Nachhaltiges Bauen 2024

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NACHHALTIGES BAUEN

April 2024 I CHF 18.–8. Jahrgang

EDITORIAL

ABREISSEN ODER NEU BAUEN?

Die Baubranche steht vor der Wahl: Bestehende Gebäude abreissen oder renovieren?

Nachhaltiges Bauen, Ressourcenschonung und CO2-Reduktion sind dabei zentral. Der Abriss verursacht Müll und Ressourcenverlust, neu Bauen erhöht den Energiebedarf.

Materialien wiederverwenden und sanieren, anstatt zu zerstören, schont die Umwelt und erhält kulturelles Erbe.

Energetische Sanierungen mit ökoeffizienten Methoden reduzieren CO2, bewahren zugleich Geschichte und Identität. Zudem erlauben flexible Gebäudekonzepte Anpassungen über die Zeit, ohne Neubau. Umweltschonende Materialien und Bauweisen, wie Holzkonstruktionen, fördern einen geringeren Kohlenstoffausstoss.

Im Sinne des nachhaltigen Bauens sollten wir daher bestehende Strukturen mit Bedacht und Rücksicht auf die Umwelt modernisieren. Dies vermeidet unnötigen Abbruch und Neubau und leistet einen Beitrag zum Klimaschutz. Lasst uns diese Herangehensweise als Chance sehen, um ein dauerhaftes, «nachhaltiges Bau-Erbe» zu erschaffen.

Harald Fessler Herausgeber Jörg Schelling Chefredaktor
Nachhaltiges BAUEN 2024 3 Editorial
Martin Hofer dipl. Umweltberater
7 VORWORT Martin Frösch Stv. Direktor und Leiter Bauten, Bundesamt für Bauten und Logistik BBL 08 Technologie und Politik für Netto-Null Gebäude Bastien Girod, Nationalrat, Die Grünen (Zürich) 10 Die Werkzeuge sind da, nutzen wir sie! Martin Hitz, Präsident des Netzwerks Nachhaltiges Bauen Schweiz NNBS 12 «Ideal ist die Kombination von Wärmepumpe und Photovoltaik-Anlage» Beat Wellig ist Experte für Thermodynamik, Verfahrenstechnik und Umwelttechnik am Institut für Maschinen- und Energietechnik der Hochschule Luzern 14 Was sich beim Bauen verändern wird Urs Rieder, ist im Vorstand des Schweizerischen Ingenieur- und Architektenvereins SIA 16 Digitalisierung als Treiber einer nachhaltigeren Bauwirtschaft Markus Weber, Präsident Bauen digital Schweiz/buildingSMART Switzerland
BAUSTOFFE
CO2 bauen
Peter Richner, stellvertretender Direktor, Empa 36 PSP Swiss Property AG
18 WEITERBILDUNG
ist Umsetzung
Geschäftsstelle EN Bau 20 ZHAW Architektur, Gestaltung und Bauingenieurwesen 22 sanu future learning ag sa
PROJEKTE & INNOVATIONEN
Projekt HORTUS in Allschwil bei Basel Dr. Johannes Eisenhut, Geschäftsführer, Senn Development AG 26 HP Gasser AG 28 Zürcher Kantonalbank 30 Schweizerischer Baumeisterverband SBV 32 AFC Air Flow Consulting AG
34
Auf
Dr.
INHALTSVERZEICHNIS
Weiterbildung
der Klimaziele Korbinian J. Schneider, Leiter der
24
Das
Nachhaltiges BAUEN 2024 4
© AdobeStock/viacheslav-yakobchuk

38 GEBÄUDEHÜLLE & INNENAUSBAU

Gebäudehülle:

Spannungsfelder Klimaschutz

Robert Minovsky, Leiter Technik beim Verein Minergie

40 Meier Tobler AG

44 ENERGIE

Die Bedeutung von erneuerbarer Wärme und Kälte in Gebäuden

Christoph Schaer, Direktor, Schweizerisch-Liechtensteinischen Gebäudetechnikverbands (suissetec)

48 RENOVIEREN & SANIEREN

Umbauten und Aufstockungen bieten die grosse Chance zu mehr Vielfalt

Prof. Daniel Kellenberger, Professor für Nachhaltiges Bauen an der Fachhochschule

Nordwestschweiz FHNW

42 Alternative Bank Schweiz AG IMPRESSUM

8. Jahrgang, 2024

Preis: CHF 18.–, Erscheinung: 1x jährlich

Herausgeber: Harald Fessler, harald.fessler@utk.ch

Verlag: UTK Media GmbH, Auerstrasse 43, 9442 Berneck, T. +41 71 744 94 90, www.utk.ch

Chefredaktion: Jörg Schelling, T. +41 71 511 50 54 joerg.schelling@utkmedia.ch

46 Energie 360° AG

50 swisspor AG

52 Elektro-Material AG

54 Stiftung Umwelt Arena Schweiz

Anzeigenverkauf:

UTK Media GmbH

Harald Fessler, harald.fessler@utk.ch, T. +41 79 631 50 21

Improov GmbH, Berninastrasse 42, 8057 Zürich Martin Hofer, martin.hofer@improov.ch, T. +41 44 500 71 24

Layout: Jörg Schelling, Lea Fessler

Druck und Koordination: international media solutions IMS AG, 9434 Au, www.imsag.ch

Fachbeirat: Martin Hofer, dipl. Umweltberater

Buchbestellung: UTK Media GmbH, Auerstrasse 43, 9442 Berneck, www.utk.ch

Titelbild: © AdobeStock/Bogdan Lazar

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Nachhaltiges BAUEN 2024 5 Inhaltsverzeichnis
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Drucksache myclimate.org/01-24-174903

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VORWORT

Martin
Stv. Direktor und Leiter Bauten, Bundesamt für Bauten und Logistik BBL
«Nachhaltig bauen auf dem Weg zum Ziel Netto-Null»

Der Nachhaltigkeitsbegriff stammt aus der Forstwirtschaft und bedeutete ursprünglich, dass nicht mehr Holz geschlagen wird, als in der gleichen Zeit wieder nachwachsen kann. Dieses Prinzip gilt es, in all unseren Lebensbereichen zu berücksichtigen, um langfristig für alle ein gutes Leben auf unserem Planeten zu ermöglichen.

Während das nachhaltige Bauen die drei Dimensionen Gesellschaft, Wirtschaft und Umwelt berücksichtigt, sind Themen wie die Biodiversität, die Kreislaufwirtschaft und die Reduktion von Treibhausgasemissionen von besonderer Bedeutung.

Im Juni 2023 hat die Stimmbevölkerung der Schweiz das Klimaschutzgesetz angenommen und damit für die Schweiz das Ziel netto-null Treibhausgasemissionen bis 2050 festgelegt. Der Gebäudesektor verursacht rund ein Viertel der Treibhausgase in der Schweiz und spielt damit eine besonders relevante Rolle für die Erreichung dieses Ziels.

Die zentrale Bundesverwaltung geht als Vorbild voran und verfolgt das Ziel Netto-Null bereits bis 2040. Als Bau- und Liegenschaftsorgan des Bundes nimmt das Bundesamt für Bauten und Logistik eine Schlüsselrolle für die Reduktion der Treibhausgase der Bundesverwaltung ein. In der Nachhaltigkeitsstrategie legen wir unsere Bestrebungen fest und zeigen den Stand der Umsetzung jährlich in unserem Nachhaltigkeitsbericht auf.

Das Ziel Netto-Null können wir nur gemeinsam erreichen. Daher arbeiten wir mit unseren Partnern, u. a. aus der Baubranche und der Wissenschaft, zusammen.

Wir freuen uns auf die kommenden Herausforderungen und darauf, mit Ihnen gemeinsam nachhaltige Lösungen zu finden.

Frösch
Nachhaltiges BAUEN 2024 7
«Im Gebäudebereich sind wir auf dem Weg zu Netto-Null.»
Artofinnovation/AdoeStock.com

Technologie und Politik für Netto-Null Gebäude

Im Gebäudebereich haben wir innert weniger Jahrzehnte die Energieeffizienz massiv erhöht, die Dekarbonisierung stark verbessert und sind auf dem Weg zu Netto-Null. Es bleibt aber einiges zu tun.

An der ETH habe ich im Rahmen eines Forschungsprojekts die Entwicklung der Wärmepumpe, der Komfortlüftung sowie Doppel- und Dreifachverglasung seit den 70er-Jahren analysiert. Daraus liessen sich interessante Lehren ziehen: So war die Entwicklung dieser Technologien sehr unterschiedlich. Doppelund Dreifachverglasungen verbreiteten sich sehr rasch wie ein Kippeffekt in den 80ern zur Doppel- und dann nach der Jahrhundertwende zur Dreifachverglasung. Die Wärmepumpe hingegen entwickelte sich erst langsam und erlebte einige Aufs und Abs, bis sie durchstartete. Entsprechend brauchten diese Technologien auch unterschiedliche politische Massnahmen. Bei den Fenstern reichte eine Vorgabe zum Dämmwert. Bei der Wärmepumpe mussten zuerst Demonstrationsprojekte und Qualitätssicherung unterstützt werden. Später war das Minergie-Label wichtig. Ein Treiber war über die ganze Zeit der Brennstoffpreis und somit auch die CO2-Abgabe. Bei Neubauten sind zudem Vorschriften ausschlaggebend, während bei Altbauten die Förderung des Ersatzes von Erdöl- und Erdgasheizungen wichtig ist.

Insgesamt waren die politischen Massnahmen erfolgreich, der direkte CO2-Ausstoss von Neubauten ist von 50 kg CO2 pro Quadratmeter im Jahr 1970 auf null gesunken. Damit sind auch die Energiekosten des Wohnens gesunken.

Doch was ist mit den indirekten Emissionen? Hier besteht noch Handlungsbedarf. Beim Strom muss über den Herkunftsnachweis sichergestellt werden, dass er aus erneuerbaren Quellen

stammt. Auch können Gebäude noch mehr zur Stromproduktion beitragen, indem Dach und Fassade konsequent für die Stromgewinnung genutzt werden. Und Gebäude müssen auch die Dekarbonisierung des Verkehrs unterstützen, indem Garagen mit einer Ladestation für Elektroautos ausgestattet sind.

Doch die grösste Baustelle betrifft die grauen Emissionen. Sie betragen für einen Massivbau pro Quadratmeter 15 kg CO2. Die parlamentarische Initiative zur Stärkung der Schweizer Kreislaufwirtschaft setzt hier an. So soll der Bundesrat für Bauwerke in Zukunft Vorgaben bezüglich Wiederverwertbarkeit von Materialien machen können und Kantone sollen angehalten werden, einen Grenzwert für graue Energie zu bestimmen. Neben dem Bauen mit CO2armen Baustoffen wie Holz werden wir, um bei Gebäuden auf Netto-Null zu kommen, auch CO2-armen, wenn nicht CO2-neutralen oder gar CO2-negativen Beton brauchen. Das ist möglich, indem wir unsere Zementwerke mit CO2-Abscheidungsanlagen ausrüsten und, wie die EMPA vorschlägt, Beton als CO2-Senke verwenden, indem wir Kohle aus der Pyrolyse von synthetischem Methan in den Beton mischen. So könnten Gebäude sogar Netto-Negativ werden, sprich das Klima entlasten, statt es zu belasten. Das muss unsere Ambition sein, wenn wir eine lebenswerte Zukunft bauen wollen. E

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«Nachhaltiges Bauen ist in den Köpfen angekommen»
jcg_oida/AdoeStock.com

Die Werkzeuge sind da, nutzen wir sie!

Nachhaltiges Bauen gilt als eines der bedeutenden Themen der Gegenwart. Das Netzwerk Nachhaltiges Bauen Schweiz NNBS nimmt eine führende Rolle in diesem Bereich ein. Es hat eine klare Definition des nachhaltigen Bauens in der Schweiz geschaffen und stellt dazu entsprechende Mess- und Steuerinstrumente bereit. Auf eine konstruktive Zusammenarbeit zwischen Wirtschaft, öffentlicher Hand, Bildung, Politik und Wissenschaft wird dabei grosses Augenmerk gelegt.

Der Gedanke der Nachhaltigkeit und damit auch das Wissen um die Bedeutung des nachhaltigen Bauens sind erfreulicherweise in den meisten Köpfen angekommen. So können wir unser Augenmerk vermehrt von der Sensibilisierung weg und hin zur Umsetzungshilfe richten. Denn vielfach bestehen noch Unsicherheiten im konkreten Umgang mit dem Thema. Darum freut es uns sehr, haben wir vom Netzwerk Nachhaltiges Bauen Schweiz NNBS letztes Jahr zusammen der Koordinationskonferenz der Bau- und Liegenschaftsorgane der öffentlichen Bauherren (KBOB) eine Empfehlung für das nachhaltige Beschaffen im Hochbau entwickeln und publizieren können. Im Infrastrukturbereich sind wir diesbezüglich ebenfalls weit fortgeschritten und hoffen, dass die überarbeitete Empfehlung noch dieses Jahr freigegeben werden kann.

Erfreulicherweise nimmt nämlich die Nachfrage im Infrastrukturbereich nach nachhaltig entwickelten Lösungen laufend zu.

Massgeblicher Auslöser ist natürlich – neben der erwähnten Sensibilisierung – das total revidierte Bundesgesetz über das öffentliche Beschaffungswesen, das die Nachhaltigkeit ausdrücklich als Zulassungskriterium nennt. In der konkreten Umsetzung stellen wir interessanterweise fest, dass es sich sehr oft um hybride Projekte handelt, die neben der Infrastruktur auch den Hochbau oder Areale betreffen. Das liegt sicher daran, dass Infrastrukturprojek-

te vielfach eine beachtliche Grösse aufweisen, die entsprechende Auswirkungen zeitigt. Ein derzeit aktuelles Beispiel dafür ist das Projekt Wil West, bei dem die Kantone Thurgau und St. Gallen zusammen mit den Standortgemeinden ein regionales Zentrum entwickeln, das nicht nur den Ausbau der Mobilität umfasst, sondern sich auch auf das Arbeiten, Wohnen und Leben auswirkt. Bei solchen Projekten sind alle unsere Standards involviert und gefragt.

Bei zweien dieser Standards haben wir im vergangenen Jahr die Früchte jahrelanger Bemühungen ernten können. Es handelt sich für mich ohne jede Frage um den grössten Meilenstein der letzten zehn Jahre für das NNBS. Nach intensiven Verhandlungen und Gesprächen mit den Partnerorganisationen von Minergie und GEAK sowie dem Bundesamt für Energie hatten wir die Basis für die angestrebte Harmonisierung der bestehenden Gebäudelabels geschaffen. Diese hatten immer wieder für Unsicherheiten gesorgt, weil sie sich teilweise widersprachen oder nicht deckungsgleich waren. Nachdem die Basis einmal geschaffen war, konnten wir die inhaltlichen Arbeiten angehen und die notwendigen Anpassungen und Abgleiche vornehmen. Das Resultat betrachte ich als absolut herausragend: Seit September 2023 ist die Schweizer Gebäudelabel-Landschaft nicht nur übersichtlich geworden, sondern aus dem bisherigen Labelsalat ist eine aufeinander abgestimmte Labelfamilie entstanden. Die erneuerten und harmonisierten Gebäude- und Arealstandards – der SNBS-Hochbau und das SNBS-Areal – sind in Kraft und stossen bisher auf ein gutes Echo in der Praxis. Die eingehenden Rückmeldungen werden uns zudem helfen, die Standards laufend zu verbessern.

Die Nachhaltigkeit hat sich gerade auch mit diesen Werkzeugen definitiv ihren Platz geschaffen – nun bleibt zu hoffen, dass die kommenden Umsetzungen die zwingend notwendigen Verbesserungen am Bauwerk Schweiz auslösen. E

Martin Hitz studierte an der ETH Zürich Architektur. Er blickt auf eine lange Karriere als Entwurfsarchitekt, Geschäftsführer und verantwortlicher Bauherr in der öffentlichen Verwaltung und Privatwirtschaft zurück. Seit 2012 ist er Präsident des Netzwerks Nachhaltiges Bauen Schweiz NNBS.

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«Die Wärmepumpe ist die Kerntechnologie für eine emissionsfreie Wärmebereitstellung.»
rh2010/AdoeStock.com
«Ideal ist die Kombination von Wärmepumpe und Photovoltaik-Anlage»

Wenn in der Schweiz ein Neubau entsteht, wird heute in der Regel eine Wärmepumpe zum Heizen eingebaut. Beat Wellig, Experte für Thermodynamik, Verfahrenstechnik und Umwelttechnik von der Hochschule Luzern, weiss um die Rolle, die dieses Heizsystem für die Energieversorgung der Zukunft spielt.

Prof. Dr. Beat Wellig, welche Bedeutung haben Wärmepumpen für eine klimafreundliche Schweizer Energieversorgung?

Werden Wärmepumpen mit erneuerbarem Strom betrieben, ermöglichen sie eine klimafreundliche Wärmeerzeugung und liefern einen sehr grossen Beitrag zur Dekarbonisierung des Gebäudeparks. Hier besteht ein grosser Hebel, denn auf die Bereitstellung von Raumwärme und Warmwasser entfallen rund 40 Prozent des Energieverbrauchs der Schweiz bzw. rund 24 Prozent der Treibhausgas-Emissionen. Die Wärmepumpe stellt ohne Zweifel die Kerntechnologie für eine emissionsfreie Wärmebereitstellung in Gebäuden dar. Ohne sie kann das Ziel «Netto-Null Treibhausgasemissionen bis 2050» nicht erreicht werden.

Aus welchen Quellen beziehen Wärmepumpen Wärme?

