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nach Art. 8 Abs. 3 bzw. 24 Abs. 3 und 3quarter StHG

einen weiteren Altreservenfall zu beurteilen 15, wobei es diesmal um die Frage der Anwendbarkeit der Altreservenpraxis bei einem Drittverkauf ging. Dem Entscheid lag konkret der Sachverhalt zugrunde, dass ein mangels DBA nicht rückerstattungsberechtigter Verkäufer mit Sitz in Paraguay am 23.März 2005 seine 100prozentige-Beteiligung an einer Schweizer Treuhandgesellschaft an eine vom Verkäufer unabhängige Schweizer Gesellschaft veräussert hat. Der Kaufpreis von CHF 1 100 000 überstieg das Aktienkapital von CHF 100000 deutlich. Ausserdem wies die Zielgesellschaft im Verkaufszeitpunkt nicht betriebsnotwendige, handelsrechtlich ausschüttungsfähige Reserven in Höhe von CHF 636174.43 auf. Zweck der Käufergesellschaft ist sinngemäss der Kauf und das Halten von Beteiligungen an Gesellschaften im Treuhandbereich. Die Zielgesellschaft führte ihren Geschäftsbetrieb nach dem Beteiligungsverkauf zunächst fort. Erst im Jahr 2008 stellte sie diesen ein, was sich in ihrem Personalaufwand reflektiert, der sich in diesem Jahr praktisch auf null reduziert hat. Mit Formular 103 vom 26. Juli 2011 hat die Zielgesellschaft der ESTV sodann die Ausschüttung einer Dividende in Höhe von CHF 820300 mit Fälligkeit am 20.Dezember 2010 deklariert. Von der Dividendenempfängerin wurde das Meldeverfahren beantragt, das aber von der ESTV abgelehnt wurde. Auf der nachfolgend entrichteten Verrechnungssteuer von CHF 287105 hat die ESTV im Umfang von CHF 222661.05 (35% von CHF636 ' 174.43) die Rückerstattung verweigert.

Bei der Altreservenpraxis handelt es sich um einen Anwendungsfall der allgemeinen Steuerumgehungsdoktrin. Für die Verweigerung der Rückerstattung der Verrechnungssteuer in Altreservenfällen bzw. allgemein in Fällen der Steuerumgehung gibt es aber auch eine gesetzliche Grundlage in Art. 21 Abs. 2 VStG. Die Annahme einer Steuerumgehung setzt gemäss konstanter bundesgerichtlicher Rechtsprechung voraus, dass eine Rechtsgestaltung unüblich oder absonderlich (insolite) ist (objektives Element) und nur aus dem Grund gewählt wird, um Steuern zu sparen (subjektives Element) und auch zu einer tatsächlichen Steuerersparnis führen würde, sofern es von der Steuerbehörde hingenommen würde (effektives Element). Bei einem Drittverkauf einer Beteiligung wurde die Anwendbarkeit der Altreservenpraxis bisher kontrovers diskutiert. Es wurde die Meinung vertreten, dass bei einem Drittverkauf, anders als etwa bei einer gruppeninternen Umstrukturierung, es a priori am subjektiven Tatbestand mangle, da es zwingend andere als steuer-

15 BGer 2C 80 / 2021 vom 29. Juli 2021. 16 BGer 2C 354/2018 vom 20. April 2020. 17 BGer 2C 564 / 2020 vom 14. April 2021. liche Gründe für den Beteiligungsverkauf geben müsse. Wie das BGer in seinen Erwägungen festhält, ist das missbräuchliche Element bei Altreservenfällen allerdings nicht im Beteiligungsverkauf an sich zu sehen, sondern darin, dass eine Gesellschaft, die über nicht betriebsnotwendige, handelsrechtlich ausschüttungsfähige Mittel verfügt (sog. volles Portemonnaie), veräussert wird. Üblicherweise würde sich der Verkäufer diese Mittel vor dem Verkauf ausschütten. Dass im konkreten Fall zwischen dem Beteiligungsverkauf und der Dividendenausschüttung mehr als fünf Jahre liegen, tut nichts zur Sache, da es – anders als etwa bei der indirekten Teilliquidation – keine Fünfjahresfrist gibt, deren Ablauf einen Altreservenfall heilen könnte.

Der Entscheid schafft Klarheit, dass die Altreservenpraxis auch bei Drittverkäufen Anwendung findet. Offen liess das BGer hingegen die Frage, ob bei einem Rückerstattungsantrag gestützt auf ein Doppelbesteuerungsabkommen die Rückerstattung bei Altreserven nur im Umfang der Verbesserung der Rückerstattungsposition wie gemäss bisheriger Verwaltungspraxis oder vollumfänglich zu verweigern ist, wie es im Entscheid vom 20.April 2020 16 betreffend die Rückerstattung gestützt auf das AIA-Abkommen mit der Europäischen Union (vormals Zinsbesteuerungsabkommen) aufgrund der Einheit der Rechtsprechung mit dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) so entschieden hat. Vorliegend hat sich diese Frage nicht gestellt, da der Beteiligungsverkäufer mit Sitz in Paraguay mangels DBA überhaupt nicht rückerstattungsberechtigt war und die Verbesserung der Rückerstattungsposition durch den Beteiligungsverkauf mithin volle 35% ausgemacht hat.

2 Keine Handänderungssteuer bei Umstrukturierungen

Dem Entscheid 17 lag folgender Sachverhalt zugrunde: Der SBB wurde die Konzession für den (Aus-) Bau und Betrieb eines Wasserkraftwerks im Wallis (Nant de Drance) mit der Auflage erteilt, dass sie die Konzession auf die zukünftige Betreibergesellschaft, an deren Kapital sie zu 36 % beteiligt ist, überträgt. Die SBB hat sodann ein Grundstück, auf welchem sich die bestehende Staumauer (Vieux Emosson) befindet, sowie alle Bauwerke, die Teil der Konzession sind, zum Gesamtpreis von CHF 34 750 000 an die zukünftige Betreibergesellschaft veräussert. Der Kanton Wallis hat es in der Folge abgelehnt, die Übertragung des Grundstücks

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