UN-PLAQUED 22 Veränderung

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Magazin fĂźr Mensch und Bildung


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E d i tor i a l #2 2

Erstens kommt es anders, und zweitens als man

Generationen hinweg sichtbar wird. Dabei kön-

denkt. Diese Binsenweisheit sollte sich auch bei

nen wir ihr jeden Tag und manchmal von einem

der Produktion dieser Ausgabe bewahrheiten,

Moment auf den anderen begegnen. Entschei-

denn unser Sohn kam einfach etwas früher als

dender scheint jedoch die Art zu sein, wie wir

geplant zur Welt.

den Impulsen der Veränderung begegnen.

Ich bin überglücklich auf der einen Seite, noch

Die größte Veränderung vollzieht sich aber nicht

nicht wissend, welche Veränderungen er in un-

mit diesem Magazin, sondern mit unseren Ge-

serem Leben herbeiführen wird. Ich bin besorgt

danken und Taten – und meinem kleinen Sohn.

auf der anderen Seite, weil es unklar ist, welchen Weg wir in unserer globalen Gesellschaft in Zukunft beschreiten werden. Diese Ausgabe thematisiert Veränderung, die zwar allgegenwärtig ist, oft aber nur über die un-plaqued No 22 | 1


Im Zentrum der dentalen Stärke.

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Seit 1923 stellt Komet Instrumente und Systeme für die Zahnheilkunde und Dentallabors her. Mit höchster Liebe zum Detail, mit kompromissloser Präzision und mit größtem Erfolg. Unsere Produkte gelten weltweit als Maßstab für Qualität

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1

Editorial

7

Contributors

8

Veränderung in Zahlen

THEMA 10

Ich und Du

16

Weitermachen?

24

Anders gesehen

34

Mensch – wer willst du sein?

42

Bring Farbe in die Welt

44

Es ist, wie es ist

48

Hört auf mit dem elitären Geschwurbel!

52

Eine Frage bitte

Forever Young 54

Jeder kann leben retten

56

Implantologie neu denken

62

Und es ward Licht

IDS 2015 66

Der internationale Marktplatz der Dentalwelt

72

Beste Lösungen für implantatgetragenen Zahnersatz

74

Moderne Endodontie

75

Piezo, LED + Prophylaxe – Innovationen von W&H!

76

Individuelle Beratung für Existenzgründer

77

F6 SkyTaper: ein neues Level der Flexibilität

79

Bego Clinical Case Award

80

Dampsoft für Existenzgründer

82

VistaPano S Ceph – rundherum perfekt im Bilde

4 | un-plaqued No 22


Generationlounge 84

Wer braucht schon Veränderung  ?!

88

Ohne Studenten geht es nicht

94

Junge Zahnmediziner sind ein zentrales Thema

100

Die Welt ist größer

104

Unsere Freiheit ist keine Selbstverständlichkeit

110

Traut Euch

114

Impulse für einen konstruktiven Wettbewerb

Theorie & Praxis 118

100 % Balance

122

Ich übernehme hier

128

Veränderung als Lebensprinzip

134

Meine Praxis ist geiler

Un-plaque your life 140

Wegwerfgesellschaft?

142

Ch-Ch-Changes

144

Der gesunde Menschenverstand

un-plaqued No 22 | 5


RUBRIK / Veränderung

IMPRESSUM un-plaqued # 22 Veränderung Auflage 12.000 Erscheinung Frühjahr / Sommer 2015  deutschlandweit Format 230 x 160 mm Bezugspreis 8 Euro Herausgeber Ingmar Dobberstein Verlag un-plaqued:multimedia Verlagsgesellschaft mbH Oranienburger Str. 91, 10178 Berlin un-plaqued REDAKTION Chefredakteur Ingmar Dobberstein / ingmar@un-plaqued.com Chefin vom Dienst Hanna Buttenberg / hanna@worldoptimizer.com Politik Eric Weigel / eric@un-plaqued.com Wirtschaft Jan-Philipp Schmidt /jp.schmidt@bdza.de Hochschule Karen Dobberstein / kmd@un-plaqued.com International David Rieforth / david@un-plaqued.com Wissenschaft Hans-Christian Lux / h-c-l @ alumni-magazine.com Fortbildung Patrik Halfin / maisterhp@gmx.de Lifestyle Eike Wendland / icke@graphicenvironment.com Musik Julius Brodkorb / mail@juliusbrodkorb.de Redaktionsassistenz Sascha Kötter / sascha@ un-plaqued.com Bildredaktion Anna K. Olthoff / annako @ un-plaqued.com Birgit Kaulfuß / mail@birgitkaulfuss.com Ion Jonas / i@ quasigrafik.de Illustration Britta Zwarg / b @ quasigrafik.de Ion Jonas / i@ quasigrafik.de Schlussredaktion Dr. Antje Taffelt Gestaltung Britta Zwarg + Ion Jonas, pixel@ quasigrafik.de Kontakt un-plaqued.com facebook.com/UNPLAQUED alumni-magazine.com o

6 | un-plaqued N 22

Anzeigen Ingmar Dobberstein/ ingmar@un-plaqued.com +49.170.559 23 05 Druck Königsdruck, Alt-Reinickendorf 28, 13407 Berlin Unser Dank gilt allen wachen Geistern, die ihren Alltag mit bewussten Sinnen wahrnehmen, Fragen stellen, wenn Antworten gewünscht sind und Aussagen treffen, wenn Ruhe erbeten wurde. All jenen, die ihre Meinung äußern, auch wenn es gerade nicht der allgemeinen Auffassung entspricht. Und denen, die Veränderungen anstreben, auch wenn man damit den sicheren Hafen verlässt, die das Streben für eine bessere Zukunft über ihre persönlichen Interessen stellen – ohne Euch hätte sich in dieser Welt nur wenig geändert! Ganz besonderer Dank geht an unsere Familien und besten Freunde, weil sie unsere Impulse für Veränderung unterstützen und nicht müde werden, an uns zu glauben. Auf unserer Gästeliste stehen Hanna, Philli, Julius, Karen, Britta & Jones & Anouk, Eric, Alexander, Nadja, Barbara & Birgit, Juliane, Kai, Jonas, Sascha, Basti, Eike & Birgit, Markus und Julia, Oma Rike, Schwima Evelyn, die Dobbersteine, und Sandrine, für alles, aber vor allem unseren gemeinsamen Weg, der voll von schönen Veränderungen ist. Für Leander – weil du schon jetzt alles veränderst. In Liebe. Für die inspirierenden Fotos unter dem Motto»Anders gesehen« danken wir unseren Fotografen: Ion Jonas / ionjonas.de Birgit Kaulfuß / birgitkaulfuss.com Alexander Klebe / alexanderklebe.de Szary of Modeselektor / modeselektor.com Franziska Taffelt / franziskataffelt.com Die in den Artikeln und Mitteilungen ausgedrückten Meinungen sind die der Autoren und nicht unbedingt die der Redakteure oder des Herausgebers. Redakteure und Herausgeber lehnen jede Verantwortung oder Haftung für den Inhalt ab und geben keinerlei Garantie, Gewährleistung oder Empfehlung für die Produkte, für die in dieser Zeitschrift geworben wird, oder für die Behauptungen, die von den Herstellern derartiger Produkte oder Dienstleistungen gemacht werden. Eine Haftung für Folgen aus unrichtigen oder fehlerhaften Darstellungen wird in jedem Falle ausgeschlossen. Die im Magazin veröffentlichten Beiträge sind urheberrechtlich geschützt. Vervielfältigung oder Verwertung der Texte und Bilder sind mit Ausnahme der gesetzlich zugelassenen Fälle ohne Einwilligung des Verlages strafbar. © un-plaqued:multimedia 2015

//


CONTRIBUTORS Cyril Niederquell ist für die UN-PLAQUED ein Neuzugang als Autor, für unser Netzwerk junger Zahnmediziner gehört er eher schon zum Inventar. Auch wenn man ihn schnell als Vorzeigezahnarzt bezeichnen könnte, geht er viel lieber Wege abseits der Piste und erkundet die Zahnmedizin und das Leben auf seinen eigenen Pfaden. So ist er schließlich nach dem Studium und angestellter Tätigkeit in Hamburg – entgegen dem üblichen Strom in die Großstädte – wieder in die ländliche Heimat zurückgegangen, um dort die familiäre Praxis zu übernehmen. Dabei ist er alles andere als ein Landei, sondern eher ein Naturbursche, der nun mit sehr viel Weitsicht seine eigene Praxisidylle gestaltet. Wie, warum und was er da tut, lest ihr ab Seite 128 ...

Sebastian Szary ist eigentlich begnadeter Musiker und mit seinen Bands »Modeselektor« und »Moderat« in den Clubs auf der ganzen Welt zu Hause. Obwohl seine Musik so richtig rummst, ist er eigentlich ein Mensch der leisen Töne, der sich mit viel Leidenschaft für die Details auch von Beton, Oldtimern, Containern und Alltäglichem inspirieren lässt. Für UN-PLAQUED ist er mittlerweile auch Fotograf, gerade weil er auf seinen Reisen mit sensiblen Augen Eindrücke einfängt, die perfekt zu unseren Denkweisen und Themen passen. Mittlerweile hat er sein erstes Fotobuch veröffentlicht, das unter dem Titel »Backstage Tristesse« genau die Orte zeigt, die man als Besucher der Konzerte nie zu sehen bekommt. Wir verlosen drei seiner Bücher, wenn ihr uns sagt, wie das Musiklabel heißt, bei dem seine Musik erscheint!

Mr. Spock a.k.a. Leonard Nimoy hat seine letzte Reise in die unendlichen Weiten des Universums angetreten und uns dazu veranlasst, ihm hier Space zu geben. Warum? Weil wir mit Star Trek groß geworden sind, weil in jeder Geschichte der Versuch einer friedlichen Lösung für die interstellaren Probleme, die unseren irdischen so ähnlich waren, unternommen wurde. Mr. Spock war dabei der Inbegriff dessen, was es bedeutete, ohne Emotionen und Hitzköpfigkeit, ohne Eitelkeit und Egoismus zu analysieren und entsprechend zu handeln. Diese Art zu denken hat uns im Leben ebenso wie in der UN-PLAQUED inspiriert, unseren Beitrag für eine friedlichere Welt zu leisten. Live long and prosper!

un-plaqued No 22 | 7


Thema / Veränderung

Quellen  brand eins, statista.com, www.brandsoftheworld.com

Anzahl der Planeten unseres Sonnen­systems 2005:

9

Anzahl der Planeten unseres Sonnen­systems 2006:

8

(Pluto wurde 2006 der Titel als Planet aberkannt)

* Dieses Zeichen ist eine eingetragene Marke eines Unternehmens, das nicht zu UN-PLAQUED gehört.

Veränderung IN ZAHLEN Anzahl der Internetnutzer weltweit im Jahr 1997:

Umsatz, der 2012 in Deutschland mit Kaugummi gemacht wurde:

Anzahl der Internetnutzer weltweit im Jahr 2014:

Geschätzte Höhe der Ausgaben für das Entfernen von Kaugummi:

121 Millionen

2.925 Millionen

651 Millionen €

900 Millionen €

Anteil des Tele­ fonie­rens bei der Smart­phoneNutzung 2008:

Anteil des Tele­ fonie­rens bei der Smart­phoneNutzung 2013:

Maximale Haltbarkeit verschlossener, gekühlter Frischmilch:

Mehrwertsteuer für Hörbücher auf physischen Datenträgern:

Mehrwertsteuer für Downloads von Hör­büchern:

Zeit, bis der Kunststoffverschluss einer Milchpackung verrottet ist:

7%

Wert der digitalen Währung Bitcoin im Mai 2010:

0,003 US-Dollar

10 Tage

20 %

60 %

450 Jahre

19 %

Anzahl der Ehe­ schließungen in Deutschland 1963:

655.974

Kosten der Olympischen Winterspiele 2014 in Sotschi:

40 Milliarden Euro *

*

Wert der Bitcoins Anfang 2015:

244 US-Dollar Treuegeld für Daimler-Mit­arbeiter, die seit 40 Jahren in der Firma arbeiten:

Anzahl der Ehe­ schließungen in Deutschland 2013:

373.660

250 % vom Monatsgehalt 8 | un-plaqued No 22

*

Kosten aller vorangegangenen Olympischen Winterspiele zusammen:

35 Milliarden Euro

Treuegeld für Fachärzte, die seit 40 Jahren in einer kommunalen Klinik arbeiten:

7,3 % vom Monatsgehalt


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Ich  und Du Thema / Veränderung

Text Ingmar Dobberstein

Nichts bleibt, wie es ist. Leben bedeutet Dynamik und einen stetigen Wandel. Vom Kindesalter an und den ersten Schritten zur Selbstreflexion wird uns dieser Umstand immer be-

wusster. Dennoch nimmt die Zahl der »ersten Male« in unserem Leben stetig ab; die Dyna-

mik persönlicher Veränderung scheint bei vielen Menschen mit dem Erwachsenwerden zum Stillstand zu kommen, allenfalls unterbrochen durch die Geburt der Kinder und den durch sie aufgezwungenen veränderten Lebensstil. 10 | un-plaqued No 22


Thema / Veränderung

»Was willst du mal werden?« ist eine der ty-

der digitalen Informationsrecherche nicht un-

pischen Fragen von Verwandten, wenn man

bedingt sagen kann. Verlässliche Daten zu er-

ab dem schulfähigen Alter in Erwachsenenge-

halten, ist heute sogar schwieriger geworden,

spräche involviert wird. Aufdringlicher wer-

da man erstens mehr über die Halbwertzeit von

den diese Fragen, wenn man sich dem Ende der

Wissen reflektieren kann und zweitens wesent-

Schulzeit nähert, denn alle haben ein nicht nur

lich größere Datenmengen durchstöbern muss,

altruistisches Interesse daran, dass einmal »et-

um Wichtiges von Unwichtigem und zuneh-

was« aus dem Kind wird. Für manche ist die Ent-

mend auch von Unglaubwürdigem zu trennen.

wicklung ihrer Kinder gleichzeitig die Chance,

Lernen ist nicht einfacher geworden.

durch sie die eigenen verpassten Chancen im Leben nachzuholen. Fast so, als wäre man schon

Trotz technischer und digitaler Revolution ist

tot. Scheintot sozusagen.

der Mensch mehr er selbst geblieben, als man glauben möchte. Was sich vornehmlich verän-

Was wollten Sie mal werden und was ist aus Ih-

dert hat, sind die Hilfsmittel, die uns vermeint-

nen geworden? Sind sie glücklich damit? Oder

lich die Arbeit erleichtern sollen – die benöti-

haben Sie sich nur arrangiert, mit Beruf und

gen heute alle ein Ladekabel. Natürlich ist der

ohne Berufung leben zu können? Haben Sie ein

Informationsfluss durch diese Technik ein an-

Hobby, dass Sie glücklich macht? Warum haben

derer geworden, wir können uns schneller in

Sie dieses Hobby nicht zum Beruf gemacht?

unseren meist größeren Netzwerken austauschen, gemeinsame Projekte besser bearbei-

Betrachten wir den Durchschnitt der westlichen

ten und Dinge tun, die ohne diese Möglich-

Gesellschaft, ist klar, dass in den letzten zwei

keiten früher nur Spezialisten möglich waren.

Jahrzehnten in den meisten Lebensbereichen

Nehmen wir nur dieses Magazin, das ohne Com-

eine »Revolution der Dinge« stattgefunden hat.

puter und digitale Prozessketten in der Druck-

Die einen sagen Informationszeitalter, die an-

industrie heute so nicht existieren würde.

deren digitale Revolution, Dritte sprechen von

Aber neben den quantitativen Aspekten rückt

Globalisierung – letztlich alles Beschreibungen

die Frage nach der Qualität dieses Austausches

weitgreifender Veränderungen unseres alltäg-

zunehmend in den Vordergrund. Das »Alltags-

lichen Umgangs mit Materiellem. Bücher und

gesülze« findet eben nicht mehr am Gartenzaun

Zeitschriften werden zunehmend durch digita-

statt, sondern auf

le Medien ersetzt, aber un-

Facebook und in

ser Lernverhalten

einer

hat sich dadurch

anderer »sozia-

kaum verändert. Es lernt der, der mehr wissen will, egal mit welchen Medien. Zudem konnte man sich früher auf Geschriebenes durchaus verlassen, was man von

Lernen ist facher ein nicht geworden un-plaqued No 22 | 11

Vielzahl

ler Netzwerke«. Natürlich sind diese Plattformen

mitver-

a nt w o r t l i c h dafür, dass ein »Arabischer Frühling«


Thema / Veränderung

losgetreten werden konnte oder Menschen-

lichst vielseitig sein sollte, um für die Zukunft

rechtsverletzungen heute schneller publik wer-

gewappnet zu sein. Das eigentliche Problem ist

den können. Aber die Frage bleibt doch, was

die Frage: Welche Beschäftigung ist wirklich

diese Impulse tatsächlich bewirken und wie viel

sinnvoll? Und das betrifft alle Generationen.

mehr Einfluss man wirklich auf gesellschaftli-

Den älteren Generationen wird immer häufi-

che Prozesse hat. Schaut man auf die arabischen

ger die Ersetzbarkeit ihrer Jobs und Werte ver-

Länder, sind die Ergebnisse eher gering. Außer

mittelt, während sie gleichzeitig sehr bemüht

in Tunesien gab es bisher keine freien Wahlen,

sein müssen, mit der technischen Entwicklung

in Ägypten wechselt das Wahl-Putsch-Verhal-

Schritt zu halten. Aber auch die ganz Jungen

ten in regelmäßigen Abständen. In allen ande-

sind mit der Schwierigkeit der richtigen Be-

ren Ländern herrscht seitdem entweder Krieg

rufswahl oder Form ihrer Beschäftigung kon-

oder das gleiche System wie vorher.

frontiert. Die Zukunft ist nicht vorhersehbarer geworden und die Entscheidung, mit welchem

Schlimmer noch, der Einfluss westlicher Wirt-

Job ich meine eigene Zukunft langfristig si-

schaft und Politik ist durch die digitale Technik

chern kann, eben auch nicht leichter. Für die

noch größer geworden, denkt man an Überwa-

täglichen Herausforderungen gibt es entweder

chung und die Manipulationsmöglichkeiten di-

schon genügend Lösungen, oder die Probleme

gitaler Medien. Die Skandale auf dieser Ebene

sind so überwältigend, dass ein Lösungsansatz

sind längst keine mehr, da wir uns daran ge-

eigentlich einem Systemwandel gleichkommt.

wöhnt haben, dass sogar in öffentlich-rechtli-

Man könnte diese Situation als ein Endprodukt

chen Nachrichtensendungen schlecht recher-

des marktwirtschaftlichen Prinzips sehen, das

chiertes Material oder falsche Bilder gezeigt

Bedürfnisse generiert, um sie danach mit dem

werden.

entsprechenden Produkt zu befriedigen. Ein

Nun hätten gerade die Menschen der demo-

Grund dafür, warum Jobs im Bereich der Wer-

kratischen westlichen Gesellschaften es in der

bewirtschaft und Kommunikation bei Firmen

Hand, hier einen Unterschied zu machen. Po-

immer mehr Bedeutung einnehmen, weil ei-

litiker nicht mehr zu wählen, Sendungen nicht

gentlich längst alle satt sind und überhaupt

mehr zu schauen, Dinge nicht mehr zu kaufen,

nichts Materielles mehr benötigen, außer Le-

alles Materielle, aber auch Informelle bewuss-

bensmittel und Ähnliches. Vielleicht ist dies

ter zu konsumieren. Aber diese Mittel nutzen

auch der Grund, warum die künstlerischen Be-

wir nicht annähernd in dem Umfang, in dem es

rufe immer mehr Attraktivität ausstrahlen,

möglich wäre. Vielleicht weil es etwas von Rück-

denn hier existiert zumindest die Hoffnung, ei-

schritt hätte, vielleicht aber auch einfach nur

nen Unterschied machen zu können, etwas zu

deshalb, weil es einer Anstrengung bedürfte,

schaffen, was vorher kein anderer gemacht hat.

sich aus der wohligen Masse, selbstständig und

Eine Illusion, die schlussendlich in der Propa-

eigenverantwortlich herauszubewegen.

ganda des Individualismus als neue freiheitliche Errungenschaft der Gesellschaft begründet

Zurück zu unseren persönlichen Biografien:

ist. Obwohl sich Individualismus und Gesell-

Vielleicht ist es heute gar nicht mehr hilfreich,

schaft nicht grundsätzlich widersprechen, tun

sich auf einen Beruf festzulegen, weil man mög-

sie es in der Realität immer häufiger.

12 | un-plaqued No 22


Thema / Veränderung

Die daraus resultierenden Probleme sind allgegenwärtig. Die Zahl der erreichbaren Menschen ist durch technische Möglichkeiten stark angewachsen, die Zahl der sozialen Netzwerkfreunde kann in die Tausende ge-

Individualis­mus und Gesellschaft wider sprechen sich

den, um nach den Kriegen und

Wirt-

schaftsnöten Zukunftssicherheit und

Wohl-

stand zu erlangen. Dabei ist aus dem letzten

Jahrhun-

hen, und dennoch

dert eine inter-

gibt es mehr ge-

essante »Soße«

schiedene Fami-

aus industrieller

lien, vereinsamte Menschen, weniger

Revolution und

Rücksicht im Alltag und vor allem viel weniger

berechtigtem Hinterfragen vorhandener Sys-

Miteinander als in den Generationen zuvor. Ein-

teme entstanden, die uns in vielen Bereichen

samkeit in der Masse und alle daraus folgenden

verwirrt hat. Auf der Suche nach Anerkennung

gesundheitlichen und psychischen Probleme

und Bedeutung des Lebens, verbunden mit

sind die Gesellschaftskrankheiten der Gegen-

den sich extrem rasant entwickelnden Mög-

wart und Zukunft. Die als Freiheit gepredigte

lichkeiten, sind Werte wie Zwischenmensch-

Austauschbarkeit der Menschen in ihren Positi-

lichkeit, Altruismus und Nächstenliebe in den

onen ist nahezu bis in die letzte Zelle, die Fami-

Hintergrund geraten. Produktivität, Effizienz

lie, vorgedrungen. Am Ende weiß man zumin-

und Gewinn haben ebenso wie Äußerlichkei-

dest, dass man allein auch lebensfähig ist, aber

ten und Oberflächlichkeiten an Bedeutung ge-

ob es das Leben reicher macht, darf an dieser

wonnen. Man könnte dies auch als einen archa-

Stelle bezweifelt werden.

ischen Aufschrei nach Liebe interpretieren, die in der individuellen freiheitlichen Welt abhan-

Dass diese Entwicklung nicht von ungefähr

den gekommen ist.

kommt, ist klar. Dass dahinter keine Verschwö-

Da die Menschen heute wesentlich stärker mit

rung steckt, auch. Die Frage ist allerdings be-

sich selbst und ihrem »Erfolg« beschäftigt sind,

rechtigt, warum sich die Menschen so entwickelt

ist es kaum verwunderlich, dass sie deutlich we-

haben. An dieser Stelle könnte man behaupten:

niger Verantwortung für andere übernehmen,

Die Eltern sind immer schuld. Vielleicht, weil sie

inklusive der eigenen Familie und möglicher

eben ab einem gewissen Punkt nicht mehr ge-

Kinder. So wie es für die beruflich aufstreben-

nug auf ihre persönliche Entwicklung geachtet

de Frau heute immer noch ein Nachteil ist, Kin-

haben, sondern sich zu sehr über ihren Beruf

der zu bekommen, so stört die Verantwortung

und andere Menschen definiert haben. Aber

für andere nur die eigenen Entwicklungsmög-

vor allem, weil über die Zeit Werte entstan-

lichkeiten. Alle industriell höher entwickelten

den sind und Wertesysteme verändert wur-

Länder zeigen, dass wirtschaftlicher Erfolg mit

un-plaqued No 22 | 13


Thema / Veränderung

geringer werdende

Zahl

de Nachwuchses verbunden ist (gapminder. org). Ohne

de­or f Für die Heraus ent­weder es ibt g en g r­un sun ö L d en üg schon gen ie Probleme d er d o gen end g lti ä w sind zu über

Zweifel

freien Welt uns fremdbestimmt

sind wir mitten-

fühlen, was sollen dann die Menschen in den

drin in einer Wertediskussion, die nicht unwe-

totalitären Staaten sagen?

sentlich durch die letzte große Umwälzung, die 68er, hervorgerufen wurde. Was aus einem be-

Es gibt Statistiken, die belegen, dass Menschen

rechtigten Ruf nach Freiheit und Unabhängig-

in einfachen, ja, fast ärmlichen Verhältnissen

keit, erst an den Universitäten und dann in der

glücklicher sind, als diejenigen in den Indus-

ganzen Gesellschaft, dem Ruf nach Gleichstel-

trienationen. In der Architektur und im De-

lung ethnischer und religiöser Gruppen gewor-

sign hat sich der Minimalismus ja schon vor ei-

den ist, kann man im heutigen Weltgeschehen

niger Zeit durchgesetzt, aber vielleicht ist dies

beobachten. Nie zuvor war die Ausbeutung an-

auf das ganze Leben übertragbar. Vielleicht ist

derer Menschen effektiver, produktiver und

einfacher wirklich besser, und vielleicht ist un-

lukrativer als heute. Der Feudalismus hat sich

ser Leben vor lauter technischer Entwicklung

über die Stufe des Kapitalismus mit einem kur-

zu komplex geworden. Weniger ist mehr, sa-

zen Ausflug in die soziale Marktwirtschaft nun

gen die einen, weniger macht glücklicher, ist

im Neoliberalismus perfektioniert.

die Erfahrung aller, die in ihrem Leben ausgemistet haben.

Wir, die Menschen der »freien Welt«, sind

Eines ist sicher, die Wirtschaft wird das nicht

maßgeblich mitverantwortlich für diese Ent-

ändern, weil weniger kann man einfach

wicklung. Zum einen auf übergeordneter wirt-

schlechter verkaufen, deswegen geht das

schaftlicher und politischer Ebene, weil wir

wirtschaftliche Interesse ja auch immer mehr

durch die Welt ziehen, ähnlich wie die Kreuzrit-

in Richtung der grundlegenden Güter unseres

ter, und allen unser Wirtschaftssystem, gleich

Lebens: Wasser, Nahrungsmittel und Energie.

einer Religion als Wohlstand versprechende

Denn wenn wir alle genügend Mobiltelefone

Supergesellschaft vermitteln. Zum anderen

und Klamotten haben, sind wir darüber im-

aber auf der ganz reellen Ebene des alltägli-

mer noch steuerbar.

chen Miteinanders, wo gerade wir in unserer

So bleiben am Ende nur ich und du. Wir können

Supergesellschaft nicht dazu in der Lage sind,

vielleicht nicht sofort alles und überall ändern,

die uns gegebenen Veränderungsmöglichkei-

aber in dieser Hinsicht ist die westliche Hemi-

ten zu nutzen, wie jede Wahlbeteiligung aufs

sphäre wirklich noch frei. Wenn wir entschei-

Neue zeigt. Der Einzelne glaubt vor lauter glo-

den, unser Leben anders zu gestalten, reden

balisierter Größe nicht mehr, dass sein Einfluss

wir nicht nur über den Wandel der Zeit, son-

wirklich vorhanden ist. Wenn schon wir in der

dern über echte Veränderung. //

14 | un-plaqued No 22


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un-plaqued No 22 | 15


Thema / Veränderung

Weitermachen? Text Eric Weigel

Gibt es überhaupt eine echte Veränderung? Oder hat sich trotz technischer und moralischer Entwicklungen auf diesem Planeten gar nichts verändert? Leiden wir nicht immer noch massiv an Konflikten, die wir längst überwunden haben sollten? Oder sind wir besser geworden? Haben wir etwas verstanden? Haben wir aus alten Fehlern gelernt?

16 | un-plaqued No 22


Thema / Veränderung

G

ibt es Hoffnung auf eine positive Veränderung? Wenn es eine Entwicklung gäbe, was wäre darunter zu verstehen?

Die Philosophie bietet für diese Fragen das Instrumentarium der Geschichtsphilosophie, die sich weniger für singuläre, punktuelle Geschichtsereignisse als viel mehr für die Mechanismen der Geschichtsentwicklung interessiert.