In erster Linie nutzen sie die Umweltwärme. Das heisst: Wärme, die in der Umgebungsluft, im Erdreich und in Grund-, Flussoder Seewasser enthalten ist. Luft/Wasser-Wärmepumpen, die die Wärme der Umgebungsluft nutzen, machen heute rund drei Viertel der neu installierten Wärmepumpen aus. Gegen ein Viertel der Wärmepumpen verwendet zur Wärmegewinnung eine Erdwärmesonde. Das ist nichts anderes als ein U-förmiges Rohr, das in eine Bohrung mit einer Tiefe von typischerweise 100 bis 300 Metern eingebracht wird. Relativ selten kommen Wasser/ Wasser-Wärmepumpen zum Einsatz. Sie nutzen Grund-, Flussoder Seewasser als Wärmequelle. So oder so: All diese Wärmequellen haben den grossen Vorteil, dass sie umsonst zur Verfügung stehen.

Wie viel elektrischen Strom braucht eine Wärmepumpe?

Generell gilt: Eine Wärmepumpe arbeitet dann besonders vorteilhaft, wenn die Temperatur der Wärmequelle möglichst hoch und das geforderte Temperaturniveau zum Heizen möglichst tief ist. Nutzen Sie eine Wärmepumpe für gut gedämmte Gebäude, die über ein Niedertemperatur-Heizsystem beheizt werden, stellt sie im günstigsten Fall acht- bis zehnmal soviel Wärmeenergie bereit wie sie an Strom braucht. Weiter ist entscheidend, dass die Wärmepumpe und das Heizsystem optimal eingestellt und betrieben werden. Das ist heute leider nicht immer der Fall. Reagiert beispielsweise die Regelung der Heizleistung nicht korrekt auf die Aussentemperatur, wird mitunter Energie verschwendet.

Leistungsfähige Wärmepumpen sind auch gefragt, wenn ganze Quartiere beheizt werden sollen.

Die Energieversorgung von Quartieren und Stadtteilen über thermische Netze ist ein wichtiger Baustein der Dekarbonisierung des Gebäudeparks. Mit Gross-Wärmepumpen sind hier sehr effiziente Lösungen möglich. Die Wärme stammt dabei zum Beispiel aus Seen, Fliessgewässern oder aus Erdsonden-Feldern. In Wien wird gerade eine Gross-Wärmepumpe gebaut, welche über ein Fernwärmenetz rund 110 000 Haushalte mit Wärme versorgen wird. Als Wärmequelle dient in diesem Fall das 12- bis 23-grädige, geklärte Wasser aus einer Abwasserreinigungsanlage. Auch in der Schweiz werden Wärmepumpen als Wärmeerzeuger für thermische Netze weiter an Bedeutung gewinnen.

Interview: Benedikt Vogel E

Beat Wellig ist Experte für Thermodynamik, Verfahrenstechnik und Umwelttechnik am Institut für Maschinen- und Energietechnik der Hochschule Luzern.

www.hslu.ch

Nachhaltiges BAUEN 2024 Einleitung 13
«Bauen wird nachhaltiger und klimafreundlicher.»

Was sich beim Bauen verändern wird

Wie wird sich das Bauen in den zwei nächsten Jahrzehnten entwickeln? Diese Frage stellen wir uns immer wieder. Dabei sind aktuell drei Aspekte von Relevanz.

Niemand kann die Zukunft voraussehen, aber Trends und Tendenzen zeigen, in welche Richtung sich das Bauen in der Schweiz mittelfristig weiterentwickeln wird. Die Baubranche verbraucht bekanntlich mehr Ressourcen und produziert mehr Abfall als jeder andere Industriesektor. Eine Korrektur dieses Zustandes ist unabdingbar. Wie bereits heute zu erkennen ist, werden sich in absehbarer Zeit vor allem drei Dinge ändern.

Schlanker bauen

Zum ersten muss wieder schlanker gebaut werden. Schweizerinnen und Schweizer brauchen heute die Hälfte mehr Wohnfläche pro Person als in der Mitte des letzten Jahrhunderts. Zudem bleibt die Grösse der Schweiz bestehen, während die Bevölkerung ständig wächst. Sowohl im Büro- als auch im Wohnungsbereich gibt es intelligente Lösungen, wie der Raum effizienter genutzt und attraktiver gestaltet werden kann. Neben besseren Grundrissen ist dabei insbesondere auch eine höhere Flexibilität für allfällige künftige Anpassungen oder Umnutzungen das Gebot der Stunde.

Weiterbauen statt neu bauen

Das Zweite betrifft das Bauen im Bestand. Weiterbauen wird künftig noch häufiger der Fall sein, als neu zu bauen. In jüngerer Zeit wurde viel abgerissen und in ähnlicher Weise wieder neu erstellt. Denn im Zuge der Hochkonjunktur wurde viel gebaut, das heute bereits obsolet ist. Die Qualität solcher Bauten ist schlecht und eine Ertüchtigung käme ähnlich teuer wie ein Ersatzneubau.

Dennoch muss immer im Einzelfall geprüft werden, ob es gelingt, Bestehendes weiterzuentwickeln. Der Fokus wurde in den vergangenen Jahrzehnten stark auf die Wirtschaftlichkeit gelegt, nun wird der CO2-Bilanz – inklusive aller grauen Energien – grössere Beachtung geschenkt. Auch sind Freiflächen und die von allen geschätzte Natur begrenzt. Der Traum vieler Schweizer, auf einer grünen Wiese ein Eigenheim zu erstellen, ist ein Auslaufmodell.

Wiederverwendbar bauen

Der dritte Aspekt betrifft die Art und Weise zu bauen. Das verwendete Material, seine Herkunft, wie es verarbeitet wird und auf die Baustelle gelangt, aber auch wie die Teile zusammenfügt werden oder welche Konstruktion und Systeme zur Anwendung kommen, werden stärker hinterfragt. Dabei wird das Augenmerk auf die gesamte Lebensdauer und nicht mehr nur auf die Nutzungsdauer gelegt. Alles sollte möglichst sortenrein rückbaubar sein. Die Kreislaufwirtschaft wird den ganzen Planungs- und Bauprozess beeinflussen. Hier besteht ein grosses Potenzial durch Forschung und Entwicklung. Und vieles wird dank der Digitalisierung erst möglich.

Der Prix SIA zeigt vorbildliche Projekte

Alle diese Herausforderungen im Baubereich bringen spannende, neue Aufgaben und damit auch Chancen. Mit seinem in diesem Jahr zum ersten Mal vergebenen Prix SIA weist der Schweizerische Ingenieur- und Architektenverein auf aktuelle, realisierte Lösungen hin, welche nachhaltig sind und für hohe Baukultur stehen. Die Arbeiten werden aber nicht nur prämiert, sondern auch in Talks diskutiert. Sie sollen inspirieren und zum Nachahmen anregen. Denn leider sind diese vorbildlichen Arbeiten noch eher die Ausnahme und nicht die Regel. Diese Projekte zeigen, dass ein Aspekt bei der Arbeit der Planenden wieder stärker in den Vordergrund rücken wird: Die wunderbare Aufgabe den Menschen einen nachhaltig gestalteten Lebensraum zu erstellen. E

<< Im Rahmen des Prix SIA von der Jury auf die Shortliste gewähltes Projekt Umnutzung «Wohnen im ehemaligen Weinlager», Basel.

Urs Rieder, dipl. HLK-Ing. FH SIA arbeitet als Professor für Gebäudetechnik an der Hochschule Luzern HSLU und ist Projektleiter der Erweiterung «Campus Horw». Urs Rieder ist seit 2013 im Vorstand des Schweizerischen Ingenieur- und Architektenvereins SIA.

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Photo: Philip Heckhausen (www.philipheckhausen.com)
«BIM wird die Art und Weise, wie wir bauen, revolutionieren.»
ME Image/AdoeStock.com

Digitalisierung als Treiber einer nachhaltigeren Bauwirtschaft

Die Zukunft gestalten: BIM als Grundlage für nachhaltiges Bauen in der Schweiz. Mit dem digitalen Zwilling bahnt sich eine Kreislaufwirtschaft im Bauwesen an. Die Branche bewegt sich hin zu einem effizienteren und umweltfreundlicheren Ansatz.

Mit rund 15 Prozent des Bruttoinlandproduktes ist die Bauwirtschaft ein zentraler Wirtschaftsfaktor in der Schweiz. Punkto Digitalisierung steht dieser Wirtschaftsbereich aber immer noch am Anfang. Digitale Technologien schaffen die Voraussetzungen für die Vernetzung der disziplinären Prozesse und die integrative Zusammenarbeit aller Akteurinnen entlang dem Lifecycle eines Bauwerks. Dadurch eröffnen sich riesige Potenziale zur Steigerung der Produktivität, Qualität und nicht zuletzt der Nachhaltigkeit.

Die Digitaliserung macht Bauen nachhaltig

BIM – Building Information Modeling – ist das Synonym für die Digitalisierung in der Bauwirtschaft. Neben den vielen Nutzen von BIM schafft BIM mit seiner objektorientierten Arbeitsweise aber vor allem eines, nämlich Ordnung und Strukturen für durchgängige und datenbasierte Prozesse und damit das Lifecycle Data Management von morgen. BIM bildet das Fundament für den digitalen Zwilling, ein datentechnisches, raumzeitliches Abbild von Gegenwart, Vergangenheit und Zukunft. Und diese digitalen Zwillinge bilden eine wichtige Grundlage für eine nachhaltig gebaute Umwelt.

Ein Beispiel

Die Bauwirtschaft ist für über 80 % des gesamten Abfallaufkommens in der Schweiz verantwortlich. Theoretisch lässt sich der Bauabfall fast zu 100 % wiederverwenden oder rezyklieren. Die gute Nachricht ist, dass davon bereits über zwei Drittel in den Kreislauf zurückgeführt werden. Die schlechte Nachricht: Der übrige nicht verwertete Anteil Bauabfall ist immer noch viel grösser als der gesamte übrige Abfall. Und weil die Deponiegebühren im benachbarten Ausland günstiger sind als in der Schweiz, wurden im Jahr 2022 rund 15 000 Lastwagen Bauschutt nach Deutschland gekarrt.

Der Schlüssel ist der digitale Kreislaufzwilling: Er schafft die Grundlage, dass unsere gebaute Umwelt als fiktives Bauteil- und Materiallager betrachtet und bewirtschaftet werden kann. In diesem fiktiven Bauteil- und Materiallager werden transparent und

detailliert die sich im Kreislauf befindlichen Bauteile und Materialen mit allen relevanten und maschineninterpretierbaren Informationen verwaltet und nach ihren Verfügbarkeiten auf einer Secondhand-Bauteil-Handelsplattform bereitgestellt.

Das Ziel ist, dass alle Bauteile und Materialien, die sich einmal im Kreislauf befinden, auch möglichst lange im Kreislauf bleiben. Der digitale Kreislaufzwilling schafft die grundlegende Voraussetzung dafür, dass Baumaterialien und Bauprodukte, die demnächst zurückgebaut werden, frühzeitig in der Planung von neuen Bauobjekten durch Teilen, Wiederverwendung, Konfektionieren, Reparieren, Umnutzung oder Wiederaufbereitung berücksichtigt und einer neuen Nutzung zugeführt werden können.

Bauen digital Schweiz setzt sich für eine konsequente Nutzung der genannten Potenziale ein. Der vom Verband initiierte UseCase-Management-Service von buildingSMART schafft die wichtige Grundlage, um BIM-Projekte in einzelne überschaubare Anwendungsfälle, sogenannte Use Cases, aufzuteilen und später wieder zu durchgängigen Prozessen und Informationen zusammenzufügen. An der Swissbau 2024 hat Bauen digital Schweiz drei konkrete Use Cases zum digitalen Kreislaufzwilling präsentiert und diskutiert: Bestandsinventarisierung, Materialpass und Lean-Deconstruction.

Konkrete Beispiele und erste Erfahrungen sind wichtige Enabler in einer Veränderung hin zu nachhaltigen Prozessen. Nur vom «Practice» über «Practice» kommen wir irgendwann zu einem «Best Practice». Die drei erwähnten konkreten Use Cases zum digitalen Kreislaufzwilling sind im Status «Practice», es braucht nun Nachahmer, die auf diesen Grundlagen und Erfahrungen aufbauen und ihre Erfahrungen teilen. Der Use-Case-Management-Service bildet die Kollaborationsplattform dazu: gemeinsam vom Practice zum Best Practice und damit zum Grundstein für nachhaltigere Baustandards. E

Markus Weber, Präsident Bauen digital Schweiz/buildingSMART Switzerland, Co-Studiengangleiter BA/BSc und CAS/DAS/ MAS Digital Construction an der Hochschule Luzern www.bauen-digital.ch

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«Weiterbildung als Schlüssel zur Transformation der Baubranche hin zu mehr Nachhaltigkeit.»

Weiterbildung ist Umsetzung der Klimaziele

Fachleute im Bau- und Planungsbereich sind gefordert, sich durch Weiterbildung auf die Herausforderungen von morgen vorzubereiten.

Baustopp versus Wohnstopp?

Die Herausforderungen des 21. Jahrhunderts erfordern ein Umdenken in vielen Bereichen, das Bauwesen bildet dabei keine Ausnahme. Nachhaltiges Bauen ist eine dringende Notwendigkeit angesichts der wachsenden Bevölkerung, begrenzter Ressourcen und des Klimawandels. Die Klimastrategie des Bundes sieht vor, bis 2050 nicht mehr Treibhausgase auszustossen, als durch natürliche und technische Speicher aufgenommen werden können: das Netto-Null-Ziel. Gleichzeitig wird, gemäss dem Referenzszenario des Bundesamts für Statistik, die Bevölkerung in der Schweiz 2050 voraussichtlich auf 10,4 Millionen Menschen anwachsen. Eine widersprüchliche Herausforderung!

Ressourcen sparen und Emissionen reduzieren

Der Gebäudesektor trägt sowohl durch Emissionen bei der Herstellung von Baustoffen als auch durch den Betrieb von Gebäuden massiv zur Treibhausgasbelastung bei. Daher ist es entscheidend, den bestehenden Gebäudebestand langfristig als einen bedeutenden Speicher grauer Energie zu betrachten, der umweltfreundlich saniert werden muss. Gleichzeitig sollten neue Bauprojekte so konzipiert werden, dass sie den Bestand erhalten, Ressourcen effizient nutzen und emissionsfrei betrieben werden können.

Neue Kompetenzen sind gefragt

Die Reduktion von Treibhausgasemissionen bei gleichzeitigem Bevölkerungswachstum stellt eine anspruchsvolle Aufgabe für Fachleute im Bau- und Planungsbereich dar. In diesem Kontext gewinnt die Weiterbildung zunehmend an Bedeutung, da sie die Fachkräfte der Baubranche befähigt, ganzheitliche Ansätze zu finden, innovative Praktiken zu entwickeln und den Übergang zu umweltfreundlichen Ausführungen zu gestalten.

Ganzheitliches Denken und Planen

Es gilt, gemeinsam Lösungen zu finden, um sparsam, gerecht und sozialverträglich zu bauen und bestehende Standorte behutsam zu verdichten. Diese komplexe Mission erfordert die offene Zusammenarbeit von Fachleuten als Team, die ihre Kompetenzen und ihre Erfahrung in nachhaltigem Planen und Bauen teilen. Die Ausbildung von Studienanfängern nimmt diese Themen inzwischen vermehrt auf. Viele aktive Baufachleute aber, die heute mitten im Berufsleben stehen, haben jedoch bisher wenig Berüh-

rungspunkte mit nachhaltigem Bauen für Netto-Null. Hier bieten Weiterbildungskurse die Gelegenheit, vom Fachwissen der Expertinnen zu profitieren und sich berufsbegleitend entsprechende Kompetenzen anzueignen, neue Kontakte zu knüpfen und ein Netzwerk für zukünftige Projekte aufzubauen.

Weiterbildung für die Herausforderungen von morgen

Das Weiterbilden in Kompetenzen für nachhaltiges Bauen ist nicht nur ein Mittel, um individuelle Fähigkeiten zu verbessern, sondern auch ein Beitrag zur Transformation der gesamten Baubranche. Viele Bildungseinrichtungen bieten inzwischen Kurse an, die verschiedene Aspekte der nachhaltigen Bauweise abdecken. In der Deutschschweiz haben sich fünf Schweizer Fachhochschulen zur Kooperation EN Bau zusammengeschlossen, um ihr spezifisches und ausgewiesenes Know-how in nachhaltigem Bauen zu bündeln. Gemeinsam bieten sie den Studiengang ‹MAS in nachhaltigem Bauen› an, ein Weiterbildungsangebot rund um Energie und Nachhaltigkeit im Bauwesen. Eine Auswahl von 23 CAS-Modulen in diversen Vertiefungsrichtungen kann einzeln belegt oder modular und nach individuellen Bedürfnissen zu einem MAS-Abschluss kombiniert werden.

Wissenstransfer zur Transformation der Baubranche Unterstützt wird die Kooperation durch das Bundesamt für Energie, die kantonale Energiedirektorenkonferenz und den SIA mit dem Ziel, den effektiven Wissenstransfer in die Baubranche zu fördern. Jeder einzelne Teilnehmende trägt so dazu bei, innovative, nachhaltige Lösungen zu entwickeln und diese konkret in den Berufsalltag zu integrieren. Denn nur durch die effektive Umsetzung in aktuellen Projekten und Aufgaben wird es gelingen, die übergeordneten Klimaziele schnell genug zu erreichen.

Es liegt an jedem Einzelnen, diese Chance zur Weiterbildung zu nutzen und einen positiven Beitrag zur Schaffung einer nachhaltigen Baukultur zu leisten. E

Korbinian J. Schneider, Architekt M. A. EPFL/SIA/CAS Nachhaltiges Bauen, ist Leiter der Geschäftsstelle EN Bau www.enbau.ch

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WEITERKOMMEN BEI DER NACHHALTIGKEIT

Nachhaltigkeit ist erst seit Kurzem fixer Bestandteil der Studiengänge von Architektinnen und Ingenieuren. Wer schon länger im Geschäft ist, kann sich das nötige Fachwissen mittels Weiterbildungen bei der ZHAW aneignen.

