ob man sich nun aus­ geschlafen und frisch fühle. Problem Schlafapnoe Anderthalb Wochen danach bin ich zurück im Zentrum für Schlafmedizin Hirslanden. PD Dr. med. Rositsa Neumann wird mir Red und Antwort stehen. Sie, die zuvor als Forschungsärztin und Oberärztin am Universitätsspital Zürich gear­ beitet hat, ist seit September 2019 am Zentrum für Schlafmedizin tätig. >>


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