Interessant ist beispielweise die Frage, was gewesen wäre, wenn das Stauffenberg-Attentat auf Hitler geglückt wäre. Unzählige Gymnasiasten verzweifelten schon angesichts der Frage, ob ein Mord Millionen andere Morde hätte verhindern können. Dies ist eine ethische Frage, aber nur bedingt Geschichts-

Der Gedanke liegt nahe, dass sich vielleicht gar nichts verändert hat

philosophie. Diese geht zunächst weg von punktuellen Ereignissen in eine möglichst alles überschauende Vogelperspektive, mit der Fragestellung, welche Veränderungen, welche Parallelen, welche Potenziale, welche Wege und welche Mechanismen es in den Jahrhunderten oder gar Jahrtausenden gab. Dabei kann man tendenziell die Ansichten auf zwei Hauptströmungen reduzieren, die ich im Folgenden vorstellen möchte. Denn die Frage, ob es wirkliche Veränderung überhaupt gibt, ist von alles entscheidender Bedeutung, und die Philosophie ist hier die einzige Disziplin, die eine solche Perspektive leisten kann. »Immer dieselbe alte Scheiße,« … sagte einmal der erboste Marx, der bei der Entwicklung seiner politischen Theorien stets auf die Rekapitulation der Gesamtgeschichte angewiesen war. Wie es jede gründliche Zeitgeistanalyse tun sollte, stellte er sich in diesem Zuge natürlich auch die Frage,

un-plaqued No 22 | 17


Thema / Veränderung

Alle Wesens-­­ arten wollen leben

weltgeschicht-

geschichtsphilosophischen Denkweise ändert

änderung über-

sich rein gar nichts. Man mag einwenden, es

kann. Ist eine Ver-

gebe doch technische, moralische, insgesamt

oder ist der Mensch

zivilisatorische Verbesserungen, aber ange-

gefangen in immer denselben Mustern von Un-

sichts des Gesamtspektrums der Weltkonflikte

terdrückern, Unterdrückten, Aufbegehren,

und deren in die Resignation treibender Primi-

kurzfristiger Verbesserung und erneuter Un-

tivität hebt sich der Eindruck jeder zivilisatori-

terdrückung? Der Gedanke liegt nahe, dass

schen Entwicklung wieder auf. Im Gegenteil: Es

sich vielleicht gar nichts verändert hat. Denn

ließe sich ohne Weiteres argumentieren, alles

betrachtet man die immer noch täglich medi-

werde schlimmer, statt besser. Das sei die wah-

al präsentierten Barbareien, mag man denken,

re Veränderung. Philosophisch gesehen ist das

nichts habe sich verändert. Der Mensch habe

aber nur ein gegen die triste Realität rebellie-

nichts dazugelernt. Er sei ein dummes Tier, un-

rendes Gemecker, welches uns als artikuliertes

fähig, die Herde zu verlassen, den Hirten zu eli-

Sublimat die Wirklichkeit leichter ertragen lässt

minieren und endgültig über den Gehegezaun

und uns in der Depression vereint.

ob es eine liche

Ver-

haupt geben besserung möglich

zu entkommen. Man mag denken, es werde immer eine kleine,

Für die Philosophie ist die phänomenologische

aber alles bestimmende Elite geben, die die

Veränderung der Eliteklassen allerdings höchst

größere Masse lenkt, instrumentalisiert, füt-

interessant. Einst sich offen zeigend, sind diese

tert, melkt, führt, ausbeutet, schlachtet und

nunmehr versteckt. Versteckt nicht nur hinter

züchtet. Die dumme Herde bleibe aber lem-

den Glas-Stahl-Fassaden der Banken, sondern

mingsgleich blind folgend, betäubt von Almo-

vielmehr unerkennbar in einem autark agie-

sen und den Knochen, die man ihnen hinwirft:

renden Fiskalleviathan, der sich unabhängig

der Bundesliga, Titten, Alkohol – von Brot und

von territorialen Souveränitäten (Ländergren-

Spielen. Zusammenfassend also: Laut dieser

zen) anschickt, ein weltumspannendes Netz zu

18 | un-plaqued No 22


Thema / Veränderung

etablieren, in dessen Ordnungssysteme sich der

dung der Klassengesellschaft. Bei Nietzsche der

Mensch einspinnen lässt. Wer heute noch den

Triumph des Übermenschen. Beim Faschismus

Feind hinter einer Landesgrenze sucht, ver-

die Vernichtung minderer Rassen zugunsten der

schwendet seine Zeit. Der Unterdrücker ist mit

Weltherrschaft einer Herrenrasse. Dabei präg-

den alten Mitteln nicht mehr angreifbar, denn

ten die Nazis das in diesem Kontext äußerst il-

er ist entpersonalisiert, entnationalisiert und

lustrative, aber in deren Kontext erschreckende

damit nicht mehr fassbar.

Wort »Endlösung«. Ein Wort, das, wenn es nicht so stigmatisiert wäre, für viele dieser Denkmo-

Das Ende der Geschichte

delle zumindest methodisch passend wäre. Eine

Das zweite Geschichtsmodell geht davon aus,

solche »Endlösung« wird derzeit auch vom »Is-

dass sich die Geschichte tatsächlich progres-

lamischen Staat« angestrebt, der in seinen Me-

siv entwickelt. Im Gegensatz zum ersten Mo-

thoden mit den Nazis absolut vergleichbar ist.

dell der Nicht-Veränderung, sucht man hier möglichst genau nach der Überwindung, die

Jenseits dieser Radikalitäten möchte ich ins-

uns einen durch Einsicht erreichbaren Idealzu-

besondere Immanuel Kant als Beispiel heran-

stand verspricht, bei dessen Erreichen die Un-

ziehen. Dieser hat in seinem kurzen, knackigen

gerechtheiten der Welt getilgt sind. Dabei trägt

Essay »Idee zu einer allgemeinen Geschichte

jedes dieser Modelle charakteristische Züge der

in weltbürgerlicher Absicht« ein famoses ge-

jeweiligen Epoche, in der die Theorien artiku-

schichtsphilosophisches Bild gezeichnet, das

liert werden. Bei Platon beispielsweise ein von

sogar die barbarischen Radikalitäten der Welt

Weisen regierter Staat. Bei Marx die Überwin-

in einer Gesamtentwicklung mitdenkt und in

Es lieSSe sich ohne weiteres argumentieren, alles werde schlimmer statt besser

un-plaqued No 22 | 19


Thema / Veränderung

gewisser Weise als Fortschritt legitimiert. Schon der programmatische Titel des Essays deutet klug in den Intentionskern: Allgemeine Geschichte bedeutet das, was ich eingangs als Vogelperspektive bezeichnet habe, während die

Des Menschen Wesensart sei nun einmal, sich selbst zu geiSSeln und zu vernichten

weltbürgerliche Absicht

ten

und

kräftigsten

Denkmodelle ihr Überleben sichern können. Andere Denkmodelle können aufkommen, werden sich aber aufgrund von moralischen Mangelerscheinungen nicht durchsetzen. Gesamtgeschichtlich gebe es also vielleicht Rückschläge, dennoch

darauf hindeutet, dass zum einen irgendwann

beschreite die Geschichte einen klaren Weg

ein anationaler Weltbürger in Erscheinung tritt

der Verbesserung. Dieses Denkmodell legiti-

und zum anderen, dass es eine Absicht, eine

miert sogar die Schreckensherrschaft der Na-

Motivation, einen Weg, einen Verbesserungs-

zis, denn aus diesem perspektivisch kurzen Mo-

wunsch und vielleicht sogar ein glücklich ma-

ment in der Geschichte erwachse in Folge dann

chendes Ende der Geschichte gibt.

doch eine Verbesserung. Und tatsächlich kann

Kant sagt, alles Existierende wolle sich zunächst

man so argumentieren. Es ist schon bezeich-

einfach entfalten. Alle Wesensarten wollen le-

nend, dass erst nach dem Horror der Shoa die

ben. Damit sind nicht nur die einfachen ma-

internationale Gemeinschaft auf die Idee kam,

teriellen Dinge (Natur: Mensch, Wald, Mari-

Menschenrechte zu artikulieren und zu ratifizie-

enkäfer) gemeint, sondern auch immaterielle

ren. Es benötigte also fast 2000 Jahre nach Jesus

Konzepte wie Moral, Kultur und Wissenschaft.

und einen größenwahnsinnigen Hitler mit Mil-

All jene streben eine Entfaltung an und kon-

lionen Leben auf dem Gewissen, um zivilisato-

kurrieren im Wachsen und Gedeihen um Fort-

rische Standards wie die Menschenrechte oder

bestand. Er argumentiert sozusagen avant les

den Internationalen Gerichtshof in Den Haag zu

lettres lange vor Charles Darwin für einen ideo-

etablieren. Dennoch: In der Kant´schen Argu-

logischen Darwinismus, in dem nur die stärks-

mentation würde man sagen: O.K., das war ein

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Thema / Veränderung

sehr hässlicher Rückschritt, aber am Ende hat

einer archaischen Schreckensherrschaft zum

die stärkere Idee gewonnen.

Opfer fiele, würde Kants moralische Urteilsfreiheit argumentieren, dass diese eben am Ende

Dieser Weg ist jedoch alles andere als beendet

die stärkste Idee sei. Des Menschen Wesens-

oder bei einem Idealzustand angelangt. Kants

art sei nun einmal, sich selbst zu geißeln und zu

Modell formuliert also nicht einen Endpunkt,

vernichten. Zusammenfassend kann man also

aber sagt, es gebe einen Weg der steten Ver-

sagen, es gibt hoffnungsreiche Geschichtsmo-

besserung. Der kluge Königsberger hat damit

delle, die den Wunsch nach Weltverbesserung

ein allumfassendes, distanziertes, ausgewoge-

in sich tragen und für eine Veränderung spre-

nes, unparteiisches Geschichtsmodell entwor-

chen: Wir lernen. Wir werden besser und bes-

fen, das nicht verurteilend, sondern erstaun-

ser und besser.

lich Hoffnung gebend und weise ist. Kant veröffentlichte diesen weitblickenden

Was wir hoffen können

Aufsatz im Jahr 1784. Eine Zeit, in der Staaten

Wir sind in einer, aufgrund ihrer rasanten Ge-

wie die USA, Frankreich und andere ihre staat-

schwindigkeit, kaum zu überblickenden Situa-

liche Souveränität mit den freiheitlichen Ide-

tion. Wir erleben permanent technische Ver-

en der Aufklärung verbanden. Und mehr: Kant

änderungen, die die Welt vernetzen und uns

artikulierte, ohne es zu wissen, die Notwen-

durchaus denken lassen, dass wir in einer Zeit

digkeit eines Konstrukts wie das der United

der stetigen Veränderung leben. Man sagt,

Nations. Auch hier könnte man in seinem Sinne

der arabische Frühling sei vor allem durch die

argumentieren: Die Typen von der UN machen

Nutzung sozialer Netwerke möglich gewor-

zwar noch sehr viel falsch, aber die Gesamt­

den. Tatsächlich sehe ich in dieser vernetzten

richtung stimmt. Und selbst wenn unser Planet

Nutzung medialer Instrumente ein riesiges

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Thema / Veränderung

Veränderungspotenzial. Auf noch nicht genauer zu beschreibende Art überkommt mich die

Es gibt kein AuSSerhalb mehr

Hoffnung, dass die uns eigentlich ausbeuten

wollenden

Mittel der Konsumgesellschaft eine Gesinnung aus der Masse

heraus gebären, die die Industrie, der Lobbyismus und die Elite nicht aufhalten können. Als formiere sich ein medialer »volonté générale«, der selbst eine Einsicht in die Notwendigkeit formuliert und bei dem die Industrie nur noch in der Absicht hinterhechelt, das wilde Tier wieder einzuhegen. Es gibt kein Außerhalb mehr. In einer Zeit, in der Systemkritik nicht mehr möglich ist, weil sie immer aus dem Innerhalb des zu kritisierenden Systems kommt, erwächst so die Hoffnung, dass es bereits innerhalb der uns verordneten Weltordnung zu einem alles verändernden, möglichst alles verbessernden ideologischen Kampf kommt. Was könnten wir angesichts dieses Gedankens tun? Geduldig weitermachen. //

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ANDERS /GESEHEN / Veränderung RUBRIK Veränderung

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RUBRIK / Veränderung

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ANDERS GESEHEN / Veränderung

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FOTOS Birgit KaulfuĂ&#x;

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ANDERS GESEHEN / Veränderung

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FOTOS Ion Jonas

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ANDERS GESEHEN / Veränderung

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FOTOS Sebastian Szary

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ANDERS GESEHEN / Veränderung

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FOTOS Franziska Taffelt

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Thema / Veränderung

Mensch – wer willst du sein? Text Karen Dobberstein

Egal wie intensiv man heutzutage die Nachrichten verfolgt, man bekommt unweigerlich eine Idee davon, wie zahlreich die Krisenherde auf unserer Welt sind. Auch wenn es in den Medien anders benannt wird, steht hinter den Worten Konflikt, Krise und Terror das Wort Krieg. Diese Kriegsmetaphorik begleitet uns in der täglichen Sprache und zeigt entsprechende Wirkungen.

A

ls Psychologin beschäftigt mich die Frage, was diese Nachrichten über Krieg und Terror bei den Menschen bewirken. Es gibt Studien die belegen, dass nicht nur die Reporter in den Krisengebieten, sondern auch

die Mitarbeiter in der Postproduction (Schnitt, Ton) durch das Gesehene traumatisiert werden. Verdrängung ist hier ein nützlicher, aber auch zeitlich begrenzter Schutzmechanismus. Oft wird das Erlebte Jahre später in Träumen oder sogenannten Flashbacks wieder aktiviert und belastet die betroffenen Personen. Auch der Konsum dieser Bilder in den Nachrichten hinterlässt Spuren: eine leichte Steigerung der Herzfrequenz, Verengung der Sicht, Anspannung der Muskulatur – eine reduzierte Stressreaktion läuft ab.

Was jedoch bewirkt der Krieg auf einer zwischenmenschlichen bzw. sprachlichen Ebene? Krieg ist über die Nachrichten hinaus im Alltag präsent. Unsere Alltagssprache ist geprägt von Kriegsmetaphern. Meistens fällt die Kriegssprache gar nicht auf, weil durchaus etwas Positives gemeint ist, zum Beispiel Sexbombe, Spaßkanone oder die Waffen der Frauen. Durch die Verbindung von konträren Bedeutungen (Krieg und Sex, Waffen und Spaß)

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Thema / Veränderung

Behandle andere so, wie du von ihnen behandelt werden willst

entsteht eine Entkopplung von Gefühlen, die auf die innere Zerrissenheit zweier unterschiedlicher Emotionen zurückzuführen ist. Die emotionale Inkongruenz ist ein Hauptproblem der Menschen in der Gegenwart. Obwohl wir angeblich im Frieden leben, schießen wir doch ständig mit scharfen Waffen, in Form von Worten, Bildern und Körpersprache. Krieg ist heute auch Reizüberflutung – wir befeuern uns gegenseitig mit Informationen. Krieg ist aber nicht nur da draußen in der Welt, sondern auch in uns, in Form von Krankheiten, negativen Gedanken, Wut, ambivalenten Gefühlen, inneren Konflikten. Innen und außen beeinflussen sich gegenseitig. Wir kämpfen innerlich mit uns und führen diese Kämpfe mit anderen Menschen fort, allein, zu zweit oder in einer größeren Gruppe. Kriegssprache beruht auf einer bestimmten Ideologie, die das Freund-FeindBild und die wechselseitige Gegnerschaft als Grundlage hat. Durch den Gebrauch von Kriegsmetaphorik gewöhnen wir uns an diese Grundhaltung und schlimmer noch, glauben sie sogar. Da wir Kriegssprache so selbstverständlich und häufig im Alltag nutzen, beeinflusst sie unbewusst auch unser Denken und Handeln. In diesem Sinne dient Kriegsmetaphorik auch der Aufrechterhaltung des Konkurrenzdenkens, des Differenzdenkens und damit der Beschränkung auf zwei Kategorien: Schwarz-Weiß, Gut-Böse, Freund-Feind. Dieses kategorische Denken findet man vor allem in extremistischen Strömungen wieder, obwohl wir

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Thema / Veränderung

längst wissen, dass das Leben und seine Balance in den Graustufen zwischen den Extremen stattfinden. Ja, das Leben ist zweigeteilt und ambivalent. Wir leben permanent zwischen Spannungen und Polaritäten: Tod und Leben, glücklich und traurig, hell und dunkel. Wird man sich dieser bewusst, könnte man sich genötigt fühlen, sich für das eine oder andere entscheiden zu müssen. Dabei existieren seit jeher verschiedene Konzepte und Meinungen gleichzeitig, nebeneinander und friedlich, überall auf der Welt. Deswegen möchte ich an dieser Stelle für die Kooperation »eine Lanze brechen«. Ohne Zusammenarbeit wäre Leben auf dieser Erde nicht denkbar. Von einzelligen Lebewesen bis hin zu Säugetieren und Menschen ist Kooperation ein Urprinzip.

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Thema / Veränderung

Politik ist unblutiger Krieg, und Krieg ist blutige Politik

- Sexbombe - Atombusen - Bevölkerungs­ explosion

Mao Tse-tung

- Budget sprengen - Rahmen sprengen - schwere Geschütze auffahren - eine Blockade haben - Argumente abschmettern - das Feld bereinigen - verheerend - Deadline - Straßenkreuzer - bombensicher - Sportskanone

In seinem Buch »Prinzip Menschlichkeit« erklärt Joachim Bauer, warum unser

- ins Schwarze treffen

Gehirn ein »social brain« ist. Der Mensch motiviert sich am stärksten über zwi-

- von Verehrern

schenmenschliche Anerkennung, Wertschätzung und Zuwendung. Das erklärt auch, warum soziale Unterstützung eine so große Rolle für unser Wohlbefinden spielt. Erfolgreiche zwischenmenschliche Interaktionen setzen die Glücksbotenstoffe Dopamin, endogene Opioide und Oxytocin frei. Soziale Ausgrenzung und Mobbing hingegen aktivieren Schmerzareale im Gehirn und fördern

belagert werden - Eroberungen machen - himmlische Heerscharen

Aggression oder Depression. Menschen sind aufgrund ihrer Hirnstrukturen

- Schießen Sie los!

in der Lage, sich unbewusste Vorgänge zumindest teilweise bewusst zu ma-

- überwältigt werden

chen. Wir können die Perspektive einer anderen Person reflektieren und ei-

- Lunte riechen

gene Aggressionsimpulse regulieren, vorausgesetzt, der Präfrontale Cortex

- auf dem Pulverfass

ist entsprechend entwickelt, was maßgeblich durch den Erziehungsprozess ge-

sitzen

schieht. Erziehung durch Eltern, Freunde und uns selbst ist ein lebenslanger

- voll die Granate

Lernprozess geworden, der durch die Plastizität des Gehirns ermöglicht wird.

- die Waffen einer

Mit unseren Handlungen und Erfahrungen bestimmen wir, wie und was in unserem Gehirn genutzt wird.

Frau - Spaßkanone - in den Wind

Wer Gewalt mit Gegengewalt beantwortet, erzeugt mehr Gewalt. Eine ein-

schießen

fache Rechnung. Veränderung beginnt mit Wahrnehmung, mit Bewusstheit

- Fotos schießen

über den aktuellen Zustand und das Ziel, das man erreichen möchte. Für den

- Bombenwetter

alltäglichen Gebrauch der Kriegssprache bedeutet dies, dass wir bewusster

- zündende Ideen

mit unserer Sprache umgehen sollten. Jedes Wort hat eine Wirkung, sowohl

- Rasen sprengen

beim Sprecher als auch beim Zuhörer. Die Aufmerksamkeit und Bewusstheit für unsere Sprache zu stärken, hilft, das »Gefährliche« an der Kriegssprache zu erkennen. Die Welt beeinflusst unsere Sprache, und Sprache beeinflusst

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Thema / Veränderung

unsere Welt. Aus einer veränderten Wahrnehmung erwächst nach einer gewissen Zeit auch eine veränderte Reaktion und Handlungsmöglichkeit. Viele Menschen spüren sich nicht mehr. Dabei ist die Körperwahrnehmung ein wichtiger Indikator in vielen Lebensbereichen. Manche Menschen laufen mit der geballten Faust in der Hosentasche herum, wenn sie in einer emotional unausgeglichenen Stimmung sind. Jemand, der seinen Körper wahrnimmt, kann darauf reagieren und die Spannung der Hand lösen. Wenn Veränderung mit Selbsterkenntnis und Reflexion beginnt, wie könnten Menschen ihr Leben durch veränderte Wahrnehmung zum Positiven beein-

Gewalt + Gegengewalt =

mehr Gewalt

flussen? Der Schweizer Psychologe Franz Hochstrasser sagt: »Unsere Verantwortung nährt sich aus der Vorstellung einer besseren Zukunft.« Ein Weg aus diesem Dilemma ist es, Verantwortung zu übernehmen, für sich selbst, die eigenen Emotionen und damit auch für die direkte Wirkung auf das Umfeld. Was aber wird aus der Vorstellung von einer schlechten Zukunft genährt?

Es geht nicht darum, moralisch und sozial »perfekte« Menschen zu schaffen, die permanent an die Umwelt oder andere Menschen denken. Aber ein gesellschaftliches Miteinander funktioniert eben nicht ohne die Anderen und auch nicht ohne die Natur. Konkurrenz ist dabei ebenso ein Naturprinzip wie Kooperation und hat in der Vergangenheit so manche Entwicklung, Verbesserung und Veränderung beflügelt. Es ist ein Sowohl-als-Auch und nicht nur Entweder-Oder« möglich.

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Thema / Veränderung

Es geht darum, eine andere Perspektive einzunehmen: Was kann ich in meinem Leben tun ... für mich, für andere und für die Umwelt? Was davon will ich tun? Wie könnte man die Zukunft an-

samkeit heute verändern. Eine ein-

Unsere Verantwortung nährt sich aus der Vorstellung von einer besseren Zukunft

fache Übung zur Veränderung der

Franz Hochstrasser

ders gestalten? Die Zukunft verändert sich, indem wir die Gegenwart anders wahrnehmen, indem wir den Fokus unserer Aufmerk-

Wahrnehmung und Aufmerksamkeit ist, abends vor dem Schlafen drei Dinge aufzuschreiben, die an diesem Tag gut gelaufen sind. Denken Sie darüber nach, warum diese drei Erlebnisse besser waren als andere. Machen Sie das über vier Wochen und sie werden die Veränderungen spüren. Der amerikanisch-kroatische Psychologe Prof. Mihaly Csikszentmihalyi, Entwickler des Flow-Konzeptes, sprach auf dem Kongress für Positive Psychologie 2014 über die Frage, wodurch die Zukunft beeinflusst wird. Vor dem 19. Jahrhundert, im Zeitalter des Glaubens wurde das Leben und die Vorstellung der Zukunft durch den Glauben an höhere Wesen, zum Beispiel an Gott, bestimmt. Das 19. und 20. Jahrhundert war die Ära der Rationalität und Wissenschaft; diese Denkmodelle inspirierten die industriellen und wissenschaftlichen Entwicklungen ihrer Zeit. Die Gegenwart wird von ihm als das beginnende Zeitalter der Bewusstheit beschrieben, in der wir die Zukunft vermehrt über unser Bewusstsein gestalten. Mit dem Wissen, dass Sprache und Vorstellungen unsere Realität beeinflussen, sollten wir eine angenehme Vision von der Zukunft erschaffen.

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Thema / Veränderung

Csikszentmihalyi sprach in diesem Zusammenhang auch darüber, wie wir Kinder im Sinne einer positiven Psychologie unterrichten sollten. Seine Antwort lautet: Lernen durch Kooperation und nicht durch Konkurrenz. Leistung und Wissen sind zwar wichtig, aber auch Gefühle und Absichten sollten reflektiert werden. Aus seiner Sicht gilt es, die Lust am Lernen an sich zu entdecken. Persönliche Entwicklung und nicht Konformität sollte der Antrieb dafür sein. Diese Grundsätze gelten natürlich auch für Erwachsene. Die Zukunft ändert sich, indem wir das Hier und Jetzt verändern. In einer freiheitlichen Gesellschaft dürfen wir leben, wie wir wollen, aber mit Rücksicht auf die Anderen. Wir dürfen authentisch sein, ohne andere dabei unerlaubt zurückzudrängen. Wissen heißt auch Gewissen. Jeder Mensch hat eine intuitive Intel-

Als man noch nicht so weit schießen konnte, stand man sich näher Henning Mankell

ligenz, die ihn spüren lässt, was richtig ist und was falsch. Miteinander arbeiten statt gegeneinander, nicht gemein und einsam, sondern mit einem, der anders ist. Dieses Prinzip hat Vielfalt erschaffen und die Natur ebenso wie die Menschheit überlebensfähig gemacht. Kooperation heißt Hilfe geben, aber auch annehmen können. Die dafür notwendigen Fähigkeiten sind uns naturgemäß in die Wiege gelegt, aber Akzeptanz, Wertschätzung und damit auch der friedliche Umgang fängt in erster Linie bei jedem selbst an. Denn würde jeder auf seine eigenen Ratschläge hören, wäre die kleine und die große Welt längst eine bessere. //

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RUBRIK Thema // Veränderung Veränderung

Bring Farbe in die Welt Text und Foto Alexander Klebe

Der »Terrón Colorado« ist eine Wohngegend im Randbezirk von Cali in Kolumbien. Soziale Probleme und graue Hauswände prägen den Alltag der Bewohner. Das Kunstprojekt »Terron Coloreado« wurde aufgrund der Idee ins Leben gerufen, durch urbane Bemalung und Gestaltung die Lebensqualität der Bewohner zu verbessern.

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RUBRIK / Veränderung

Mit dem Gemeinschaftsprojekt veränderte sich nicht nur das ästhetische Bild des Viertels. Auch das soziale und kulturelle Leben wurde mit dieser Aktion angekurbelt. Das erklärte Ziel ist es, den Zusammenhalt und die Identifikation der Bewohner mit ihrer Wohngegend zu fördern. Dafür konnte das Projekt viele Spender gewinnen und wurde zudem im nationalen Wettbewerb »Lo que hacemos con

« – »Was wir mit

Liebe machen« – ausgezeichnet. un-plaqued No 22 | 43


THEMA / Ver채nderung

Fernseher Geschirrsp체ler W채schetrockner Klimaanlagen Handys Kontaktlinsen Herzschrittmacher Kreditkarten Telefax Laser Computer Internet Zentralheizung Telefon zu Hause Facebook E-Mails Gruppentherapie Sonnenstudios Jungs mit Ohrringen computergesteuerte Heiratsvermittlung Fahrkartenautomaten TEXT Evelyn Mittelst채dt

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THEMA / Veränderung

Als wir Alten geboren wurden, gab es viele Dinge des heutigen Alltags noch nicht: Fernseher, Geschirrspüler, Wäschetrockner, Klimaanlagen, Handys, Kontaktlinsen oder Herzschrittmacher. Wir waren bereits auf der Welt, bevor Dinge wie Kreditkarten, Telefax, Laser, Computer oder Internet zur Verfügung standen. Eine Scheibe Brot mit Zucker bestreut oder mit Senf bestrichen schmeckte uns in den vierziger Jahren des vorigen Jahrhunderts wie Nutella oder Kaviar heute. Stullenränder in Muckefuck hieß »Eingebrocktes für Oma« und war das feinste Sonntagsessen. Mehl, Haferflocken und Zucker wurden im Tante-Emma-Laden abgewogen und in Tüten gefüllt. Um Milch kaufen zu können, mussten wir eine Kanne mitbringen. Zentralheizung war für uns ein Fremdwort. Im Schlafzimmer gab es keine Wärmequelle. Manchmal nahmen wir einen warmen Ziegelstein mit ins Bett, das half gegen kalte Füße. In Abständen entfernten wir den Ruß aus den Öfen, und jeden Freitag wurde in einer Zinkwanne gebadet. Es gab kein Telefon zu Hause. Von Facebook und E-Mails war noch nichts zu ahnen. Deshalb machten wir unangekündigte Besuche. Oder wir schrieben den Verwandten und Freunden lange Briefe, mit der Hand. Wir kannten keine Gruppentherapie, Sonnenstudios, Jungs mit Ohrringen, computergesteuerte Heiratsvermittlung oder Fahrkartenautomaten. Mit jemanden »gehen« bedeutete fast soviel, wie verlobt zu sein. Wir haben erst geheiratet und dann zusammen gewohnt. Gebrauchtes Geschenkpapier und die Schleifen wurden gesammelt, gebügelt und wieder verwendet. Es gab Seifenrestesäckchen und Quetschklemmen für Zahnpastatuben. Vieles mussten wir selber können, selbst herstellen und selbst erledigen. Sparsamkeit war oberstes Gebot, um mit dem auszukommen, was wir hatten. Kredit und Überziehungszins waren uns absolut fremd. Als Frau dieser Generation – die Nachwehen des gerade beendeten Krieges noch erlebt zu haben und anschließend die DDR und ebenso die letzten 25 Jahre – schaue ich mit gespaltenen Gefühlen in die Vergangenheit und ebenso sorgenvoll auf diese gegenwärtige, oft sehr widersprüchliche Welt. Die Rentenaltersgrenze ist von tiefgehender Bedeutung für jeden Menschen. Die Beantwortung der vielschichtigen Fragen dieser neuen Zeitund Gestaltungsmöglichkeiten findet selten in jüngeren Jahren statt, denn erst die Erfahrung des gelebten Lebens und das Erleben aller familiären, sozialen und oktroyierten Dogmen versetzt uns in das wirkliche Verstehen der kleinen und großen Zusammenhänge. Seien wir mal ehrlich, der »demografische Wandel« hat Jung und Alt doch kalt erwischt. Wer weiß schon etwas über die Auswirkung der industriell und gesellschaftlich bedingten Veränderungen und deren technokratische un-plaqued No 22 | 45


THEMA / Veränderung

Es ist, wie es ist. Was war, ist geschehen. Was kommt, kann geändert werden.