Ein wildes Potpourri aus alten Bauteilen ist das Gebäude – Material, das sonst im Schrott oder auf der Deponie gelandet wäre. Und dennoch – oder gerade eben darum – ist die Aufstockung der Industriehalle K.118 aus dem Jahr 2021 auf dem ehemaligen Sulzerareal in Winterthur ein Leuchtturmprojekt für die Nachhaltigkeit beim Bauen. Der Stahl des Grundgerüsts stammt beispielsweise von einer ehemaligen Detailhandels-Verteilzentrale in Basel, die Granitplatten der Balkone und rund 80 Fenster kommen von einem Bürogebäude in Zürich und die rote Wellblechfassade zierte einst die Gebäudehülle einer ehemaligen Druckerei in Winterthur. Durch die Wiederverwendung von alten Bauteilen konnten rund 500 Tonnen CO2 eingespart werden – was dem Energieverbrauch des Gebäudes während der nächsten 60 Jahre entspricht. Begleitet wurde das innovative Projekt unter anderem auch vom Departement Architektur, Gestaltung und Bauingeni-

von 2019 wurden diese Themen auch im Lehrplan verankert. Ein Beispiel für die frühe Auseinandersetzung der ZHAW mit dem Thema Nachhaltigkeit ist bei-

«Wir dürfen nicht vergessen: Nachhaltiges Bauen gehört zur DNA der Architektur.»

Prof. Dr. Habil Andri Gerber, ZHAW Winterthur

eurwesen der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften (ZHAW) in Winterthur.

Das Departement beschäftigt sich schon seit Langem mit der Frage, wie man möglichst nachhaltig und ökologisch bauen kann – im Rahmen der Studienreform

spielsweise die Umnutzung der ehemaligen Kesselschmiede 1990/91 auf dem Winterthurer Sulzerareal zum neuen Lehr- und Forschungsstandort des Departements. Schon damals achtete man explizit auf einen ressourcenschonenden Umgang mit der alten Bausubstanz. «Viele glauben, dass Nachhaltigkeit im Ge-

bäudebereich ein recht neuer Trend ist», sagt Prof. Dr. Habil Andri Gerber von der ZHAW. Doch das stimme nicht: Es hätte immer schon Bemühungen um ein nachhaltiges Bauen gegeben – etwa indem nur regional verfügbare Materialien wie Stein, Holz oder Lehm verwendet oder die Wohnfläche klein gehalten wurden.

«Nachhaltiges Bauen gehört zur DNA der Architektur – das dürfen wir nicht vergessen und müssen daran anknüpfen», sagt Andri Gerber.

Doppelter Profit

Dass ein beträchtlicher Anteil der CO2Emissionen auf das Konto der Bauindustrie geht, ist mittlerweile bekannt. «Hier kann und muss die Architektur ihren Beitrag leisten», lautet ein Credo des heuti-

Nachhaltiges BAUEN 2024 Weiterbildung 20
Bild: Martin Zeller

gen Departements Architektur, Gestaltung und Bauingenieurwesen der ZHAW, weshalb dem Thema Nachhaltigkeit nicht nur im Studium, sondern auch in diversen Kursen Rechnung getragen wird. All jene, denen dieses Wissen zur Zeit ihres Studiums nicht vermittelt wurde oder die sich einfach auf dem neusten Stand halten möchten, bietet die ZHAW in Winterthur Weiterbildungen an. Diese richten sich an Architekten, Ingenieurinnen, Planer und Fachleute aus verwandten Disziplinen – genauso aber auch an Mitarbeitende von Verwaltungen, Behörden oder aus dem Schulbereich.

Ein Beispiel dafür ist der CAS Nachhaltiges Entwerfen und Konstruieren, wo Architektinnen und Architekten die nö-

tigen Kompetenzen erwerben, um auf die Herausforderungen der Klimakrise reagieren zu können. Der CAS Digitale Baupraxis wiederum zeigt etwa auf, wie mit digitalen Entwurfs- und Planungsmethoden sowie Fabrikationsprozessen das nachhaltige Bauen unterstützt und gefördert werden kann. Und wer sich bezüglich eines adäquaten Umgangs mit Landschaft und Natur im Siedlungsraum auseinandersetzen und weiterbilden möchte, dem bietet sich der CAS Stadtraum Landschaft an oder der MAS Städtebau. Auf welches Angebot auch immer die Wahl fällt – der Profit ist doppelt: Man bildet sich nicht nur zur gefragten Fachperson weiter, sondern kann mit dem erworbenen Spezialwissen eine nachhaltige Zukunft aktiv mitgestalten. E

FACTS

ZHAW Architektur, Gestaltung und Bauingenieurwesen

Die «Winterthurer Schule» ist eine führende Bildungs- und Forschungseinrichtung in der Schweiz. Unsere Schwerpunkte liegen in der Verknüpfung von Forschung und Lehre mit einem klaren Fokus auf Nachhaltigkeit. In inspirierender Umgebung arbeiten wir an praxisnahen Lösungen für Fragen rund um Gesellschaft, Gestaltung und Nachhaltigkeit. Unsere drei Institute Urban Landscape, Konstruktives Entwerfen sowie Bautechnologie und Prozesse behandeln das Bauen gesamtheitlich und vernetzt im Themenfeld von Raum, Städtebau und Energie. Die beiden Studiengänge Architektur und Bauingenieurwesen decken einen breiten Teil des Bauwesens ab und stehen zusammen für eine interdisziplinäre, verantwortungsvolle und zukunftsorientierte Ausbildung.

Weiterbildung

• CAS Nachhaltiges Entwerfen und Konstruieren

• CAS Architekturtheorie

• CAS Digitale Baupraxis

• CAS Stadtraum Strasse

• CAS Stadtraum Landschaft

• CAS Städtebau

• MAS Städtebau

• CAS Bestellerkompetenz – Projektund Gesamtleitung im Bauprozess

• CAS Öffentliches Baurecht

Zweimal jährlich findet ein Infoanlass statt: www.zhaw.ch/de/archbau/weiterbildung

Prof. Dr. Habil Andri Gerber

Co-Leiter Institut Konstruktives Entwerfen

ZHAW Architektur, Gestaltung und Bauingenieurwesen

Tössfeldstrasse 11

8401 Winterthur

T. + 41 58 934 76 50

Info.archbau@zhaw.ch

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GREENWASHING: ZWISCHEN MANIPULATION

UND UNWISSENHEIT

Nachhaltiges Bauen ist gefragt. Dies bringt jedoch auch das Risiko von Greenwashing auf den Plan. Unternehmen, Konsument_innen und Politik sind in der Verantwortung Greenwashing zu bekämpfen.

Als Greenwashing bezeichnet man, wenn Produkte oder Dienstleitungen «grüner» oder nachhaltiger dargestellt werden, als sie es sind. Doch so einfach ist die Abgrenzung im Einzelfall nicht. Wann kann einem Unternehmen Greenwashing vorgeworfen werden? Denn es heisst ja auch: Tue Gutes und sprich darüber. Unternehmen sollen von ihren Nachhaltigkeitsbemühungen und -erfolgen berichten und damit einen gesunden Wettbewerb fördern. Darf sich aber ein Unternehmen als nachhaltig bezeichnen, wenn die Energie-Selbstversorgung mit der Photovoltaikanlage erreicht ist, auch wenn die Lohngleichheit noch im Argen liegt?

Beim Greenwashing geht es um eine bewusste Täuschung oder Irreführung. Das Gegenüber soll zu einer Handlung verleitet werden, ohne dass die eigentliche Absicht offen dargelegt wird. Von Manipulation sprechen wir also, wenn versucht wird, andere zugunsten des eigenen Vorteils zu beeinflussen. Tatsachen werden in der Kommunikation beschönigt oder gezielt verschwiegen. Als Kundin oder Kunde bin ich in meiner Wahl oder Meinungsbildung eingeschränkt.

In der Baubranche sind Nachhaltigkeit und Zirkularität die Schlagworte der Stunde. Denn die Baubranche ist als CO2-Schleuder berüchtigt. Im Bau und Betrieb entstehen hohe Emissionen. Es ist daher für Bau- und Immobilienunternehmen interessant zu zeigen, dass sie der Klimaveränderung aktiv entgegen-

wirken: einerseits gegenüber potenzieller Kundschaft aber auch gegen innen als Arbeitgeberin. Nachhaltig zu bauen, bedeutet jedoch sowohl ökologische als auch soziale und ökonomische Anforderungen zu erfüllen. Am Beispiel des Bauens kann gezeigt werden, wie komplex sich die Nachhaltigkeit gestaltet. Auf das Endprodukt bezogen betrifft nachhaltiges Bauen stets mehrere Unternehmen. Es geht nicht nur um das Material, sondern auch um Raumnutzung, Gesundheit, Umwelt und vieles mehr. Eine korrekte Darstellung, wie nachhaltig ein Bauwerk ist, ist schwierig.

Konsumentinnen und Konsumenten sind kritischer geworden und hinterfragen plakative Slogans. Doch sie lassen sich nur zu gerne täuschen, wenn ein eigent-

lich schädliches Produkt attraktiv dargestellt wird und damit das eigene Gewissen (und das Portemonnaie) beruhigt werden kann. Zusätzlich erschwerend ist das fehlende Fachwissen zu Nachhaltigkeit - auch auf Seite der Unternehmen (siehe Facts).

So stehen Konsument_innen gleichermassen in der Verantwortung, gegen Greenwashing im nachhaltigen Bauen vorzugehen wie die Branche. Zum Vergleich hat die Schweizerische Bankiervereinigung beschrieben, wo entlang der Finanzwertschöpfungskette Greenwashing vorliegen kann, und hat Massnahmen definiert, um dagegen vorzugehen. Ebenfalls in der Verantwortung sind Politik und Gesetzgebung. Die EU geht gegen irreführende Praktiken vor. Es ist für

Grundstück Nachhaltigkeit Baustelle (Christina Passegger) Kriterien SNBS-Hochbau
Nachhaltiges BAUEN 2024 Weiterbildung 22

Unternehmen in der EU illegal, falsche, ungenaue oder übertriebene Angaben über Erfolge oder Verpflichtungen in Bezug auf den Umweltschutz zu machen. In der Schweiz wurde einer entsprechenden parlamentarischen Initiative nicht Folge gegeben. Ein solches Verbot wurde als wenig praxistauglich erachtet. Die Abklärung der Frage, ob ein konkretes Produkt als klimaneutral beziehungsweise umweltfreundlich angepriesen werden dürfte, sei mit (zu) grossem administrativem Aufwand verbunden.

«Je problematischer ein Produkt ist, desto stärker ist das Greenwashing.»

Aus dem Film «The Green Lie»

Beim nachhaltigen Bauen bleiben Standards und Labels ein wichtiges Instrument, um Orientierung zu bieten. Transparenz und die Unabhängigkeit der prüfenden Stellen sind zentral, um die Glaubwürdigkeit eines Labels zu erhalten. Zielkonflikte und die zwingend daraus entstehenden Entscheide sollen transparent dargelegt werden. Die Komplexität erlaubt es nicht in richtig oder falsch zu unterteilen: Soll das Bauen im Bestand gefördert und dabei Abstriche bei der Verdichtung oder der Energieeffizienz gemacht werden? Nachhaltiges Bauen erfordert ganzheitliches und langfristiges Denken. Unternehmen sind aufgefordert, ihre Nachhaltigkeitsstrategien in der gesamten Wertschöpfungskette umzusetzen. Dafür braucht es die nötigen Fachkräfte. Diejenigen, welche mit Weitblick die Unternehmen nachhaltig

umkrempeln, ergänzend ist aber auch Personal gefordert, das im angestammten Berufsfeld nachhaltige Empfehlungen und Veränderungen anpacken kann.

Facts

Die Swiss Sustainability Benchmark Studie (zhaw, 2023) zeigt, dass für die grosse Mehrheit der befragten Firmen (361) die ESG-Bereiche heute und noch stärker in zehn Jahren relevant sind. Am stärksten wird der Bereich Soziales gewichtet. Dieses positiv stimmende Bild wird durch die Antwort relativiert, dass in zwei Drittel der Fälle die Nachhaltigkeits-Performance im Unternehmen nicht gemessen wird oder die (Nicht-)Erfüllung keine Konsequenzen nach sich zieht. Der Treiber, Nachhaltigkeit im Unternehmen zu implementieren, ist grösstenteils extrinsisch, also beispielsweise eine Reaktion auf den Markt, oder es geschieht aus Effizienzüberlegungen und geschieht nicht aufgrund des Purpose eines Unternehmens. Der Nutzen, nachhaltige Massnahmen zu implementieren, wird als gesellschaftliche Verantwortung oder Beitrag zum Klimaschutz gewertet. Dieses Ergebnis deckt sich mit der Befragung, die spezifisch in Bauunternehmen durchgeführt wurde (Gubser, 2023).

Die Benchmark Studie hält abschliessend fest, dass die Glaubwürdigkeit eine der grössten Herausforderungen ist. Unternehmen möchten sich nicht «Greenwashing» Vorwürfen aussetzen und weichen deshalb ins Gegenteil aus, ins «Greenhushing», wo Bemühungen nur zurückhaltend oder gar nicht kommuniziert werden. E

FACTS

Unternehmen

sanu setzt sich für Nachhaltigkeit ein. Mit Bildungsangeboten, Moderationen und der Begleitung von strategischen und partizipativen Prozessen sprechen wir Unternehmen und Privatpersonen an. Wir arbeiten in Kooperationen mit Fachleuten aus der Praxis, auf Deutsch und Französisch. sanu ist ISO 21'001 und ISO 14'001 zertifiziert.

Angebot

Die beiden Lehrgänge als Vorbereitung zur Berufsprüfung Baubiologie und zur Höheren Fachprüfung Experte / Expertin gesundes und nachhaltiges Bauen starten jeweils im Spätsommer. Sie richten sich an Akteure aus dem gesamten Bauprozess. Die Baubiologin setzt ihr baubiologisches Fachwissen vor allem im angestammten Berufsfeld um. Der Experte nachhaltiges Bauen hat eine übergeordnete Sichtweise auf den gesamten Bauprozess bis hin zur nachhaltigen Unternehmensführung. sanu.ch/bau

Ansprechpartner: Christine Gubser, Bereichsleiterin Planung & Bau, Mitglied der Geschäftsleitung sanu ag

Raum für Nachhaltigkeit.

sanu future learning ag

General-Dufour-Strasse 18

2502 Biel-Bienne

032 322 14 33

sanu@sanu.ch

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«Die positiven Auswirkungen des Gebäudes stehen an erster Stelle.»
Kopieren erwünscht: Das Bürogebäude HORTUS denkt Nachhaltigkeit umfassend. Bild: Herzog & De Meuron /HORTUS, www.hortus.ch

Das Projekt HORTUS in Allschwil bei Basel

Nachhaltigkeit ist ein sorgfältig abgestimmtes und komplexes Zusammenspiel von verschiedenen Elementen. Es gibt aktuell kaum ein Projekt, das dies so konsequent denkt, wie das HORTUS. Es verbindet Technologie und Wissenschaft mit einer Prise Utopie.

HORTUS steht für House of Research, Technology, Utopia and Sustainability. Das 12 000 Quadratmeter grosse Bürogebäude entsteht aktuell auf dem Switzerland Innovation Park Basel Area Main Campus in Allschwil, dem grössten Life-Science-Areal Europas. Es wird ohne Unterkellerung primär aus Holz und Lehm gebaut und zahlt seine graue Erstellungsenergie innerhalb einer Generation zurück. SENN hat das Projekt zusammen mit Herzog & de Meuron und ZPF Ingenieure entwickelt. HORTUS ist ein Leuchtturmprojekt, das die Branche nachhaltig inspirieren soll.

Energiepositiv nach 30 Jahren

Bei der Entwicklung des HORTUS war eine der wichtigsten Zielvorgaben, die Erstellungsenergie des Gebäudes zu kompensieren. Dies geschieht beim HORTUS innerhalb von 30 Jahren. Möglich ist das, weil die gesamte verbaute Energie dank des Einsatzes von Materialien wie Holz, Lehm und Altpapier möglichst gering gehalten wird. Auf eine Unterkellerung wurde verzichtet, da eine solche sehr CO2-intensiv ist. Die Betriebsenergie wiederum wird durch Vermeidung von Verlusten auf das Minimum reduziert und die Energieernte maximiert. Zu diesem Zweck kommt eine Photovoltaikanlage von ca. 5000 Quadratmetern zum Einsatz.

Bauteile haben mehrere Leben

Das sogenannte Full Circle Design des HORTUS sorgt dafür, dass kein Bauteil verschwendet wird. Möglichst alle Bauteile sollen das Gebäude überdauern und ein potenzielles Second oder gar Third Life haben. Das bedingt eine ausgeklügelte Nutzung der Rohstoffe – sei es, indem sie geteilt, wiederverwertet, repariert oder wiederaufbereitet werden. Beispiele dafür sind der Einsatz von rückführbarem Stampflehm in den Decken und Brüstungen oder Altpapier, das zur Dämmung verwendet wird. Holz ist einer der

wichtigsten Baustoffe im künftigen Bürogebäude. Es kann CO2 einlagern, ist erneuerbar und lokal verfügbar. Somit erfüllt Holz die Anforderungen des Kreislaufbauens.

