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Jakobuskapelle Biessenhofen
Im Westen von Amriswil liegt der Weiler Biessenhofen. Auf einer kleinen Erhebung steht die 1554 erbaute sechzigplätzige Kapelle zu Ehren des heiligen Jakobus. Der Vorbau, der auf vier Sandsteinsäulen ruht, entstand 1758. Weitere Instandhaltungen folgten. 1950 wurde sie umfassend renoviert. Damals kam sie auch zu ihrer dritten Glocke, der Glocke aus der katholischen Notkirche in Amriswil (heutiges Stefanshöfli), die natürlich zu den beiden andern passen musste. Dreimal pro Tag werden sie zum Klingen gebracht: morgens um halb sechs, mittags um elf und abends um halb acht zum Betzeitläuten. Mit drei Hanfseilen, die durch je eine Aussparung in der Decke vorne neben dem Altar herunterhängen, wird von Hand geläutet. Sepp Eisenring erfüllt diese Aufgabe nun schon in der dritten Generation pflichtbewusst. Tatkräftige Unterstützung erhält er von seinen beiden Söhnen Richard und Hugo, die vorwiegend über das Wochenende die Seile bedienen. Jeder Ton ist von «Hand» gemacht und erhält eine individuelle Note. Irgendjemand im Dorf hört immer genau hin. Passiert es einmal, dass Laudes etwas verspätet ertönt oder dass bereits um zehn Uhr das Mittagsglöckchen läutet, reagiert das ganze Dorf – spätestens beim Abendschoppen. Manche erkennen an der Klangfolge den Glöckner. Wenn zum Beispiel Hugo in den Seilen hängt, erkennt man ihn am speziellen «Zwick», den er am Schluss anhängt. Wer kann in Amriswil denn schon unterscheiden, ob jetzt mit Wasserkraft oder Atomstrom geläutet wird? Seit mindestens 55 Jahren, seit seiner Kindheit, lässt Sepp Eisenring die Kapellenglocken erklingen. Tag für Tag. Woche für Woche. Monat für Monat und Jahr für Jahr. Eine Aufgabe, die er still erfüllt und für die ihm das ganze Dorf mit stiller Bewunderung dankt.
Amriswiler Anzeiger, Marktplatzgeflüster, 25. März 1989
Im Mai 1993 wurde eine automatische Läutvorrichtung in Betrieb genommen. Mit der Modernisierung verschwanden die Seile und die treuen Glöckner aus der Kapelle.