Eine neue Lehre bricht sich Bahn Wie Luthers Reformideen an die Weser kamen – so könnte es gewesen sein.
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aufmann Heinrich Oftering kam mit seinem Gespann zweimal jährlich aus Mitteldeutschland in den Weserraum. Diesmal brachte er neben einer Ladung Bruche – einer übergroßen halblangen Hose für den Mann – und dem beliebten Kubebenpfeffer auch Neuigkeiten aus Quedlinburg mit. Hinter vorgehaltener Hand erzählte er der Marktfrau Constanze Sievers, es gäbe eine neue Religion, ausgehend von einem Augustinermönch namens Luther, der mit seiner neuen Auslegung der Schrift große Unruhe in Sachsen und den Städten im Osten verbreite. Manche Fürsten liebäugelten bereits mit seiner Lehre oder seien ihr verfallen. Dieser Mönch habe sogar die Bibel ins Deutsche übersetzt und dadurch viel Unwillen erzeugt, namentlich bei den Geistlichen, die bei der Messe doch nur in Latein daherredeten, und natürlich auch bei manchen Stadtoberen. „Nun, ihr werdet hier in Huxar auch bald davon hören, denn diese neue Lehre verbreitet sich wie die Pest und ist durch nichts aufzuhalten.“ Was Heinrich Oftering hinter vorgehaltener Hand erzählt hatte, riefen die Spatzen bald von den Dächern. Der Markt bot Constanze Sievers hinreichend Gelegenheit, die Nachricht von der neuen Religion weiterzugeben mit der Folge, dass sich zahlreiche neue Kunden um ihren Stand drängten und sich der Absatz an Karotten und Salatköpfen beträchtlich erhöhte. Kaufmann Heinrich Oftering zog es indes vor, nach Abschluss seiner Kaufverhandlungen den 11 |