Auf die Decke kommt es an

Die Decke ist für die Ökobilanz eines Gebäudes entscheidend, macht sie doch durchschnittlich rund 25 Prozent des CO2-Ausstosses aus. SENN hat in Zusammenarbeit mit Herzog de Meuron, ZPF Ingenieure und Lehm Ton Erde, ein Pionierunternehmen in Sachen Lehm, ein neuartiges Deckensystem entwickelt. Allein die Vorstudie dauerte sieben Monate. Das Ergebnis ist eine Holzbalkendecke mit eingestampftem Lehm. Als modulares Deckensystem konzipiert, ist sie transportierbar und wiederverwendbar.

Faktor Mensch und Natur

Der Faktor Mensch geht bei der Nachhaltigkeitsdiskussion leider oft vergessen. Das HORTUS bezieht Mensch und Natur in die Rechnung mit ein. Das äussert sich exemplarisch im begrünten Innenhof, für den ein Biodiversitätskonzept entwickelt wurde. Er bietet einen Ort für den Austausch und zum Verweilen. Das gesamte Areal des Gebäudes inklusive Durchgangsstrassen umfasst 75 000 Quadratmeter. 13 500 Quadratmeter, also 18 Prozent davon sind Grünflächen im Innenhof, an der Fassade und auf dem Dach.

Auch ein Leuchtturmprojekt muss rentieren

Damit das HORTUS als Leuchtturmprojekt positiv auf die Branche ausstrahlt, muss auch die finanzielle Seite stimmen. Das Bürogebäude hilft institutionellen Investoren langfristig in ihrem CO2-Absenkungspfad. Langlebigkeit und ein nachhaltiger Betrieb senken die Lebenszykluskosten zudem markant. Dazu kommt eine Bauteiltrennung, die eine Wiederverwertung möglich macht, sollte das Gebäude in Zukunft nicht mehr gebraucht werden. E

Dr. Johannes Eisenhut ist Geschäftsführer der Senn Development AG. SENN entwickelt, plant und realisiert Immobilienprojekte. Wir kaufen Land, um lebenswerte Räume für Arbeit und Wohnen zu schaffen. Dabei arbeiten wir radikal nachhaltig, mit Stil und Sinn für mehr Werte. Denn was sich langfristig lohnt, geschieht immer aus Liebe zum Ort. www.senn.com

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EINE GRÜNE CHANCE FÜR DEN TENNISSPORT

Traglufthallen können den ökologischen Fussabdruck von Tennishallen bedeutend verbessern. Das zeigt eine neue Studie der Hochschule Luzern Technik & Architektur in Zusammenarbeit mit den Membranbau-Spezialisten der HP Gasser AG.

Bei Sportanlagen im Freien wie Tennisplätzen (oder auch Freibädern) sind Traglufthallen eine vielversprechende Lösung, um kostengünstig temporäre oder dauerhafte Hallenstrukturen zu schaffen. Profiteure sind Nutzer und Betreiber gleichermassen: Mit einer Traglufthalle geht die Indoor-Saison nahtlos in die Outdoor-Saison über, denn aufoder abgebaut sind die textilen Bauwerke meist innerhalb eines Tages.

Doch wie steht es um deren Umweltverträglichkeit im Vergleich zu konventionellen Festbauten? Was bisher kaum erforscht ist, bildet den Fokus einer neuen Studie der Hochschule Luzern Technik &

Architektur. Das Ergebnis: Traglufthallen benötigen bei der Erstellung signifikant weniger graue Energie und Treibhausgasemissionen als massive Tennishallen – gerade mal die Hälfte, wie die Autorengruppe zum Schluss kommt. Apropos: Auch die Erstellungskosten für eine Traglufthalle betragen im Vergleich nur einen Bruchteil. So fallen diese bei einer herkömmlichen Tennishalle im Durchschnitt zwei- bis dreimal teurer aus.

Achillesferse Heizsystem

Auch die Kehrseite der Medaille betrachtet die Studie: Traglufthallen erfordern während des Betriebs mehr Energie, insbesondere Heizenergie, die 80 bis 90

Prozent des gesamten Bedarfs ausmacht. Aufgrund gesetzlicher Vorschriften fällt dies in der Schweiz nur bedingt ins Gewicht: Aktuell sind in Traglufthallen einzig erneuerbare Heizsysteme zugelassen, die kaum Treibhausgasemissionen ausstossen. Zusätzlich setzen die tiefen Erstellungskosten Mittel für umweltfreundliche Massnahmen frei, wie etwa den Bau von Solaranlagen zur Eigenenergieversorgung. Dies wertet die Ökobilanz von Traglufthallen weiter auf.

Interessant ist die mittel- und langfristige Betrachtung der Studie: Kommt ein emissionsarmer Energieträger wie eine Pelletheizung oder Luft-Luft-Wärme-

Die Grafik zeigt die Emissionen von Treibhausgasen (CO2-eq) der betrachteten Tennishalle im Vergleich zu bestehenden Traglufthallen der HP Gasser AG während des gesamten Lebenszyklus: von der Produktion bis zu 40 Nutzungsjahren.

Nachhaltiges BAUEN 2024 Projekte & Innovationen 26

pumpe zum Einsatz, ist eine Traglufthalle einer festen Hallenstruktur (Leichtbauweise) in Sachen Ökologie bis zu 40 Betriebsjahre lang überlegen (siehe Grafik). Dies entspricht der durchschnittlichen Nutzungsdauer eines solchen Gebäudetyps (allfällige Unterhaltsarbeiten sind im Vergleich bereits eingerechnet), was das eigentliche Potenzial von Traglufthallen als grüne Alternative für Sportanlagen aufzeigt.

Kluger Betrieb vorausgesetzt

Um die Umweltbelastung weiter zu reduzieren, bleiben die Hersteller von Traglufthallen gefordert. Und genau hier kommen die Membranbau-Spezialisten

der HP Gasser AG aus Obwalden ins Spiel. Sie setzen sich mit der Studie nicht nur für eine ganzheitliche Betrachtung ein, um fundierte Entscheidungen für nachhaltiges Bauen treffen zu können. Vielmehr lassen sie in jedes Projekt ihre Praxiserfahrung mit über 200 erstellten Traglufthallen einfliessen. So ist beispielsweise ein kluges Temperaturmanagement in der kalten Jahreszeit ein gewichtiger Erfolgsfaktor in puncto Energieeffizienz. Ebenso die Verwendung von vierlagigen Membranhüllen, bei denen je zwei Membran-Lagen zusammengeschweisst werden und so Luftkissen bilden, die wärmedämmend wirken.» E

FACTS

HP Gasser AG

Die 1991 gegründete HP Gasser AG mit Sitz in Lungern ist ein renommiertes Unternehmen, das sich auf die Planung, Entwicklung und Realisierung von Membranbauten sowie Dachfenstern spezialisiert hat. Die Studie über die Ökobilanz von Traglufthallen ist in Zusammenarbeit mit der Hochschule Luzern Technik & Architektur entstanden. Diese wurde von Alina Kretschmer, Pascal De Kegel, Marvin King und Gianrico Settembrini durchgeführt.

Mehr Informationen zum Thema erhalten Sie direkt bei der HP Gasser AG: www.hpgasser.ch

Amgarten Seebi Verkauf Traglufthallen

HP Gasser AG

Industriestrasse 45

6078 Lungern

T. +41 41 666 25 35

info@hpgasser.ch

www.hpgasser.ch

Nachhaltiges BAUEN 2024 Projekte & Innovationen 27

FÖRDERUNG VON

GEMEINNÜTZIGEM

UND PREIS

GÜNSTIGEM

WOHNRAUM

In Zürich ist mit der Zürcher Kantonalbank als Finanzierungspartnerin eine ökologisch und sozial nachhaltige Siedlung mit 140 Wohnungen entstanden.

Mietwohnungen in Kernstädten sind Mangelware – vor allem im preiswerten Segment. Dank den nachhaltigen Hypothekarprodukten der Zürcher Kantonalbank profitieren Wohnbaugenossenschaften von Zinsvergünstigungen, sofern sie die von der ZKB definierten Kriterien erfüllen. Ein nachhaltiges Finanzierungsmodell kam auch beim Bauprojekt Obsthalden in der Stadt Zürich zum Tragen.

Siedlung Obsthalden

Auf Baurechtsland der Stadt Zürich ist die Siedlung Obsthalden mit rund 140 Wohnungen entstanden. Die Siedlungsgenossenschaft Eigengrund (SGE) hält in ihrer Vision hält fest, dass sie eine ökologisch, wirtschaftlich und sozial nachhaltige Entwicklung im Wohnungs- und Immobilienmarkt verfolgen will. Mit der neuen Siedlung Obsthalden ist es ihr si-

cherlich gelungen, diesen Ansatz weiter zu vertiefen. Zumal sie mit diesem Bauprojekt sicherstellt, dass der Mietermix dem Quartier entspricht, und verschiedene Altersgruppen, Einkommensschichten, Lebensformen und Haushaltgrössen berücksichtigt werden.

Grünes Herz und Begegnungsorte

Der neue Quartierplatz mit Gemeinschaftsraum und das grosszügige «Grüne Herz» im Inneren des Areals bieten Platz für Begegnung, Spiel und Rückzug. Sie tragen massgeblich zu einer eigenständigen Identität der Siedlung bei. Ein diagonales Wegenetz vereinfacht die Erschliessung der Gebäude. Die Gemeinschaftsgärten mit Grillstellen im südlichen Bereich dienen als Treffpunkt und fördern das Siedlungsleben. Die SGE pflanzt ca. 125 Bäume, die meisten davon

von einheimischer Sorte und mit essbaren Früchten.

Quartierfreundlicher Nutzungsmix

Der Nutzungsmix ermöglicht einen Alltag der kurzen Wege. In der Siedlung sind ein städtischer Doppelkindergarten mit Betreuung sowie eine private Kindertagestätte entstanden. Für die Förderung des Quartierlebens und zum Austausch mit der Öffentlichkeit wurden gewerbliche Einrichtungen wie ein Café, eine Wäscherei, ein Ballon-Shop, ein Jugend- und Allmendraum sowie Ateliers für Keramik und Yoga eröffnet.

Diverse Wohnformen

Die Siedlung Obsthalden bietet Familien sowie anderen Haushaltsformen mit und ohne Kinder aus allen Alters- und Einkommensgruppen eine breite Palette an

Nachhaltiges BAUEN 2024 28 Projekte & Innovationen Die Siedlung Obsthalden überzeugt mit ihrem nachhaltigen Entwicklungskonzept.
Bilder: Andrea Helbling, Arazebra

Wohnungsmöglichkeiten. Rund ein Drittel der Wohnungen sind subventioniert. Der Wohnungsmix setzt sich aus 1.5- bis 5.5-Zimmer-Wohnungen zusammen, wobei 2- bis 3.5-Zimmer-Wohnungen einen Anteil von fast 50 % ausmachen.

Barrierefrei und autoarm

zen. Für ihre Fahrräder sind in der Siedlung 463 mehrheitlich gedeckte Veloabstellplätze vorhanden.

Nachhaltige Bau-Standards

Die Siedlung soll nach Minergie-P-Eco sowie dem Standard Nachhaltiges Bauen (SNBS) zertifiziert werden. Erdsonden mit Wärmepumpen sorgen für Heizwärme und warmes Wasser. Sie werden mittels Freecooling regeneriert. Eine Photovoltaikanlage auf den Dächern der Siedlung stellt sicher, dass auch die Vorteile von Solarstrom genutzt werden können. Die Wohnungen verfügen über eine Nachströmlüftung mit Wärmerückgewinnung, die Gewerberäume kontrollierte Lüftung. E

FACTS

Nachhaltiges Hypothekargeschäft

Bei der Zürcher Kantonalbank hat die Förderung von preisgünstigem Wohnungsbau Tradition, zumal dies im Kantonalbankgesetz verankert ist. Damit leistet die Bank einen Beitrag für gemeinnützigen und preislich attraktiven Wohnraum und ist eine konstante sowie verlässliche Partnerin für Wohnbaugenossenschaften.

Seit über 30 Jahren fördert die Zürcher Kantonalbank mit dem ZKB Umweltdarlehen die ökologische Nachhaltigkeit. Mit der ZKB WohnPlus Hypothek setzt die Zürcher Kantonalbank ihre langjährige Tradition in zweierlei Hinsicht fort: punkto Zusammenarbeit mit Wohnbaugenossenschaften und bezüglich Förderung der Nachhaltigkeit. Die ZKB WohnPlus Hypothek stellt die gesellschaftlichen Aspekte in den Vordergrund und ergänzt das bestehende Angebot im nachhaltigen Hypothekargeschäft.

Alle Wohnungen sind barrierefrei und mit dem Lift zugänglich. Eine Besonderheit stellt das Wohnangebot mit 15 zumietbaren Einzel- und Gästezimmern dar. Mit einem Mobilitätskonzept wurde der Fokus auf autoarmes Wohnen gelegt und die Parkplatzsituation entsprechend optimiert. Es stehen 58 Autoabstellplätze (davon 16 elektrisch) und ein Elektroleihfahrzeug zur Verfügung. Weiter können die Bewohnerinnen und Bewohner 8 Mofa-/Motorradplätze und 19 Elektrovelostellplätze mit Stromanschluss nutZürcher

Thomas Stohldreier

Firmenkundenbetreuer bei der Zürcher Kantonalbank, hat die SGE während des Finanzierungsprozesses begleitet.

«Wir haben es ausserordentlich geschätzt, die SGE bei diesem Bauprojekt über drei Etappen zu begleiten. Ich bin überzeugt, dass wir gemeinsam optimale Lösungen gefunden haben. Es freut uns sehr, dass wir auf diese Weise einen bedeutenden Beitrag zur Förderung von kostengünstigem Wohnraum leisten konnten.»

9
Zürich
Kantonalbank Bahnhofstrasse
8010
T. 0844 843 823 www.zkb.ch
Blick in eine Wohnung mit Logia. Alle Wohnungen sind barrierefrei und mit dem Lift erschlossen.
Nachhaltiges BAUEN 2024 29 Projekte & Innovationen
Ein Ort des Zusammenkommens –das Café in der Siedlung.

BAUEN HEISST: TRANSFORMIEREN.

DIE BAUMEISTER GESTALTEN NACHHALTIGE ZUKUNFT

Energiewende, Siedlungsentwicklung nach innen, ressourcenschonende Kreislaufwirtschaft – die Schweiz braucht die Bauwirtschaft für eine nachhaltige Entwicklung.

2045 leben voraussichtlich 10 Millionen Menschen in unserem Land – ein Viertel davon wird über 65 Jahre alt sein. Das wirft Fragen auf; zu Gesellschaft, Raumentwicklung, Wirtschaft, Natur, Ressourcen und Mobilität. Die Schweiz ist gefordert, sich den neuen Herausforderungen und gesellschaftlichen Veränderungen zu stellen.

Nachhaltig bauen, heisst, bestehende Bauzonen besser nutzen

Eine 10-Millionen-Schweiz ist nur möglich, wenn eine sinnvolle Siedlungsentwicklung nach innen erfolgreich umge-

setzt wird. Dies bedeutet Transformation. Auf Bauprojekte wie das Stöckacker Süd in Bern, die Siedlung Vogelsang in Wetzikon, die Neubebauung des Areals «Magnolienpark» in Basel oder die Zollfreilager-Überbauung in Zürich müssen zahlreiche weitere Verdichtungsprojekte folgen. Dank Ersatzneubauten und Aufstockungen können in bestens erschlossenen Wohnquartieren deutlich mehr Personen wohnen, ohne dass wertvolle Naherholungsgebiete verloren gehen. Denn durch Abbruch und Ersatzneubau kann das vorhandene Gebäudevolumen markant verdichtet werden. Durch-

schnittlich wird jede abgebrochene Wohnung durch zwei neue ersetzt. Ein Erfolgsrezept, das gerne genutzt wird: Allein im Kanton Zürich entstehen pro Jahr rund 2000 Wohnungen in Ersatzneubauten – mit positiven Effekten für Umwelt, Raumplanung sowie Gemeinde- und Kantonskassen. Bei jedem Bauprojekt muss eine Analyse über den gesamten «Lebenszyklus» eines Gebäudes erfolgen, um zu beurteilen, ob der Erhalt der bestehenden Substanz oder ein Neubau sinnvoller ist. Dies ist für eine umfassende Beurteilung der Umweltbelastung wichtig.

Die Siedlung Vogelsang in Wetzikon ist ein Verdichtungsprojekt mit viel Grün: Die bestehenden Gebäude werden in mehreren Bauetappen modernisiert und teilweise neu erstellt.
Nachhaltiges BAUEN 2024 Projekte & Innovationen 30
copyright © by Martina Meier

Nachhaltig bauen, heisst, energieeffizient bauen

Der Schweizer Gebäudepark ist überaltert und für rund 45 Prozent des Energieverbrauchs sowie für einen Viertel der CO2-Emissionen verantwortlich. Bauunternehmen spielen deshalb eine Schlüsselrolle bei der Reduktion des schweizweiten CO2-Ausstosses. Mit einer zukunftsgerichteten Bauwirtschaft und modernster Technologie kann die Baubranche alte Gebäude und in die Jahre gekommene Quartiere in moderne und energieeffiziente Lebensräume umwandeln. Der Schweizerische Baumeisterverband hat einen 12-Punkte-Aktionsplan zur Modernisierung des Gebäudeparks ausgearbeitet. Energetische Sanierungen von Gebäuden oder der Ersatz von bestehenden Gebäuden durch energieeffiziente Neubauten tragen wesentlich dazu bei, die Umweltbelastung zu verringern. Die Sanierungsquote alter Liegenschaften liegt heute jedoch erst bei rund 1 Prozent pro Jahr. Will die Schweiz ihre Ziele gemäss dem Pariser Abkommen und der Netto-Null-Vorgabe des Bundesrates bis 2050 erreichen, braucht es eine substanzielle Steigerung an energetischen Sanierungen.