Abhängigkeiten? Ihnen folgt die Vereinsamung der Menschen im privaten und beruflichen Umfeld auf der einen Seite und der ständige Kampf und das Streben um die Verbesserung des eigenen Lebensniveaus auf der anderen. Einen Partner finden, Kinder groß ziehen, der ewige Konkurrenzkampf privat und im Arbeitsleben, zwischen den Geschlechtern und in der Familie. Die Welt verändert sich, und auch wir Älteren sind von diesen Veränderungen betroffen. Alles wird schneller, und wir werden langsamer. Veränderung fängt aber bei jedem selbst an. Das Informationszeitalter hat uns überrollt. Was nun? Heute kann jeder seinen Beitrag leisten, diese sich im Umbruch befindende Welt täglich etwas besser zu machen. Vor allem für die noch kommenden Generationen. Das bedeutet: Offen sein und Verständnis entwickeln, Umdenken, Neudenken, Mitfühlen, Mitmachen, Ideen entwickeln und Besseres vormachen, helfen oder auch nur einfach dabei sein. Beim Rückblick auf das eigene Leben ist es wichtig, seinen Lebenssinn zu erkennen. In der Entspannung und wohlverdienten Besinnung liegt das Geheimnis des Seins im Alter. Es heißt nicht mehr Arbeit, sondern sinnvolles Tun. Das menschliche »Es-sich-wert-Sein« ist entscheidend – das Bewusstsein über die in allen Lebensbelangen erworbenen und filigran verfeinerten Fähigkeiten. Mit dieser Denkweise kann man sich im Alter gut zugehörig fühlen: zur Familie, zu Freundschaften und zur Gesellschaft. Diese echte Verbundenheit schafft glückliche, zufriedene und nachhaltige Momente für alle Beteiligten. Sie gibt neuen Lebenssinn. Derzeit drohen soziale Wärme, Solidarität und Gerechtigkeit durch die globalen Zugeständnisse der Politik verloren zu gehen. Das betrifft uns alle. Am meisten aber schadet es unseren Kindern. Existenziell ist unsere vordergründigste Aufgabe die Stärkung der Kinder und Jugendlichen. Ihre Entwicklung als Eltern zu begleiten, sie zu führen, ihnen bestenfalls ein Vorbild als Großeltern zu sein, ihnen Werte und Traditionen zu vermitteln – dem muss unsere besondere Auf-

Wie kann man die Erfahrungen aller Generationen zu einer gemeinsamen neuen Denkweise verbinden?

merksamkeit gelten. In diesem Rahmen heißt es als Oma oder Opa offen und bewusst mit der persönlichen Vergangenheit umzugehen und den Kindern einen positiven Weg aufzuzeigen. Der Orientierungs- und Hoffnungslosigkeit der Jugendlichen zu begegnen, ihnen Grenzen zu setzen und gemeinsam Auswege zu suchen. Um ein friedvolles und generationenübergreifendes Miteinander zu erreichen, stellen sich einige grund-

legende Fragen an die Gesellschaft, aber auch den Einzelnen: Wie kann man das soziale Miteinander verbessern? Wie kann man die noch Berufstätigen darauf vorbereiten, dass ihr Selbstwert mit Renteneintritt 46 | un-plaqued No 22


nicht abrupt in den Keller sinkt? Wie kann man die Erfahrungen aller Generationen zu einer gemeinsamen neuen Denkweise verbinden? Angesichts des Nebeneinanders in vielen Bereichen des Lebens ist es nicht verwunderlich, wenn Rentner sich in einer Jugendwahn- und Spaßgesellschaft nur schlecht orientieren können. Es passt nicht zu ihren Erfahrungen. Doch womit motivieren wir die enttäuschten Alten wieder für eine Sinn stiftende, kraftvolle Lebenszeit? Meine Empfehlungen für die über Fünfundsechzigjährigen Wir dürfen den Anschluss nicht verlieren! Seien Sie neugierig und heiter, auf jeden Fall gelassen, freundlich und allen Neuerungen gewogen. Seien Sie offen und achtsam mit ihren Kindern und der nahen und fernen Familie. Helfen Sie im Rahmen Ihrer Möglichkeiten und Ihres Gesundheitszustandes ihren Nachbarn. Gehen Sie freundlich mit sich selbst um. Gönnen Sie sich ganz persönliche Auszeiten fürs Hobby und ihre Entspannung. Kümmern Sie sich selbst um Ihre Gesundheit, indem Sie in Ihren Körper hineinhorchen, um das Zusammenspiel zu erkennen. Alles hängt mit allem zusammen: vom Kopfschmerz bis zum Fußschmerz! Entdecken Sie wieder Ihre Selbstheilungskräfte. Sagen Sie dem Arzt, was sie brauchen. Nehmen Sie Diagnosen nicht als unabänderliches Dogma, übernehmen Sie stattdessen Verantwortung für sich selbst und ihren Körper. Seien Sie kritisch, aber auch selbstkritisch mit den Problemfragen der soziaLiteraturempfehlungen der Autorin: un-plaqued-com

len, politischen und familiären Belange. Sorgen Sie für Klärung und geistige Verarbeitung. Die Fragen nach der eigenen Kindheit können Sie nachvollziehen, um die heutige Jugend wieder besser zu verstehen und eventuell auch die Handlungsweisen in der eigenen Jugend. Machen Sie sich keine Selbstvorwürfe und handeln Sie aus einer natürlichen Würde Ihres immanenten Erfahrungsschatzes, ohne Eitelkeit, Besserwisserei und Überheblichkeit. Wir sind die neue bevölkerungsstärkste Gruppe in diesem Land. Treten wir mit unseren Erfahrungen füreinander ein. // un-plaqued No 22 | 47


THEMA / Veränderung

HÖRT AUF

Überraschung im öffentlich-rechtlichen Fernsehen: Claus Kleber moderiert am 13. Februar 2015 das »Heute Journal« mit den Worten ab: »Scheiß Krieg«. Komoderatorin Gundula Gause schaut verdutzt. Na, so was, ein angesehener Moderator in Schlips und Kragen spricht die Sprache der Straße. Gibt es doch noch Hoffnung? 48 | un-plaqued No 22


THEMA / Veränderung

Ein Plädoyer für eine neue Kultur der Sprache TEXT Markus Franz

I

ch sage, ich klage an, ich kotze ab darüber, dass unsere Sprache so elitär ist. Sprache, wie sie in Schulen gelehrt wird und an Universitäten. Sprache, wie sie gesprochen wird in Nachrichtensendungen des öffentlich-rechtlichen

Fernsehens (Ausnahme der Kinderkanal Kika), in Parteien, Stiftungen, Unternehmen, Gewerkschaften. Ja, selbst in Gewerkschaften, die ja nicht nur für

riertem Auslandssemester

abge-

schlossen haben. Ich behaupte: Die Funktionäre

der

genannten Institutionen richten sich hauptsächlich an ihresgleichen. Sie schreiben und re-

BLA BLA BLA BLA BL

studium mit integ-

A BLA BLA BLA BLA B BLA BLA BLA BLA BLA BLA BLA

BLA BLA LA BLA BLA BLA BLA B

die ein Hochschul-

BLA BLA

eintreten,

LA BLA BLA BLA BLA BLA BLA BLA BLA BLA BLA BLA

Leute

den für etwa fünf bis zehn Prozent der Bevölkerung. Manchmal für noch weniger. Sie gebrauchen Worte wie Austerität, Hegemonie, Multilateralität, Implementierung und so weiter. Müssen Leser und Zuhörer diese Worte wirklich verstehen? Wozu dieser Code für Eingeweihte, der andere Menschen ausschließt? Der sie ungebildet erscheinen lässt? Es geht nicht nur um einzelne Worte, es geht um komplizierte Sätze, voller Hauptwörter, voller Einschübe, schlicht: um intellektuell erscheinendes Geschwurbel. Auch ich verstehe vieles davon nicht. Dabei bin ich selbst Teil dieses Systems: Abiturient, Jurist, Journalist, Diplomat, Redenschreiber. Reicht alles nicht. Wenn es um komplizierte aktuelle Themen geht, schlage ich, ja, dann schlage un-plaqued No 22 | 49


THEMA / Veränderung

ich manchmal zuerst die Bild-Zeitung auf. Denn der kann man zwar vieles vorwerfen, nicht aber, elitär zu sein. Sie schreibt verständlich, sie nimmt die Leser mit, sie lässt mich nicht als Trottel erscheinen. Wir wundern uns über Wahlbeteiligungen knapp über 50 Prozent wie jetzt in Hamburg. So etwas hat viele Gründe. Einer davon ist: Unsere politische Elite macht sich nicht verständlich. Sie lässt zu viele Menschen schon allein sprachlich links liegen. Die Frage ist, warum? Aus Überheblichkeit? Aus Faulheit? Oder einfach nur aus Gedankenlosigkeit? Gedankenlosigkeit scheint mir der Hauptgrund zu sein. Das erlebe ich in meinen Schreibkursen. Den meisten Teilnehmern ist nicht bewusst, wie elitär sie schreiben. Sie wollen nicht elitär sein. Manche allerdings wehren sich dagegen, verständlich zu schreiben. Sie sagen, wenn sie einfacher schrei-

wäre. Ist es wirklich sinnvoll, banale Äußerungen durch komplizierte Sprache intelligenter erscheinen zu lassen? Ich empfinde das als Hochstapelei. Und auch deshalb ist einfache

BLA BLA BLA BLA BL

chen, wenn es nicht zum Heulen

BLA

durchkommen. Es wäre zum La-

Sprache so wichtig: um sich dar-

BLA BLA BLA BLA BLA BLA BLA BLA BLA BLA BLA

würden sie bei ihren Chefs nicht

A BLA BLA BLA BLA B BLA BLA BLA BLA BLA BLA BL

über klar zu werden, ob man überhaupt etwas zu sagen hat. »Zu viele Wörter«, sagt der Journalist und Autor E.A. Rauter, »können Wahrheit verdecken.« Die Wurzel allen Übels liegt meines Erachtens in der Schule. Die Allermeisten von uns haben es nicht besser gelernt. Der Deutschunterricht bereitet uns nicht ausreichend darauf vor, auf den Punkt zu kommen. Das zeigen u.a. die offiziellen Musterlösungen von Abiturarbeiten. Sie wimmeln von zu langen, verschachtelten, komplizierten Sätzen. Für gute Noten scheint es zudem wichtiger zu sein, lateinische Stilformen zu benennen, als sich schnörkellos auszudrücken. Die Ziele des Deutschunterrichts sind nicht alltagstauglich genug. Wer im Sinne der Prüfungsordnung hervorragend Kafka analysiert, kann noch lange 50 | un-plaqued No 22

A BLA BLA LA BLA BLA BLA

ben, wirke das zu banal. Damit


THEMA / Veränderung

keine Texte schreiben, die im beruflichen Alltag bestehen. Da kommt es nämlich häufig darauf an, so schnell und konkret wie möglich zu informieren. Ich fordere deshalb: Deutschlehrer müssen schreiben lernen! In Klammern füge ich hinzu: Das ist kein Vorwurf an Deutschlehrer. Sie haben es ja selbst nicht besser gelernt. Auch Reden schreiben und Reden halten sollte besser gelehrt werden, wenn es überhaupt gelehrt wird. Die Engländer und Amerikaner können es in der Regel, wir nicht. Langweilige Reden sind besonders ärgerlich. Die Leser von

A

BLA BLA BLA LA BLA

BLA BLA BLA BLA BL

A BLA BLA BLA BLA B BLA BLA BLA BLA BLA BLA

Texten haben noch die Wahl, nicht weiterzulesen. Sie können nach der Überschrift aussteigen oder spätestens nach den ersten drei Sätzen. Der Zeitverlust ist verkraftbar. Schlechte Reden dagegen sind Freiheitsberaubung. Als höflicher Zuhörer kann man nicht einfach nach den ersten Sätzen aufstehen und gehen. Ich jedenfalls bringe das nicht übers Herz. Viele Redner unterschätzen zudem,

BLA BLA BLA BLA BLA BLA BLA BLA BLA BLA BL

wie sehr sie sich mit einer schlechten Rede schaden. Ich spreche Sie, liebe Leserinnen und Leser, nun persönlich an, egal ob es Sie betrifft oder nicht. Das wirkt intensiver: Denn die Qualität Ihrer Rede entscheidet darüber, ob Sie als Bürokrat, alter Sack, eingebildeter Affe oder einfach nur als Langweiler wahrgenommen werden. Oder ob man Sie als aufgeschlossen, klug und unterhaltsam wahrnimmt – eben als einen guten Typ. Ich schlage Ihnen vor und frage mich, warum unsere Lehrer es uns nicht auch vorschlagen: Strengen Sie sich an, beim Stoffsammeln, beim Nachdenken und beim Schreiben. Seien Sie wahrhaftig, denn nur so werden Sie wahrgenommen. Wagen Sie etwas, damit Sie wirken. Drücken Sie sich verständlich aus statt elitär. Und unterstehen Sie sich zu langweilen. Beherzigen Sie dabei, dass Menschen vor allem an Menschen interessiert sind. Schreiben und reden Sie also als Mensch, über Menschen und für Menschen. //

Markus Franz ist Journalist, Redenschreiber, Trainer für Schreiben und Reden (redenschreibenwirken.de). Sein Buch »Reden Schreiben Wirken – und ganz nebenbei ein besserer Mensch werden« erscheint Ende März 2015 bei Correctiv.

un-plaqued No 22 | 51


THEMA / Veränderung

Prof. Dr. Dr. Georg Meyer gehört eigentlich zu den Zahnmedizinern in Deutschland, die nicht mehr vorgestellt werden müssten. Da er für uns aber auch zu den außergewöhnlichsten Vertretern der Spezies Universitätsprofessoren gehört, geben wir euch einen kleinen Querschnitt aus seinem Schaffen. Nach seinem Studium der Zahnmedizin in Göttingen, der wissenschaftlichen Mitarbeit an der Universität, Promotion und Habilitation ging er kurz nach der Wiedervereinigung, entgegen dem üblichen Strom, an die Ernst-Moritz-Arndt-Universität Greifswald, wo er seit 1993 die Poliklinik für Zahnerhaltung, Parodontologie, Endodontologie, Präventive Zahnmedizin und Kinderzahnheilkunde leitet. Maßgeblich hat er in den letzten 15 Jahren den Begriff der ZahnMedizin geprägt und sich frühzeitig für den interdisziplinären Austausch der medizinischen und zahnmedizinischen Fächer eingesetzt. Anders als viele hat er nicht nur darüber referiert, sondern gemeinsam mit seinen Mitarbeitern diese Erkenntnisse an seiner Fakultät in die studentische Ausbildung und klinische Praxis integriert und so am nördlichen Rand der Republik eine der besten und fortschrittlichsten Universitätszahnkliniken Deutschlands geschaffen. Ob als Direktor des Greifswalder Zentrums für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde, Präsident der DGZMK (2004), als verbindendes Element zwischen Wissenschaft und Standespolitik oder bei seinem internationalen Engagement im Rahmen des Wissenschaftsrates des FDI – wir haben ihn in all diesen Jahren als aufgeschlossenen und inspirierten Macher und Visionär einer neuen Zahnmedizin erlebt, ohne den unser Berufsstand heute nicht da wäre, wo er ist. 52 | un-plaqued No 22


THEMA / Veränderung

Herr Prof. Dr. Meyer, was ist von der Oralen Medizin in der Praxis angekommen? Zahnmedizinische Wissenschaft und Praxis be-

würde das System funktionieren, insbesondere

legen für die Bereiche Parodontologie, Funkti-

wenn es kontinuierlich neuen Erkenntnissen an-

onslehre und Biomaterialien besonders nach-

gepasst würde. In der Realität hat das zahnärzt-

haltige Schnittstellen zu anderen medizinischen

liche Abrechnungssystem aber kaum Schnitt-

Disziplinen. Die entsprechenden Forschungs-

stellen zur Allgemeinmedizin, und es führt ein

ergebnisse gehen dabei ein in die studenti-

davon weit entferntes Eigenleben. Ein Beispiel

sche Lehre, aber auch in die berufsständische

hierfür ist die zahnärztliche Funktionslehre, die

Fort- und Weiterbildung. Aus eigener Erfah-

nicht nur ein Querschnittsfach innerhalb der

rung weiß ich, dass praktizierende Kolleginnen

zahnmedizinischen Disziplinen darstellt, son-

und Kollegen in hohem Maße wissbegierig sind

dern weit in andere medizinische Bereiche hi-

nach medizinischen Aspekten ihrer zahnärzt-

neinreicht. Die aktuelle Forschung belegt sehr

lichen Tätigkeitsbereiche. Erfreulicherweise finden auch in unseren standespolitischen Zeitschriften

diese

Themen deutlich mehr Beachtung, sodass die Basis für medizinisches Denken immer brei-

Die gegenwärtige Medizin folgt vornehmlich dem Strom der Finanzen

ter wird. Wenn ich die

nachhaltig, dass craniomandibuläre Dysfunktionen (CMD) ein Risikosegment sein können für die Volkskrankheiten Kopf-, Gesichts- und Schulterschmerzen, Tinnitus u.a. Es ist deshalb völlig unverständlich, warum die

Anamnesebögen meiner eigenen Studentenzeit

zahnMEDIZINISCHE Funktionsdiagnostik und

mit denen der jetzigen Studentenausbildung

Funktionstherapie über die gesetzlichen Kran-

vergleiche, nehmen medizinische Aspekte, die

kenkassen nicht im geringsten Maße, weder

dort hinterfragt werden, heute einen sehr viel

medizinisch noch zahnmedizinisch, abgerech-

breiteren Raum ein. Insgesamt scheint mir da-

net werden kann. Es ist geradezu anachronis-

her die orale Medizin ganz grundsätzlich in der

tisch, dass ein Großteil von Ärzten, Gutachtern

Praxis angekommen zu sein.

und Kassen diese Zusammenhänge immer noch ignorieren. Mit einer interdisziplinär ausgerich-

Die gegenwärtige Medizin folgt vornehmlich

teten, systematisch koordinierten und auf die-

dem Strom der Finanzen: Dahinter steckt die

ser Basis abrechenbaren ZahnMEDIZIN wären

Frage nach der Abrechenbarkeit medizinischer

insbesondere viele leidvolle Patientenschick-

Leistungen, vor allem auf der Basis gesetzlicher

sale vermeidbar, und eine Kostendämpfung,

Kostenträger. Solange die Abrechenbarkeit me-

gerade auch in anderen medizinischen Diszipli-

dizinischer und auch zahnmedizinischer Leis-

nen, wäre von großer Wahrscheinlichkeit. Die

tungen dem aktuellen Stand praktikabler wis-

Orale Medizin würde dann von selbst in der Pra-

senschaftsbasierter Behandlungen entspricht,

xis ankommen … keine Frage! // un-plaqued No 22 | 53


FOREVER YOUNG / Veränderung

Jeder kann Leben retten Text Babette Gebhardt

Alle 16 Minuten erhält ein Mensch in Deutschland die niederschmetternde Diagnose: Blutkrebs (Leukämie). Viele Patienten sind Kinder und Jugendliche, deren einzige Chance auf Heilung eine Stammzellspende ist. Doch jeder fünfte Patient findet auch in Deutschland keinen Spender.

B

ei der Blutstammzelltrans-

Richtige sein und mit seiner Stamm-

plantation ist es wichtig, dass

zellspende ein echter Lebensretter

die HLA-Merkmale zwischen

werden.

Spender und Patienten möglichst identisch sind. So werden Absto-

In den letzten Jahren haben viele Stu-

ßungsreaktionen vermieden. HLA

denten an ihren Fakultäten dazu auf-

steht für Humane Leukozyten-Anti-

gerufen, sich als Spender typisieren

gene – man spricht auch umgangs-

zu lassen und in die Spenderkartei

sprachlich von »Gewebemerkma-

aufgenommen zu werden. Dabei sind

len«. Die Gewebemerkmale werden

gerade die Zahnmediziner prädesti-

von den Eltern auf die Kinder ver-

niert, solche Aktionen zu unterstüt-

erbt. Dennoch findet nur ein Drittel

zen, da es nur ein einfacher Abstrich

der Patienten, die eine Stammzell-

im Mund und die persönliche Bereit-

spende benötigen, innerhalb der Fa-

schaft zur Stammzellspende ist, die

milie einen geeigneten Spender. Der

es benötigt, anderen Menschen das

Großteil benötigt daher einen nicht

Leben zu retten.

verwandten, fremden Spender. Die DKMS arbeitet seit 1991 daran, für Patienten weltweit den passenden Spender zu finden. Bislang haben sich bereits über fünf Millionen Stammzellspender unserem Kampf gegen den Blutkrebs angeschlossen. Allerdings ist die Wahrscheinlichkeit, einen passenden Spender außerhalb der Familie zu finden, sehr gering. Die Kombinationsmöglichkeiten der HLA-Merkmale, von denen es mehr als 10.000 Ausprägungen gibt, sind sehr groß. Jeder könnte der 54 | un-plaqued No 22


FOREVER YOUNG / Veränderung

Organisiert Aktionen an Euren Fakultäten und macht es wie Frankfurt/Main (153 Teilnehmer), Bonn (50) oder Freiburg (72)

Ansprechpartnerin Babette Gebhardt, DKMS Fon 030 / 83 22 797 - 11 E-Mail bgebhardt@dkms.de

Besucht uns am gemeinsamen Stand der Bundeszahnärztekammer in Halle 11.2, Stand 050/P59. Kommt zur Eröffnung des Studentenprogramms mit Prof. Oesterreich am 12.3.2015 und sprecht uns mit all Euren Fragen und Ideen zur Typisierungsaktion an. Wir können Euch in jedem Fall unterstützen. Am 13.3.2015 von 11.45 Uhr bis 12.45 Uhr findet in der GENERATIONLOUNGE in der Passage zwischen Halle 4 und 5 außerdem ein gemeinsamer Workshop von BdZM / BdZA und der DKMS statt. Gemeinsam mit Euch können wir Leukämie besiegen!

dkms.de

un-plaqued No 22 | 55


FOREVER YOUNG / Veränderung

Implan­­tologie neu denken Text Barbara Ritzert

56 | un-plaqued No 22


FOREVER YOUNG / Veränderung

Neues Wissen befeuert Veränderungen. Veränderungen sind Rohstoffe für den Fortschritt und neue Konzepte in einem Fach. Die Implantologie ist dafür ein Beispiel.

W

ir müssen viele Dinge heute anders

wändigen Behandlung machten. »Der richtige

machen, weil sich die Dinge än-

Zeitpunkt für eine Implantation ist ein Beispiel

dern«, sagt Prof. Dr. Daniel Wismei-

dafür«, sagt der DGI-Vizepräsident. »Einen

jer aus Amsterdam. »Wir können in der Im-

Zahn ziehen und dann ein halbes Jahr bis zur

plantologie heute Konzepte umsetzen, die

Implantation warten ist obsolet.« Ob ein Im-

früher so nicht möglich schienen oder an die

plantat sofort nach der Extraktion gesetzt wer-

man einfach nicht gedacht hat«, sagt DGI-Vize-

den kann, hängt zwar von verschiedenen Fakto-

präsident Prof. Dr. Frank Schwarz, Düsseldorf.

ren ab, etwa dem Ort der Implantation und der

»Alle fünf Jahre verdoppelt sich das Wissen

Knochenqualität, doch binnen sechs Wochen

der Menschheit, dies gilt auch für die Implan-

nach der Extraktion, betont Professor Schwarz,

tologie«, sagt DGI-Präsident Dr. Gerhard Igl-

sei die Implantation in den meisten Fällen mög-

haut, Memmingen.

lich. Nur wenn Knochen vor einer Implantation

Mehr Wissen und neue Konzepte bedeuten auch, dass Methoden überholt sind, die vor kurzem noch als Standard galten Mehr Wissen bedeutet Veränderung – aller-

aufgebaut wird, beträgt die Wartezeit vier bis

dings nicht nur im Sinne von Ergänzung oder

sechs Monate.

nur »anders machen«, sondern auch im Sinne von »nicht mehr machen«. »Mehr Wissen und

Eine neue Aufgabe für die Wurzel

neue Konzepte bedeuten auch, dass Methoden

»Wir können Zähne, genauer gesagt Zahnwur-

überholt sind, die vor Kurzem noch als Standard

zeln, unmittelbar nach der Extraktion zum Auf-

galten«, erklärt Professor Schwarz.

bau des Kieferknochens verwenden«, umreißt

Dazu gehören manche Prinzipien, die eine Im-

Professor Schwarz neue Forschungsergebnis-

plantattherapie bislang zu einer sehr zeitauf-

se seiner Gruppe, die demnächst im Rahmen

un-plaqued No 22 | 57


FOREVER YOUNG / Veränderung

klinischer Studien erprobt werden. Im Experi-

Kurze und dünne Implantate

ment hat das Team Zahnwurzeln auf den Kiefer-

Auch kürzere und dünnere Implantate machen

knochen aufgeschraubt, um diesen zu verbrei-

eine Implantattherapie inzwischen schonen-

tern. Vier Monate später, nachdem die Wurzel

der und können größere augmentative Eingriffe

eingeheilt ist, kann ein Implantat gesetzt wer-

vermeiden. »Die Zeit der dicken Implantate mit

den. So lassen sich die Verwendung von Ersatz-

mehr als fünf Millimeter Durchmesser ist vor-

materialien oder aufwändige Eingriffe zur Kno-

bei«, betont Professor Schwarz. Vier Millime-

chenentnahme vermeiden. Denkbar ist auch,

ter Durchmesser und sogar weniger – abhängig

eine Zahnwurzel weiter hinten im Kiefer unter

vom Ort der Implantation – sind heute die Re-

der Schleimhaut einzupflanzen und bei Bedarf

gel. Auch was die Länge betrifft, haben sich Im-

wieder herauszunehmen. »Zahnärzte sind dar-

plantate verändert: Sechs bis zehn Millimeter

auf trainiert, gezogene Zähne wegzuwerfen«,

sind üblich, es gibt inzwischen auch noch kür-

sagt Schwarz. »Hier ist nun ein Umlernen ange-

zere Implantate zwischen vier und sechs Milli-

sagt.«

meter, die in bestimmten Regionen eingesetzt werden können.

Die Zeit der dicken Implantate mit mehr als fünf Millimeter Durchmesser ist vorbei

58 | un-plaqued No 22


FOREVER YOUNG / Veränderung

Wir brauchen in der Implantologie reversible Lösungen Der demografische Wandel verändert die

den mit Bisphosphonaten behandelt. Während

Zahnmedizin

oder nach einer Bisphosphonat-Behandlung

Zahnärzte behandeln zunehmend Patienten mit

können in seltenen Fällen Kiefernekrosen auf-

chronischen Erkrankungen, von denen einige

treten. Das Risiko einer Osteonekrose gegen den

den Erfolg einer Implantattherapie beeinträch-

Nutzen einer Implantattherapie muss im Einzel-

tigen können. Das Spektrum reicht von Autoim-

fall genau abgewogen werden. Inzwischen muss

munerkrankungen wie Rheumatoider Arthritis

sich auch eine steigende Zahl von bereits ver-

über Diabetes bis zu Osteoporose und Krebs.

sorgten Implantatpatienten einer Bisphospho-

»In den letzten Jahren haben sich zwar viele

nat-Behandlung unterziehen. »Dann müssen

Kontraindikationen einer Implantat-Therapie

Entzündungen vor Beginn der Therapie unbe-

relativiert, doch früher eher seltene Indikati-

dingt behandelt werden«, sagt Professor Grötz.

onseinschränkungen gewinnen an Bedeutung«,

Ebenfalls erforderlich sind engmaschige Kont-

erklärt Prof. Dr. Dr. Knut A. Grötz von den Dr.

rolluntersuchungen.

