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4 Übersicht der Rechtsprechung zur interkantonalen Wohnsitzverlegung

die Anwesenheitstage in der Schweiz genau im Auge zu behalten und notfalls für genügend lange Abwesenheiten zu sorgen.

4 Übersicht der Rechtsprechung zur interkantonalen Wohnsitzverlegung

Nach ständiger Rechtsprechung des BGer gilt als steuerrechtlicher Wohnsitz der Ort, an dem sich der Mittelpunkt der Lebensinteressen der steuerpflichtigen Person befindet. Dieser Ort bestimmt sich nach der Gesamtheit der objektiven, äusseren Umstände, aus denen sich diese Interessen erkennen lassen. Neben dem objektiven Kriterium eines Aufenthalts, bedarf es für die Begründung eines neuen Wohnsitzes weiter eines subjektiven (inneren) Merkmals, nämlich der Absicht des dauernden Verbleibens. Nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung kommt es allerdings nicht auf den inneren Willen, sondern auf die objektiv erkennbare Absicht an. 31 Denn ein Wohnsitz ist nicht durch die steuerpflichtige Person frei wählbar, sondern ergibt sich anhand äusserlich erkennbarer Anhaltspunkte.

Die zur Bestimmung des steuerrechtlichen Wohnsitzes zugrunde gelegten Tatsachen sind durch die Steuerverwaltung nachzuweisen. Es ist jedoch zulässig und oft auch notwendig, dass sich die Steuerverwaltung in ihrer Beweiswürdigung auf Indizien stützt und daraus relevante Tatsachen ableitet (sog. natürliche Vermutung). Die steuerpflichtige Person kann diese natürliche Vermutung entkräften, indem sie die Indizien, bzw. die daraus abgeleiteten relevanten Tatsachen, mittels Gegenbeweis widerlegt. Die steuerpflichtige Person ist im Rahmen ihrer Mitwirkungspflicht zu einer umfassenden Auskunftserteilung über die massgebenden Umstände der Wohnsitzverlegung angehalten. Dazu gehört neben der Lösung der Verbindung zum bisherigen Wohnsitz auch die Darlegung tatsächlicher Umstände, welche zur Begründung eines neuen Wohnsitzes führen. – Dem BGer 2C_211/2021 vom 8. Juni 2021 liegt ein Sachverhalt zugrunde, in welchem die steuerpflichtige Person nur unzureichend eigene relevante Tatsachen vorzubringen vermochte. Darin stellte die Steuerverwaltung anhand der Indizien (Kreditkartenabrechnung, Arztkonsultationen, tierärztliche Behandlungen, Zeitschriften-Abonnement sowie tatsächliche Verwaltung eines Unternehmens, in welchem der Ehemann alleiniger Verwaltungsrat ist) einen Wohnsitz – abweichend von der Deklaration des Ehepaares – fest, da

31 Anstelle vieler BGE 143 II 233, E. 2.5.2. dieses die natürliche Vermutung nicht zu widerlegen vermochte. – Im Urteil 2C_881/2020 vom 3. Juni 2021 hatte sich das BGer mit einer ähnlichen Konstellation zu befassen. Die Steuerverwaltung hielt fest, dass der Nachweis eines Mietvertrages für eine temporäre Wohnung in einem anderen Kanton sowie die dortige Abnahme des erstellten Wohnhauses per Ende Dezember des Jahres nicht ausreiche, um die Wohnsitzverlegung plausibel nachzuweisen. Dies deshalb, weil der Mietvertrag und die Abnahme des Wohnhauses keinen substantiierten Hinweis für die Auflösung des bisherigen Wohnsitzes, sondern lediglich die beabsichtigte künftige Wohnsitznahme darstelle. Der innere Wille einer künftigen Wohnsitzverlegung wurde folglich nicht in objektiver und hinreichender Weise materialisiert. Die steuerpflichtige Person versäumte es, mittels objektiver Anhaltspunkte wie Rechnungen oder Quittungen der Umzugs- oder Reinigungsunternehmen sowie Belegen für Einkäufe und Lebenshaltungskosten den inneren Willen der Wohnsitzverlegung mit nach aussen erkennbaren objektiven Anhaltspunkten deutlich zu machen.