Bauwirtschaft bewerkstelligt

Energie- und Rohstoffwende

Ob wir von der Erweiterung von Fernwärmenetzen, von höheren Staumauern, neuen Windturbinen, dem Bau von grossen Photovoltaikanlagen oder der energe-

tischen Sanierung von Häusern sprechen – für die Energiewende in unserem Land braucht es die Bauwirtschaft. Die Baubranche setzt sich zudem in vielfältiger Weise für die effiziente Nutzung aller Ressourcen ein. Der Kreislaufwirtschaft kommt in der Planung und Umsetzung von Gebäuden und Infrastrukturen eine hohe Bedeutung zu. Diverse Initiativen der Branche setzen alles daran, um die Kreislauffähigkeit von Sanierungen und Neubauten zu verbessern. Die für einen Bau notwendigen Primärressourcen sollen massiv reduziert bzw. durch Sekundärrohstoffe ersetzt werden.

Nachhaltiges Bauen ist nicht nur eine ökologische Notwendigkeit, sondern es bringt auch viele Vorteile und Chancen – auch für die Investoren und die künftigen Bewohnenden bzw. Nutzerinnen und Nutzer. Das sind gute Voraussetzungen dafür, dass auch eine 10-Millionen-Schweiz nachhaltig gebaut werden kann und die damit verbundenen Transformationen in der Gesellschaft auf Akzeptanz stossen. E

FACTS

Tag der Bauwirtschaft

Am Tag der Bauwirtschaft, der am 28. Juni 2024 in Zürich-Oerlikon stattfindet, steht die 10-Millionen-Schweiz im Fokus. Spannende Verknüpfungspunkte zwischen Nachhaltigkeit und baulicher Weiterentwicklung der Schweiz ziehen Gian-Luca Lardi, Zentralpräsident des Schweizerischen Baumeisterverbands, Martin Neukom, Baudirektor des Kantons Zürich, Martin Neff, Verwaltungsrat der Halter AG und Vizepräsident der Swiss Prime Anlagestiftung, sowie Pirmin Muff, CEO und Verwaltungsratspräsident der Emch+Berger WSB AG und Präsident der suisse.ing-Regionalgruppe Innerschweiz.

Gespannt sein darf man auch auf Umweltpionier Bertrand Piccard. Mit seiner Nonstop-Ballonfahrt rund um die Erde und mit seiner Weltumrundung mit dem Solarflugzeug sorgte er weltweit für Schlagzeilen. Heute berät er über seine Stiftung «Solar Impulse» politische und wirtschaftliche Entscheidungsträger und unterstützt diese in praktischen Lösungen für ein «sauberes Wirtschaftswachstum».

Der Tag der Bauwirtschaft bietet allen Interessierten weit über die Branche hinaus eine Plattform zur Diskussion und zum Austausch. www.tagderbauwirtschaft.ch

Schweizerischer Baumeisterverband SBV

Weinbergstrasse 49 / Postfach

8042 Zürich

Tel. 058 360 76 00

www.baumeister.ch

politik@baumeister.ch

Bertrand Piccard ist Abenteurer, Unternehmer, Botschafter für saubere Technologien und Referent am Tag der Bauwirtschaft 2024.
Nachhaltiges BAUEN 2024 Projekte & Innovationen 31
Je neuer ein Wohngebäude, desto höher die Energieeffizienz. copyright © by Daniele Lupini

MIT DEM

AFC LABEL-PRE-CHECK ZUR RICHTIGEN ZERTIFIZIERUNG.

Zertifikate für die Nachhaltigkeit von Gebäuden sind wertvoll – weil sie den Wert tatsächlich steigern. Doch das Angebot ist gross, kompliziert und komplex und das kann in die Irre führen. Ein Pre-Check der verschiedenen Labels lohnt sich also durchaus. Denn er sorgt für Überblick und stellt sicher, dass sich Anerkennungen auch auszahlen.

Der AFC Label-Pre-Check ist eine innovative Lösung, die Bauherren und Projektentwicklern eine gute Entscheidungsbasis für die Auswahl des passenden Nachhaltigkeitslabels bietet. Er evaluiert die spezifischen Merkmale und Zielsetzungen eines Bauvorhabens im Kontext der verfügbaren Zertifizierungssysteme wie zum Beispiel BREEAM, LEED, DGNB und Minergie.

Anerkannte Zertifizierungen, die zur Auswahl stehen.

Unter Berücksichtigung von Umweltaspekten, Energieeffizienz, Materialnutzung, sozialer Verantwortung und weiteren relevanten Kriterien ermöglicht der AFC Label-Pre-Check eine Empfehlung, die nicht nur auf die Erreichung der Nachhaltigkeitsziele fokussiert, sondern auch auf die Optimierung der Kosten-Nutzen-Relation im Bauprozess. Mit diesem Ansatz wird die ökologische Bilanz verbessert und die Gesundheit und das Wohlbefinden

der Nutzer gefördert. Gleichzeitig steigen der Marktwert und die Attraktivität des Projekts.

Durch Integration des AFC Label-PreCheck schon in die Planungsphase können Herausforderungen und Anforderungen frühzeitig identifiziert werden, was den

Prozess zur Erreichung des gewählten Nachhaltigkeitslabels vereinfacht und beschleunigt.

Der Arbeitsprozess.

Die Anforderungen des Bauherrn und weiterer Stakeholder des Projekts werden erfasst und daraus die Projektziele

Nachhaltiges BAUEN 2024 Projekte & Innovationen 32

Die AFC Bewertungs-Maps – Fokusanalyse verschiedener Labels.

FACTS

1995 als Spin-off der ETH gegründet, sind wir heute Marktführer für Klima, Sicherheit und Energie in Gebäuden und verfügen über ein Erfahrungspotenzial, das uns zum starken Partner bei der Entwicklung von nachhaltigen bauklimatischen Gesamtlösungen macht.

nach vorgegebenen Kriterien eruiert und verständlich zusammengefasst. Die Unterschiede und Eigenheiten der Labels und Standards werden systematisch verglichen, verdichtet und schliesslich einander in Hinsicht auf Kosten und Nutzen gegenübergestellt. Das Ergebnis des integrativen Workshops dient dann dem Projektteam und der Bauherrschaft als Entscheidungsgrundlage.

Green Spin Winterthur

Felix Partner Architektur strebt mit Green Spin® Winterthur eine Vision an, die auf 100 % Nachhaltigkeit und 100 % Arbeitsqualität beruht. Die Auswahl des Labels ist entscheidend und soll dem Projekt, das zwischen 2024 und 2026 realisiert wird, gerecht werden – und statt hoher Kosten die verdiente Wertsteigerung sichern. Dabei verlässt sich Felix Partner Architektur auf den AFC Label-Pre-Check.

Was AFC im Bereich Nachhaltigkeit anzubieten hat.

• Label-Auswahl, passend zu Projektanforderungen und Wertsteigerung.

• Zielorientiertes Gesamtkonzept Energie und Nachhaltigkeit.

• Optimierung einzelner Gewerke durch integrale Betrachtung.

• Keine überdimensionierten Anlagen (Lüftung, PV-Anlagen, Heizung usw.)

• weniger CO2-Emissionen bei der Erstellung im Vergleich zu herkömmlicher Bauweise.

Die Vorteile des AFC Label-Pre-Check auf einen Blick

• Massgeschneiderte Analyse zur Identifikation des optimalen Nachhaltigkeitslabels.

• Umfassende Prüfung und Bewertung, basierend auf Umwelt-, Energie- und Sozialstandards.

• Optimierung von Projektplanung und -durchführung im Hinblick auf Nachhaltigkeit.

• Klare Empfehlungen für die Zertifizierungswahl.

• Vermeidung unnötiger Planungsänderungen und -anpassungen.

• Wertvoller Beitrag zu umweltfreundlichen und sozial verantwortlichen Bauprojekten.

Wir begleiten Investoren, Bauherren, Architekten und Planer, die komplexe Bauprojekte optimal umsetzen wollen. Durch zielwertorientierte Konzeptentwicklungen planen und implementieren wir massgeschneiderte Konzepte und Systeme für Sicherheit, Komfort und Energie. Dank intelligenter Lösungen bringen wir Wirtschaftlichkeit, Ästhetik und Auflagen in Einklang. Unser Ziel dabei ist immer die Verbindung von Sicherheit, Brandschutz, Nachhaltigkeit und Energieeffizienz im Sinne des Gesamten.

«Anforderungen erkennen, verstehen und die optimalen Lösungsansätze finden. Innovativ sein mit geringstmöglichem Einsatz von Technologie zugunsten der Nachhaltigkeit. Das ist es, was zu effektiven Resultaten führt.»

Stefan Barp Bereichsleiter Energie + Nachhaltigkeit

Technoparkstrasse 1
Zürich
+41 58 450 00 00
Basel: Kohlenberg 7
AFC AG
CH-8005
T.
info@afc.ch www.afc.ch Standort
4051 Basel
Nachhaltiges BAUEN 2024 Projekte & Innovationen 33

«Wir müssen überschüssiges CO 2 wieder aus der Atmosphäre entfernen.»

Auf CO 2 bauen

Um unsere Klimaziele zu erreichen, müssen wir nicht nur unsere Treibhausgasemissionen eindämmen, sondern auch überschüssiges, vom Menschen verursachtes CO2 wieder aus der Atmosphäre entfernen. CO2 soll zur wertvollen Ressource werden – und das könnte vor allem die Bauindustrie interessieren.

Billige Energie in Form von Kohle, Erdöl und Erdgas ist seit dem 19. Jahrhundert der Katalysator für einen Entwicklungsschub, wie er in so kurzer Zeit in der Geschichte der Menschheit noch nie erfolgte – und der bis heute andauert. Die Produktivität ist förmlich explodiert, die Lebenserwartung in Europa ist um mehrere Jahrzehnte gestiegen. Gleichzeitig führte das rasante Wachstum aber auch zu einer Überbeanspruchung der natürlichen Ressourcen unseres Planeten. Die Folgen sind die schwindende Biodiversität und die Klimaerwärmung.

Mit dem Paris-Abkommen aus dem Jahr 2015 haben sich zahlreiche Staaten inklusive der Schweiz das Ziel gesetzt, ihre Treibhausgasemissionen bis 2050 auf Netto-Null zu senken. Um dies zu erreichen, müssen wir sowohl die Energieeffizienz zahlreicher Prozesse unseres gesamten Lebens deutlich steigern als auch fossile Energieträger durch erneuerbare Energien ersetzen. Einige Emissionen werden indes kaum zu verhindern sein. Um diese zu kompensieren – und unterm Strich tatsächlich bei Netto-Null zu landen –, sind Technologien und Prozesse, die negative Emissionen bewirken, unabdingbar. Netto-Null ist aber nur ein erster

Schritt: Nach 2050 müssen wir die CO2-Konzentration in der Atmosphäre jährlich um bis zu 10 Mrd. Tonnen reduzieren, um zu verhindern, dass es zu unumkehrbaren Veränderungen des Klimasystems mit ungewissen Konsequenzen kommt.

Gerade der Baubereich ist als einer der Hauptemittenten besonders in der Pflicht. Rund acht Prozent der globalen Treibhausgasemissionen werden alleine durch die Zement-Herstellung verursacht. Gleichzeitig keimen erste Bestrebungen, den Bausektor mit seinem massiven Ressourcenverbrauch als mögliche Kohlenstoffsenke zu nutzen. Was paradox klingt, gelingt dann, wenn wir beginnen, «mit CO2 zu bauen» – beziehungsweise den Kohlenstoff zur Herstellung von Baumaterialien zu verwenden und dadurch langfristig der Atmosphäre zu entziehen. Diese Idee ist Teil der gross angelegten Empa-Forschungsinitiative «Mining the Atmosphere»: Das vom Menschen verursachte überschüssige CO2 wird der Atmosphäre wieder entzogen und als Ausgangsmaterial für kohlenstoffhaltige Materialien verwendet. Diese nutzen wir dann möglichst lange in geschlossenen Kreisläufen, bevor sie in finalen Senken landen. So stellen wir eine Fixierung des Kohlenstoffs für mehr als 1000 Jahre sicher. Die dazu notwendige Entwicklung von Materialien und Prozessen fördert so letztlich den Übergang von einer CO2-emittierenden zu einer CO2-bindenden Gesellschaft. In einer ersten Phase fokussieren wir auf Massenprodukte mit dem Potenzial, Milliarden Tonnen Kohlenstoff zu binden. Dazu gehören etwa Kohlenstoff-basierte Zuschlagstoffe für Beton und Asphalt sowie thermische Isolationsmaterialien, die derzeit in den Empa-Labors entwickelt werden.

Damit die Vision einer CO2-bindenden Gesellschaft Realität wird, braucht es neben der wissenschaftlichen Vorarbeit auch reale Anwendungen, wie wir sie im Forschungs- und Innovationsgebäude NEST umsetzen können. So haben wir uns das Ziel gesetzt, in den nächsten Jahren ein ganzes Gebäudemodul mit stark CO2-reduzierten oder sogar CO2-negativen Baumaterialien zu erstellen. Die in diesem Rahmen geplante NEST-Unit trägt den klingenden Namen «Beyond Zero» – denn Netto-Null kann nur ein Zwischenschritt sein. E

Dr. Peter Richner ist stellvertretender Direktor, Departementsleiter «Ingenieurwissenschaften», Ko-Leiter Forschungsschwerpunkt «Nachhaltiges Bauen» und Verantwortlicher NEST bei der Empa. www.empa.ch

Nachhaltiges BAUEN 2024 Baustoffe 35

ERFOLGSFAKTOREN BIODIVERSITÄT UND BEGRÜNUNG

PSP Swiss Property setzt Massnahmen zur Begrünung ihrer städtischen Liegenschaften um und schafft so Lebensraum für Tiere und Pflanzen. Auch die Menschen profitieren davon.

Die bebaute Fläche in der Schweiz wächst, Kulturland wird zerstört, viele Pflanzen- und Tierarten sind vom Aussterben bedroht. In den Städten wird es als Folge des Klimawandels und der zunehmend asphaltierten und zubetonierten Flächen immer heisser. Die Stadt Zürich hat sich deshalb das Ziel gesetzt, 15 Prozent des Siedlungsgebiets bis 2040 ökologisch aufzuwerten – das entspricht einer Fläche von 300 Fussballfeldern.

Eigentümer von zentralen städtischen Liegenschaften wie PSP Swiss Property können bei der Erreichung dieses Ziels eine wichtige Rolle spielen und so dem Verlust von Biodiversität und der Entwicklung von Hitzeinseln in der Stadt entgegenwirken. Es ist erklärtes Ziel von PSP Swiss Property, das Potenzial zur Förderung der Biodiversität besser auszuschöpfen – durch gezielte ökologische Aufwertung von Liegenschaftsumgebungen, Terrassen, Fassaden und Dächern.

Vielfalt fördern und Hitzeinseln entgegenwirken Bei einer Begrünung mit Augenmerk auf Biodiversität geht es nicht darum, einfach mehr «grün» zu pflanzen, sondern ganz bewusst eine artenreiche Bepflanzung mit klimaresilienten, einheimischen Pflanzen umzusetzen. Weiter werden wo möglich Kleinstrukturen geschaffen, welche Lebensraum für Tiere bieten und auch Nützlinge und seltene Arten fördern können. So finden unter anderem Reptilien idealen Unterschlupf.

Ziel des Begrünungsprojektes 2023 bei der PSP-Geschäftsstelle Zürich war es, eine gute Vorlage für weitere Umgebungsarbeiten im PSP-Portfolio zu schaffen. Es galt dabei, einerseits Kriterien zur Förderung der Biodiversität umzusetzen und andererseits eine einladende Begrünung zu schaffen, welche die Umgebung auch optisch aufwertet.

In einer Standortanalyse wurden neben dem aktuellen ökologischen Wert der Gebäudeumgebung auch Naturwerte in der Umgebung analysiert wie Niststandorte für Mauersegler, das Vorkommen von Tier- und Pflanzenarten, welche für eine Umgebungsgestaltung relevant sind, oder das Vorhandensein von Vernetzungsachsen. Das darauf aufbauende Aufwertungskonzept beinhaltete eine Bepflanzung mit einheimischen Pflanzen und die

Bereitstellung von Ruderalflächen für Pioniervegetation. Das Resultat trägt nicht nur zur biologischen Vielfalt bei, sondern wirkt inspirierend auf die Nutzerinnen und Nutzer der Liegenschaft sowie Passanten.

Verständnis für die Ästhetik einer naturnahen Umgebung entwickeln «Die Umgebung der Geschäftsstelle Zürich hat sich von einer eintönigen, wenig einladenden Wüste in eine Augenweide für Menschen und zu einem neuen Lebensraum für Pflanzen und Tiere verwandelt», meint Agathe Bolli, Leiterin Nachhaltigkeit bei PSP Swiss Property. Die Erkenntnisse aus diesem Aufwertungsprojekt werden nun an die Mitarbeitenden weitergegeben. Die Herausforderung bei der Begrünung der meist städtischen PSP-Liegenschaften sind laut Thomas

Ziel des Begrünungsprojektes 2023 bei der PSP-Geschäftsstelle an der Seestrasse 353 in Zürich war es, eine gute Vorlage für weitere Umgebungsarbeiten im PSP-Portfolio zu schaffen. Nachhaltiges BAUEN 2024 Baustoffe 36

FACTS

PSP Swiss Property

PSP Swiss Property gehört zu den führenden Immobiliengesellschaften der Schweiz. Das Unternehmen besitzt ein Immobilienportfolio im Wert von rund 9.6 Milliarden Schweizer Franken. Dabei handelt es sich grösstenteils um Büro- und Geschäftshäuser an erstklassigen Lagen in den wichtigsten Wirtschaftszentren der Schweiz. Die rund 120 Mitarbeitenden verteilen sich auf die Standorte Basel, Genf, Zug und Zürich.