Horst Schmidt Kliniken in Wiesbaden. Eine wachsende Zahl von Patientinnen und Pa-

Die natürlichen Zähne bleiben bei einer stei-

tienten wird wegen Osteoporose oder Krebslei-

genden Zahl von Menschen bis ins hohe Alter

un-plaqued No 22 | 59


FOREVER YOUNG / Veränderung

erhalten. »Mehr betagte Patienten brauchen

Offensive. Deren Herzstück ist die e.Academy

Zahnersatz«, erklärt Prof. Dr. Frauke Müller von

(www.dgi-eacademy.de). Sie erlaubt das Ler-

der Universität Genf. Eine Implantatversorgung

nen mit eigenem Maß – denn Veränderungen

sollte anpassungsfähig sein, da sich beim Alte-

brauchen auch Reifezeit. //

rungsprozess nicht nur die Physiologie, sondern auch die Anatomie verändert. Dann kann sich ein Vorteil der Implantate – ihre lange Haltbarkeit – als Nachteil erweisen. »Wir brauchen daher in der Implantologie reversible Lösungen«, betont die Expertin. Das Tempo bei der Wissensproduktion erfordert auch neue Konzepte der Wissensvermittlung. Digitale Medien eröffnen hier zusätzliche

dginet.de

dgi-eacademy.de

Optionen. Die DGI startet darum eine digitale

4.1 A-100 Stand

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Auf der IDS finden SIe uns hier:

60 | un-plaqued No 22


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Forever/ young / Veränderung RUBRIK Veränderung

und Es ward Licht Text Ingmar Dobberstein

Die Zahnmedizin ist ohne Zweifel ein stark technisierter Fachbereich. So verwundert es kaum, dass die Innovationen in den Bereichen CAD CAM, Laser oder der digitalen Zahnheilkunde mittlerweile jährlich in großen Schritten vorangehen. Umso erstaunlicher ist, dass in diesem Jahr eine kleine Revolution in einem scheinbar technisch ausgereiften Segment, den Winkelstücken, vorgestellt wird. Die Firma W&H zeigt mit der Synea Vison LED+ auf der diesjährigen IDS die weltweit erste Turbine mit fünffach LED-Ring und einer Leuchtkraft, die man so bisher nicht kannte.

62 | un-plaqued No 22


Forever RUBRIK young / Veränderung

B

evor in den USA 1957 die erste

sechs bis acht Turbinenschaufeln

Luftdruckturbine im zahnärzt-

bestückt ist.

lichen Bereich auf den Markt

kam, kannte man nur elektrisch be-

Die ersten Turbinen waren luftge-

triebene Winkelstücke oder ihre Vor-

lagert und konnten bis 450.000 Um-

läufer mit Pedalantrieb. In Deutsch-

drehungen pro Minute erzeugen, die

land wurde die erste Turbine zwei

sich allerdings je nach Anpressdruck

Jahre später durch die Firma KaVo

schnell verringerten. Für eine besse-

auf dem Markt präsentiert. Bis dahin

re Durchzugskraft wurden kugelgela-

hatten zahnärztliche Winkelstücke

gerte Turbinen entwickelt, die heute

eine maximale Drehzahl von 20.000

ausschließlich verbaut werden. Die

Umdrehungen pro Minute, handels-

neueste Generation der Turbinen hat

übliche Bohrmaschinen erreichten in

Keramikkugellager, mit denen eben-

dieser Zeit gerade mal 5.000 bis

falls eine Drehzahl von 400.000 Um-

12.000 Umdrehungen pro Minute.

drehungen pro Minute erreicht wer-

Für damalige Verhältnisse entspra-

den kann. Keramikkugellager zeigen

chen die 300.000 Umdrehungen pro

vor allem einen geringeren Ver-

Minute der luftgetriebenen Turbi-

schleiß und wesentlich weniger Ge-

nen einer kleinen Revolution in der

räusche (nur noch etwa 60 dB). Auf

Zahnmedizin.

diese Weise werden die Turbinen vib-

Während bei einem elektrischen Mi-

rationsärmer, und die Arbeit am Zahn

kromotor die Kraft über eine Welle

kann präziser vollzogen werden.

in den Arbeitskopf übertragen wird, wird bei Turbinen die Kraft durch ei-

Dass auf diesem hochentwickel-

nen Luftstrom direkt im Kopf des

ten Level noch eine weitere Entwick-

Winkelstücks erzeugt. Der Luftstrom

lung möglich wurde, ist erstaun-

von 2,5 bis 4 Bar versetzt ein Tur-

lich. Nach umfangreichen Tests mit

AR-App für Synea

binenrad in Rotation, das mit etwa

der neuen Synea Vision kann ich aus

Turbinen

un-plaqued No 22 | 63


Forever young / Veränderung

Technische Daten (auszugsweise/ je nach Modell)

zahnärztlicher Sicht und als Turbi-

LED-Rings durch die häufigen Ste-

CRI

nenanwender nur begeistert sein.

rilisiervorgänge gewährleistet sein

>90

Die Turbine überzeugt bereits beim

musste.

Farbtemperatur

ersten Eindruck durch ihre Größe

5.500 K

und das geringe Gewicht von nur 69

Synea Vision Turbinen werden in

Beleuchtungsstärke

Gramm. In der Benutzung ist der ge-

Österreich in vier verschiedenen

25.000 Lux

ringe Geräuschpegel von nur 57 dB

Ausführungen »on demand« produ-

Kopfgröße

eine Wohltat für die Ohren des Be-

ziert, was vor allem dafür sorgt, dass

9–13 mm

handlers und der Patienten.

im Falle von Produktverbesserun-

Kopfhöhe

Der größte Unterschied jedoch ist

gen jeweils nur die neueste Genera-

17,2–21,4 mm

die schattenfreie Ausleuchtung des

tion ausgeliefert wird. Sie können

Leistung

Behandlungsgebietes durch die

entweder für Multiflex-Kupplungen

12–22 W

LEDs. Wer bei seinen älteren Turbi-

oder für die Roto Quick Kupplungen

Drehzahl

nen schon von der herkömmlichen

hergestellt werden. W&H lädt Zahn-

330.000–410.000 U/Min

Beleuchtung auf eine LED umgestie-

ärzte und Zahnärztinnen dazu ein,

Gewicht

gen ist, weiß, welchen Unterschied

die neue Turbinengeneration auf ih-

67–70g

LED machen kann, aber hier spre-

rem Stand auf der IDS ausführlich

Spray

chen wir über fünf LEDs, die als Ring

zu testen. Ich kann jedem empfeh-

5–fach

um die Spannzange angeordnet sind

len, dies zu tun, denn für mich ist die

Lautstärke

und eine Leuchtkraft von 25.000 Lux

Synea Vision eine kleine technische

57–59 dB

erzeugen. Die Helligkeit im Präpara-

Revolution. //

tionsgebiet ist so überzeugend, dass man auf die zusätzliche Beleuchtung einer Lupenbrille oder Ähnlichem komplett verzichten kann. W&H ist nicht die erste Firma, die über eine derartige Lösung für Turbinen nachgedacht hat, aber sie sind die Einzigen, die im Zuge ihrer Forschung eine derartige Technik vollumfänglich entwickelt haben. Die Herausforderung war dabei laut W&H, dass eine Langlebigkeit des 64 | un-plaqued No 22


RUBRIK Ids / Veränderung

elt in Köln edizinische W m hn za e di ch e trifft si r weltgrößten Alle zwei Jahr Schau (IDS), de lta en D n le na zur Internatio d Zahntechnik. hnmedizin un Za r de en aus in se Leitmes 00 Unternehm 20 s al r eh m d werden mediziner wir In diesem Jahr Für junge Zahn t. te ar ihw d er un n BdZM rund 60 Länder des BdZA und ft ha sc rr he d hirm Stan der es unter der Sc s Programm am lle ie ez sp n ei 59) und erneut , Stand O50-P ren Partnern .2 11 le al (H er rztekamm 4 & 5) geben. Bundeszahnä sage zw. Halle as (P E G N U LO ON et Ihr auf der GENERATI Mittwoch sollt am lk Ta er re Ca arty am ender und der Standp Neben dem G g in at D d ee Dental Sp jeden Fall zum mmen. ittag vorbeiko Freitag Nachm

load IDS APP Down un-plaqued No 22 | 65


FOTO: VDDI

RUBRIK IDS / Veränderung / Veränderung

Der internationale Marktplatz der Dentalwelt Interview mit Dr. Rickert, Vorstandsvorsitzender des VDDI

66 | un-plaqued No 22


IDS / Veränderung

Man könnte jedes Wochenende auf eine zahnmedizinische Fortbildung mit Industrieausstellung gehen, und mindestens ebenso häufig kommen Firmenvertreter in die Praxis. Warum gehen dennoch alle zwei Jahre an die 120.000 Besucher auf eine reine Industrieausstellung, die Internationale Dentalschau (IDS), nach Köln? Die IDS genießt den Ruf als dentale Leitmesse der Welt, weil sie eine unübertroffene Angebotsbreite und –tiefe bei einer anerkanntermaßen ausgezeichneten Aufenthaltsqualität für Aussteller und Fachbesucher bietet. Die IDS ist auch die unvergleichliche internationale Innovationsplattform, denn regelmäßig präsentieren die Aussteller ihre Neuheiten und zukunftsweisenden Weiterentwicklungen hier zuerst vor den Anwendern. Auf der IDS trifft man die vollständige Wertschöpfungskette im Dentalbereich: Hersteller, Dienstleister entlang der Wertschöpfungskette, die Anwender unserer Produkte, Zahnärzte und Zahntechniker, die Mitarbeiter aus Praxis und Labor, kurz, alle, die sich für Mundgesundheit engagieren und dazu beitragen, dass die Anwender alles erhalten, was sie für ihre Arbeit an und für die Patienten benötigen. Daneben versammeln sich viele Organisationen, nationale und internationale Verbände, es gibt Treffen und Begegnungen aller Art, und alle sind sehr kommunikativ und abwechslungsreich. Die hohe Internationalität der Aussteller und Besucher übt ihren besonderen Reiz als Marktplatz und Kommunikationsbörse für Zahnärzte, Zahntechniker, Dentalhandel und die Dentalindustrie aus und schafft die einzigartige Atmosphäre eines Welt-Marktplatzes. Unsere Messebesucher schätzen vor allem die persönlichen Begegnungen, die auch im Zeitalter der Digitalisierung von Kommunikation ihre Bedeutung überhaupt nicht verloren haben. Die Menschen wollen Produkte und Waren aus nächster Nähe ansehen, sie wollen sie anfassen, sie wollen spüren, wie Dinge in der eigenen Hand liegen. Es ist ihnen wichtig, Anwendungen selbst ausprobieren zu können und ihre Fragen unmittelbar an die Hersteller und Entwickler zu richten. Die meisten Messebesucher legen großen Wert darauf, Produkte intensiv und an Ort und Stelle zu vergleichen. Das macht die Anziehungskraft der IDS aus. Die Vorbereitung einer Weltleitmesse wie der IDS bedeutet viel unermüdliche und kreative Arbeit im Vorfeld. Später, wenn wir beim Rundgang über die Messe sehen, dass die Stimmung bei Ausstellern und Besuchern aus dem In- und Ausland prima ist, dass alle zufrieden, ja, fast schon euphorisch sind, dann ist das schon eine große Genugtuung für uns. Unsere Aussteller und Besucher spüren, dass wir die IDS mit Professionalität und auch mit dem nötigen »Spaß an der Freud«, wie man hier im Rheinland sagt, organisieren.

un-plaqued No 22 | 67


IDS / Veränderung

Warum engagieren sich VDDI und GFDI auf dieser IDS bereits zum zweiten Mal im Rahmen des Projektes Generationlounge gemeinsam mit dem BdZA für die jungen Zahnmediziner? Die Dentalbranche in Deutschland bezeichnet sich gerne als Dentalfamilie, weil wir, jede Gruppe darin, eine bedeutsame aber doch überschaubare Spezialistentruppe sind, wir uns auf Schritt und Tritt begegnen und regelmäßig engen Kontakt halten. Deshalb sollte der Nachwuchs unsere ungeteilte und wohlwollende Aufmerksamkeit erhalten. Wir waren daher sehr erfreut, als der BdZA 2012 mit einem Konzeptvorschlag auf uns zugekommen ist, denn wir hatten auch schon darüber nachgedacht, mit der jungen Generation intensiver in einen vertieften Austausch zu kommen. Mit der Idee der Generationlounge hat der BdZA offene Türen bei uns eingerannt, und der VDDI hat seine Wirtschaftsgesellschaft beauftragt, dieses Projekt nach Kräften zu unterstützen. Es ist für das Wohlergehen der gesamten Branche sehr wichtig, die Kontinuität der engen Verbindungen innerhalb der Berufsverbände zu wahren und alles dafür zu tun, die engen und über Jahrzehnte gewachsenen Beziehungen zu pflegen und mit der nächsten Generation zu sichern. Viele deutsche Dentalunternehmen vertreiben ihre Produkte weltweit und genießen im Ausland einen hervorragenden Ruf. Wie schätzen Sie die deutsche Dentalindustrie im internationalen Vergleich ein? Unsere Dentalindustrie genießt seit mehr als 100 Jahren einen ausgezeichneten Ruf. Der Beginn ihrer Entwicklung reicht bis ins 19. Jahrhundert zurück. Die Unternehmen aus Deutschland konnten sich schon früh mit eigenen innovativen Techniken im internationalen Umfeld behaupten. Die meisten Kunden schätzen die deutsche Dentalindustrie als einen sehr innovativen, kompetenten und zuverlässigen Partner, das bekommen wir immer wieder auf den Gemeinschaftsbeteiligungen unserer Industrie auf den Weltmärkten zu hören. Gelobt werden im Einzelnen die hohe Qualität, Benutzerfreundlichkeit, Zuverlässigkeit und Servicefreundlichkeit unserer Produkte. Das Lob freut uns, ist aber auch eine ständige Verpflichtung, den Standard zu halten und, wo möglich, auszubauen und weiter zu verbessern. Das spornt unsere Industrie an, Forschung und Entwicklung zu betreiben, um auch in Zukunft in der Spitzengruppe der weltweiten Dentalindustrien, also mit Japan und den USA, mitzuspielen. Bei dem besonders hohen Leistungsniveau von Zahnmedizin und Zahntechnik in Deutschland ist die Dentalindustrie erster Partner für eine Fülle von hoch spezialisierten Behandlungsmöglichkeiten. Das trägt erheblich zur Stärke unserer stark forschungsorientierten Industrie bei. In enger Verbindung und 68 | un-plaqued No 22


IDS / Veränderung

Die meisten Messebesucher legen groĂ&#x;en Wert darauf, Produkte intensiv und an Ort und Stelle zu vergleichen

un-plaqued No 22 | 69


IDS / Veränderung

Zusammenarbeit mit der wissenschaftlichen Zahnheilkunde an den Universitäten und mit dem zahntechnischen Handwerk sowie der Materialentwicklung erforscht sie neue diagnostische und therapeutische Anwendungsgebiete und entwickelt dafür innovative Technologien, Verfahren und Materialien für Anwender. Diese enge Zusammenarbeit auf dem aktuellen Stand der Zahnmedizin und Zahntechnik in Deutschland ist ein entscheidender Standortvorteil. Hier entstehen die Innovationen, die die ganze Welt überzeugen, denn mittlerweile liegt der Exportanteil unserer Industrie bei 55 Prozent. Produziert wird im Inland, denn »Made in Germany« steht in aller Welt für höchste Qualität.

Es ist aus Sicht des Wohlergehens der gesamten Branche sehr wichtig, die engen und über Jahrzehnte gewachsenen Beziehungen zu pflegen und mit der nächsten Generation zu sichern Kann die deutsche Dentalindustrie zukünftig ihre Position behaupten? Die Zahnheilkunde in Deutschland, also Zahnärzteschaft und Zahntechnik, liegt mit ihrer Qualität, Zuverlässigkeit und Innovationskraft an der Welt­ spitze – und das ist auch unsere große Chance auf unserem Heimatmarkt. Da die zahnmedizinische und zahntechnische Versorgung im Wesentlichen immer lokale Märkte betreffen, bleibt uns dieser Vorteil auch in einem härter und schneller werdenden internationalen Wettbewerb erhalten.

70 | un-plaqued No 22


IDS / Veränderung

Die rasante wissenschaftliche und technische Entwicklung lässt die internationale Nachfrage nach Geräten, Instrumenten und Materialien aus deutscher Produktion kontinuierlich steigen. Die hiesigen Dentalunternehmen sind flexibel und reagieren sehr schnell auf die neuen Entwicklungen, weil sie im vddi.de

Inland die Modernisierungsprozesse gemeinsam mit Zahnärzten und Zahntechnikern voranbringen. Die globale Wirtschaftsentwicklung wird auch in Zukunft die Kaufkraft immer breiterer Schichten in vielen Wirtschaftsräumen steigen lassen und erschließt so weitere Absatzmärkte für innovative Produkte der Deutschen Dentalindustrie. Zusätzliche Chancen ergeben sich in den Industriestaaten aus der demografischen Entwicklung, wobei sich vor allem die Alterszahnheilkunde zu

dental-place.de

einem eigenen Zweig entwickelt.

Was ist ihr Rat an die nächste Generation junger Zahnmediziner? Heute ist vor allem wichtig, frühzeitig Netzwerke zu bilden, die über die des eigenen Berufsstandes hinausgehen und die gesamte Branche umfassen, also auch die Zahntechnik, die Heilhilfsberufe, den Dentalfachhandel, die Dienstleister aus dem Bereich Organisation, Personal oder auch Finanzen. Jeder Kontakt kann dazu beitragen, die eigene Kompetenz zu erweitern und die eigene Entscheidungsfähigkeit in allen berufsrelevanten Fragen zu stärken. Die IDS ist genau der Ort, an dem das alle zwei Jahre möglich ist. Hier gibt es in hoch konzentrierter Form die umfassendsten Informationsangebote der Berufsverbände, der Industrie, des Handels sowie der Dienstleister, die alle sehr daran interessiert sind, der nächsten Generation die Wege zu ebnen und Unterstützungen aller Art anzubieten. Als Berufsanfänger ist es wichtig, alles mit Ruhe zu entscheiden. Die wichtigsten Entscheidungen in und für die Praxis treffen letztendlich nicht Gesundheitspolitiker oder Vorstandsvorsitzende, sondern die Praxisinhaber und ihre Teams. Sie kennen ihre Patienten am besten und stellen die Weichen, die sie und ihre Praxis in die Zukunft führen. // un-plaqued No 22 | 71


IDS / Veränderung

Beste Lösungen für implantatgetragenen Zahnersatz

VITA IMPLANT SOLUTIONS – CAD/CAM-Rohlinge mit integrierter Schnittstelle zu einer Klebe-/Titanbasis

72 | un-plaqued No 22


IDS / Veränderung

Halle

Politur, ohne weitere thermische Be-

neue CAD/CAM-Rohlinge für im-

handlung, direkt eingegliedert wer-

plantatgetragenen Zahnersatz aus

den. Mit VITA SUPRINITY IS wird auch

Hybridkeramik, Glaskeramik und

die hochfeste, zirkondioxidverstärk-

Komposit, die die VITA Zahnfabrik

te Glaskeramik für definitive Supra-

(D-Bad Säckingen) zur IDS 2015 erst-

konstruktionen auf der IDS präsen-

mals vorstellt. Die Rohlinge verfügen

tiert.

über eine integrierte Schnittstelle (Schraubenkanal inkl. Verdrehsiche-

Die Rohlinge aus beiden Materialva-

rung) zur Klebe-/Titanbasis (z. B. Ti-

rianten werden in zwei Geometrien

Base). Damit sind die Rohlinge zu

und Transluzenzstufen angeboten.

den Implantatsystemen vieler Her-

Damit lassen sich sowohl zweitei-

steller kompatibel. Die IS-Rohlinge

lige Versorgungen, bestehend aus

werden als VITA ENAMIC IS, VITA SU-

Mesostruktur und Krone, als auch

PRINITY IS und VITA CAD-Temp IS an-

einteilige Versorgungen in Form

geboten.

von monolithischen Abutment-Kronen herstellen. Die einteilige Lö-

Für die definitive Versorgung emp-

sung empfiehlt sich primär im Sei-

fehlen sich VITA ENAMIC IS-Rohlin-

tenzahnbereich und die zweiteilige

ge. Die Hybridkeramik kann dank

Lösung für implantatgetragene Kro-

dentinähnlicher Elastizität einwir-

nenrekonstruktionen im Frontzahn-

kende Kaukräfte absorbieren. Die

bereich.

Herstellung der VITA ENAMIC ISSuprakonstruktionen ist darüber hi-

Die VITA IMPLANT SOLUTIONS wer-

naus sehr zeit- und kostensparend

den mit den VITA CAD-Temp IS-Roh-

umsetzbar, da das Material nicht nur

lingen aus Komposit zur temporären

enorm präzise, sondern auch beson-

Versorgung abgerundet. Diese die-

ders schnell CAD/CAM-technisch

nen neben der provisorischen Ver-

verarbeitbar ist. Restaurationen aus

sorgung vor allem der individuellen

Hybridkeramik können zudem nach

Gestaltung des Emergenzprofils. //

10.1 D10/E19

VITA IMPLANT SOLUTIONS (IS) sind

Stand

Weitere Informationen über Behandlungskonzepte, die sich mit den VITA IMPLANT SOLUTIONS umsetzen lassen, erhalten Interessierte online unter:

vitazahnfabrik.com

un-plaqued No 22 | 73


IDS / Veränderung

Moderne Endodontie

B50/C51 10.1

Halle

Stand

Die IDS 2015 ist Premiere für VDW.

chanische Instrumentierung maxi-

CONNECT DriveTM, ein Endoantrieb

mal 60–70 Prozent aller Areale des

der durch eine App vom iPad mini

Kanalsystems erreicht, ist eine wir-

aus per Bluetooth gesteuert wird.

kungsvolle chemische Desinfekti-

Der Motor ist in ein kabelloses Hand-

on essentiell. Um alle infizierten

stück eingebaut und benötigt außer

Gewebsreste zu erfassen, muss die

dem Ein/Ausschalter keine weite-

Spülflüssigkeit in kraftvolle Bewe-

ren Bedienungselemente. Der volle

gung versetzt werden. Das neue Pro-

Funktionsumfang für reziproke und

dukt nennt sich EDDY™ und kann mit

rotierende Aufbereitungssysteme

dem Airscaler betrieben werden,

wird durch die App bereitgestellt.

wie er in den meisten Praxen vorhanden ist. Eine Vorführung und kos-

vdw-dental.com/

Eine weitere Neuheit stellt VDW im

tenlose Probepackung erhalten Sie

vdwconnect-drive

Bereich der Spülung vor. Da die me-

auf der IDS, Halle 10.1. Stand B50/C51.

74 | un-plaqued No 22


IDS / Veränderung

Piezo, LED + Prophylaxe – Innovationen von W&H!

Deutschland

weiterte Funktionalität stehen für den Anwender im Mittelpunkt. Den Schwerpunkt setzen wir in diesem Jahr im Bereich der Prophylaxe. Mit

Auf einer Gesamtfläche von 300 m²

unserem breiten Produktportfolio

stellen wir unseren Fachbesu-

decken wir sämtliche Anwendungen

chern auf der diesjährigen IDS

ab und bieten auch für anspruchsvol-

wieder zahlreiche Produktneu-

le Aufgaben die passenden Tools.2015

heiten vor, über die unsere 35köp-

liegt unser Augenmerk außerdem auf

fige Standmannschaft exklusiv

Produktneuheiten aus den Bereichen

und umfassend berät. Ziel unserer

Sterilisation, Hygiene und Pflege so-

Neuentwicklungen ist es, die Zahn-

wie Oralchirurgie und Implantologie.

mediziner bei der täglichen Arbeit

10.1 C10/D11

Roland Gruber, Marketingleiter

Halle

Stand

bestmöglich zu unterstützen. Daher

Besondere Produkthighlights erwar-

steht die diesjährige IDS ganz unter

ten die Anwender auf dem Gebiet der

dem Motto »Was immer auf Sie zu-

LED- und Piezo-Technologie: Neben der

kommt – mit den innovativen Pro-

weltweit ersten zahnärztlichen Turbi-

dukten von W&H sind Sie auf alles

ne mit sterilisierbarer 5fach Ring-LED,

vorbereitet«.

die erstmals eine 100 Prozent schatten-

Die aktuellen Anforderungsprofi-

freie Ausleuchtung erlaubt, geben wir

le technischer Instrumente und Ge-

den Besuchern Einblicke in modernste

räte sprechen eine klare Sprache.

Piezotechnologie für die chirurgischen

Neue Produkte müssen immer leich-

Anwendungen. Mit unserem neuen Pi-

ter und kompakter werden. Neben

ezomed unterstützen wir den Chirurgen

der kompakten Bauform gilt es, die

selbst bei schwierigsten Aufgaben in der

Funktionalitäten stets zu erwei-

Knochenchirurgie. Minimalinvasive Ver-

tern – unter Berücksichtigung er-

fahren und eine geringere Schmerzbe-

gonomischer Gesichtspunkte. Die

lastung des Patienten stehen dabei im

wh.com/

einfachere Nutzung sowie die er-

Fokus.

de_germany/

un-plaqued No 22 | 75


IDS / Veränderung

B20/C29 11.1

Halle

Individuelle Beratung für Existenzgründer

Stand

Die BFS health finance GmbH wird

Auf Wunsch kann sich der interes-

auf der IDS 2015 vertreten sein.

sierte Zahnarzt, Kieferorthopäde

Auf der Dentalmesse werden er-

oder MKG-Chirurg direkt vor Ort ein

fahrene Fachkräfte über individu-

Angebot für seine Praxis erstellen

alisierbare Angebote informieren

lassen.

und beraten sowie für Unterhaltung durch Spiel und Spaß sorgen.

