UN-PLAQUED 22 Veränderung

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UN-PLAQUE YOUR LIFE / Veränderung

Wegwerf­ gesellschaft? Text Julia Franz · ILLUSTRATION Anouk Z

Zum Thema Veränderung fällt mir als Erstes das Gedicht »Stufen« von Hermann Hesse ein: »Wir sollen heiter Raum um Raum durchschreiten« und »... jedem Anfang wohnt ein Zauber inne ...«. Ja, ja – das stimmt!

J

eder einigermaßen reflektierte Mensch weiß das – nicht nur aus dem Gedicht, sondern aus seinem eigenen Leben. Alles verändert sich. Immer. Und immer wieder. Tag und Nacht, die Jahreszeiten, unser Körper, selbst

die Entwicklungsstufen der eigenen Kinder erinnern uns täglich daran, dass nichts im Leben statisch ist. Man denkt, man hat den Schlafrhythmus seines Kindes gerade im Griff – da ist schon wieder alles anders. Es folgen die Pubertät, das Erwachsenwerden – schlicht all die bekannten Stufen des Lebens. Wir sollen heiter Raum um Raum durchschreiten … Dass diese mittlerweile fast banale Lebensweisheit sogar in Detlev Bucks Kin-

derfilm »Bibi & Tina« vermittelt wird, machte mich stutzig. Tina ist traurig, weil ihr 15-jähriger Freund Alex drauf und dran ist, sie für eine Tussi zu verlassen. Tina offenbart sich ihrer Mutter. Diese tröstet sie: »Sei nicht traurig Schatz, alles verändert sich halt.« Wird diese Lebensweisheit inzwischen sogar als billige Entschuldigung unserer Zeit benutzt, um alles schnell loszulassen und wegzuwerfen? Weil sich halt alles verändert? Also weg? Also weiter? Wir sollen ja heiter Raum um Raum durchschreiten … und das lernen nun schon unsere Kinder? Führt das nicht auch zu einem Mangel an Tiefe? Einem Mangel an Ausdauer? Einem Mangel an Bindungsfähigkeit? Oder ist es einfach nur Bequemlichkeit?

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