Kraft, Asset Manager bei PSP Swiss Property, oft «die geringen Aussenflächen sowie anspruchsvolle Mieter». Es gilt hierbei auch, Verständnis für die Ästhetik einer naturnahen Umgebung zu entwickeln und es an Bewirtschafter, die Hauswarte, aber auch an die Mieter weiterzugeben.

Dass man erfolgreich biodivers begrünen kann, hat PSP Swiss Property auch schon

Mittagszeit, aber auch als erweiterter Arbeitsraum. Oder die Förrlibuckstrasse 10 in Zürich, wo mit der Wädenswiler Staudenmischung (ZHAW) «Sommerwind» gearbeitet wurde, die zu jeder Jahreszeit ein neues Erscheinungsbild hervorzaubert. Auch wenn die Korrelation nicht immer eindeutig nachgewiesen werden kann, scheint eine ansprechende Begrünung sich positiv auf den Vermietungs-

«Im Jahr 2011 lag der Leerstand der Liegenschaft

Förrlibuckstrasse 10 bei 35 %. Nach der Umgestaltung lag er bei 2 %.»

Thomas Kraft, Asset Manager bei PSP Swiss Property

in der Vergangenheit bewiesen. So ist die begrünte Dachterrasse der ATMOS-Liegenschaft in Zürich bei den Nutzerinnen und Nutzern sehr beliebt, sei es über die

stand und das Wohlbefinden der Nutzerinnen und Nutzer auszuwirken. Es sprechen demzufolge auch wirtschaftliche Gründe für Begrünungsprojekte. E

Die Umgebung der Geschäftsstelle hat sich zu einem neuen Lebensraum für Pflanzen und Tiere gewandelt.

Agathe Bolli ist Leiterin Nachhaltigkeit bei PSP Swiss Property und kümmert sich um die Koordination der verschiedenen Nachhaltigkeitsaktivitäten sowie die Nachhaltigkeitsberichterstattung.

PSP Swiss Property AG Kolinplatz 2

6300 Zug

Tel. +41 41 728 04 04

www.psp.info

info@psp.info

Die ATMOS-Liegenschaft in Zürich-West verfügt über einen vielfältig begrünten öffentlichen Platz vor der Liegenschaft mit einem Café und dem Pavillon.
Nachhaltiges BAUEN 2024 Baustoffe 37
«Zielkonflikte bei der Nutzung und Gestaltung der Gebäudehülle abwägen.»

Gebäudehülle: Spannungsfelder Klimaschutz

Eine durchdachte Gebäudehülle trägt entscheidend zur Energieeffizienz und zum Klimaschutz bei. Wenn bereits zu Beginn Ziel- und Nutzungskonflikte dieser Hülle diskutiert und je nach Standort und Projekt Prioritäten gesetzt werden, leistet sie gleichermassen einen Beitrag zu Klimaschutz und Wohlbefinden.

Minergie hat 2023 in vier Bereichen die Anforderungen erhöht in Sachen Klimaschutz, Effizienz und Komfort: mehr erneuerbare Energie aus Eigenstromproduktion, Anpassung des sommerlichen Wärmeschutzes an die zunehmend heisseren Temperaturen, Minimierung der Treibhausgasemissionen (THGE) in der Erstellung und eine Reduktion des Heizwärmebedarfs durch solare Gewinne und eine gute Dämmung. Wer alles miteinander verbinden will, muss verschiedene Zielkonflikte abwägen, welche die Nutzung und Gestaltung der Gebäudehülle betreffen.

Alleskönnerin Fassade

Zur Hülle gehören das Dach, die Fassade mit den Fensterflächen, der Boden und die Aussentüren. Vor allem die Nutzung der Fassade kann zu Spannungsfeldern führen: mehr Photovoltaik oder grosse Fenster mit viel Tageslicht? Passive Energiegewinne maximieren im Winter – oder minimieren zwecks Hitzeminderung im Sommer? Solche Zielkonflikte gilt es, mit Fakten und Berechnungen zu unterlegen auf Grundlage der neuesten Technologien und Materialien. Und durch Priorisierungen bereits in der Planungsphase bewusst zu gewichten.

Erneuerbare Energie, Tageslicht, graue THGE und Sommerhitze

Die THGE in der Erstellung von Gebäuden sind ein wichtiges Thema, besonders im Hinblick auf die Diskussion um «NettoNull». Trotzdem ist der Zielkonflikt zwischen THGE-Reduktion und guter Dämmung nicht unbedingt schwarz-weiss. Denn Dämmstoffe haben in der Gesamtbilanz der THGE einen sehr kleinen Anteil und wegen der effizienten Hülle muss während der Betriebsjahre weniger Energie zugeführt werden. So amortisiert sich der Energiebedarf für die Herstellung der Dämmstoffe rasch. Zudem gibt es viele umweltfreundliche Dämmstoffe zur Auswahl.

Die Balance zwischen Tageslicht und angenehmen Temperaturen im Sommer ist eine Herausforderung. Viel Masse und kleinere Fenster helfen für einen effektiven sommerlichen Wärmeschutz, bedeuten aber meist mehr Material und dadurch

mehr THGE. Bei der Entscheidung muss sorgfältig abgewogen werden, was wichtiger ist – oder ob alternative Kühlungsmethoden wie Kühlen mit Sonnenstrom in Betracht gezogen werden sollen.

Das Spannungsfeld zwischen Energieproduktion an der Fassade und passiven solaren Einträgen im Winter ist ebenfalls zu beachten. Oft werden die passiven Wärmegewinne im Winter überschätzt, da Vorhänge oder Storen zum Blendschutz geschlossen werden und so die solaren Einträge begrenzen. Der Verzicht auf bodentiefe Fenster kann die Überhitzung reduzieren und ermöglicht mehr Photovoltaik in der Fassade.

Sonne und Grün auf dem Dach

Eine Dachbegrünung ist gut für die Artenvielfalt und den Hitzeschutz. Sie wirkt sich positiv auf das Raumklima des darunter liegenden Gebäudes aus und reduziert den Heiz- resp. Kühlbedarf. Für einen optimierten Klimaschutz ist jedoch die maximale Ausnutzung der Dachfläche für Photovoltaik oder Solarthermie hoch zu gewichten. Diese zwei Nutzen gilt es gegeneinander abzuwägen. Es gibt viele gute Lösungen, die Photovoltaik und Begrünung miteinander verbinden.

Optimierung durch frühzeitiges Gesamtbild

Die Gebäudehülle schützt vor Witterung, ist energieeffizient, gleicht Temperaturen aus, produziert erneuerbare Energie und lässt Tageslicht ins Innere. Gerade so viel, dass die solaren Einträge im Winter und der Hitzeschutz im Sommer gut austariert sind. Sie erfreut durch Ästhetik und ihre Materialisierung, Rückbaubarkeit und Trennbarkeit entsprechen den zukunftstauglichen Bedürfnissen der Kreislaufwirtschaft. Dafür müssen frühzeitig gut überlegte Prioritäten gesetzt werden je nach Standort und Projekt. Dabei geht es nie um richtig oder falsch, sondern um eine auf Projekt und Standort zugeschnittene Optimierung. E

Robert Minovsky ist Leiter Technik beim Verein Minergie und hat davor das Zertifizierungs-Zentrum in Basel geleitet. Früher war er planend in der Privatwirtschaft im Bereich HLK und Gebäudeautomation tätig. Robert Minovsky ist HLK-Ingenieur HTL mit einem CAS in Bauphysik. www.minergie.ch

Nachhaltiges BAUEN 2024 Gebäudehülle & Innenausbau 39

DAS BLAUE TOR ZUR ZUKUNFT

Nach 24 Jahren wurde im Frühling 2023 in einem Mehrfamilienhaus in Bitsch VS die alte Ölheizung durch eine moderne Sole-Wasser-Wärmepumpe von Oertli ersetzt. Gleichzeitig ist hier auch das neue SmartGuard 2.0 im Einsatz.

Im neuen Heizkeller eines Mehrfamilienhauses in Bitsch steht seit dem Frühling 2023 eine moderne Sole-Wasser-Wärmepumpe Oertli SI-GEO SQ. Obwohl alle neuen Bestandteile der Anlage fast um die Wette glänzen, ist es ein elegantes blaues Objekt an der Wand, welches die Blicke auf sich zieht – und es ist eines der Ersten seiner Art in der Schweiz, die installiert wurden. «Es handelt sich um unser neues SmartGuard-2.0-Gateway, über das die Wärmepumpe wie über ein Tor mit unserer Fernmeldezentrale verbunden ist», sagt Leander Tscherrig, Verkaufsbe-

rater bei Meier Tobler, nicht ohne Stolz. «Wir haben das System weiterentwickelt und können nun unseren Kundinnen und Kunden eine noch bessere Version dieses Online-Diagnostik-Tools anbieten.»

Aus der Ferne betreut Über SmartGuard wird die Wärmepumpe aus der Ferne nicht nur laufend im Auge behalten, sondern auch gesteuert. Zum Einsatz kommt die hocheffiziente Sole-Wasser-Wärmepumpe von Oertli mit einer Heizleistung von 28.8 Kilowatt. Bei einer Vorlauftemperatur von 60 Grad

ermöglicht sie dank modernster Inverter-Technologie eine stufenlose Leistungsanpassung. Die Wärmepumpe ist über sieben je 100 Meter lange Erdsonden mit dem Erdreich verbunden und sorgt hier nun umweltfreundlich für Heizenergie und Warmwasser. Sie ersetzt die alte Ölheizung.

Paul Jossen hat das Mehrfamilienhaus in Bitsch VS vor 24 Jahren gebaut, sechs Parteien an Eigentümerinnen und Eigentümern bewohnen es. Er selbst lebt mit seiner Frau gleich nebenan in seinem Einfamilienhaus. Noch immer steht er als Verwalter im Einsatz und war dabei auch stark mitprägend bei der Sanierung der Heizanlage. «Drei Jahre lang war die Eigentümergemeinschaft intensiv daran, die Sanierung der Heizung zu besprechen –und schliesslich auch umzusetzen.» Paul Jossen hatte dabei unter der Eigentümergemeinschaft gleich einen Experten, seinen Schwiegersohn Christoph Wiesner, der bei Meier Tobler als Servicetechniker im Einsatz steht.

Fördergelder von Gemeinde und Kanton Christoph Wiesner bestätigt, dass verschiedene Optionen für den Heizungsersatz angeschaut wurden. «Eine Lösung mit Pellets war auch ein Thema. Allerdings gibt es hier im Wallis dafür nur Fördergelder, wenn die Anlage in einem Haus eingebaut wird, das über 800 Meter über dem Meer liegt – und das ist bei uns gerade nicht der Fall.» Auf der anderen Seite sei die Situation in Bezug auf Fördergelder beim Ein-

Nachhaltiges BAUEN 2024 40 Gebäudehülle & Innenausbau
Christoph Wiesner bei der Inbetriebnahme von SmartGuard

bau einer Wärmepumpe so attraktiv gewesen, dass dies genutzt werden musste. Sein Schwiegervater Paul Jossen erklärt: «Vom Kanton und von der Gemeinde haben wir so viel Unterstützung erhalten, dass rund die Hälfte der Investitionen gedeckt werden konnte.»

Für die Inbetriebnahme der Wärmepumpe kam Christoph Wiesner nach dem Abschluss der Installation durch Pascal Schmid und sein Team der Schmid Haustechnik AG aus Visp selbst zum Einsatz. Einen halben Tag habe er dafür gebraucht, sagt er.

Neu auch kühlen

Die neue Wärmepumpe bringt aber nicht nur modernen Heizkomfort, sondern sorgt

im Sommer auch für eine angenehme Kühlung – zum Einsatz komme das sogenannte Free Cooling. «Hier in Bitsch sind wir an einer sonnigen Lage, wo es im Sommer über eine längere Zeit hinweg heiss wird», sagt Paul Jossen.

Und schon richtet sich der Blick von Paul Jossen und seinem Schwiegersohn Richtung Zukunft respektive Himmel. «In einem nächsten Schritt wollen wir auf dem Giebeldach eine Photovoltaikanlage installieren», verrät Christoph Wiesner. Bereits habe er Offerten eingeholt, die vielversprechend seien. «Mit einer Anlage mit rund 46.5 Kilowatt Peak und einer 23-Kilowatt-Batterie könnten wir etwa 52 Prozent unseres Bedarfs selbst produzieren.» E

FACTS

«Meier Tobler – einfach Haustechnik»

Meier Tobler ist ein auf den Schweizer Markt fokussierter Haustechnik-Anbieter.

Das Unternehmen wurde 1937 gegründet und beschäftigt heute rund 1300 Mitarbeitende. Die Aktien von Meier Tobler sind an der SIX Swiss Exchange kotiert.

Meier Tobler ist spezialisiert auf Wärmeerzeugung, Klimasysteme, Service und Wartung sowie auf den Vertrieb von Handelsprodukten für die Schweizer Haustechnikbranche.

In Oberbuchsiten steht das neue Dienstleistungscenter (DCO) von Meier Tobler. Neben der Versorgung der InstallateurKundschaft sorgt das DCO auch für Nachschub in den 47 Marché-Abholmärkten und bei den rund 400 Servicetechnikern von Meier Tobler.

Meier Tobler AG

Bahnstrasse 24

8603 Schwerzenbach

T. 0800 846 800

meiertobler.ch

Freuen sich über die gelungene Investition: Paul Jossen, Christoph Wiesner, Leander Tscherrig und Pascal Schmid Christoph Wiesner, Servicetechniker bei Meier Tobler, gibt seinem Schwiegervater Paul Jossen aus erster Hand Informationen, wie SmartGuard und die Meier Tobler App funktionieren.
Nachhaltiges BAUEN 2024 41 Gebäudehülle & Innenausbau

BEWERTEN SIE IHR GEBÄUDE MIT

ABS-IMMOIMPACT

Nachhaltigkeit ist für die Alternative Bank Schweiz auch bei der Finanzierung von Liegenschaften zentral. Das neue Online-Tool der sozial-ökologischen Bank bringt den Kundinnen und Kunden rasch Transparenz.

Wer eine Hypothek sucht, will schnell Klarheit darüber haben, ob und zu welchen Konditionen diese gewährt wird. Die Alternative Bank Schweiz (ABS) ermöglicht Eigentümerinnen und Eigentümern von besonders nachhaltigen Objekten einer Zinsvergünstigung. Natürlich analysieren auch bei der ABS Fachleute jedes Gebäude im Detail, bevor es zu einer Kreditvergabe kommt. Doch häufig reicht schon eine erste kurze Einschätzung, um zu erkennen, wie nachhaltig ein Gebäude ist. Zu diesem Zweck hat die ABS nun das Instrument «ABS-ImmoImpact» entwickelt. Das Tool steht online frei zur Verfügung und setzt kein Fachwissen voraus. Wer es anwendet, muss

einzig die relevanten Gebäudedaten zur Hand haben und kann geplante Renovationen, die in den kommenden fünf Jahren geplant sind, für die Bewertung berücksichtigen. Das Beantworten der Fragen dauert etwa 15 Minuten. Das provisorische Ergebnis liegt direkt im Anschluss vor.

Sechs Bereiche zur Messung der Nachhaltigkeit

Bei der Beurteilung des Gebäudes ist die Art der Energieversorgung zwar wichtig, für die ABS aber nicht der alleinige Parameter, um die Nachhaltigkeit zu messen. Die weiteren fünf wichtigen Faktoren sind Bauökologie, Standort, die Art der

Gebäudenutzung, die Wirtschaftlichkeit und Aspekte der Innovation. In jedem der sechs Bereiche können im ABS-ImmoImpact je maximal zehn Punkte erreicht werden. Ab 15 Punkten ist bereits eine Zinssatzreduktion möglich. Mit 30 respektive 45 Punkten erreicht man zwei weitere Stufen, die eine zusätzliche Vergünstigung der Hypothek zur Folge haben. Zwingend ist, dass in den beiden Umweltbereichen Energie und Bauökologie je mindestens zwei Punkte erreicht werden, um eine Zinsvergünstigung erhalten zu können.

Beim ersten Kriterium Betriebsenergie gibt die Anwenderin oder der Anwender an, ob es sich um ein bestehendes Objekt, ein Renovierungsprojekt oder um einen Neubau handelt. Dabei kann man spielerisch das Heizsystem wechseln. Das Ergebnis zeigt dann, wie sich eine Erneuerung auf die Punktzahl auswirkt.

Die Bauökologie berücksichtigt die Qualität der verwendeten Materialien und die graue Energie, die darin steckt. Das Tool legt den Akzent auf die Aussen- und Innenverkleidung und fragt ab, welches Isolationsmaterial zur Anwendung kommt und wie die Struktur des Gebäudes beschaffen ist.

Weiter analysiert ABS-ImmoImpact die Lage: Die Daten zur spezifischen Liegenschaft werden aufgrund der angegebenen Adresse direkt aus dem bei ABS eingesetzten Immobilienbewertungssystem be-

Gebäudehülle & Innenausbau Nachhaltiges BAUEN 2024 42 Zertifikat ABS-ImmoImpact

zogen. Dieses Rating der Mikrolage ergibt maximal 5 Punkte. Weitere 5 Punkte können sich aus der Antwort bezüglich Beitrag zur Zersiedelung ergeben.

Bei der Nutzung steht die Flexibilität im Vordergrund. Denn sowohl ökologisch als auch wirtschaftlich und sozial ist es von Vorteil, wenn die Nutzung des Gebäudes bei Bedarf verändert werden kann. Je nach Flexibilität der Konstruktion respektive der Einrichtung werden je maximal 5 Punkten vergeben.