Der neue Messestand aus dem Hau-

Dabei sind Ausfallschutz, individu-

se BFS lädt zur Konversation ein. Ge-

elles Abrechnungscoaching, kos-

tränke, einladende Cafétische, eine

tenlose Teilzahlungsmöglichkeiten

Lounge, die vertrauliche Gespräche

für Patienten sowie ein besonders

ermöglicht sowie das kleine unter-

attraktives Angebot für Existenz-

haltsame Extra – welches an dieser

gründer nur ein kleiner Teil der

Stelle noch nicht verraten sei – prä-

BFS-Welt, die im Rahmen der Messe

gen das Bild des modernen Messe-

dargestellt werden soll.

standes.

bfs-healthfinance.de

76 | un-plaqued No 22


IDS / Veränderung

F6 SkyTaper: ein neues Level der Flexibilität

Halle

4.1 A80 Stand

Feilenmanagement ist reine Geschmackssache. Das weiß man auch bei Komet und antwortet zur IDS 2015 mit dem 1-Feilensystem F6 SkyTaper in Taper .06 aus Nickel-Titan. F6 SkyTaper besticht Endo-Spezialisten wie Allgemeinzahnärzte durch ein lückenloses System mit kompromissloser Flexibilität. Die NiTi-Feilen in fünf unterschiedlichen Größen und drei Längen passen für nahezu jede Kanalanatomie. Das Feilendesign mit effizientem Doppel-S-Querschnitt sorgt für eine hohe Reinigungsleistung unter gleichzeitiger Einhaltung des originären Kanalverlaufs.

ausgeschlossen, Aufbereitung und

Dank Taper .06 kann der Zahnarzt

Dokumentation entfallen. Die um-

die Obturationsmethode frei wäh-

fangreiche Endo-Broschüre und der

len und problemlos Spülflüssigkeit

Abrechnungsleitfaden von Komet

aktivieren. Der rotierende Einsatz

können online eingesehen und be-

ist in allen drehmomentbegrenz-

stellt werden.

ten Endo-Winkelstücken und -motoren möglich. Durch die sterile Ver-

Komet Dental

packung der single-use Instrumente

Gebr. Brasseler GmbH & Co KG

wird die Frakturgefahr reduziert,

Trophagener Weg 25

das Risiko einer Kreuzkontamination

32657 Lemgo

kometdental.de

un-plaqued No 22 | 77


IDS / Veränderung

M20/N29 10.2

Halle

Stand

BEGO CLINICAL CASE AWARD Auszeichnung der besten klinischen Fälle unter Anwendung von BEGO Implant Systems Produkten Nach dem großen Erfolg des ersten Clinical Case Awards 2012 mit fast 60 klinisch dokumentierten Fällen aus neun Ländern, bietet BEGO Implant Systems seinen Kunden erneut die Chance, anspruchsvolle Patientenfälle einzureichen. Der BEGO Clinical Case Award zeichnet implantologische Fallberichte

nen mehrere Patientenfälle zur Be-

aus, die unter Verwendung von BEGO

wertung durch eine unabhängige

Implant Systems Produkten versorgt

Fachjury eingereicht werden.

wurden. Die Fälle sollten aus den

Die besten Fälle werden mit hoch-

Fachgebieten der Implantat Chirur-

wertigen Preisen z.B. einer Nikon Di-

gie, der Navigierten Chirurgie, der

gital SLR Kamera inklusive umfang-

Weichgeweberegeneration, der pro-

reichem Zubehör, einem iPad Air,

thetischen Rehabilitation oder einer

einem BOSE Musik System sowie wei-

Kombination dieser Themen stam-

teren attraktive Preisen prämiert.

men. Einsendeschluss ist der 31.12.2015. Zahnärzte und Studenten der Zahnmedizin aus der ganzen Welt sind

Weitere Informationen finden Sie ab

eingeladen, an dem Wettbewerb

dem 1. Januar 2015 unter www.bego-

teilzunehmen. Pro Teilnehmer kön-

implantology.com

begoimplantology.com 78 | un-plaqued No 22


IDS / Veränderung

Dampsoft für Existenzgründer

Halle

»Betriebswirt der Zahnmedizin«,

sistent der Geschäftsführung der

dem Managementlehrgang für Zahn-

Dampsoft Software Vertrieb GmbH

ärzte der Westerburger Gesellschaft,

und erfolgreichem Abschluss zum

ist Christian Henrici Lehrbeauftragter

Diplomkaufmann hat Christian Hen-

und Referent für Controlling und Busi-

rici im Jahre 2006 die Firma OPTI

nessplanung.

Zahnarztberatung GmbH mitgegrün-

Als Autor verlegte der Quintessenz-

det und die Geschäftsführung über-

Verlag Ende 2012 sein Bestseller-Buch

nommen. Bei der Ausbildung zum

»Wer braucht schon gutes Personal? – Erfolgreich Führen in der Zahnarztpraxis«. Darüber hinaus verfasst

11.2 O20

Nach langjähriger Tätigkeit als As-

Stand

Christian Henrici regelmäßig Fachbeiträge zu den Themen Betriebswirtschaft, Organisation und Personalführung in zahnmedizinischen Fachzeitschriften. Im Februar 2015 kehrt Christian Henrici zu seinen Wurzeln zurück und übernimmt zum 01.03.2015 die Leitung des Key Account Management bei Dampsoft. Dabei wird er sich auf die Entwicklung von Geschäftsbeziehungen und die Betreuung von Schlüsselkunden, zu denen Existenzgründer, Universitäten und Kooperationspartner gehören, konzentrieren. dampsoft.de

Christian Henrici

un-plaqued No 22 | 79


IDS / Veränderung

10.1

Halle

VistaPano S Ceph – rundherum perfekt im Bilde

Das erfolgreiche und erst jüngst mit

dadurch, dass Wiederholungsauf-

dem renommierten iF design award

nahmen entfallen, weil die S-Pan-

ausgezeichnete VistaPano S wurde

Technologie Fehlpositionierungen

um ein leistungsfähiges Fernrönt-

innerhalb vernünftiger Grenzen aus-

gen-Modul erweitert und ergänzt

gleicht. Die Metallartefaktreduzie-

jetzt die digitale Produktpalette von

rung ist ein weiterer Baustein, der

Dürr Dental.

zu einer hervorragenden Bildqualität und damit zu einer schnellen, ef-

Durch die S-Pan-Technologie, die aus VistaPano S CEPH auf Youtube (Weiterleitung)

fizienten Diagnostik führt.

einer Vielzahl paralleler Schichten die Bildbereiche selektiert, die der

Für einen verbesserten Workflow

tatsächlichen Anatomie am besten

wurde das VistaPano mit einem gro-

entsprechen, erhält der Behandler

ßen Touch LCD ausgestattet, dies er-

besonders detailgetreue Aufnahmen

leichtert die Arbeit in der Praxis und

für eine sichere Diagnostik. Ein wei-

spart konkret zusätzliche Wege. Da

terer Vorteil erwächst dem Zahnarzt

alle Einstellungen nach dem Aktivie-

80 | un-plaqued No 22


IDS / Veränderung

Stand

play vorgenommen werden können. Das Anwendungsspektrum des VistaPano wird nun durch ein schnelles Ceph-Modul mit geringer Strahlenbelastung erweitert. Das Gerät ist mit zwei modernen CsL-Sensoren ausgestattet. Ein Umstecken des Sensors zwischen Panoramaröntgengerät und Fernröntgen-Einheit ist nicht erforderlich. Dadurch wird das Risiko des Herunterfallens des Sensors eliminiert, und eine teure Versicherung hierfür ist überflüssig. Die Zeitersparnis bei der Aufnahme trägt außerdem zur Verbesserung des Workflows bei, denn eine laterale Ceph-Aufnahme nimmt lediglich 4,1 Sekunden in Anspruch. Auch die Strahlenexposition für den Patienten verringert sich durch die geringe Scanzeit, weiterhin reduziert sich auch das Risiko einer Patientenbewegung deutlich. Eine Panoramaaufnahme ist in 7 Sekunden abgeschlossen. Zusätzlich zu den 17 verfügbaren Panoramaprogrammen sind nun auch Programme für sämtliche Fernröntgenaufnahmen für kieferorthopädische Behandlungen enthalten. Die Aufnahmen »Kopf Lateral« und »Kopf PA« sind ebenso möglich wie »SMV«, »Waters View« und Handwurzelaufnahmen zur Prüfung des Wachstumsstatus.

DÜRR DENTAL AG Höpfigheimer Str 17

Besuchen Sie Dürr Dental auf der IDS 2015 und

74321 Bietigheim-Bissingen

lassen Sie sich ausführlich beraten. //

duerrdental.com

un-plaqued No 22 | 81

F30-40/G39-41

ren des VistaPano benutzerfreundlich am Dis-


GenerationLounge / Veränderung

82 | un-plaqued No 22


› Wir müssen der Wandel sein, den wir in der Welt zu sehen wünschen.‹ Mahatma Gandhi

un-plaqued No 22 | 83


GenerationLounge / Veränderung

Wer braucht schon Veränderung?! Text Jan-Philipp Schmidt

Der Zahnmediziner ist ein Gewohnheitstier – egal ob jung oder alt, die eingefahrenen Wege sind doch die bequemsten. Im Praxisalltag ist dies auch häufig von Vorteil: Die Patienten wissen, was sie in der Praxis erwartet – vom stets gleichen, freundlichen Gesicht an der Anmeldung, bis hin zu den häufig gleichen Aufklärungssätzen der Behandler. Veränderung ist in der Praxis nur ge-

wünscht, wenn es um

dunkle,

schmerzende Zähne geht.

W

schiefe

oder

ieso etwas verändern, wenn es doch

eigentlich

ganz gut läuft ... warum

Never change a running system ?!

streiken, wenn man doch

sundheitsversorgung werden mit 300 Millionen Euro jährlich gefördert. Geld für Veränderung – das klingt interessant.

gar nicht schlecht bezahlt wird? Moment mal: Hin und wieder soll ein Streik ja

Keine Veränderungen hätten wir uns beim The-

überhaupt nichts verändern – die Vereinigung

ma »Korruption im Gesundheitswesen«

Cockpit will ihre Ruhestandsregelungen eben

gewünscht. Brauchen wir Sonderstaatsanwalt-

gerade nicht verändert wissen. Der Status quo

schaften, nur weil einige wenige Kolleginnen

bei der Lufthansa soll bitte auch für die Kon-

und Kollegen schwarze Schafe sind und den ei-

zernkollegen gelten.

genen Kontostand positiv verändern wollen? Veränderungen sind doch häufig einfach gro-

Die Politiker im Land aber lieben die Verände-

ßer Mist – warum wollte Russland die Macht-

rung – besonders die Gesundheitsfunktionä-

verhältnisse auf der Krim verändern, und war-

re. Eine sich stark verändernde Gesellschaft

um verändert sich eigentlich ständig das Klima?

braucht logischerweise auch eine Veränderung ihrer Systeme. Das aktuell beschlosse-

Warum versuchen berufspolitische Verbän-

ne Versorgungsstärkungsgesetz ist so eine ein-

de etwas zu verändern? Und tun Sie das denn

schneidende Veränderung. Kommunen können

überhaupt? Wenn man sich die festgefahrenen

durch Gründung eines medizinischen Versor-

Landschaften bei manchen Körperschaften,

gungszentrums insbesondere in ländlichen Re-

Vereinen oder Instituten ansieht, mag man es

gionen aktiv die Versorgung mitgestalten. Sie

nicht glauben, dass auch dort häufig engagierte

werden zu ambulanten Leistungserbringern

Kolleginnen und Kollegen tatsächlich täglichen

und verändern das Bild des niedergelassenen

Einsatz für Veränderungen leisten, teilweise bis

Arztes grundlegend. Innovationen in der Ge-

zur Erschöpfung oder Resignation.

84 | un-plaqued No 22


GenerationLounge / Veränderung

Aber ist jede Veränderung auch zwangsläufig

Praxis, bei der Familie zu Hause oder in der Be-

eine Verbesserung? Gut gemeint ist noch lange

rufspolitik. Wir versuchen uns den Situationen

nicht gut gemacht, oder? Aber auch wenn wir

anzupassen oder die Situationen uns anzupas-

nichts verändern, wir leben doch in einem sto-

sen und rasen dabei auch häufig, von Aktionis-

chastischen, ja geradezu chaotischen System

mus getrieben, von Patient zu Patient, von Ter-

des ständigen Wandels.

min zu Termin, von Sitzung zu Sitzung oder von

Überblickt man das System aus genügend gro-

Versammlung zu Versammlung.

ßem Abstand, wird dieser ständige Wandel schnell zu einem Pendeln um den Mittelwert.

Der Bundesverband der zahnmedizinischen

Wählt man den Zeitmaßstab und die Zeitdauer

Alumni in Deutschland hat seit seiner Entste-

der Beobachtung nur groß genug, so wird aus

hung 2009 immer die Veränderung gesucht – von

der andauernden Veränderung eine zähe Mas-

»Ich hasse die Zahnklinik« zu »I love my univer-

se, die nur belanglos hin und her wabert und

sity«, von »drohender Feminisierung« zu ech-

keinerlei erkennbare Richtung zeigt.

tem »Gender- und Equality-Bewusstsein«, von

In diesem scheinbar statischen Kosmos, in un-

»Zwangsmitgliedschaften« zu »freiwilligen

serem winzigen Sandkasten der Zahnheilkunde

Mitgliedsbeiträgen«, von »Sitzungsgeldern

in Deutschland und Europa, regen wir uns über

und üppigen Fahrtkosten« zu »anteiliger Er-

geplante Veränderungen

stattung« und ursprüng-

dermaßen auf, dass man

lichem »Ehrenamt«, von

meinen könnte, wir reden

»Ortsgruppen« und »Lan-

über Katastrophen von kos-

desverbänden« zu »Com-

mischen oder zumindest hu-

munitys« und »flachen

manitären Ausmaßen.

Hierarchien« und nicht

Was also tun mit den Veränderungen? Ignorieren? Bekämpfen? Gestalten? Jeden Tag gestalten wir Veränderung, ebenso wie das alltägliche Chaos – ob in der

Veränderungen sind doch häufig einfach großer Mist!

zu vergessen: auch häufig von kühlem Realismus zu mutiger Träumerei! Wir wollen auch weiterhin verändern und im Idealfall sogar verbessern – hierfür

un-plaqued No 22 | 85


GenerationLounge / Veränderung

Wenn der Wind der Veränderung weht, bauen die einen Mauern und die anderen Windmühlen Chinesisches Sprichwort

müssen wir den Zahnis aufmerksam zuhören.

gene Wunden lecken – wir wollen weitergehen

Wir müssen sie an der Uni besuchen, wir müs-

und dabei auch uns und den BdZA verändern.

sen sie motivieren, sie begeistern, ihnen Mut

Hierzu brauchen wir Euch, hierzu brauchen wir

zusprechen, sie informieren und manchmal lei-

Dich!

der auch trösten. Wir müssen verlässliche Partner an unserer Seite wissen, die die Verände-

Ob am Messestand, in Arbeitsgruppen oder im

rungen mit uns erleben und formen. Neben

Vorstand – jede Entwicklung unserer Vereinszu-

unserem Schwesterverband BdZM bei den Stu-

sammensetzung ist uns willkommen – wenn

dierenden sind uns vor allem die Bundeszahn-

Ihr mitgestalten möchtet oder einfach etwas

ärztekammer und die KZBV ein wichtiger Ruhe-

mehr verändern wollt als die tägliche Sitzpo-

pol im stürmischen Fahrwasser.

sition am Patienten, dann meldet Euch unter: veraenderung @ bdza.de.//

Wir werden auch in Zukunft nicht still verharren, uns auf Erfolgen ausruhen oder geschla-

du

B dZ A

n

üt rst zt

V. Unte e.

BdZA.de

86 | un-plaqued No 22

berufskunde2020.de

dents.de

rch de


Bausch Arti-Fol® 8µ

Bausch Arti-Fol® Occlusionsfolien sind besonders gut zur Darstellung der statischen und der dynamischen Occlusion in mehreren Farben geeignet. Für eine präzisere Darstellung der dynamischen Occlusion werden vier Farben verwendet.

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GenerationLounge / Veränderung

Ohne Studenten geht es nicht Text Jonas Langefeld

Zahnmedizin hat mehr mit Politik zu tun, als man auf den ersten Blick denken würde. Spätestens seit den 68ern vertreten Studenten ihre Interessen an der eigenen Universität und sorgen somit auch für ein sich stetig wandelndes Bild des Studiums. Nicht nur auf kurze Sicht. Ohne die Organisation der Studentenschaft, wie durch eine Fachschaft, hätten die Professoren keinen Ansprechpartner und die Studenten kein Sprachrohr und damit auch keine einheitliche Stimme zur Vertretung ihrer Belange.

I

n gleicher Weise funktioniert das System auf

Rückhalt der Fachschaften und somit etwa fünf-

Bundesebene. Ohne die Stimme der Studen-

zehntausend Studenten aus dreißig Universi-

ten in den standespolitischen Gremien der

täten ist er standortübergreifend aktiv. Die

Zahnmedizin würde eine der wichtigsten Stim-

halbjährlichen Bundesfachschaftstagungen

men überhaupt fehlen. Wie soll ein Studium

(BuFaTa) und der regelmäßige direkte Kontakt

aktuell bleiben, wenn nicht durch die Mitspra-

zu den Fachschaften macht diese Kommunika-

che der Studierenden selbst? Und wie soll sich

tion mit den bundesweiten Gremien der Hoch-

ein Berufsbild zukunftsweisend entwickeln

schullehrer und der Standespolitik überhaupt

ohne die Beachtung und Mithilfe des Nach-

erst möglich und zunehmend auch effektiver.

wuchses? Seit über 15 Jahren leistet diese Arbeit der

Hat der BdZM mit dieser Arbeit jemals etwas

BdZM, der Bundesverband der deutschen Zahn-

verändert? Aus Sicht der Studenten ändert

medizinstudenten in Deutschland e.V. Mit dem

sich auf den ersten Blick eigentlich nicht viel.

Wie soll sich ein Berufsbild zukunftsweisend entwickeln ohne die Beachtung und Mithilfe des Nachwuchses ? 88 | un-plaqued No 22


GenerationLounge / Veränderung

Hat der BdZM jemals etwas verändert ? Zahnmedizinstudium eben nicht mehr auf dem neuesten Stand ist und wie sehr dieses Studium Veränderung benötigt. Dass es so ist, wird einem auch vor Augen geführt, wenn man als neuer Vorstand die eigenen Ziele formuliert und feststellt, dass einige der großen Themen schon bei unseren Vorgängern und Vorvorgängern ganz oben auf der Agenda standen, wie zum Beispiel die neue Approbationsordnung. Dieses, unseren Studienablauf gestaltende Gesetz stammt aus dem Jahre 1955 und ist in groben Zügen auch noch immer so gültig. Wo bitte ist da die Veränderung, die uns seit damals so viel internationales Ansehen verschafft haben soll? Erst recht, wenn man sich die Veränderungen drumherum, im eigentlichen BerufsDie Lehre bleibt relativ konstant und über die

feld anschaut.

Jahre hinweg gut einschätzbar. Die allgemeine Meinung ist, die deutsche Ausbildung in der

Das gegenwärtige Berufsbild entspricht in kei-

Zahnmedizin sei auf einem hohen internatio-

ner Weise dem unserer Vorgänger, das Studium

nalen Niveau mit ebenso hohem Ansehen. So

ist dennoch kaum oder nur in geringem Maße

oder so ähnlich mag es einem zumindest ohne

von dem ihrigen zu unterscheiden. Die Frage,

den Blick über den Tellerrand, über die Grenzen

ob man für dieses veränderte Berufsbild als an-

der eigenen Universität hinaus vorkommen.

gehender Zahnarzt gewappnet ist, kann man in Gedanken an Themen wie »Abrechnungswe-

Mit ein klein wenig mehr Einblick in den bun-

sen«, »Grundlagen der Betriebswirtschaft«,

desweiten und internationalen Vergleich

»Personalmanagement« oder auch »Psycho-

drängt sich allerdings mehr und mehr die Fra-

logie« nur verneinen. Der demografische Wan-

ge auf, in wie weit unser Studiengang wirklich

del in der Gesellschaft, die Veränderung der

noch up to date ist? Nach einem halben Jahr

Geschlechterverteilung in der Zahnmedizin,

Amtszeit wird der neue Vorstand des BdZM

die Diskrepanz des deutschen Zahnmedizin-

zu vielen Treffen und Terminen eingeladen,

studiums mit dem europäischen Ansatz, neue

auf denen uns deutlich wird, wie sehr dieses

und vor allem andere Anforderungen an den un-plaqued No 22 | 89


GenerationLounge / Veränderung

Wir sind nun diejenigen, denen es obliegt, diese Prozesse voranzutreiben

Zahnarzt von heute werden derzeit zwar über-

den werden kann. Diese liegt übrigens fertig

regional diskutiert aber gerade mal ansatz-

auf dem Tisch des Bundesrates und wartet zum

weise an den Universitäten thematisiert. Die

wiederholten Mal auf dessen Segen. Ob und bis

Veränderungen werden der Initiative der ein-

zu welchem Maße die Universitäten die Eigen-

zelnen Universitätsstandorte überlassen, wie

initiative ergreifen werden, den NKLZ wirklich

man auch an der Thematik der integrierten

umzusetzen, bleibt aufgrund seiner Unverbind-

Kurse sehen kann. Ob sich dieses Studium ge-

lichkeit ungewiss.

genwärtig die richtigen Schwerpunkte für eine zukunftsfähige Entwicklung setzt, überlasse ich

Wir sind nun diejenigen, denen es obliegt, diese

der persönlichen Einschätzung.

Prozesse voranzutreiben. Als sogenannte Generation Y werden wir mit allerlei Eigenschaften

Hinter den Kulissen, in den Gremien, zu de-

in Verbindung gebracht, sei es Technikaffinität,

nen auch wir eingeladen sind, passiert jedoch

Selbstbewusstsein und Leistungsbereitschaft,

unglaublich viel in dieser Hinsicht. Dort exis-

aber auch Unselbstständigkeit, fehlende Team-

tieren viele Ideen und viele Lösungsansätze.

fähigkeit und Ausdauer. Wie wir als Generation

Einer davon ist der »Nationale kompetenzba-

oder auch als Einzelne mit der Herausforderung

sierte Lernzielkatalog«, kurz NKLZ, der vielen

eines stagnierenden Bildungssystems in einem

dieser neuen Anforderungen Aufmerksamkeit

sich rasant verändernden Berufsbild umgehen

schenkt und als inhaltlich detaillierte Ergän-

werden, wird dabei grundsätzlich von unserem

zung zur neuen Approbationsordnung verstan-

Engagement abhängen.

90 | un-plaqued No 22


GenerationLounge / Veränderung

Wieso aber engagieren? »Es geht doch auch so ganz gut ... Warum soll gerade ich an der Situation etwas ändern?« Die Frage nach Veränderungen kommt häufig nur dann auf, wenn

Sie profitieren von den Erfahrungen der anderen und machen genau den Austausch, den es auf allen Ebenen einer Universität geben sollte

der Leidensdruck hoch genug ist oder etwas grundlegend stört. Wenn jedoch »nur« die Frage des Bestehens des Einzelnen in seinen Prüfungen im Vordergrund steht und der Gesamtblick für die Kommilitonen, das Studium an sich sowie die ganze Hochschullandschaft fehlt, kann diese Frage nicht gestellt werden. In der Konsequenz fördert diese Art des Studiums doch eher das selbstzufriedene Individuum als den Sinn für die Gemeinschaft. Dabei ist gerade dieser Sinn für die Gemeinschaft eine der vermissten Fähigkeiten, die später in der Teamarbeit in jeder Einzel- oder Gemeinschaftspraxis dringend gebraucht werden. Auf Bundesfachschaftstagungen bekommt man ein völlig anderes Bild. Studenten engagieren sich in Teams, um an der Situation an ihren Studienorten etwas zu ändern. Sie profitieren von den Erfahrungen der anderen und machen genau den Austausch, den es auf allen Ebenen einer Universität geben sollte. Diese Dynamik auf die nachfolgenden Generationen zu übertragen ist schon heute wichtig, da es auch in Zukunft un-plaqued No 22 | 91


GenerationLounge / Veränderung

nicht ohne dieses, unser studentisches Engagement funktionieren wird, die Prozesse, die tatsächlich auch in unserem Interesse stattfinden, weiter voranzutreiben.

Unsere Kreativität und Lautstärke werden über das MaSS der Veränderung entscheiden Wir vom BdZM haben es uns zu einer unserer Hauptaufgaben gemacht, dieses Engagement durch eine intensivere Kommunikation in der Studentenschaft wieder zu fördern. Unser Gedankenaustausch und Zusammenhalt sind der Schlüssel zu mehr Gehör auf einem breiteren Fundament. Daran teilzunehmen laden wir euch ein, denn unsere Kreativität und Lautstärke werden über das Maß der Veränderung entscheiden. Im Optimalfall fördert dies in naher Zukunft auch den Umsetzungswillen der Politik für die neue Approbationsordnung und den der Fakultäten für den NKLZ. //

zahniportal.de

92 | un-plaqued No 22


RUBRIK / Veränderung

weil wir alle in einem Boot sitzen.

Kontakte knüpfen und Wissen austauschen Die BEGO Implant Systems unterstützt die GENERATIONLOUNGE im Foyer zwischen Halle 4 und 5 auf der IDS 2015! Die Generationlounge dient zum Austausch der zahnmedizinischen Generationen und bietet Ihnen ganz nebenbei die Möglichkeit, die BEGO näher kennen und lieben zu lernen! Werden Sie „BEGO Partner” und nutzen Sie die vielfältigen Leistungsangebote eines inhabergeführten deutschen Mittelständlers in der 5. Generation. Weitere Infos unter www.bego.com

Miteinander zum Erfolg un-plaqued No 22 | 93


GenerationLounge / Veränderung

Junge Zahnmediziner sind ein zentrales Thema INTERVIEW Ingmar Dobberstein ‧ FOTO BZÄK / Svea Pietschmann

94 | un-plaqued No 22


GenerationLounge / Veränderung

Prof. Dr. Dietmar Oesterreich Prof. Dr. Dietmar Oesterreich ist Jahrgang 1956 und approbierte 1981 an der Rostocker Universität. Im Zuge der Wiedervereinigung bemühte er sich um einen schnellen Aufbau der zahnmedizinischen Selbstverwaltungsstrukturen in den neuen Bundesländern. 1990 wurde er zum Präsidenten der Zahnärztekammer Mecklenburg-Vorpommern gewählt, die er bis heute in dieser Funktion vertritt. Seit dem Jahrtausendwechsel ist er Vizepräsident der Bundeszahnärztekammer und in dieser Funktion auch verantwortlich für den Austausch mit der jungen Zahnmedizin und ihren Verbänden. Wir haben Prof. Oesterreich über viele Jahre als offenen und kreativen Partner für jungzahnmedizinische Belange kennen und schätzen gelernt und ihn zu seinem Eindruck über den Generationenwandel befragt.

Kümmern sich die zahnmedizinischen Stan-

bearbeitet werden. Die Akademie freiberufli-

despolitiker um Nachfolger für ihre Ämter?

che Selbstverwaltung – eine gemeinsame Initi-

Wenn ja, wie?

ative verschiedener Kammern und KZVen unter

Am Anfang steht immer die Wahrnehmung bzw.

Schirmherrschaft der BZÄK und KZBV – bietet

die Erkenntnis, dass wir dringend Nachwuchs

die Chance, sich profunde Kenntnisse über die

für unsere Gremien benötigen. Ich glaube, hier

Selbstverwaltung und die Mechanismen der Ge-

sind wir auf einem guten Weg, denn es gibt be-

sundheitspolitik anzueignen. Diese Möglichkeit

reits zahlreiche Initiativen, die den Einbezug

kann für Interessierte auch durch die Körper-

der nachwachsenden Zahnärztegeneration för-

schaften unterstützt werden.

dern. z.B. den trilateralen Vertrag zwischen

Nicht zuletzt will ich darauf hinweisen, dass sich

Bundeszahnärztekammer (BZÄK), Kassenzahn-

die kommende Koordinierungskonferenz für

ärztlicher Bundesvereinigung (KZBV) und dem

zahnärztliche Presse- und Öffentlichkeitsarbeit

BDZA bzw. BDZM. Regelmäßige Gespräche, auch

mit dem Thema Generation Y beschäftigt. Ba-

bilateral, dienen dem Austausch und der Schaf-

sierend auf den Kenntnissen zur Berufssoziali-

fung gemeinsamer Projekte. Dazu zählen zahl-

sation wird sie mit der gezielten Ansprache jun-

reiche Veranstaltungen auf Zahnärztetagen,

ger Kolleginnen und Kollegen verbunden sein.

der IDS, der Einbezug von (inter-)nationalen

Auch das Institut der Deutschen Zahnärzte (IDZ)

Hilfsprojekten der Studenten und jungen Zahn-

analysiert derzeit das zahnärztliche Rollenver-

ärztegenerationen auf der Koordinierungskon-

ständnis, beginnend bei den Studenten über

ferenz Hilfsprojekte, aber auch der Austausch

die Assistenten bis hin zum jungen Praxisgrün-

auf den BuFaTas.

der. Mit diesem Forschungsprojekt bietet sich

Gerade die Dokumentation der letzten Bundes-

auf empirischer Grundlage die Möglichkeit, he-

fachschaftstagung war bereits Gegenstand der

rauszufinden, welche Problemlagen und Erwar-

Beratung von Hochschullehrern und Berufspoli-

tungen die junge Generation beschäftigt. Zu-

tik und zeigte Handlungsfelder für die Zahnärz-

nehmend gewinnen wir auch Erkenntnisse über

tekammern auf. Darüber hinaus gibt es in zahl-

die Statistikabteilung der BZÄK, wie sich die be-

reichen Zahnärztekammern Initiativen, junge

rufliche Entwicklung von jungen Zahnärztin-

interessierte Kolleginnen und Kollegen in die

nen und Zahnärzten in Deutschland gestaltet.