Pflegt eine Person Kontakt zu mehreren Orten, ist für die Bestimmung des steuerrechtlichen Wohnsitzes darauf abzustellen, zu welchem Ort sie die stärkeren Beziehungen unterhält. Ausgangspunkt ist der gewöhnliche Aufenthaltsort der betroffenen Person. Die persönlichen, familiären, beruflichen und gesellschaftlichen Interessen einer Person können diese aber so eng mit einem anderen Ort verbinden, dass dieser als Lebensmittelpunkt erscheint, obschon die betroffene Person dort weniger Zeit verbringt. Relevant sind mithin der gewöhnliche Aufenthaltsort der Familienmitglieder, die ausserfamiliären sozialen Beziehungen, die berufliche Stellung sowie die Wohnsitzverhältnisse an den verschiedenen Orten. – Das BGer hatte im Urteil 2C_41/2021 vom 5.August 2021 einen Fall zu beurteilen, in welchem ein Ehepaar über zwei Wohnorte verfügte. Das BGer kam im Rahmen einer Gesamtbetrachtung zum Schluss, dass die Arbeitssituation, die Wohnsitzverhältnisse und die familiären Beziehungen klarerweise für einen bestimmten Wohnort sprachen. Dies auch deshalb, weil an einem Wohnort der eheliche Wohnsitz lag. Die Tatsache, dass am anderen Wohnort eine einwohneramtliche Anmeldung erfolgt sei, ist dabei lediglich ein Indiz, welches vorliegend in den Hintergrund tritt, da andere Tatsachen zeigen, dass der

Mittelpunkt der persönlichen, sozialen und beruflichen Interessen des Ehepaars anderswo liegt. – Ein ähnlicher Sachverhalt lag dem Urteil des BGer 2C_86/2021 vom 19.Mai 2021 zugrunde. Auch in diesem kam die Steuerverwaltung aufgrund der vorliegenden Indizien (Kreditkartenabrechnungen, Restaurantbesuche, Einkäufe in Bekleidungsgeschäften) zum Schluss, dass eine Wohnsitzverlegung im Ergebnis nicht erfolgt sei. Dies insbesondere deshalb, weil die steuerpflichtige Person seit über zehn Jahren in einem gefestigten Konkubinat lebte, wobei unbestritten war, dass die Lebenspartnerin weiterhin am ehemaligen Wohnsitz wohnte und arbeitete. Das BGer führte weiter aus, dass der Grundsatz, wonach die Steuerhoheit jenes Kantons gilt, in dem sich die Familie sowie der Ehepartner der steuerpflichtigen Person aufhält, auch für Konkubinatsbeziehungen Anwendung findet, welche aufgrund ihrer Dauer und Intensität einer Ehe gleichkommen. Eine gemeinsame Wohnung stellt in solch einem Falle ein erhebliches Indiz für einen gemeinsamen steuerrechtlichen Wohnsitz dar. Dies umso mehr, wenn ein Konkubinatspartner von dort aus einer Erwerbstätigkeit nachgeht. – Zu einem anderen Schluss kam hingegen das BGer im Urteil 2C_596/ 2020 vom 10.März 2021, in welchem zwar ebenfalls ein langjähriges gefestigtes Konkubinat bestand; aber die individuell-konkreten Umstände des Sachverhaltes sich von den oben beschriebenen unterschieden. So hatten die Konkubinatspartner zwei weitgehend gleichwertige Wohnungen in zwei verschiedenen Kantonen, an denen sie je hälftige Miteigentümer waren. Ferner konnte der Konkubinatspartner (steuerpflichtige Person) nachweisen, dass er nur einen untergeordneten Teil seiner Zeit bei der Lebenspartnerin verbrachte, was nicht dem Normalfall eines Konkubinats entspreche, weshalb auch der Grundsatz zum gemeinsamen Wohnsitz keine Anwendung finden dürfe. Ferner war die steuerpflichtige Person nicht mehr erwerbstätig sowie äusserst mobil und konnte schliesslich begründete Anhaltspunkte eines zunehmenden persönlichen und sozialen Lebens am neuen Wohnort darlegen. Unter all diesen Umständen – so das BGer weiter – hatte die Vorinstanz richtigerweise anerkannt, dass eine sukzessive Verlagerung des Lebensmittelpunktes erfolgt sei, weshalb mit guten Gründen eine Wohnsitzverlegung angenommen werden könne.

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