Die Wirtschaftlichkeit muss für die Beurteilung ebenfalls gegeben sein. ABS-ImmoImpact vergleicht dabei den Verschuldungsgrad mit dem durchschnittlichen Alter der Gebäudeteile. Sébastien Volery von der ABS begründet dies so: «Nach einem Liegenschaftskauf eines renovationsbedürftigen Objektes, müssen noch genügend finanzielle Mittel oder finanzieller Spielraum vorhanden sein, um eine Sanierung umzusetzen.»

Bei der letzten Rubrik Innovation wird abgefragt, ob es Ideen und Anstrengungen gibt, welche die Nachhaltigkeit und das Gemeinwohl fördern. Belohnt werden beispielsweise Carsharing auf Ge-

bäudeebene, Biodiversität im Garten oder die nachhaltige Wasserbewirtschaftung.

Beratungsgespräch für Vergabe einer Hypothek

Das Online-Tool ist ein niederschwelliges Instrument für Hypothekenehmerinnen und -nehmer. Es ermöglicht, ohne Beizug von Fachleuten eine erste Grobeinschätzung vorzunehmen und ein provisorisches Zertifikat auszustellen. Nach diesem ersten Schritt stehen die Immobilienberaterinnen und Immobilienberater der ABS ihrer Kundschaft oder potenziellen Kundschaft für ein persönliches Beratungsgespräch zur Verfügung, um die Daten zu verfeinern, damit ein definitives Zertifikat ausgestellt werden kann. Dieses wird zusammen mit anderen Kriterien als Basis für die Vergabe der Hypothek und der Preisgestaltung beigezogen.

Bewertungen mit dem neuen Online-Tool «ABS-ImmoImpact» sind ab dem 2. Quartal unter abs.ch/immoimpact möglich. E

FACTS

Die ABS: sozial, ökologisch und transparent seit bald 35 Jahren

Die ABS finanziert mit dem Geld ihrer Kundinnen und Kunden langfristig Projekte und Unternehmen, die sozial und ökologisch ausgerichtet sind. Sie setzt sich auf verschiedenen Ebenen dafür ein, gesellschaftliche Veränderungen zu bewirken.

Auf Basis ihrer ethischen Grundsätze bietet die ABS in der ganzen Schweiz die üblichen Dienstleistungen einer Anlage-, Spar- und Kreditbank an.

Als sozial und ökologisch orientierte Bank verzichtet die ABS auf Gewinnmaximierung und stellt ihre ethischen Grundsätze konsequent in den Vordergrund.

Die Alternative Bank Schweiz (ABS) betreut mehr als 44 000 Kundinnen und Kunden, die der Bank 2023 insgesamt 2,165 Milliarden Franken anvertrauten.

Sébastien Volery Immobilienfinanzierung Romandie

Raphael Scheidegger

Immobilienfinanzierung Deutschschweiz und Tessin

Bank Schweiz AG
21
Olten
062 206 16 16
contact@abs.ch
Alternative
Amthausquai
4600
Tel.
www.abs.ch
Gebäudehülle & Innenausbau Nachhaltiges BAUEN 2024 43
«Der

komplette Ausstieg aus der fossilen Wärmeversorgung bis 2050 ist möglich.»

Die Bedeutung von erneuerbarer Wärme und Kälte in Gebäuden

Familie Schweizer heizt mehrheitlich noch immer mit Öl und Gas. Dabei hat die Transformation des Gebäudeparks inzwischen nicht mehr nur klimatische, sondern auch geopolitische Dringlichkeit. Die gute Nachricht: Ein kompletter Ausstieg aus der fossilen Wärmeversorgung bis 2050 ist möglich und finanzierbar.

Die Treibhausgas-Emissionen müssen rasch und stark reduziert werden, darüber besteht in der Schweiz und international Konsens. Um die Ziele des Klimaabkommens von Paris und Netto-Null 2050 des Bundesrats zu erreichen, muss der Wärme- und Kältesektor bis 2050 vollständig dekarbonisiert werden. Im Klartext: Die Bereitstellung von Wärme und Kälte im Gebäudebereich muss weitestgehend ohne fossile Energien erfolgen. Denn ein Drittel der Schweizer CO2-Emissionen stammt aus dem Schweizer Gebäudepark.

Die Energieversorgung der Schweiz ist jedoch mit einem Importanteil von mehr als 70 % noch immer durch eine hohe Auslandsabhängigkeit geprägt. Dazu gehören alle Erdölprodukte, Erdgas sowie Kernbrennstoffe. Für diese Importe bezahlt die Schweiz im Durchschnitt jährlich 13 Milliarden Franken in politisch instabile und meist autoritär regierte Staaten. Zu den bedeutendsten Erdöllieferanten der Schweiz gehören Länder wie Nigeria, Libyen oder Kasachstan. Erdgas stammte bisher fast zur Hälfte aus Russland. Eine folgenschwere Abhängigkeit, wie Europa schmerzlich erfahren musste. Putins Angriffskrieg auf die Ukraine hat uns einmal mehr vor Augen geführt, wer in einer «Dealer-Junkie-Beziehung» – zumindest bis die Entzugskur geschafft ist – am längeren Hebel sitzt.

Vor diesem Hintergrund sind erneuerbare Wärme und Kälte in Gebäuden nicht nur unabdingbare Investitionen in den Klimaschutz, sondern gleichermassen in die geopolitische Stabilität, in die Versorgungssicherheit und damit in die inländische Wert-

schöpfung. Dabei spielt die Ausprägung der politischen Rahmenbedingungen nur eine untergeordnete Rolle. Denn ob mehr auf Anreize oder auf Vorschriften gesetzt wird, ist nicht matchentscheidend – in beiden Szenarien ist die vollständige Umstellung auf eine erneuerbare und CO2-neutrale Wärme- und Kälteversorgung in der Schweiz möglich. Nebst der Effizienzsteigerung auf allen Ebenen kommt dem Wechsel von fossilen auf erneuerbare Energien die entscheidendste Bedeutung zu. Und ein solcher Wechsel ist in den meisten Bereichen kosteneffizient umsetzbar. Die Dekarbonisierung des Wärme- und Kältesektors führt in der Übergangsphase bis 2050 zu jährlichen Investitionen von rund 1.5 Milliarden Franken. Das entspricht etwas mehr als 1/10 dessen, was wir jährlich für Erdöl, Erdgas und Kernbrennstoffe ins Ausland senden. Die Investition in die Dekarbonisierung stützt nicht nur die Schweizer Wirtschaft, sondern macht auch die Bevölkerung nach und nach unabhängiger und entlastet damit mittelfristig jeden Einzelnen von uns finanziell.

Das Engagement für erneuerbare Energien und Energieeffizienz hat bei suissetec eine lange Tradition. Bereits 2008 – als sich noch die wenigsten damit befassten – hat suissetec eines der ersten Beratungs-Tools lanciert. Heute sind die erneuerbaren Energien integraler Bestandteil der Berufslehren, Weiterbildungen und der täglichen Arbeit der Gebäudetechniker. Wir, die Gebäudetechniker, sind also nicht nur Macher der Energiewende, Lieferanten der wichtigsten Lebensmittel sauberes Wasser und frische Luft oder Behaglichkeitsspender, sondern im weitesten Sinne auch Friedensförderer. Eine Kombination, die ihresgleichen auf dem Berufsmarkt vergeblich sucht. In diesem Kontext kann die Bedeutung von erneuerbarer Wärme und Kälte in Gebäuden nicht hoch genug eingestuft werden. E

Christoph Schaer ist Direktor des Schweizerisch-Liechtensteinischen Gebäudetechnikverbands (suissetec). Er hat die operative Gesamtverantwortung und ist zuständig für die Dachverbände und internationale Beziehungen.

www.suissetec.ch

Nachhaltiges BAUEN 2024 Energie 45

INTEGRALE ENERGIELÖSUNG FÜR 52 MIETWOHNUNGEN IN KLOTEN

Die Energielösung der Überbauung Arrivo in Kloten umfasst Wärme, Solarstrom, Elektromobilität und praktische Verwaltungslösungen für 52 Mietwohnungen. Das schweizweit tätige Unternehmen Energie 360° hat die Lösung geplant, realisiert, finanziert und betreibt sie auch.

Es ist eine Frage, die sich derzeit viele Eigentümerinnen und Eigentümer von Gebäuden und Arealen stellen: Wie mache ich meine Immobilie fit für die neue Energiewelt von morgen? Diese wird einerseits gekennzeichnet sein durch eine vielfältige, dezentrale Stromproduktion mit erneuerbaren Energien und andererseits durch einen steigenden Stromverbrauch wegen des Umstiegs auf Elektromobilität und Wärmepumpen. Produktions- und Lastspitzen im Stromnetz werden grösser und unvorhersehbar. Die Energiewende bietet aber auch eine Chance: Elektrofahrzeuge lassen sich als fahrende Speicher nutzen und grosse Verbraucher wie Wärmepumpen und Ladestationen können dazu beitragen, das Stromnetz zu stabilisieren, wenn sie intelligent gesteuert werden.

Energie 360°, mit Sitz in Zürich und Lausanne, konzipierte und realisierte eine CO2-neutrale Wärmelösung mit ei-

ner Grundwasser-Wärmepumpe sowie Solarstrom vom eigenen Dach. Es sollte möglichst die gesamte Dachfläche für PV-Module genutzt werden. Dank des Zusammenschlusses zum Eigenverbrauch (ZEV) und der Steuerung von Smart Energy Link (SEL), einer Tochtergesellschaft von Energie 360°, wird der Solarstrom optimal eingesetzt.

Ein innovatives

Energiekonzept

Das Energiesystem der Überbauung Arrivo ist ein Vorzeigeprojekt. Energie 360° hat auf Basis erneuerbarer Energie eine maximal nachhaltige, integrale Energielösung entwickelt und realisiert. Sie verbindet Strom, Wärme und Mobilität. Die Wärmeerzeugung erfolgt pro Haus durch eine Grundwasser-Wärmepumpe. Das Grundwasser wird mittels Förderpumpe gewonnen, gibt seine Wärme an einen Zwischenkreislauf ab und versickert wieder. Via Zwischenkreislauf geht die gewonnene Energie auf den Verdampfer

der Wärmepumpe über. Um die Sperrzeiten des lokalen Netzbetreibers zu überbrücken und die Effizienz zu steigern, ist für die Wärmepumpen zusätzlich ein 800-Liter-Energiespeicher ins System eingebunden. Die Wärmeverteilung in den Wohnungen erfolgt über konventionelle Bodenheizungen. Zudem umfassen die Gebäude eine energiesparende Komfortlüftung.

Solarstrom für Eigenverbrauch

Diese Wärmelösung ist CO2-neutral, weil die Wärmepumpen mit eigenem Solarstrom betrieben werden. Dazu hat Energie 360° die Dachflächen der drei Gebäude bestmöglich für die Installation von Solarpanels ausgenutzt. Durch die Bildung eines Zusammenschlusses zum Eigenverbrauch (ZEV) geht der Solarstrom zu einem attraktiven Preis direkt an die Mieterinnen und Mieter. Die intelligente Steuerung von SEL sorgt dafür, dass der Strom optimal eingesetzt wird.

Nachhaltiges BAUEN 2024 Energie 46

Intelligente Steuerung

Dazu erfasst die Steuerungseinheit von SEL kontinuierlich die Stromerzeugung der Solaranlagen und den Stromverbrauch der Wohnungen, der sechs Elektroauto-Ladestationen und für den Allgemeinstrom. Bei einem Überschuss an Solarstrom werden die Ladestationen und die Wärmepumpen mit voller Leistung betrieben, die Temperatur der Warmwasserspeicher überhöht und die Module des zusätzlichen Second-Life-Batteriespeichers geladen. Die Mitglieder des ZEV können durch ihr Verhalten den Eigenverbrauchsgrad weiter erhöhen. Möglich macht es die Überschuss-Ampel im Kundenportal von SEL. Steht diese auf Grün, wissen die Mieterinnen und Mieter: Jetzt ist der perfekte Zeitpunkt, um nicht automatisch gesteuerte Geräte wie Waschmaschine und Tumbler manuell einzuschalten. Das intelligente Energiemanagement der Überbauung Arrivo optimiert nicht nur den Eigenverbrauch, sondern

reduziert auch die Lastspitzen (Peak Shaving) und damit die Netzanschlusskosten. Unter anderem werden die Wärmepumpen gesperrt, sobald das Peak Limit am Netzanschluss überschritten wird.

SmartGrid-ready-Pilotprojekt

Dank ihres vorbildlichen Energiekonzepts wurde die Überbauung Arrivo als eines der ersten Areale in der Schweiz mit dem SmartGrid-ready-Label Building & Campus als Pilotprojekt deklariert. Dieses Label erlangen Gebäude oder Areale, die bei Energiemanagement, Lastmanagement und Austausch mit dem Verteilnetz weit fortgeschritten sind. Zudem bestätigt das Label: Die Überbauung Arrivo verfügt über die technologische Grundausstattung und die nötige Transparenz zu den Energieflüssen, um den Betrieb des Energiesystems und somit die Betriebskosten zu optimieren. E

FACTS

Fakten zum Bau

Objekt: Rätschengässli, Kloten Bauprojekt: 52 Wohnungen auf grüner Wiese mittels Gestaltungsplan (Sonderbauvorschrift)

Architektur: Pfister + Koller Architekturbüro + Verwaltungen AG, Kloten

Energiekonzept: Energie 360°

Heizung: Ökologisches Heizsystem

Volumen: 30 000 m3 umbauter Raum

Bauphase: 17 Monate

Über Energie 360°

Energie 360° macht nachhaltige Energie in der ganzen Schweiz nutzbar. Rund 400 Mitarbeitende engagieren sich gemeinsam mit Kund*innen, Partnern und Gemeinden für erneuerbare Energie und ökologische Mobilität. Das Unternehmen mit Sitz in Zürich und Lausanne plant, baut und betreibt Energielösungen, investiert in Elektroladestationen und ist führend bei Biogas, Solaranlagen und Holzpellets. So leistet Energie 360° Tag für Tag einen Beitrag zur Umsetzung des Netto-NullZiels – hier und jetzt für die kommenden Generationen.

Tobias Meier

Leiter Entwicklung Areallösungen

Energie 360°

Energie 360° AG

Aargauerstrasse 182

8048 Zürich

energie360.ch

Nachhaltiges BAUEN 2024 Energie 47
«Bestandsbauten

als wertvolle Ressource verstehen.»

Hoch lebe der Gebäudebestand

Die Bedeutung einer Transformation des Gebäudebestandes im Sinne der Nachhaltigkeit.

Wenn ich mit befreundeten Architektinnen und Architekten über Nachhaltigkeit im Baubereich diskutiere, kommt oft das Argument: Gute Architektur ist auf Hunderte von Jahren ausgelegt und dies ist nachhaltig. Leider sieht die Realität anders aus: In vielen grösseren Städten in der Schweiz werden ganze Stadtquartiere in den nächsten 20 Jahren neu gebaut. Ein grosser Treiber dafür ist das neue Raumplanungsgesetz, welches zu Recht eine Siedlungsentwicklung nach innen fordert, um der Zersiedelung entgegenzuwirken. Die zurückzubauenden Gebäude sind dabei meist noch keine 100 Jahre alt, in einem relativ guten Zustand und die Folgen sind Unmengen an Bauabfällen und Treibhausgasemissionen für die Erstellung der Neubauten.

Graue Treibhausgase vermeiden

Die langfristige Klimastrategie 2050 des Bundes hat zum Ziel, die Treibhausgasemissionen bis ins Jahr 2050 auf Netto-Null zu reduzieren. «Netto» bedeutet, dass die schwer vermeidbaren Emissionen mit Negativemissionstechnologien kompensiert werden müssen (Carbon Capture and Storage CCS oder Negativemissionstechnologien NET). Um dieses Ziel zu erreichen, müssen alle bestehenden und neuen Gebäude emissionsfrei betrieben werden (d.h. Strom und Wärme) und so wenig wie möglich graue Treibhausgase in der Erstellung, im Werterhalt und im Unterhalt emittieren.

Die Sanierung eines bestehenden Gebäudes kann verschiedene Eingriffstiefen haben. Bei einem tiefen Eingriff (nur Erhalt der Tragstruktur und der Unterkellerung) können ca. 30 % und bei einer Pinselsanierung fast 100 % der grauen Treibhausgasemissionen eines Ersatzneubaus eingespart werden. Hinsichtlich der Treibhausgasemissionen lohnt sich somit eine (thermische) Sanierung gegenüber einem Ersatzneubau auf jeden Fall.

Bestandserhalt oder Ersatzneubau

Doch spielen beim Entscheid, ob Bestandserhalt oder Ersatzneubau, verschiedene weitere Faktoren mit: Erfüllung der gesetzlichen und erwünschten Anforderungen wie Erdbebensicherheit, Brand-, Schall- und Wärmeschutz, Ausschöpfen des Verdichtungspotenzials, Minimierung der Risiken (Bsp. Unvorhersehbarkeit, Kosten), Umsetzen eines neuen Raumprogrammes und häufig tiefere Kosten (da Baumaterialien günstig sind und Arbeits-

leistungen teuer). Häufig fehlt in der heutigen Zeit auch die emotionale Bindung zur Liegenschaft. Dies weil einerseits über 60 % der Wohnungen in der Schweiz nicht von den Eigentümerinnen und Eigentümern bewohnt werden, und andererseits, weil viele Liegenschaften Renditeobjekte sind, bei denen die Erträge im Vordergrund stehen. Aus diesen Gründen werden in den meisten Fällen Ersatzneubauten präferiert.