Gremien und Ausschüsse einzuladen und zu zei-

Auch genderspezifische Aspekte werden dabei

gen, welche Inhalte durch die Selbstverwaltung

betrachtet und nicht zuletzt wird darüber diskuun-plaqued No 22 | 95


GenerationLounge / Veränderung

tiert, wie die wachsende Zahl von angestellten Zahnärztinnen und Zahnärzten auch in den beruflichen Gremien repräsentiert werden können. Hier besitzen die Zahnärztekammern auf Grund ihrer Struktur eine besondere Bedeutung. Sowohl die Gremien der Bundeszahnärztekammer – siehe Memorandum zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf – als

Am Anfang steht immer die Erkenntnis, dass wir dringend Nachwuchs für unsere Gremien benötigen

demografischen Entwicklungen im Berufsstand selbst, dass innerhalb der nächsten fünf bis sieben Jahre mit zahlreichen Praxisabgaben zu rechnen ist. Diese Entwicklungen sind mit zwei Tendenzen verbunden. Einerseits nimmt der Wettbewerb im städtischen Raum innerhalb der Zahnärzteschaft deutlich zu. Dabei gibt es leider auch eine zunehmende Zahl von Berufsrechtsverstößen und Tendenzen zur gewerblichen Orien-

auch die dafür geschaf-

tierung – also eine

fenen Strukturen, wie

echte Deprofessiona-

der Ausschuss Beruf,

lisierungsgefahr für

Familie, Praxismanagement der BZÄK – richten

den Berufsstand. Andererseits wissen wir aus

ihre Arbeit zielgerichtet auf die junge Generati-

der Versorgungsforschung, dass die Berufs-

on der Zahnmediziner aus. Das Problem ist also

zufriedenheit im ländlichen Raum durch ein

nicht nur erkannt, sondern es wird intensiv da-

deutlich besseres kollegiales Verhältnis un-

ran gearbeitet.

tereinander, weniger Wettbewerb und durch eine deutliche bessere soziale Wertstellung

Steuern wir auf eine Versorgungsproble-

des ärztlichen/zahnärztlichen Berufs gekenn-

matik in ländlichen Bereichen zu, und wie

zeichnet ist. Auch erkennen zahlreiche Kom-

könnte man darauf reagieren?

munen die Bedeutung einer guten ärztlichen

Erkenntnisse zur Berufssozialisation und beruf-

und zahnärztlichen Versorgung als deutlichen

lichen Entwicklung der Zahnärzteschaft zeigen,

Standortvorteil, was im Sinne der Unterstüt-

dass eine Zunahme der beruflichen Tätigkeit

zung bei Praxisgründung und Familienentwick-

im städtischen Raum stattfindet und gleichzei-

lung bedeutend sein kann. Es ist also eine Auf-

tig im ländlichen Raum zahlreiche Praxen keine

gabe der Selbstverwaltung, diese Entwicklung

Nachfolger finden. Diese Entwicklung ist beson-

zu beschreiben, die Vor- und Nachteile darzu-

ders im ostdeutschen Raum deutlich. Gleichzei-

stellen und bei der Beratung zur zahnärztlichen

tig ist feststellbar, dass die Anstellungsverhält-

Berufsausübung zu berücksichtigen. Nach ge-

nisse zunehmen. Derzeit herrscht noch keine

setzlichen Vorgaben zu rufen, erscheint mir

Unterversorgung im ländlichen Raum – ähnlich

immer die schlechteste Lösung. Hier muss die

wie bei den Hausärzten ist sie auch nicht un-

Selbstverwaltung und damit die Zahnärzte-

mittelbar zu befürchten. Trotzdem zeigen die

schaft selbst gestalten.

96 | un-plaqued No 22


GenerationLounge / Veränderung

Wie freiberuflich sind die Zahnmediziner

ren, dass ihre Tätigkeit vorwiegend in der Nie-

wirklich, wenn sie keine Verantwortung

derlassung erfolgt. Allerdings eben zu einem

für ihre Freiheiten aufbringen?

zunehmend späteren Zeitpunkt. Zusätzlich sei

Ich glaube, wir sollten hier nicht vorwurfsvoll

darauf hingewiesen, dass die Übernahme von

agieren, sondern feststellen, dass im allgemei-

Verantwortung im Rahmen der Praxisgrün-

nen gesellschaftlichen Umfeld die Risikobereit-

dung auch im Hinblick auf die finanziellen Ver-

schaft sinkt. Die Soziologie zeigt, dass die Ver-

pflichtungen eine zunehmende Herausforde-

meidung von Unsicherheiten ein klarer Trend in

rung darstellt. Die heutigen technologischen

Deutschland ist. Dies ist auch eine Erklärung für

Möglichkeiten, aber auch die gesetzlichen Auf-

die Entwicklung, längere Zeit im Angestellten-

lagen, sei es im Arbeitsrecht oder im Hygiene-

verhältnis zahnärztlich tätig zu sein. Verständli-

bereich, fordern die Zahnärzte erheblich. Eine

cherweise nutzen insbesondere junge Zahnärz-

gute und solide Planung, auch unter Einbezug

tinnen die Anstellung, um Familie und Beruf besser zu vereinbaren. Ein ähnlicher Trend ist allerdings auch bei den männlichen jungen Zahnärzten zu beobachten. Im Unterscheid

zu

unseren

ärztlichen Kolleginnen und Kollegen, die mit dauerhaften Anstellungen in Krankenhäusern oder in größeren Versorgungszentren andere

Möglichkei-

ten besitzen, sind sich die Zahnärzte darüber sehr deutlich im Kla-

Wählen Sie gut, wo Sie als Assistent oder als angestellter Zahnarzt tätig werden wollen

betriebswirtschaftlicher Kenntnisse, ist zwingend notwendig. Hier sollen und müssen die zahnärztlichen Körperschaften in Zukunft intensiver tätig werden. Assistentenseminare, die anknüpfend an die Berufskunde weitere Informationen vermitteln, sind der richtige Weg. Wichtig ist, dass wir es schaffen, die junge Zahnärztegeneration zur rechtzeitigen Teilnahme zu bewegen.

Was ist Ihr Rat an die nächste Generation? Natürlich ist eine solide fachliche Ausbildung, die ständige Fortbildung, aber auch die Nutzung der Weiterbildungsmöglichkeiten und zahlreichen curriculären Fortbildungsangebote eine wichtige Voraussetzung, als Zahnarzt erfolgreich zu sein. Allein dies un-plaqued No 22 | 97


GenerationLounge / Veränderung

genügt aber heute nicht mehr. Wichtig ist es auch, sich Kenntnisse zur zahnärztlichen Berufsausübung anzueignen. Den besten Einstieg bieten die Berufskundevorlesungen. Innerhalb der Hochschulausbildung gewinnen sie zunehmende Beachtung. Nutzen Sie im Anschluss an ihre Ausbildung die Möglichkeit, Assistentenseminare und andere Angebote wahrzunehmen. Nutzen Sie die Zeit, im Assistentenoder Angestelltenverhältnis die notwendigen Erfahrungen zu sammeln, sich gezielt mit Ihren fachlichen Interessen auseinanderzusetzen und sowohl Ihre sozialen Kompetenzen im Team, aber auch den Patienten gegenüber zu vervollkommnen. Wählen Sie gut, wo Sie als Assistent oder als angestellter Zahnarzt tätig werden wollen. Bringen Sie sich in die Selbstverwaltung ein, denn es ist zwingend notwendig, die eigenen Erfahrungen und Erkenntnisse bei Ihrem Berufsstart in die Gremien einzubringen und dort nach weiterer Unterstützung zu suchen. Sie gewinnen nicht nur für Ihre weitere berufliche Entwicklung, sondern Sie sind damit wichtiger Teil eines ganzen Berufsstandes, der stets und ständig seine gemeinsame Identität bestimmen muss. // 98 | un-plaqued No 22


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RUBRIK GenerationLounge / Veränderung / Veränderung

Die Welt ist Grö   er INTERVIEW Ingmar Dobberstein ‧ FOTO BdZM

100 | un-plaqued No 22


GenerationLounge / Veränderung

Kai Becker Der in Hamburg geborene Kai Becker gehört zu den jüngsten Studenten der Zahnmedizin. Er studiert seit 2011 in seiner Heimatstadt, wo er bis Studienbeginn auch für die Jugendnationalmannschaft segelte. Gleich zu Beginn der Unizeit ist er der Fachschaft beigetreten, nachdem die Erstsemester-Tutoren hierfür motiviert haben. 2012 besuchte er mit den Hamburgern zum erstem Mal eine BuFaTa und war davon begeistert, nach einem Wochenende Zahnis im ganzen Land zu kennen. Besonders der Abgleich und die Diskussion über die Studienbedingungen und Probleme, aber auch die individuellen Lösungen dafür waren der Antrieb, sich 2014 für den BdZM zur Wahl zu stellen. Seit fast einem Jahr ist er der Vorsitzende des Bundesverbandes der Zahnmedizinstudenten in Deutschland.

Warum engagierst du dich im BdZM-Vor-

Was sind die Ziele für die nächsten zwei

stand?

Jahre eurer Vorstandstätigkeit?

Weil ich es sehr spannend finde. Ich schaue

Verbesserungen müssen bei uns in Deutsch-

zwar aus der Mundhöhle heraus, bleibe aber in

land zurzeit zum Glück nicht erfunden werden:

diesem Kompetenzbereich. Ich spreche mit in-

Wir haben eine hohe Qualität der Ausbildung.

teressanten Menschen über die Verbesserung

Wenn es uns gelingen würde, den Austausch

der Welt und weiß dabei zu schätzen, dass sie

der Unis so leicht zu gestalten, dass eine Uni

an meiner Meinung interessiert sind. Ich lerne

ihre gut laufenden Konzepte an andere Unis

diese Welt kennen, ganz ohne Reiseführer.

weitergibt, würde es ohne große Mühe schnell

Ebenso wichtig ist mir, dass ich damit etwas Gu-

vorangehen. Wir stehen dafür ein, dass es an

tes tue. Jung und idealistisch packe ich mit an,

jeder Uni möglich sein sollte, Probleme der

Schritt für Schritt die Lehre in der Zahnmedizin

Ausbildung anzusprechen, um sich dann un-

»upzudaten«. Hochschullehre sollte meines Er-

kompliziert mit den anderen Unis zu vernet-

achtens mehr Bedeutung und Anerkennung im

zen und die guten Lösungsansätze von ande-

Klinikbetrieb erhalten.

ren Standorten zu übernehmen. Dazu gehört

Das Tolle ist, dass die Arbeit im BdZM (fast im-

für uns auch ein umfangreicherer, anonymer

mer) Spaß macht. Der Einblick in die Hinter-

Evaluationsstandard.

gründe so mancher Entscheidung und Entwick-

Da der Aktualisierung der Lehrinhalte durch

lung erweitert meine Sichtweise und damit

den, in mühevoller Detailarbeit erstellten NKLZ

auch meine Handlungsmöglichkeiten. Leider

nun fast nichts mehr im Weg steht, appelliere

gibt es in Deutschland nicht genügend Zahn-

ich schon jetzt an die Universitäten, sich an der

mediziner, die sich die Zeit und den Mut neh-

Abschlussphase zu beteiligen und eine zügige

men, für die Qualität ihres Studiums zu arbei-

Implementierung möglich zu machen. Gemein-

ten. Die Gründe dafür sind vielfältig. Für mich

sam brauchen wir schließlich alle Energie, um

war die einfache Konsequenz: Dann machen zu-

für das weit größere Fass, die neue Approbati-

mindest wir das.

onsordnung, zu kämpfen.

un-plaqued No 22 | 101


GenerationLounge / Veränderung

Bei der neuen ZÄAppO geht es vor allem um

Wo siehst du das größte Veränderungspo-

eins: Um sehr, sehr viel Geld. Ernüchternd ist

tenzial bei den deutschen Hochschulen in

für uns Studierende, wie viele tolle Projekte,

der Zahnmedizin?

die von allen Seiten befürwortet wurden, letzten Endes am fehlenden Geld gescheitert sind. Umso mehr hoffe ich, dass wir auf der diesjährigen GMA-Tagung unter dem Motto »Kompetenzen ausbilden im Spannungsfeld der Ökonomie« Lösungen dafür erarbeiten. Wenn es uns im Rahmen

Ich denke, es ist

es ist dringend notwendig, auch in der Zahnmedizin internationaler zu denken

unserer

dringend notwendig, auch in der Zahnmedizin internationaler zu denken. In der globalisierten Welt von heute, ist es uns Studenten fächerübergreifend wichtig, während des Studiums Auslands­ erfahrungen sammeln zu können. Das Ziel des BMBF, dass 20 Prozent der

Vorstandszeit und vielleicht auch auf der oben

Studenten einen Teil des Studiums im Ausland

genannten Tagung gelingt, die Bedeutung der

absolvieren, ist in der Zahnmedizin leider noch

Hochschullehre im Klinikbetrieb zu steigern,

in weiter Ferne.

haben wir viel erreicht.

Was ist dein Rat an die nächste Generation? Das Studium macht mehr Spaß, wenn man sich engagiert. Glaubt es mir oder probiert es selbst aus: Fahrt mit zu einer Bundesfachschaftstagung, schaut mal bei Fakultätsratssitzungen rein, wenn es um Zahnmedizin geht, macht eine Famulatur für ein Hilfsprojekt. Als Freiberufler werden wir später täglich eigenverantwortlich Entscheidungen treffen. Das lernt man nicht im Phantomkurs. // 102 | un-plaqued No 22


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RUBRIK GenerationLounge / Veränderung / Veränderung

Unsere Freiheit ist keinE SelbstverständLICHKEIT INTERVIEW Ingmar Dobberstein ‧ FOTO KZBV / Marc Darchinger

104 | un-plaqued No 22


GenerationLounge / Veränderung

Dr. Wolfgang E   er Der 1954 geborene Dr. Wolfgang Eßer ist Vorsitzender des Vorstandes der Kassenzahnärztlichen Bundesvereinigung (KZBV), die als Spitzenverband der 17 Kassenzahnärztlichen Vereinigungen in 16 Bundesländern die Interessen von etwa 54.000 Vertragszahnärztinnen und Vertragszahnärzten, der zahlenmäßig größten Facharztgruppe in Deutschland, vertritt. Nach dem Studium der Zahnmedizin in Tübingen, Promotion und Assistenzzeit gründete er 1982 eine eigene Praxis in Mönchengladbach, die er bis zum Jahr 2012 betrieb. Sein standespolitisches Engagement begann 1987 im Freien Verband Deutscher Zahnärzte (FVDZ). Nach einer kurzen Amtszeit in der KZV Nordrhein wurde er 2002 in den Vorstand der KZBV gewählt, dessen Vorsitz er seit 2013 innehält. Im Zuge seines Amtes ist er für die Aufgabenbereiche Politik, Gesetzgebung, Vertragsrecht, Statistik, Gemeinsamer Bundesausschuss (G-BA) sowie die internationale Arbeit verantwortlich. Seit 2013 war er maßgeblich an der Entwicklung des neuen Versorgungskonzeptes der Zahnärzteschaft für Pflegebedürftige und Menschen mit Behinderung beteiligt, die in das PflegeNeuausrichtungs-Gesetz eingeflossen sind. Seit 2014 sind KZBV und BdZA offizielle Kooperationspartner, um mit gemeinsamen Strategien das Verständnis für Freiberuflichkeit sowie die Niederlassungswilligkeit der jungen Zahnmediziner zu fördern.

Hat die Freiberuflichkeit überhaupt eine

Angesichts fortlaufender Versuche der Politik,

Zukunft?

das Selbstverwaltungsrecht auszuhöhlen, ist

In der Freiberuflichkeit als tragendem Wert un-

es daher umso wichtiger, die Freiberuflichkeit

seres Berufsstandes sehe ich neben der Gemein-

mit aller Deutlichkeit zu kommunizieren, um

wohlverpflichtung für die Zahnärzteschaft die

ein nachhaltiges Bewusstsein für die Wichtig-

einzige erstrebenswerte Zukunft. Als Angehö-

keit dieses Wertes zu schaffen. Die Politik muss

rige der Freien Berufe sind wir ein wichtiger ge-

sich wieder darauf beschränken, Rahmenbedin-

sellschaftlicher und ökonomischer Faktor der

gungen zu setzen und deren Ausgestaltung der

freiheitlich demokratischen Grundordnung

Selbstverwaltung zu überlassen. Den Bestre-

unseres Landes. Freiberuflichkeit ist dabei ein

bungen zur Deregulierung der Freien Berufe

Grundwert, der nicht nur Selbstzweck, sondern

auf europäischer Ebene sind ebenso eine Absa-

Herausforderung und Verpflichtung zugleich ist.

ge zu erteilen, wie den aus dem geplanten Frei-

Freiberuflichkeit heißt immer auch Übernahme

handelsabkommen mit den USA erwachsenden

von Verantwortung für die Gesellschaft, für Pa-

Ökonomisierungstendenzen des Gesundheits-

tientinnen und Patienten, für Mitarbeiterinnen

wesens klar widersprochen werden muss. Die

und Mitarbeiter, für die Familie und sich selbst.

Heilberufe begrüßen zwar grundsätzlich das

Die Freiberuflichkeit der Berufsausübung muss

Anliegen der Europäischen Union, durch das Ab-

gewährleistet sein, damit die Diagnose- und

kommen den Handel fördern und bürokratische

Therapieentscheidungen allein nach fachlichen

Hürden abbauen zu wollen. Wir sehen in den

Erwägungen und frei von Interessen und Vorga-

bislang bekannt gewordenen Plänen aber auch

ben Dritter ermöglicht werden. Der Freiberuf-

Gefahren für die öffentliche Gesundheit und für

lichkeit eine Absage zu erteilen, hieße gleich-

den Schutz der Patientinnen und Patienten.

zeitig, Selbstbestimmung, Therapiefreiheit und

So zeichnet sich besonders das deutsche Ge-

das Selbstverwaltungsrecht aufzugeben.

sundheitswesen durch hohe Qualität und un-plaqued No 22 | 105


GenerationLounge / Veränderung

einen schnellen Zugang zur

ren. Die zahnmedizinischen Standespolitikerin-

Gesundheitsversorgung

nen und Politiker sind sehr bemüht, für einen

aus. Die Rechte der Patien-

starken Nachwuchs in ihren Reihen zu sorgen.

ten wie auch die Freibe-

In der praktischen Umsetzung gestaltet sich

ruflichkeit von Ärztinnen

die Nachwuchsarbeit allerdings nicht immer

und Ärzten, Zahnärztinnen und Zahnärzten,

einfach. Die Gründe hierfür sind vielfältig und

Psychotherapeutinnen und Psychotherapeu-

liegen zu einem nicht geringen Teil in der allge-

ten und Apothekerinnen und Apothekern so-

meinen Verdrossenheit der jungen Generation

wie die Kompetenzen ihrer Selbstverwaltungs-

hinsichtlich der standespolitischen Strukturen

organe sind dafür grundlegend und dürfen

begründet. Zudem fehlt oft das grundlegende

deshalb nicht eingeschränkt

oder

aufgehoben werden. Hierzu zählt auch, dass die EU keine

Öffnungs-

oder

Privatisie-

rungsverpflichtungen eingeht. Eine noch stärkere Ökonomisierung der Medizin nach amerikanischem Vorbild würde das bis-

Es fehlt oft das Verständnis für die Bedeutung von Standespolitik und Selbstverwaltung für die Berufsausübung

herige Niveau der

Verständnis für die

Bedeutung

von Standespolitik und Selbstverwaltung für die Berufsausübung. Es ist wichtig, dass die jungen Kolleginnen und Kollegen erkennen, dass die berufspolitischen Bedingungen, die ja den Berufsalltag ganz konkret und un-

Patientenversorgung und auch die Freiberuf-

mittelbar betreffen, keine Selbstverständlich-

lichkeit nachhaltig gefährden.

keit sind. Sie müssen immer wieder verteidigt

Wir sind vielmehr der Überzeugung, dass die

oder hart erkämpft werden, bieten zugleich

Vertragszahnärzteschaft die zahnmedizinische

aber jede Menge Raum für Ausgestaltungen.

Versorgung in Deutschland in Eigenverantwor-

Dies ist ein Umstand, der die Standespolitik so

tung besser gestalten und weiterentwickeln

ungeheuer spannend macht.

kann, als es der Gesetzgeber durch zunehmend zentralistische und dirigistische Eingriffe ver-

Die Hauptamtlichkeit der Vorstände der KZVen

mag. Daher fordern wir nachdrücklich ein kla-

und der KZBV, die im Jahr 2005 von der damali-

res Bekenntnis der Politik zum Selbstverwal-

gen Gesundheitsministerin Ulla Schmidt einge-

tungsprinzip und zur Freiberuflichkeit des

führt wurde, hat sich nicht nur mit Blick auf die

Berufsstandes.

zahnmedizinische Standespolitik als eine Art Kuckucksei erwiesen. Durch das Hauptamt soll-

Kümmern sich die zahnmedizinischen Stan-

te die Standespolitik in diesen Funktionen von

despolitiker um ihre eigene Nachfolge?

der Basis abgekoppelt werden. Es wäre aber

Das Engagement junger Zahnärztinnen und

falsch, die Schuld für den Nachwuchsmangel in

Zahnärzte in der Selbstverwaltung ist unab-

der Standespolitik lediglich in solchen politi-

dingbar, um das Leitbild des Berufsstandes auf-

schen Manövern und bei den jungen Ärztinnen

rechtzuerhalten und damit Selbstbestimmung

und Ärzten zu suchen. Vielmehr muss sich die

und Freiberuflichkeit auch langfristig zu wah-

akkreditierte Standespolitik die Frage gefal-

106 | un-plaqued No 22


GenerationLounge / Veränderung

len lassen, ob bei dieser nicht manchmal ein zu

den Wettbewerbs im Gesundheitswesens aber

großes Selbstverständnis für die eigene Positi-

auch wenig verwunderlich. Zahnärztinnen und

on herrscht. Das bedingt dann letztlich auch die

Zahnärzte stehen heutzutage nicht nur im Wett-

Kommunikationsschwierigkeiten mit der nach-

bewerb um die beste Versorgungsqualität, son-

folgenden Generation.

dern immer häufiger auch in einem Kosten- und

Zahnärztinnen und Zahnärzte waren schon im-

Preiswettbewerb. Und das nicht nur mit Kolle-

mer überzeugte Selbstverwalter. Dabei verste-

ginnen und Kollegen, sondern auch mit Kosten-

hen wir uns aber mehr als Gestalter, denn als

trägern, die diese zweifelhafte Form des Wett-

Verwalter. Um dieses hohe Gut auch künftig zu

bewerbs sogar noch anheizen. Auch die Politik

wahren, appelliere ich an beide Seiten – an die

selbst fordert und fördert diese Situation syste-

etablierte Standespolitik und an den Nachwuchs

matisch – eine Entwicklung die ich für überaus

– aufeinander zuzugehen und voneinander zu

bedenklich halte. Der Heilberufler als Freibe-

lernen. Die Alten dürfen den Jungen nicht ihr

rufler hat eine Verpflichtung den Patienten ge-

Berufsbild einfach überstülpen, sondern soll-

genüber, der er gerecht werden muss, ohne da-

ten den Vorstellungen der nächsten Generation

bei überbordenden wirtschaftlichen Zwängen

zum Durchbruch verhelfen. Die Jungen sollten

ausgesetzt zu sein.

zugleich aber auch von den Alten lernen wollen. Was uns Zahnärzte so stark macht und wo-

Was bräuchte die Zahnmedizin, um sich bei

für wir von anderen Berufsgruppen häufig auch

der Politik mehr Gehör zu verschaffen?

bewundert werden, ist das geschlossene Auftre-

Die Kontakte der Zahnärzteschaft zur Politik

ten nach außen. Öffentliche Anfeindungen ge-

sind ausgezeichnet, und wir stoßen mit unse-

gen die eigene Standesvertretung, wie bei Ärz-

ren Vorstellungen und Forderungen in Parla-

ten durchaus üblich, ist bei der Zahnärzteschaft

menten und Ministerien durchaus auf Gehör.

praktisch nie das Mittel der Wahl. Diese Form

Ein Beispiel aus jüngster Zeit ist das geplan-

des Umgangs sollten wir uns erhalten. Diskus-

te GKV-Versorgungsstärkungsgesetz. Gemein-

sionen, ja auch sehr kontroverser Meinungs-

sam mit der Bundeszahnärztekammer und der

austausch finden in dafür vorgesehenen Gre-

Wissenschaft hat die KZBV das Konzept zur ver-

mien statt und nicht auf den Marktplätzen der

tragszahnärztlichen Versorgung von Pflegebe-

Republik.

dürftigen und Menschen mit Behinderungen „Mundgesund trotz Handicap und hohem Al-

Warum gibt es keine Einigkeit in der Zahn-

ter“ der Politik vorgelegt. Dessen Ziel ist es, den

ärzteschaft bezüglich der politischen Not-

oralen Gesundheitszustand von betagten, mul-

wendigkeiten für den Beruf?

timorbiden und pflegebedürftigen Patienten

Die politischen Rahmenbedingungen mitzu-

sowie von Patienten mit Behinderungen dauer-

gestalten, innerhalb derer zahnärztliche Be-

haft und nachhaltig zu verbessern. Wir haben

rufsausübung real stattfindet, war in der Ver-

den Gesetzgeber aufgefordert, im SGB V einen

gangenheit und bleibt auch in der Gegenwart

ordnungspolitischen Rahmen für diese Leistun-

zentrale Aufgabe der Zahnärzteschaft. Natür-

gen zu schaffen. Unsere Forderungen wurden

lich kann bei der Vielzahl der Beteiligten an den

aufgegriffen und in dem Referentenentwurf des

Beratungs- und Entscheidungsprozessen nicht

Gesetzes für die betroffenen Personengruppen

immer völlige Einigkeit in allen Positionen er-

ab dem kommenden Jahr ein zahnärztliches Prä-

reicht werden. Oft spielt hier auch das fehlende

ventionsmanagement verankert. Dies ist nur ein

Zusammengehörigkeitsgefühl der Zahnärzte-

Beispiel dafür, wie die standespolitische Arbeit

schaft eine Rolle. Dies ist angesichts einer zu-

der Zahnärzteschaft von der Politik berücksich-

nehmenden Ökonomisierung und des steigen-

tigt wird und zugleich einen Mehrwert für die un-plaqued No 22 | 107


GenerationLounge / Veränderung

Versichertengemeinschaft mit sich bringt. Pro-

menbedingungen, die zunehmend nicht mehr an

blematisch ist allerdings, dass die Politik zuneh-

der Versorgungsrealität orientiert sind. Diesem

mend den Weg hin zu einer Zentralisierung der

Trend müssen wir als Standespolitiker entgegen-

Gesundheitsversorgung beschreitet. Dies be-

arbeiten, damit kein gesundheitspolitisches Um-

deutet eine Beschneidung der berufsständi-

feld entsteht, das ökonomische Aspekte an die

schen Selbstverwaltung zugunsten einer Verla-

erste Stelle rückt und der patientenorientierten

gerung auf Institutionen, Institute und Gremien.

Versorgung durch die Zahnärzte zusätzliche Stei-

Die Folge ist eine Ausgestaltung ärztlicher Rah-

ne in den Weg legt.

Was ist Ihr Rat an die nächste Generation? Wichtig für die Zukunft einer freien, selbstbestimmten Zahnärzteschaft ist, dass der Nachwuchs nicht nur die eigene Praxis im Blick hat, sondern sich darüber hinaus für den Berufsstand, die Selbstverwaltung und die Standespolitik engagiert. Die ersten Schritte zu einem solchen Engagement sind vergleichsweise einfach: Der Besuch standespolitischer Versammlungen und Stammtische kann ein Einstieg sein. Dort können sich Zahnärztinnen und Zahnärzte über aktuelle berufspolitische Debatten informieren, aufstehen, den Mund aufmachen und ihre Sicht der Dinge vertreten. Solche Treffen stärken Gemeinschaftssinn und Kollegialität untereinander. Nicht zuletzt ist auch die Teilnahme an standespolitischen Wahlen ein weiteres wichtiges Instrument, einen Beitrag zu einer zielorientierten Selbstverwaltung zu leisten. Denn am Ende geht es ja darum, dass an den richtigen Stellen die richtigen Persönlichkeiten entscheiden, die das Wohl des freien zahnärztlichen Berufsstandes im Blick haben. // 108 | un-plaqued No 22


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IDS / Veränderung RUBRIK GenerationLounge / Veränderung / Veränderung

Traut Euch INTERVIEW Ingmar Dobberstein ‧ FOTO BdZM

110 | un-plaqued No 22


GenerationLounge / Veränderung

Caroline Diekmeier Caro ist eigentlich Berlinerin, aber 2011 zum Studium an die Küste nach Hamburg gegangen. Seit dem ersten Semester ist sie in der Fachschaft tätig und vertritt diese seit 2012 auch im Fakultätsrat der Universität. Im fünfköpfigen Vorstand des Bundesverbandes der Zahnmedizinstudenten in Deutschland (BdZM) steht sie auch für den zunehmenden Gender-Wandel, da der Anteil der Studentinnen in der Zahnmedizin weiterhin zwischen 60 bis 80 Prozent beträgt. 2014 war sie die einzige Studentin, die sich für den Vorstand zur Wahl gestellt hat, obwohl es auch für einen Verband wie den BdZM enorm wichtig ist, eine den Zahlenverhältnissen entsprechende Repräsentanz aller zu vertretenden Gruppen zu haben.

Wie arbeitet es sich als einzige Frau im

höheren Ebenen sinkt der Frauenanteil erheb-

BdZM-Vorstand?

lich. Ein Grund dafür liegt sicherlich darin, dass

Es macht für mich keinen Unterschied, dass ich

einige Studenten kaum etwas über studenti-

die einzige Frau bin, da wir uns als Freunde be-

sche Standespolitik und den BdZM wissen und

reits als gemeinsame Gruppe zur Wahl gestellt

solche Themen daher im täglichen Studien-

hatten. Meiner Meinung nach ist es sogar ein

leben kaum präsent sind. Daran arbeiten wir

kleiner Vorteil für mich, da allen anderen Vor-

mit dem neuen Vorstand zurzeit sehr intensiv.

standsmitgliedern meine Meinung besonders

Wir stehen mit den Fachschaften der einzel-

wichtig ist. Bezüglich der Aufgaben gibt es kei-

nen Standorte in ständiger Verbindung (Tele-

ne Mann-/Frau-Aufteilung, jeder kümmert sich

fon, E-Mail, SMS, WhatsApp etc.), wobei uns die

um seine Aufgaben, und bei großen Projekten

Kommunikation auf direkter, persönlicher Ebe-

agieren wir ganz klar als Team.

ne sehr wichtig ist, um die Hemmschwellen, uns anzuschreiben, zu senken und sich eben besser

Sind die Frauen im BdZM und in der Stan-

kennenzulernen.

despolitik entsprechend ihrer tatsächlichen Zahl in Studium und Beruf repräsen-

Wie könnte man mehr junge Zahnmediziner

tiert?

(und Frauen) für eine Arbeit in der Standes-

Leider nein! Laut Statistik sind 70–80 Prozent

politik begeistern?

aller Studenten in der Zahnmedizin heute weib-

Der kollegiale Umgang, die direkte Kommuni-

lich und ich bin – wie bereits erwähnt – die ein-

kation mit uns und das persönliche Kennenler-

zige Frau im Vorstand: Bei einem fünfköpfigen

nen sind meines Erachtens der Schlüssel hier-

Vorstand sind das eben 20Prozent. Mein per-

für. Die von uns organisierten Studententage,

sönlicher Wunsch ist natürlich eine Relation,

die Bundesfachschaftstagungen oder die Ge-

die der angesprochenen Realität entspricht.

nerationLounge auf der kommenden IDS in Köln sind die perfekten Möglichkeiten, um

Wo siehst du die Ursachen für diese Situ-

Kommilitonen anderer Universitäten und uns

ation?

kennenzulernen, Probleme zu besprechen, ge-

In den einzelnen Fachschaften und Fachschafts-

meinsam zu lösen und daneben auch einfach

räten sind viele Frauen vertreten, erst auf den

Spaß zusammen zu haben.

un-plaqued No 22 | 111


GenerationLounge / Veränderung

Ist es wichtig, dass es spezielle Frauenangebote

in

Ver-

bän­den,

Wissen-

schaft und Politik gibt? Ja. Vielen ist nicht bewusst, mit welchen Problemen

Frau-

en in ihrem alltägli-

einige der Studenten wissen kaum etwas über studentische Standespolitik

chen Leben konfron-

für Frauen nach der Familiengründung – vor allem in die wissenschaftliche Berufslaufbahn – durch Angebote oder Kurse erleichtert werden. Die Statistik besagt, dass viele Frauen noch ihren

tiert werden. Familie

Doktortitel erwer-

und Kindererziehung müssen für Frauen reali-

ben, sich aber kaum noch an die Habilitation

sierbar bleiben, so sollte der Wiedereinstieg

wagen.

Was ist Dein Rat an die nächste Generation? Es ist wichtig, dass die Studenten ihre derzeitige Situation nicht einfach nur hinnehmen, auch wenn sie vielleicht nicht die allerschlechteste ist. Es ist wichtig, ab und zu über den Tellerrand hinauszuschauen, sich von anderen Universitäten oder Studenten inspirieren zu lassen. Seid engagiert und gestaltet Euer Studium mit, anstatt es einfach nur blind zu absolvieren. Wir können mehr bewirken, als Ihr euch vorstellt! Traut Euch, sprecht uns direkt an und macht mit!//

112 | un-plaqued No 22


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GenerationLounge / Veränderung

Impulse für einen kon­ struktiven Wettbewerb INTERVIEW Jan-Philipp Schmidt ‧ FOTO DGZMK

114 | un-plaqued No 22


GenerationLounge / Veränderung

Prof. Dr. Bärbel Kahl-Nieke Nach dem Zahnmedizinstudium in Gießen begann Prof. Dr. Bärbel Kahl-Nieke ihre wissenschaftliche Laufbahn an der Kölner Universität und promovierte dort 1985. Ein Jahr später folgten der Abschluss der Weiterbildung zur Kieferorthopädin und 1994 die Habilitation. Seit 1998 ist sie Direktorin der Poliklinik für Kieferorthopädie am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE) und seit 2002 Ärztliche Leiterin des Zentrums für ZMK am UKE. Ihre Erfahrung im Wissenschafts-Management sammelte sie unter anderem als Präsidentin der DGKFO (2005) und Vizepräsidentin der FEO (2008) als auch mit ihren Funktionen an der Universität Hamburg. 2009 wurde sie dort zum »Teacher of the Year« gewählt. Ihre wissenschaftlichen Schwerpunkte liegen vor allem in der KFO-Frühbehandlung, LKG-Spalttherapie sowie der Funktionsdiagnostik und -therapie. Die erste Präsidentin von Deutschlands ältester Fachgesellschaft, der DGZMK, ist alles andere als eine Quotenfrau, sondern vielmehr eine Macherin mit sehr klaren Vorstellungen für die Zukunft der deutschen Zahnmedizin.

Wann werden wir eine neue Approbations-

zung zur Unverbindlichkeit bei der Umsetzung

ordnung bekommen?

und zur Diversität des Zahnmedizinstudiums in

Das weiß momentan niemand, aber wir, die

Deutschland: Der NKLZ wird im Sinne eines be-

VHZMK, die BZÄK und die DGZMK, bemühen uns

flügelnden Impulses zu einem positiven kon-

aktuell gemeinsam darum, den politisch Ver-

struktiven Wettbewerb führen. Dass dabei

antwortlichen zu vermitteln, dass die gelten-

standortspezifische Schwerpunkte fokussiert

de APO-Z in diesem Jahr 60 Jahre alt wird und

werden, wird auch dem Wettbewerb um die

dass wir uns zunehmend Sorgen machen, dass

Studierenden guttun.

die formale Grundlage der zahnärztlichen Ausbildung, insbesondere in der Bevölkerung, zu

Die Zahnmedizin gliedert sich, auch unter

einem gravierenden Imageverlust führt. Wann

dem Dach der DGZMK, in immer mehr kleine

unsere Bemühungen Früchte tragen werden,

Einzelbereiche auf. Sind viele Verbände bes-

prognostiziere ich einmal vorsichtig: hoffent-

ser für die Vertretung der Zahnheilkunde?

lich spätestens in 2016.

Als inhaltlich wissenschaftlich und gesundheitspolitisch orientierte Vertreterin des gro-

Was wird von den Ideen des National­ -

ßen Gesamtbildes gebe ich mir seit nunmehr

en kom­petenzbasierten Lernzielkataloges

16 Monaten gemeinsam mit meinem Vorstand

(NKLZ) bei den Studenten an den einzelnen

große Mühe, die Zahn-, Mund- und Kieferheil-

Hochschulen ankommen?

kunde zusammenzuhalten bei gleichzeitiger

Der umfassende Lernzielkatalog, der in die-

Würdigung der Fächeridentität. Dieses Unter-

sen Tagen von allen Fachgesellschaften und

fangen ist nicht einfach, aber meine Einschät-

Dekanaten im Rahmen der zweiten Delphirun-

zung ist, dass wir diesbezüglich auf einem sehr

de noch einmal geprüft und finalisiert wird, ist

guten Weg sind und vor allem, dass die Mitspie-

Herausforderung und Chance zugleich für Do-

ler diese Art der Kooperation im Win-Win-Sin-

zenten und für Studierende, moderne Zahnme-

ne schätzen. Vielleicht kann man das mit einem

dizin zu lehren und zu lernen. Meine Einschät-

Mannschaftsspiel vergleichen. un-plaqued No 22 | 115


GenerationLounge / Veränderung

Ist der Zahnmediziner der Zukunft mehr

Generalist

oder mehr Spezialist? Das Ausbildungsziel in der Zahnmedizin ist der Generalist, das Fort- und Weiterbildungsziel ist, den individuellen Neigungen und Fä-

ich schätze die Kooperation mit unseren Partnern in der Standespolitik

higkeiten Rechnung

Was wünschen Sie sich für die Zusammenarbeit von Hoch­schule und Standespolitik? Diesbezüglich

ist

schon viel passiert, ich persönlich schätze die Kooperation mit unseren Partnern in der Standespolitik. Mit jeder neuen gemeinsamen Auf-

zu tragen und den weiteren Weg zum Generalis-

gabe, und die werden immer anspruchsvoller

ten bzw. Spezialisten zu ermöglichen. Aus Pati-

und komplexer, sinkt die Friktion und steigt der

entensicht muss gewährleistet sein, dass ein

Teamgeist, zumindest auf meiner Ebene. Präsi-

Teamplayer oder ein Allrounder der Zahnarzt/

dial gesprochen ergänzen wir uns gut und wir

die Zahnärztin des Vertrauens ist.

tun trilateral auch einiges dafür, dies bis auf die Arbeitsebene zu projizieren.

Was ist Ihr Rat an die nächste Generation? Wir, dass heißt alle Zahnmediziner, haben nur eine Chance, wenn wir eine langfristig erfolgreiche Zukunft haben und behalten wollen. Und die würde ich hier einmal mit den Stichworten Prävention, Mundgesundheit und Lebensqualität, Interdisziplinarität und individualisierte Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde unter ethisch-medizinischen Aspekten zusammenfassen.

116 | un-plaqued No 22


GENERATIONLOUNGE / Veränderung

Die Generation Lounge (Foyer zwischen Halle 4 & 5) repräsentiert auch bei der IDS 2015 wieder die jungen Zahnmediziner und vernetzt den Berufsstand. Der Bundesverband der zahnmedizinischen Alumni in Deutschland (BdZA) lädt auf der IDS vom 11. – 14. März 2015, dank der großzügigen Unterstützung der GFDI und der KölnMesse, erneut zum Dialog zwischen den generationlounge.de

Generationen und Verbänden ein.

Die GENERATIONLOUNGE auf der IDS In der Passage zwischen den Hallen 4 + 5

Entrance West 4 2

10

3 11 Entrance South

Entrance East Congress Centre East

un-plaqued No 22 | 117


100 % Theorie & Praxis / Veränderung

Balance Text Juliane von Hoyningen-Huehne

118 | un-plaqued No 22


Theorie & Praxis / Veränderung

E

ines frühen Morgens vor fast zwei Jahren

Foren, Blogs und Magazinen, bekommt man den

schaute ich auf zwei kleine rosa Streifen,

Eindruck, dass man es eigentlich nie richtig ma-

die ich zwar ersehnt hatte, die mir aber

chen kann. Von der studierten Hausfrau bis zur

auch unglaubliche Angst einjagten. Auch wenn

Vollzeit- Karrierefrau, die nach drei Monaten

ich mich seit Jahren viel mit dem Thema »Beruf

schon wieder voll arbeitet – für alle Lebensfor-

und Familie« beschäftigte und wir auch als zu-

men gibt es Verfechter und schärfste Kritiker.

künftige Eltern intensiv überlegten, wie wir dieses Thema persönlich angehen wollen – wie

Im ersten Jahr wollten wir unser Kind zu zweit

es am Ende funktioniert, wer weiß das schon?

betreuen, gleichzeitig wussten wir, dass wir

Wer betreut das Kind wie, wann und wo? Wie

beide auch arbeiten müssen und wollen. The-

viel Zeit können, müssen und wollen wir arbei-

oretisch hört sich das einfach an, praktisch ist

ten? Wie oft und ab wann wollen wir das Kind

das aber eine wesentlich größere Herausforde-

auch mal fremdbetreuen lassen? Fragen über

rung. Drei Wochen nach der Geburt war ich zum

Fragen, die man sich möglichst früh stellen soll-

ersten Mal im Büro in der Zahnärztekammer. Als

te, bevor das Projekt Kind konkret wird. Auch

Vorstandsmitglied wollte ich nicht den Kontakt

wenn man viele Szenarien durchgespielt hat,

zu meiner Arbeit verlieren, am Anfang waren

weiß man am Ende immer noch nicht, wie es in

es eben nur ein paar Stunden. Jetzt, nachdem

der Realität sein wird. Dazu kommt der Faktor

unser Sohn ein Jahr alt ist, sind wir in unserem

Mensch – ich war mir sicher, dass ich erst einmal

Familienalltag angekommen. Wenn ich heute

meinen Sohn und mein Mutter-Ich kennenler-

von der Arbeit nach Hause komme, bin ich so-

nen wollte, um mir all diese Fragen beantwor-

fort im Mama-Einsatz. Abschalten ist da nicht

ten zu können.

mehr eingeplant. Die Autorinnen von »Mama

Von allen Seiten wird stets und ständig nach ei-

muss die Welt retten« beschreiben das wun-

ner besseren Vereinbarkeit von Familie und

derbar: »Ich hatte schnell das Gefühl, dass ich

Beruf gerufen. Es wurde noch nie so viel über

nicht nur eine Tochter auf die Welt bringe, son-

dieses Thema diskutiert wie heute, trotzdem

dern auch zur Mutter geboren wurde. Eine neue

scheint bisher keiner die Ultima Ratio gefunden

Rolle für mich, in die ich von heute auf morgen

zu haben. Es stehen Förderung von Teilzeitar-

reingeworfen wurde.«

beit, flexiblere Betreuungskonzepte, Elterngeld Plus und vieles mehr im Raum. Fraglich ist überhaupt, ob es ideale Bedingungen gibt, denn Familienkonzepte sind vielfältig, und was für den einen gut ist, muss nicht für den anderen funktionie-

Berufstätige Mütter sind im deutschen Arbeitsmarkt ein lebender Widerspruch

ren. Trotzdem ist es erschreckend, wenn laut Studien Eltern gestresster sind als Kin-

Es ist wunderbar Mutter zu sein, aber eben auch

derlose, da die Rahmenbedingungen eben nicht

ermüdend. Solange alle gesund sind, ist die All-

familienfreundlich sind. Während eine Familie

tagsplanung problemlos, aber wenn Krankhei-

die Möglichkeit von Fremdbetreuung der Babys

ten oder durchbrechende Zähne ins Spiel kom-

und Kleinkinder völlig ausschließt, ist dies für

men, kann das auch ganz anders laufen. Das

andere Mütter und Väter »total« normal. Auch

Absprechen der Termine nimmt viel Raum in

Familienmitglieder stehen nicht gleicherma-

unserem Leben ein. Für unseren Sohn ist es

ßen zur Verfügung. Liest man in einschlägigen

normal, dass sich Mama und Papa abwechseln, un-plaqued No 22 | 119


Theorie & Praxis / Veränderung

sodass es bisher noch keinen Abschiedsschmerz

zin: »Man kann beides miteinander verbinden,

gab, zumindest nicht bei ihm.

aber man kann nie in beiden Bereichen hundert Prozent geben. Keine Betreuungseinrich-

Aber nicht nur Mütter kommen in ihrer neu-

tung der Welt kann etwas daran ändern, dass

en Rolle an, auch die Männer der Generation Y

ich eine Stunde, die ich am Schreibtisch sitze,

wollen Familie und Beruf im Leben vereinen,

nicht mit meinem Kind auf dem Spielplatz sein

ihre Kinder aufwachsen sehen und dement-

kann.«

sprechend ihre Arbeitssituation gestalten. Immer mehr Väter wollen auch in den Babyjahren

Jeglicher Perfektionismus wird mit Kind per-

schon eine tragende Rolle im Leben der Kinder

manent torpediert. Besonders der Schlafman-

spielen. Teilzeitregelungen kommen dem ent-

gel der ersten Wochen macht es schwierig, sich

gegen, politisch kann diesbezüglich allerdings

zu konzentrieren. Die ersten Vorstandssitzun-

noch viel mehr getan werden. Die Zahnmedizin

gen waren besonders anstrengend, aber auch

ist in dieser Hinsicht ein paradiesischer Beruf,

in den ersten Tagen in der Praxis nach vier Mo-

ein Arbeitsplatz ist perfekt teilbar, und jegli-

naten war ich auf das Mitdenken meiner Zahn-

che Arbeitszeiten sind denkbar. Entfernen soll-

arzthelferin angewiesen. Zum Glück waren es

te man sich von der Vorstellung, in allen Dingen

nur zwei Tage in der Woche, an denen ich mor-

perfekt zu sein. Die ehemalige Familienministe-

gens früh fit und adrett versuchen musste, klar

rin Kristina Schröder schrieb dazu im SZ-Maga-

zu denken. Die Garderobe leidet, ständig ist

120 | un-plaqued No 22


Theorie & Praxis / Veränderung

irgendwo Brei, Milch oder etwas anderes. Nichts

Vieles hat sich relativiert, seitdem ich Mut-

ist mehr planbar. Dafür arbeitet man, wenn

ter bin. Ich denke nicht mehr so viel an die Ar-

man denn dazu kommt, umso effektiver.

beit, wenn ich zu Hause bin, aber ich muss jetzt

Trotz all dieser Umstellungen gibt es kaum eine

auch Legosteine sortieren und Mützen häkeln.

schönere Beschäftigung für mich, als nach der

Wenn es sein muss, kann ich Windeln wechseln

Arbeit nach Hause zu kommen und mich mit

und parallel Telefonate mit dem Büro führen. In

meinem Sohn schlafen zu legen.

der Praxis lächle ich, wenn ich an meinen Sohn denke – manchmal ist ein müdes Lächeln, aber

Die Vereinbarkeit von Familie und Berufstätig-

es steht mir gut. //

keit verlangt von allen Beteiligten viel, die Eltern müssen kompromissbereit sein und sich ständig koordinieren. Auch Arbeitgeber müssen Verständnis aufbringen, die Kinder werden aber auch nicht darunter leiden wenn sie mal von Oma, Opa oder Babysitter betreut werden. Nina Puri schreibt in ihrem humorvollen Buch »Karriere im Eimerchen – Warum Mütter nicht zum Arbeiten kommen«: »Berufstätige Mütter sind im deutschen Arbeitsmarkt ein lebender Widerspruch. Zwei Dinge also, die eigent-

Wenn es sein muss, kann ich Windeln wechseln und parallel Telefonate mit dem Büro führen

lich nicht zusammen passen, weil sie sich aller Erfahrung nach komplett widersprechen: wie funktionierender Drucker, kurzes Meeting oder effektives Brainstorming.« Ohne Zweifel kann man in der Zeit, die man mit dem Kind verbringt, nicht wirklich an seiner Karriere arbeiten. Bis heute ist das Arbeitsleben im Großen und Ganzen nicht auf die Symbiose beider Welten eingestellt und bestätigt somit immer wieder das Gefühl, dass man durch Schwangerschaft und Kind in einer beruflich nachteiligen Situation ist. Das Gleiche gilt für die Männer. Einen gesunden Mittelweg zwischen Arbeits- und Familienzeit für Frauen, aber eben auch für Männer zu finden, wäre das Ziel. Denn es ist schade, dass man als Mutter immer noch schief angeschaut wird, wenn man aus beruflichen Gründen keine Zeit für die Krabbelgruppe hat. Auch deswegen sollte es normal sein, dass sich Männer im Beruf ebenso zurücknehmen können, um ihre Kinder mit zu erziehen.

un-plaqued No 22 | 121


Ich übernehme hier! Ein Erfahrungsbericht über Wahrheit, Idee und Veränderung bei der Praxisübernahme

Text Sascha Kötter

Es war Anfang März 2014, als mir ein guter Freund und Zahnarzt seinen Wunsch mitteilte, ihn während seiner Praxisübernahme ein halbes Jahr lang zu begleiten, mit ihm die Strukturen zu verändern und auf den »richtigen Weg« zu bringen – wie auch immer dieser damals in unsern Köpfen aussah.

122 | un-plaqued No 22


N

Theorie & Praxis / Veränderung

ach zwei Jahren Assistenzzeit und zwei

Nur zu gerne hätte ich einen 60-seitigen Maß-

Jahren Praxisgemeinschaft mit dem

nahmenplan gezückt, mit dem sich der »Wan-

Senior stand zur Mitte des Jahres die

del zum Positiven« Schritt für Schritt erschließt

endgültige Praxisübernahme an. Die alleinige Verantwortung

für

ein achtköpfiges Team, ein anspruchsvoller Patientenstamm,

große

Fußstapfen in fachlicher Hinsicht und nicht zuletzt ein großer Berg an Schulden – da bleibt niemand ohne Sorge. Sich jemanden an die Seite

zu

holen,

Verantwortung

der über-

So wurde aus einer spontanen Idee, gepaart mit übermotiviertem Tatendrang, Aktionismus ohne Weitsicht

und das Ergebnis eins zu eins mit unseren Idealvorstellungen übereinstimmt. Ich hatte weder das eine, noch konnte ich das andere garantieren! Nach meinem Studium hatte ich meterweise Bücher über Prozessoptimierung, QM und Change­ management gelesen und bereits die ein oder andere minimalinvasi-

nimmt, neue Impulse gibt und Veränderungen

ve Veränderung begleitet, aber ein so langfris-

begleitet, war naheliegend. Zumal in der hei-

tiges und umfängliches Projekt war auch für

ßen Gründungsphase oft alle Energie in das

mich Neuland.

Erwirtschaften des so dringend nötigen Um-

Genau genommen begann das Projekt schon im

satzes fließt.

Januar. Eines Abends rief mich der befreundete Zahnarzt an und war offensichtlich schlecht

Das Ziel war es, weg von einem autoritären und

gelaunt. Es war einer jener nervigen Tage, an

auf Kontrolle bedachten Führungsstil hin zu in-

dem alles schieflief. Die Technik quittierte ih-

trinsisch motivierten Mitarbeitern, die sich als

ren Dienst, die Behandlungsvorbereitung war

Teil eines Ganzen fühlen und dabei besser und

unvollständig, ein Winkelstück war verschwun-

schneller arbeiten. So wie ich die Praxis zu-

den, und die Handschuhe wurden nicht recht-

vor erlebt hatte und was ich aus Erzählungen

zeitig nachbestellt. An solchen Tagen neigt man

kannte – bedeutete das nicht weniger als eine

dazu, einen Schuldigen zu suchen, und nichts

173,8-Grad-Wende.

spielt einem dabei mehr in die Karten als das Bild über die eigenen Mitarbeiter gemäß der Theorie X – Der Mensch ist unwillig:

Der Mensch hat eine angeborene Abneigung antwortung. Deshalb muss der Manager jeden gegen Arbeit und versucht ihr aus dem Weg zu Handlungsschritt deta illiert vorgeben, energehen wo irgendwie möglich. Durc h seine Ar- gisch anleiten und führ en sowie streng kontbeitsunlust muss er meist gezwung en, gelenkt, rollieren. Nur auf diese Weise ist eine effiziente geführt und mit Strafe bedroht wer den, damit Arbeitsausführung mög lich. Entlohnung alleine er einen produktiven Beitrag zur Erre ichung der kann Menschen nicht dazu bringen, sich genüOrganisationsziele leistet. Er will an die Hand gend zu bemühen. Das heißt, bei Zuwiderhangenommen werden, da er zu wen ig Ehrgeiz deln gegen die Regeln bedarf es externer Kontbesitzt, Routineaufgaben vorzieht und nach rollen und Strafen sowie Zwang. Sein Verhalten Sicherheit strebt. Er scheut sich vor jeder Ver- richtet sich nach der Meh rheitsmeinung.

un-plaqued No 22 | 123


Theorie & Praxis / Veränderung

Ich bin eigentlich ein Verfechter der Theorie

Das Praxisteam hat sich – nach einer kurzen

Y – Der Mensch ist engagiert. Aber an diesem

Schockstarre und offen ausgetragenen Kon-

Abend ließ ich mich anstecken, und so wurde

flikten – schnell mit den Checklisten arran-

aus einer spontanen Idee, gepaart mit über-

giert bzw. kreative Lösungsstrategien entwi-

motiviertem Tatendrang, Aktionismus ohne

ckelt, mit diesen umzugehen. Die Listen wurden

Weitsicht. Konkret haben wir an diesem Abend

gemeinschaftlich bearbeitet und teilweise war

sämtliche Checklisten der Praxis in ein kom-

sogar ein »im Auftrag« darauf gekritzelt.

plexes Excel-Dokument gepresst. Anschlie-

Böses schlaues Praxisteam!

ßend haben wir die über 400 einzelnen Aufgaben auf Sechs Gruppen verteilt und wöchentlich

Anfang Juli ging es los. Nach einigen Gesprä-

über 90 Seiten »Arbeit« teilautomatisiert aus-

chen mit dem neuen Praxischef – meinem

gedruckt. Es gab verschiedene Prioritätsstufen,

Freund – hatte ich eine gute Vorstellung da-

eine Art »Notfall-Zusammenstellung«, sollte

von, was seine Erwartung an mich war. Die ers-

die Praxis unterbesetzt sein, und viele weitere

ten Präsenztage in der Praxis verbrachte ich

»bahnbrechende Innovationen«, damit auch der letzte Depp kapiert, was seine Aufgabe ist. Jeder Mitarbeiter erhielt jetzt täglich seinen Stapel Arbeit und musste die einzelnen Punkte mit seinem Kürzel abzeichnen. All das vollzog sich in nicht einmal drei Tagen – von der Idee bis zur Implementierung. Das Ziel sollte sein, dass alle Aufgaben effektiv und effizient von den Mitarbeitern erledigt werden und, falls nicht, dass der Übeltäter schnell gefunden und zur

nicht voM Expertenwissen seines Gegenübers zu profitieren, ist grob fahrlässig

Rede gestellt wird. zunächst mit kleineren Verbesserungen innerIch kürze es ab: Nie war die Praxis weiter von

halb des Praxisverwaltungssystems. Ein neuer

einem produktivem Arbeitsablauf entfernt als

Anam­nesebogen, diverse Controllingprozesse,

nach der Umsetzung dieser Maßnahme! Eine

Einbindung der neuen Logos usw. Diese Aufga-

Wahrheit mussten wir uns unweigerlich einge-

ben arbeitete ich größtenteils eigenständig ab

stehen: Veränderung beginnt mit der Erkennt-

und holte mir gezielt Infos bei jemandem, der

nis, nicht zu wissen, was die beste Lösung ist!

mehr wusste als ich. Ich wollte erstmal die Men-

Was hatten wir übersehen? Zum Zeitpunkt die-

schen kennenlernen, und das Praxisteam sollte

ser Maßnahmen hatten wir weder eine Vorstel-

sich an mich gewöhnen können. Parallel machte

lung von den einzelnen Abläufen, noch wussten

ich mir Notizen, wenn ich wahrnahm, dass der

wir es entgegen unserer Überzeugung eben

Ablauf holperte. Kommunikation würde ver-

nicht besser. Unser größter Fehler war jedoch,

mutlich ein Schwergewicht auf meiner Agen-

dass wir nicht eine der betroffenen Personen

da werden.

in unseren Plan involviert oder gefragt hatten!