Mögliche Massnahmen

Somit stehen wir vor einer sehr schwierigen Situation: Der Bund geht bis 2050 von 10 Mio. Bewohnern in der Schweiz aus, das Raumplanungsgesetz fördert eine Siedlungsentwicklung nach innen und die Klimastrategie des Bundes fordert in Bezug auf die Treibhausgasemissionen ein Netto-Null-Ziel. Nachfolgend einige Massnahmen, die dazu beitragen können, alle Anforderungen unter einen Hut zu bringen und den Bestand zu erhalten:

• Bepreisung der Umweltfolgekosten nach dem Verursacherprinzip was, durch eine signifikante Erhöhung der CO2-Abgabe (statt wie heute CHF 120.– pro Tonne CO2) erreicht wird

• Reduktion der Qualitäts- und Komfortansprüche bei Umbauten im Vergleich zum Neubaustandard

• Lockerung der Bewilligungspraxis (Bsp. «Besitzstandsgarantie» auch bei tiefer gehenden Eingriffen)

• Schaffung von Anreizen zur Reduktion des individuellen Wohnflächenbedarfs

• Strenge Anforderungen an die grauen Treibhausgasemissionen bei Neubauten (Bsp. Zielwerte des Merkblattes «SIA Effizienzpfades Energie» und Grenz-/Zielwerte der zukünftigen Norm SIA 390/1 «Klimapfad – Treibhausgas- und Energiebilanz von Gebäuden»)

Es ist an der Zeit, den Bestand wieder als wertvolle Ressource zu verstehen, die neben der Reduktion von grauen Treibhausgasemissionen und der Ressourcenschonung auch das Potenzial zum Erhalt einer identitätsstiftenden Baukultur mitbringt. E

Prof. Daniel Kellenberger ist an der Fachhochschule Nordwestschweiz FHNW und der Hochschule für Architektur, Bau und Geomatik sowie dem Institut Nachhaltigkeit und Energie am Bau als Professor für Nachhaltiges Bauen und Ökobilanzierung tätig. www.fnhw.ch

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ALTE GEBÄUDE –DIE ROHSTOFFSILOS DER ZUKUNFT

Die gesellschaftlichen Veränderungen in der Schweiz wirken sich zunehmend stärker auf die Entwicklung der Immobilienwirtschaft aus. In die Jahre gekommene Wohnund Zweckbauten weichen modernen, kompakten Wohnformen, welche den heutigen Bedürfnissen an Komfort und Raum angepasst sind.

Pro Jahr fallen in der Schweiz rund 15 Millionen Tonnen an mineralischem Rückbaumaterial an, welches im ungünstigsten Fall auf einer dafür vorgesehenen Deponie entsorgt und somit dem Stoffkreislauf auf alle Ewigkeit entzogen wird. Diese Praxis steht im Widerspruch zum wachsenden Bedürfnis nach Nachhaltigkeit und Ressourcenschonung. Eberhard Unternehmungen und swisspor AG haben es sich zur Aufgabe gemacht, diesem Trend entgegenzuwirken. Durch die innovative Aufbereitung von Abbruchmaterial streben sie danach, neue, zirkuläre Rohstoffe und Bauprodukte für die lokale Bauindustrie zu schaffen.

ETH-Technologie Kaltschäumen

Ein bemerkenswerter Durchbruch in diesem Bestreben ist die Entwicklung der Kaltschäumtechnologie durch ein ETHZürich-Start-up. Dieses Verfahren ermöglicht es, aus den kleinsten, bisher als unbrauchbar geltenden Gesteinsfraktionen zirkuläre Baudämmstoffe herzustellen. Durch die Erzeugung einer wabenartigen Zellstruktur, die Luft einschliesst, entsteht ein Material mit aussergewöhnlicher Dämmleistung, welches eine signifikante Verbesserung gegenüber herkömmlichen Mineralschaumdämmstoffen darstellt.

Die Umsetzung in der Praxis Trotz der erfolgreichen Entwicklung im Labor stellte die Skalierung für die in-

Der konkrete Stoffkreislauf von swissporECORIT.

dustrielle Produktion eine Herausforderung dar. Eberhard Unternehmungen, Vorreiterin der Kreislaufwirtschaft, und swisspor AG, Expertin fürs Dämmen und

Dichten, haben dies gemeinsam gemeistert. Der daraus resultierende swisspor ECORIT Mineralschaum ist ein Beispiel dafür, wie technologischer Fortschritt,

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FACTS

langjährige Erfahrung und neue Wege der Zusammenarbeit zusammenkommen, um nachhaltige Lösungen für die Bauindustrie zu schaffen.

Lokale Produktion und kurze Transportwege

Die Herstellung des swissporECORIT Dämmstoffs in Dulliken (SO) illustriert den Vorteil kurzer Transportwege. Im Vergleich zu herkömmlichen Dämmstoffen, die oft weite Wege zurücklegen müssen, reduziert die lokale Produktion und Verwendung von swissporECORIT die CO2-Emissionen erheblich und trägt somit zu einer besseren Ökobilanz bei.

Vielseitige Anwendung und zukünftige Entwicklungen

Neben der hervorragenden Dämmleistung von 0.035 W/mK bietet das Kaltschäumverfahren auch die Flexibilität, Baustoffe unterschiedlichster Dichte und Anwendung zu produzieren. Von Fassaden- und Innendämmungen bis hin zu spezialisierten Einsatzgebieten in der Haustechnik eröffnet swisspor ECORIT neue Möglichkeiten für nachhaltiges Bauen.

Das Gebäude am Ende des Lebenszyklus Ein weiterer adressierter Aspekt der Nachhaltigkeit ist die Planung für den Rückbau. Üblicherweise erfolgen die Sanierung oder der Rückbau einer Fassade

erst nach 30 bis 60 Jahren. Mit dem erweiterten Planungshorizont vom Vorprojekt bis zum Rückbau (end of life) wird heute schon ermöglicht, den künftigen Rückbau hinsichtlich stofflicher Wiederverwertung perfekt zu optimieren und entsprechend zu planen. Grossmehrheitlich werden heute Fassaden in einem wahren Materialisierungs-Patchwork ausgeführt, um den, aus kurzfristiger Sicht, möglichst günstigsten Konstruktionsaufbau abzubilden. Diese kurzfristige Denkhaltung greift zu kurz, denn der Rückbau ist ein ebenso relevanter Kostentreiber für den Immobilienbesitzer wie der Bau eines neuen Gewerks. Fachplanende mit Fokus Kreislaufwirtschaft entwickeln mittlerweile gezielt dauerhafte und zukunftsgerichtete Bauteile auch unter dem Planungsaspekt des künftigen Rückbaus und der Materialtrennung.

Das Systemkonzept von swisspor ECORIT ermöglicht einen materialhomogenen Rückbau, der den Kreislauf schliesst und Ressourcen schont. E

Die Stärken von swissporECORIT

Maximale Zirkularität

durch einzigartige Rezeptur

Mehr als 50 % der Rohstoffe sind sekundär und stammen entweder aus der Aufbereitung von Mischabbruch, Produktionsabfällen der lokalen Ziegelindustrie oder aus dem Rückbau von alten Gebäuden. Am Ende des Lebenszyklus wird der Dämmstoff swissporECORIT aufbereitet und steht wiederum als Rohstoff für mineralische Hartschaumdämmplatten zur Verfügung.

Nicht brennbar

Konventionelle Hartschaumdämmplatten wie EPS, XPS und PIR sind zwar sehr effizient, müssen aber mit Flammschutzmitteln modifiziert werden. Nicht so der swissporECORIT. Aufgrund seiner Werkstoff-DNA erreicht dieser automatisch die höchste Brandschutzanforderung der VKF. Mit der EN-Klassierung A1 klassifiziert die VKF den swisspor Mineralschaum in der höchsten Brandverhaltensgruppe RF1.

Minimaler CO2-Fussabdruck

Mit 0.59 kg CO2-Emission pro Kilogramm Baustoff liegt swissporECORIT mit 45 % Vorsprung auf Rang Nr. 1 im ökologischen Vergleich mit sämtlichen mineralischen Dämmstoffen. Der konsequente Einsatz von lokalen Sekundärrohstoffen und dem nahezu prozessenergiefreien, patentierten Kaltschäumverfahren im swisspor Produktionswerk Dulliken (SO) führt zu diesem erstklassigen Ergebnis.

Ansprechpartner: Christian Röthenmund, Director Business Development

swisspor AG

Bahnhofstrasse 50

6312 Steinhausen

www.swisspor.ch

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Verarbeitung der Fassadendämmung mit swissporECORIT.

EM pv X pert –PHOTOVOLTAIKANLAGEN

GANZHEITLICH PLANEN

In der Schweizer Energiestrategie gehören Solaranlagen zu einem tragenden Pfeiler. Elektro-Material AG fördert die Ausweitung der Planungsressourcen und einen effizienteren Planungs- und Materialbeschaffungsprozess.

Um das Ziel einer CO2-neutralen Energieversorgung zu erreichen, sollen jährlich bis zu 2 GW an neu installierten Solaranlagen ans Netz gehen. Das erfordert die Ausweitung von Planungsressourcen

und einen effizienten Planungs- und Materialbeschaffungsprozess für Solaranlagen. Elektro-Material AG unterstützt Elektroinstallateure dabei, Solaranlagen zu planen und zu realisieren. Deshalb hat

EM vor Kurzem EM pvXpert, eine leistungsstarke Planungssoftware für PV-Anlagen lanciert und das Produkt- und Serviceangebot für Solaranlagen massiv ausgebaut.

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Massgeschneiderte Planung von Solaranlagen mit abgestimmtem Sortiment

Mit EM pvXpert planen und realisieren Installateure PV-Projekte professionell, schnell und unabhängig in kürzester Zeit. Die Planungssoftware unterstützt bei jedem einzelnen Schritt – von der Planung bis zur Realisierung. Sie hat sich in verschiedenen europäischen Ländern als Marktleader bereits bestens bewährt und ist nun in der Schweiz verfügbar. Kunden von EM können jederzeit eine Nutzerlizenz erwerben und nach einer eintägigen Schulung selbstständig Solaranlagen planen.

Die Planungssoftware bietet Zugriff auf ein abgestimmtes PV-Vollsortiment für AC und DC, das alle erforderlichen Komponenten umfasst. So können Solaranlagen konkret geplant und offeriert werden.

Bei Fragen zur Planung oder zur Auswahl der optimalen Komponenten unterstützt

EM mit einem Team an Beratern in jeder Region der Schweiz. Auch vor Ort. Abgerundet wird das Ganze durch eine ausgeklügelte Lieferlogistik.

Das kann die

Planungssoftware EM pvXpert

• Schnelle Planung mittels Google HD-Bildmaterial oder CAD-Import

• Berechnung von Wind- und Schneelast mithilfe von aktuellen Geo-Daten

• Statik-Berechnung der PV-Unterkonstruktionen nach gültigen SIA-Normen

• CAD-Montage-, String- und ElektroPläne

• Sämtliche Solar- und ZubehörHersteller sind bereits integriert

• Ertragssimulation, Energieflussdiagramm & Wirtschaftlichkeitsberechnung

• Projektbericht inkl. vollständiger Materiallisten für Offerte

• Direkte Bestellmöglichkeit durch Anbindung an den EM.Webshop.

JEDERZEIT UND ÜBERALL

EM pvXpert ist eine cloudbasierte Web-App. Anwender können mit unterschiedlichen Geräten zu jeder Zeit und an jedem Ort auf ihre PV-Projekte zugreifen und diese einfach und schnell verwalten – ob unterwegs, beim Kunden oder im Büro.

EM pvXpert mit folgenden Vorteilen:

• Integrales webbasiertes Tool für die Planung und Beschaffung von PV-Anlagen

• Minimaler Schulungsaufwand für die Lizenzierung

• Überzeugende Planungsdokumentation für den Bauherrn

• Direktzugriff auf ein optimal abgestimmtes Vollsortiment

• One-stop-Shopping/alles aus einer Hand

Hier geht’s zum Demovideo e-m.info/215

FACTS

Elektro-Material AG

Elektro-Material AG mit neun Niederlassungen, den Kompetenzzentren EM Licht und EM Industrie und rund 760 Mitarbeitenden ist das marktführende Grosshandels-Unternehmen der Schweizer

Elektro-Installationsbranche. EM bietet ein 250 000 Artikel umfassendes Verkaufssortiment, umfangreiche Dienstleistungen, lokal verankerte Beratungspower mit über 200 Experten und eine effiziente Logistik mit bis zu drei Lieferzyklen täglich.

Ansprechpartner

Roberto Weichelt

Trainingsmanager

Neue Energien, Projekte

Elektro-Material AG Juchstrasse 9 8048 Zürich-Altstetten Tel. +41 44 278 11 11 elektro-material.ch
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ENERGETISCHE GEBÄUDESANIERUNG IN LEDIGLICH 25 ARBEITSTAGEN!

Ohne separate Fassadendämmung wurde der CO2-Ausstoss eines MehrfamilienWohnhauses aus dem Jahr 1956 nachhaltig auf null gesenkt!.

Die innovativen Ideen der Stiftung Umwelt Arena punkto Energieeffizienz am Bau begeistern Bauherren und Mieter. Es sind Leuchtturmprojekte entstanden wie das erste komplett energieautarke Mehrfamilienhaus in Brütten (ZH), dessen einzige Energiequelle die Sonne ist oder die Gebäudesanierung eines 7-Parteien-Mehrfamilienhauses in Opfikon/ ZH aus dem Jahr 1956. Da wurde in nur 25 Arbeitstagen der CO2-Ausstoss von 33 Tonnen auf Null Tonnen CO2 gesenkt.

Es gibt verschiedene Varianten mit Altbauten umzugehen:

1. Die Liegenschaft abbrechen und einen Neubau erstellen; die Folgen, höhere Mieten, was nicht sozialverträglich ist.

2. Eine Totalsanierung mit Mieterauszug ist ebenso fragwürdig, weil weil daraus ebenfalls höhere Mieten resultieren.

3. Keine Sanierung ist ebenfalls keine Option, da so die CO2-Ziele nicht erreicht werden können und die Umweltbelastung weiterhin hoch bleibt.

Was wurde initiiert

Die alte Heizung wurde stillgelegt, der Öltank abgebaut und eine mobile Übergangsheizung installiert. Die Hybridbox®, die intelligente Energiezentrale, welche das Ganze erst möglich macht, wurde im ursprünglichen Öltankraum eingebaut. Mit dem optimierten und patentierten Zusammenspiel der Wärmepumpe und einer Wärmekraftkoppelung mit Wärmerückgewinnung reagiert die Anlage flexibel auf Produktionskriterien

Nachher:
Vorher, Gebäude aus dem Jahr 1956 Nachhaltiges BAUEN 2024 Renovieren & Sanieren 54
Photovoltaik-Module als Balkonverkleidung

wie Wetter und Wärmebedarf. Danach ging es Schlag auf Schlag: Vorgefertigte Leitungen, vorfabrizierte Installationen wurden angebracht; dazu Dämmungen an Kellerdecken und der obersten Geschossdecke sowie ein stromerzeugender Dachbelag mit Photovoltaik-Modulen. Sogar die Balkonverkleidung wurde mit Photovoltaik-Modulen versehen und trägt so ebenfalls zur erfolgreichen Sanierung bei. Diese liefern im Winter bei niedrigem Sonnenstand mehr Energie als diejenigen auf dem Dach. Gespeichert wird der so produzierte Strom in einer Salzbatterie; ein Akku, der ohne kritische Metalle produziert wird.

Was wurde erreicht

Der ursprüngliche Heizölverbrauch mit ca. 12 000 Litern und einem CO2-Ausstoss von 33 Tonnen, könnte mit Erdgas auf 3.5 Tonnen CO2-Ausstoss gesenkt werden, was einer Einsparung von knapp 90 % entspricht! Die Liegenschaft bezieht nun 100 % Biogas, womit das hoch-

gesteckte Ziel, NULL CO2-Ausstoss, erreicht ist.

Die grossen Vorteile einer zeitlich so straff organisierten Sanierung sind überschau- und planbare Kosten, eine kurze Bauphase wie auch geringe Beeinträchtigungen für die Mieter sowie keine Mietzinsausfälle für den Hausbesitzer. Die Sanierung ist sozialverträglich, da die Mieter im Haus bleiben können. Das Gebäude ist CO2-neutral, was nachhaltig wie auch zukunftsträchtig ist.

Um das Konzept und die Möglichkeiten dahinter einer breiten Öffentlichkeit zugänglich zu machen, hat die Umwelt Arena Schweiz die Ausstellung «Energetische Sanierung in 25 Arbeitstagen» realisiert. E

FACTS

Über die Umwelt Arena Schweiz

Die Stiftung Umwelt Arena Schweiz bezweckt die Förderung der Nachhaltigkeit und der erneuerbaren Energie in der Schweiz. Sie unterstützt Pilotprojekte moderner Bauweise, insbesondere bezüglich Energieeffizienz. Sie stellt die Erkenntnisse, die durch die enge Zusammenarbeit der Partner gewonnen werden, der Bevölkerung zur Verfügung mit eigens entwickelten Ausstellungen und Themenführungen. Dabei wird nicht mit erhobenem Zeigefinger gelehrt, vielmehr steht die spielerische, interaktive Wissensvermittlung im Vordergrund, welche nachweislich nachhaltiger wirkt.

Für Gruppenevents mit Tiefgang werden neben Themenführungen weitere Rahmenprogramme wie Team-Challenges angeboten. Unverbindliche Anfragen auf fuehrungen@umweltarena.ch.

Umwelt und NachhaltigkeitNachhaltiges BAUEN 2024 Renovieren & Sanieren 55
Andreas Kriesi Stv. Geschäftsführer, Stiftung Umwelt Arena Schweiz, Spreitenbach

Anders als Andere. Die Bank mit positiver Wirkung auf Gesellschaft und Umwelt.

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