Das erste größere Projekt, das ich gemein-

Das Vorhaben war von Anbeginn zum Scheitern

schaftlich mit dem Verwaltungsteam in Angriff

verurteilt.

nahm, war die Digitalisierung des Terminbuchs. 124 | un-plaqued No 22


Theorie & Praxis / Veränderung

Wir besprachen zunächst die etwaigen Vor- und Nachteile. Vor dem Gespräch hatte ich mir bereits drei, vier kleinere Nachteile und Risiken notiert. Nach dem Gespräch waren dort einige wirklich eklatante Nachteile dick unterstrichen, sodass der tatsächliche Nutzen ernsthaft in Frage gestellt werden musste. Hätte ich diese Einwände ignoriert oder, schlimmer noch, nicht ernst genommen, wäre erstens die gemeinschaftliche Umsetzung quasi unmöglich geworden, und zweitens hätten wir nicht abermals darüber nachgedacht, ob dieser Schritt wirklich sinnvoll ist. Natürlich gibt es Veränderungen, die gegen den Willen anderer durchgesetzt werden müssen, aber sein Gegenüber nicht ernst zu nehmen bzw. nicht von dessen Expertenwissen zu profitieren, ist meines Erachtens grob fahrlässig! Wir fanden gemeinsam Lösungen für nahezu jedes Problem, das mit dem

Veränderung be g in nt mit der Erkenntnis, nicht zu wissen, was die beste Lösung ist!

digitalen Terminbuch in Verbindung stand. Ich hatte für die komplette Umstellung von analog auf digital inklusive einer Übergangszeit, in der mit beiden Terminbüchern gearbeitet wird, ca. vier bis sechs Wochen veranschlagt. Nach einer Woche hatte ich mit der Implementierung schon nichts mehr zu tun, weil alle Widrigkeiten eigenständig durchs Team gelöst wurden. Nach zwei Wochen rief mich die ZMV der Praxis an und sagte: »Du wirst, wenn du Morgen in die Praxis kommst, richtig stolz auf uns sein.« Sie behielt recht.

Vom analogen Terminbuch war keine Spur mehr zu sehen und mehr noch, das digitale Terminbuch war penibel strukturiert, farblich codiert und einfach total schlüssig. Das klang gut, schon fast zu gut und, was mich fast ein bisschen Zweifeln ließ: Was hatte ich eigentlich dazu beigetragen? Teamarbeit statt One-Man-Show – vielleicht nicht für jedes Ego das Richtige, aber Wohl dem, der sich ändern kann. 7.45 Uhr – Teambesprechung. Nicht meine Zeit, aber so gar nicht. Bis drei Uhr hatte ich noch das anstehende Teammeeting vorbereitet, schlafen war keine Option. Teammeetings sind in der Praxis nichts Neues. Im größten Behandlungszimmer wurde ein Stuhlkreis gebildet und den Erzählungen nach über die Probleme der letzten zwei Wochen geschwafelt. Als dynamischer Typ, zumindest ab zehn Uhr, auf dessen Visitenkarte der nichtssagende Titel »Projektmanager« steht, hatte ich natürlich einen Ruf zu verlieren. Das Teammeeting sollte sich schließlich als zentrales Element des Veränderungsprozesses etablieren. Der Anspruch war und ist: un-plaqued No 22 | 125


Theorie & Praxis / Veränderung

1. Es wird gemeinschaftlich entschieden, welche Probleme angegangen werden.

Stocken zu bringen, haben wir eine kleine Expertengruppe zusammengestellt, die sich die-

2. Alle werden über den Fortschritt einzelner

ser Probleme annehmen sollte. Nach der Ana-

lyse und Dokumentation der Fehler wird es in

Veränderungen informiert.

3. Bei Bedarf kann sich jeder zu ausgewählten

den kommenden Wochen interne Schulungen

Problemstellungen innerhalb eines Brain-

jeweils durch ein Teammitglied für das gesam-

te Praxisteam geben. Ob es uns gelingt, diesen

stormings einbringen.

Damit wir das alles schaffen, haben wir im ersten Schritt die Dauer des Teammeetings gekürzt. Verknappung schafft Freiraum, sich auf das Wesentliche zu konzentrieren. 30 Minuten war das Ziel! Mit Flipchart und einer strengen Agenda starteten wir das Meeting: • Fünf Minuten für allgemeine Ankündigungen. • Fünf Minuten um die Meilensteine der

Kleine schnelle Erfolge sollten deshalb wie groSSe gefeiert werden

bisherigen Veränderungen vorzustellen. • Zwölf Minuten für den Wochenrückblick anhand von Fehlerprotokollen.

Prozess nachhaltig zu verändern, wenn wir uns einfach naiv von der Wahrheit über die Idee bis

• Drei Minuten für die Abstimmung, welche die wichtigste nächste Baustelle ist. • Fünf Minuten Ausblick auf die kommen-

hin zur Veränderung vorarbeiten, davon werde ich in der nächsten UN-PLAQUED zum Thema »Kontrolle« berichten.

de Woche. Da es am Ende solcher Berichte üblich ist, die Das Brainstorming würde im Anschluss und nur

Quintessenzen der bisherigen Erfahrungen zu-

bei Bedarf stattfinden, war in diesem Fall aber

sammenzufassen, möchte ich dies natürlich

nicht nötig. Als nächsten Schritt beschlossen wir

nicht verwehren. Die Devise lautet selbstver-

gemeinsam, häufig auftretende Fehler bei der

ständlich, dass Du Dich zwangsläufig und ohne

Leistungserfassung und Befunddokumentati-

Ausnahme daran halten musst, damit alles bes-

on anzugehen. Um den Praxisablauf nicht ins

ser werden kann! =)

1. Sei naiv! Wenn Du glaubst, Du weißt, wie etwas besser funktioniert, ist das toll, aber Du wirst ohne Unterstützung dastehen, wenn Du nicht auch anderen die Chance gibst, das Problem zu verstehen oder Zweifel vorzutragen!

126 | un-plaqued No 22

2. Denke anders als bisher ! Verändertes Denken un terstützt neues Handeln, das gilt gleichermaßen für Dein Team.

3. Schaffe eine positive Vision! Wie sieht die verbesserte Zukunft aus? Weniger Stress, weniger Gemecker? Was hat jeder Einzelne für einen Nutzen daraus?


RUBRIK / Veränderung

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5. Schaffe Freiraum! Veränderungen brauchen Menschen, die sie angehen, verwerfen, neu erfinden und schließlich umsetzen. All das kostet Zeit und ist »nebenbei« nicht zu schaffen. Im schlimmsten Fall wägen Deine Mitarbeiter ab, für welche nicht erledigte Arbeit es den kleineren Anschiss gibt – da kann jede Veränderung nur verlieren.

6. agil ichts ist so fr Ermutige! N der eues abseits wie etwas N rukturen. Die gewohnten St ng ist ohneVerunsicheru eine oß genug. Kl hin schon gr shalb lge sollten de schnelle Erfo n. feiert werde wie große ge

4.

7.

Suche Experten! Wähle gezielt

Sei Mutig! Übernimm Verant-

Personen aus, die von der Ver-

wortung, wenn Du feststellst,

änderung betroffen sind und/

dass etwas schlichtweg eine

oder spezielles Fachwissen

blöde Idee war, und versuche

haben. Du wirst sie brauchen!

es beim zweiten Anlauf einfach anders. beocondis.de s.koetter@beocondis.de un-plaqued No 22 | 127


RUBRIK Theorie/&Veränderung Praxis / Veränderung

Veränderung als Lebensprinzip TEXT Dr. Cyril Niederquell

Der 1982 in Korbach geborene Dr. Cyril Niederquell gehört zu den umtriebigsten Zahnmedizinern, die uns in den letzten UN-PLAQUED-Jahren begegnet sind. Nicht nur ambitioniert, sondern vor allem zielstrebig und weltoffen hat er sich bereits während seines Studiums von 2003 bis 2008 an der Philipps-Universität Marburg, aber auch auf dem weiteren Werdegang für die Dinge abseits des »normalen« Berufsweges als Zahnmediziner interessiert und engagiert. Nach einer vierjährigen Zeit als angestellter Zahnarzt in Hamburg ging er 2013 zurück in seinen Heimatort Korbach und gründete die Praxis NIEDERQUELL & NIEDERQUELL, die er Anfang 2014 komplett mit 13 Angestellten von seinem Vater übernahm. Für UN-PLAQUED haben wir ihn gebeten, ein kleines Resümee der letzten sieben Jahre zu ziehen, vor allem in Hinblick auf den Aspekt, welche Schritte für ihn die wichtigsten auf dem Weg in die eigene Niederlassung waren. 128 | un-plaqued No 22


Theorie & RUBRIK Praxis / Veränderung

I

ch erinnere mich an die zentrale Aussage ei-

friedenheit der Zahnmedizinstudenten ausei-

nes Professors im Histologie-Kurs in der Vor-

nandergesetzt. Im darauffolgenden Jahr, nach

klinik: Jeden Tag erneuert sich ein  Prozent

dem Examen, begann ich als Assistent bei mei-

unserer Körperzellen. Quasi zu jeder Jahreszeit

nem Vater und habe das heimische Familienun-

erlebt unser Körper eine komplette Runder-

ternehmen kennengelernt. Rückblickend war

neuerung. Das bedeutet, wir selbst verändern

dies ein wichtiger Moment für meine Lebensent-

uns unaufhörlich! Aus diesem Impuls heraus ist

scheidung. Meine Zielsetzung war, so früh wie

mir bis heute klar: Veränderung ist DAS Le-

möglich mein eigener Chef zu werden und eine

bensprinzip für mich. Und, dass die Verantwor-

Praxis zu gründen oder zu übernehmen. Gleich-

tung für meine Veränderung vor allem bei mir

zeitig war ich fasziniert von der Möglichkeit, ein

selber liegt. Bei Betrachtung der vergangenen, ersten Jahre meines Berufslebens sind mir der konstante

Jeden Tag erneuerT sich ein PROZENT der Körperzellen

Veränderungspro-

Familienunternehmen weiterführen zu können. Ich wollte jedoch auf jeden Fall noch einmal weg nach dem Studium, ins Ausland,

ande-

zess und einige dazugehörige Schlüsselmomen-

re Einflüsse und Perspektiven kennenlernen.

te sehr bewusst. Meine Famulatur auf Samoa

Als »visiting doctor« ging ich für drei Mona-

zum Beispiel, die ich mit einer Weltreise nach

te an die Harvard University in Boston und er-

der Fußball-WM 2006 kombiniert habe, hat mei-

öffnete mir damit neue Horizonte. Die folgen-

nen Blick auf unsere Zahnmedizin in Deutsch-

den vier Jahre als angestellter Zahnarzt in einer

land sehr gewandelt. 2007 organisierten wir die

von Hamburgs größten Praxen waren allerdings

Bundesfachschaftstagung (BuFaTa) in Marburg,

die prägenden Jahre für mich, sowohl privat als

und ich habe mich seitdem intensiver mit unse-

auch beruflich. In dieser Phase habe ich promo-

rer Ausbildung und der Verbesserung der Zu-

viert und den Masterkurs für Kieferorthopädie un-plaqued No 22 | 129


Theorie & Praxis / Veränderung

an der Uni Krems absolviert. An meinem 30. Ge-

(Betriebswirt der Zahnmedizin) von Christian

burtstag feierte ich schließlich auch meinen Ab-

Henrici und Dr. Dieter Reusch auf Schloss Wes-

schied aus Hamburg und bereitete die Rückkehr

terburg. In diesem Kurs hat mich neben den

in meine Heimat vor. Ich erkannte für mich, dass

allgemeinen BWL-Themen vor allem das Mo-

mit dieser Entscheidung die Niederlassung be-

dul Psychologie von Dr. Rainer Lindberg be-

reits in vollem Gange war. Dafür wollte ich mir

geistert. Wesentliche Kernpunkte sind hierbei

die Veränderung zum Freund machen.

»Work-Life-Balance«, Selbst- und Zeitmanagement und vor allem Lebens- und Arbeitsfreude.

Im Frühjahr 2013 habe ich begonnen, die Praxis meines Vaters zu übernehmen. Der Früh-

Häufig leben wir so, als gäbe es keine Verän-

ling mit der wiederkehrenden Kraft der Natur

derungen im Leben oder als würden diese un-

ist ein idealer Zeitpunkt für einen Neuanfang

sere einmal aufgebaute Sicherheit stören. Al-

und eben auch den Praxiseinstieg. Den konti-

les soll möglichst so bleiben, wie es ist. Doch

nuierlichen

Ver-

änderungsprozess bei der Übernahme der Praxis habe ich sorgfältig vorbereitet und ge-

Häufig leben wir so, als gäbe es keine Veränderungen

ist das wirklich realistisch? Nach etwas mehr als einem Jahr als Praxisinhaber habe ich in meinem persönlichen Resümee festge-

plant. Am Anfang war eine zentrale Frage für mich, ob die Mit-

stellt, dass der Veränderungsprozess noch im-

arbeiter der laufenden Praxis ebenso »ver-

mer weitergeht und viel mehr Lebensbereiche

änderungsbereit« waren. In einer der ersten

berührt, als ich je gedacht habe:

Teamsitzungen, die seitdem jeden Dienstag stattfinden, haben wir im Team gemeinsam

• Arbeit und Finanzen (Ziele und Planung)

eine Mind-Map zum Thema Veränderung ent-

• Soziales (Familie und Freunde)

wickelt. Sehr hilfreich im Prozess der Praxis-

• Gesundheit und Fitness (körperlich, geistig,

übernahme war und ist der Managementkurs 130 | un-plaqued No 22

seelisch)


Theorie & Praxis / Veränderung

• Spiritualität (Persönlichkeitsentwicklung) • Altruismus (Ehrenamt) Diese Unterteilung hat mir sehr geholfen, mögliche Ungleichgewichte zu finden. Ich habe einige erkannt und konnte sie korrigieren. Für viele Menschen steht der Bereich Arbeit und Finanzen im Mittelpunkt. Häufig rückt dieser Sektor sogar sehr stark in den Vordergrund. Durch die Betrachtung der sozialen Beziehungen wird schnell klar, dass wir andere Menschen brauchen, um ausgeglichen zu sein. Gesundheit und Fitness sind die Voraussetzungen für das individuelle Wohlbefinden und ebenso für angemessene Leistungen in anderen Lebensbereichen. Der Sinn der Existenz und die Entwicklung der eigenen Persönlich-

Altruismus wird für Menschen im fortschreitenden Alter immer wichtiger

keit kennzeichnen den Lebensbereich Spiritualität. Besonders in der Zusammenarbeit mit meinem Vater wurde mir klar, dass der Lebensbereich Altruismus für viele Menschen im fortschreitenden Alter immer wichtiger wird. Hier geht es vor allem um die ehrenamtliche Hilfe: Natur, Tiere, Menschen. Die Ansatzpunkte sind so vielfältig, und gerade als Zahnmediziner sind uns diese unentgeltlichen Hilfsmöglichkeiten gegeben. Wie kann ich durch die Veränderung meiner selbst auch mein eigenes Leben verändern? Und ist das überhaupt nötig, wenn doch alles gut läuft? Von 75 Jahren Lebenszeit verbringen wir im Durchschnitt acht Jahre vor dem Fernseher und 7,5 Jahre als reine Arbeitszeit. Zeit als solche kann man nicht »managen«. Wie gehe ich also mit meiner Zeit um? Das ist gerade durch den

un-plaqued No 22 | 131


RUBRIK Theorie/&Veränderung Praxis / Veränderung

immensen Arbeitsanstieg seit der Niederlas-

innerhalb der Gruppe etwas zu bewegen. Das ist

sung zu einer neuen zentralen Frage geworden.

nur in einem kontinuierlichen Veränderungs-

Jeden Tag verbringe ich etwa zehn Stunden in

prozess möglich.

der Praxis. Wie setze ich diese Zeit bewusst ein? Ich stelle mir vor, dass ich jeden morgen ca.

Viele Maßnahmen, die ich seit meiner Nieder-

86.400 Sekunden auf meinem Tageszeitkon-

lassung initiiert habe, wirken allein gesehen als

Die Patienten unserer Praxis kategorisieren sich durch ihr Verhalten selbst

Kleinigkeiten, in der Gesamtheit jedoch kann ich sagen, haben sie in dem einen Jahr schon große Veränderungen bewirkt: • Alle Patienten werden an der Rezeption mit einer Webcam fotografiert und sichtbar im Abrechnungsprogramm gespeichert • Die Stammdaten der Patienten werden aktiv von unserer Seite vor allem nach Mobilnummern und E-Mail-Adressen der Patienten aktualisiert. • Die Patienten in unserer Praxis kategorisieren sich durch ihr Verhalten selbst.

to habe. Ich kann meine Zeit nicht sparen, sondern nur anders verwenden. In einer anderen

• Die Arbeitszeit der Mitarbeiter wird mit einem digitalen Fingerscanner erfasst.

Teambesprechung haben wir diesbezüglich mit

• Eine Stoppuhr in der Software wird bei Be-

einer Mind-Map zum Thema »Zeitdiebe« in der

handlungsbeginn aktiviert und erfasst die

Praxis sehr interessante Punkte aufgezeigt, die

reine Behandlungszeit der Ärzte und Prophy-

für die Zusammenarbeit in einem Praxisteam

laxehelferinnen.

enorm wichtig sind. Ohnehin ist das Thema Mit-

• Terminblöcke mit den Bezeichnungen

arbeiterzufriedenheit von großer Bedeutung,

»Schmerz« und »Puffer« werden im Termin-

so dass unsere Mitarbeiter motiviert werden,

buch vorreserviert.

132 | un-plaqued No 22


Theorie & RUBRIK Praxis / Veränderung

• Checklisten werden aktiv neu erstellt bzw. im Live-Betrieb verändert. • Es finden wöchentliche Teammeetings mit Protokoll statt. • Ein morgendliches Briefing (Kurzeinweisung) hat sich sehr bewährt.

Nicht selten stehen wir uns selbst bei der Weiterentwicklung im Weg

Diese Veränderungen dienen vor allem dem Ziel, ein effizientes Mitarbeiterteam zu bilden, in der Praxis Arbeits- und Lebensfreude zu schaffen, Vorbild zu sein und meinen idealen Führungsstil kontinuierlich zu entwickeln. Denn nicht selten stehen wir uns selbst bei der Weiterentwicklung im Weg, verspüren zwar den Wunsch nach Veränderung, wissen aber

vielleicht nicht wohin und wie? In diesem Zusammenhang muss ich an einen Dialog aus Lewis Carrolls »Alice im Wunderland« denken: »Würdest du mir bitte sagen, wie ich von hier aus weitergehen soll ?«, sagte Alice. »Das hängt zum großen Teil davon ab, wohin du möchtest«, sagte die Katze. »Ach, wohin ist mir eigentlich gleich«, sagte Alice. »Dann ist es auch egal, wie du weitergehst«, sagte die Katze. »Solange ich nur irgendwohin komme«, fügte Alice als Erklärung hinzu. »Das kommst du bestimmt«, sagte die Katze, »wenn du nur lange genug weiterläufst.« Will ich einfach nur lange genug weiterlaufen? In irgendeine Richtung? Um irgendwann irgendwo anzukommen? NEIN! Wenn jemand ähnlich denkt, kann ich eine weitere Mind-Map sehr empfehlen: »Der perfekte Tag in der Praxis«. // niederquell.info

un-plaqued No 22 | 133


Theorie & Praxis / Veränderung

Meine Praxis

ist geiler! 134 | un-plaqued No 22


Theorie & Praxis / Veränderung

Text Katarina Paul

Die gute Nachricht ist: Man darf viel. Die schlechte: Ohne geht es heute nicht mehr. Die Rede ist vom professionellen »Klappern«, also Werbung, Marketing, Öffentlichkeitsarbeit in eigener Sache. Während ein Zahnarzt Anfang der 70er nicht mal ein Schild aufhängen durfte, wie er wollte, schmücken Praxen und dazugehörige Behandler heute ganze Litfaßsäulen und Straßenbahnen. Sich mit Markt und Möglichkeiten selbst herumzuschlagen kann man sich allerdings sparen.

Ü

bergröße. Das Wort kostete Dr. Wolf-

Sie engagierte Nadja Alin Jung, Geschäftsfüh-

gang Diederichs aus Remscheid Nerven,

rerin der Firma m2c, die sich auf die profes-

als er 1972 seine Praxis neu gründete:

sionelle Organisation und das Marketing von

»Das Praxisschild durfte nicht zu groß sein.«

Zahnarztpraxen spezialisiert hat. »Die Markt-

Heute fast unvorstellbar, war Werbung damals

anforderungen haben sich stark verändert. Pa-

aufgrund der Berufsordnung stark beschränkt.

tienten sind viel anspruchsvoller, weil sie bes-

»Man durfte nur bei Neugründungen annon-

ser informiert sind als früher – vor allem durch

cieren, das war's dann schon«, berichtet Dr.

das Internet.« Zugleich sei es schwieriger ge-

Diederichs. Entsprechend schwierig sei es ge-

worden, aus der Masse der Praxen herauszu-

wesen, sich gegen bekannte Praxen am Markt

stechen. »Das Ziel ist immer, das Besondere der

durchzusetzen. Das A und O für ihn: sich durch

Praxis herauszuarbeiten und dem Marketing ei-

Leistung und gute Arbeit hervorzuheben und

nen roten Faden zu verleihen und dies möglichst

dann durch Mund-zu-Mund-Propaganda mehr

alle wissen zu lassen!«, so Frau Jung.

und mehr Patienten für sich zu gewinnen. Dass man gute Leistung erbringen muss und das gerade in einem Beruf, bei dem es auf Vertrauen ankommt, dass man davon profitiert, weiterempfohlen zu werden – das ist bis heute so geblieben. Leider reicht das alleine in der heutigen Zeit aber

Patienten sind viel anspruchsvoller, weil sie besser informiert sind als früher

nicht mehr aus, so die Erfahrung von Dr. Sonja Diederichs, die ab dem Jahr 2007 die Führung der Praxis Schritt für

Im Fall von Dr. Sonja Diederichs Praxis galt es,

Schritt von ihrem Vater übernahm. Seit 2012 lei-

sich gemeinsam einen Überblick zu verschaf-

tet sie die Praxis allein. »Ich müsste neben mei-

fen, zu systematisieren und alles in ein Kon-

nem eigentlichen Beruf am besten auch noch

zept zu bringen, mit dem die Praxisinhaberin

Expertin im Selbstmarketing sein. Klar, man

dann auch eigenständig weiterarbeiten kann.

lernt dazu, man hat viele Ideen – aber alleine

Mit Blick auf die bisherigen Werbemaßnah-

den Überblick zu behalten über all die Kanäle

men beschlossen sie: Vieles ist schon gut, kann

und Möglichkeiten, über die heute das Empfeh-

aber ein »Facelift« gebrauchen. Als erstes wur-

lungsmanagement läuft – dafür wollte ich einen

de ein professionelles Praxis-Fotoshooting or-

Profi«, so Dr. Sonja Diederichs.

ganisiert. Eine emotionale Bildsprache kam

un-plaqued No 22 | 135


Theorie & Praxis / Veränderung

sowohl den neu gestalteten Flyern als auch der

zu binden. Deshalb lege ich auch Wert darauf,

Internetseite zugute. Vor allem Letzteres ist aus

auf den besonderen Service meiner Praxis auf-

heutiger Sicht ein Muss, denn es gleicht einer

merksam zu machen.«

Katastrophe, nicht schnell und einfach im Netz gefunden zu werden.

Eine Sache hilft definitiv nicht: Blinder Aktio-

Damit man aber nicht nur gut gefunden wird,

nismus. Eine Anzeige hier, eine andere da und

sondern auch die Bewertungen im Netz positiv

dann noch schnell ein teurer Telefonbuchein-

ausfallen, ist es wichtig, dass das ganze Praxis­

trag. »Das hat mit Marketing nicht viel zu tun.

erlebnis einen positiven Eindruck hinterlässt –

Der Erfolg solcher Maßnahmen ist quasi gleich

vom Erstkontakt über die Behandlung bis hin

null«, so Nadja Alin Jung. Um zu wissen, was

zur Verabschiedung an der Tür. Das Motto lau-

sich lohnt, und nicht unnötig Geld rauszuwer-

tet: Service, Service, Service – außergewöhnli-

fen, empfiehlt sie zum Beispiel, sich genau an-

che Dienstleistungen als Plus für den Patienten.

zuschauen, was die Wettbewerber machen, und

»Häufig muss dieser für die Behandlungen pri-

anschließend das eigene Konzept darauf abge-

vate Zuzahlungen leisten. Dann ist der Anspruch

stimmt zu entwickeln: »Es bringt ja nichts, ge-

an Komfort vor, bei und nach der Behandlung

nau das Gleiche mit denselben Botschaften zu

besonders ausgeprägt«, erläutert die Marke-

machen. Das lockt keine Neupatienten. Außer-

ting-Expertin. Diese Erfahrung machte auch

dem ist es wichtig, nicht nur den Standard ab-

Dr. Sonja Diederichs: »Der Patient möchte in an-

zuspulen, weil das alle so machen. Gerade im

genehmer Atmosphäre rundum versorgt wer-

Marketing gibt es eine Menge kreativer Ide-

den. Nur so schafft man es, ihn an die Praxis

en, die den Unterschied zwischen der eigenen

Eine Sache hilft definitiv nicht: Blinder Aktionismus

136 | un-plaqued No 22


Theorie & Praxis / Veränderung

Praxis und den anderen machen können. Am Anfang muss man sich realistisch überlegen, welche Ziele man erreichen will. Dann: Was benötige ich, um diese Ziele zu erreichen? Und

Marketing, das etwas verspricht, was der Wirklichkeit nicht standhält, enttäuscht umso mehr

außerdem ein wichtiger Punkt: die Finanzen. Wie viel kann und will ich in das Thema Neupati-

Erfahrungen herumerzählen. Zufriedene Pa-

entengewinnung überhaupt investieren?«

tienten hingegen empfehlen die Praxis fleißig weiter, weswegen ein ausgeklügeltes Empfeh-

Wenn diese Grundlagen klar sind, hat man sei-

lungsmarketing vielversprechend ist. Es ist na-

ne eigene Positionierung festgelegt und kann

heliegender und sinnvoller, vorhandene Patien-

sich beim Konzept daran orientieren. Über al-

ten zu begeisterten Fans zu machen und so die

lem steht also immer die Frage: Welches Bild

Empfehlungsquote aus den eigenen Reihen zu

will ich von meiner Praxis vermitteln? Dr. Son-

steigern, als permanent in teure Werbemaß-

ja Diederichs weiß, welches ihres ist. Und sie

nahmen für die Gewinnung neuer Patienten zu

weiß auch, dass der Patient das vermarkte-

investieren.

te Bild auch tatsächlich zu einhundert Prozent in der Praxis wiederfinden muss. Denn Marke-

Ob eine Werbemaßnahme dann aber auch tat-

ting, das etwas verspricht, was der Wirklichkeit

sächlich neue Patienten bringt, lässt sich heute

nicht standhält, enttäuscht umso mehr. Ein ent-

gut messen. »Bitte lassen Sie hier das Bauchge-

täuschter Patient wird eher nicht wiederkom-

fühl aus dem Spiel!«, rät Frau Jung. Der Er-

men und im schlimmsten Fall seine negativen

folg von Marketing-Maßnahmen ist objektiv

un-plaqued No 22 | 137


Theorie & Praxis / Veränderung

beurteilbar. Am einfachsten ist die Auswertung der Zahl der Neupatienten pro Woche, die man anschließend konkret befragt, wie sie auf die Praxis aufmerksam geworden sind. Vielleicht war es nur ein Zufall, dass ge-

Man durfte nur bei Neu­ gründungen annoncieren

rade mit der Schaltung der Anzeige mehr neue Patienten die Praxis besuchten – die aber nicht wegen der Anzeige, sondern aus anderen Gründen kamen. Zudem gibt es heute glücklicherweise viele technische Möglichkeiten via Facebook-, Google- und WebsiteStatistiken die Besucherzahlen und deren Verhalten zu messen. Dr. Sonja Diederichs behält ihr Konzept weiter im Blick. Wenn sich herausstellt, dass das bisherige Marketing nicht die gewünschte Wirkung erzielt, wird sie es neuerlich optimieren und anpassen. Dass sich seine Tochter so viele Gedanken um das Marketing der Praxis macht, imponiert Dr. Wolfgang Diederichs. Er unterstützt sie dabei, wo er kann. »Bei allem, was es heute zu berücksichtigen gilt: Die vielen Möglichkei-

Melden Sie sich hier zu Ihrem kosten-­ losen m2c Marketing-Check an.

ten sind toll.« Und manchmal, wenn alles passt,

www.m-2c.de

darf es sogar übergroß sein. //

marketing@m-2c.de

138 | un-plaqued No 22


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UN-PLAQUE YOUR LIFE / Veränderung

Wegwerf­ gesellschaft? Text Julia Franz · ILLUSTRATION Anouk Z

Zum Thema Veränderung fällt mir als Erstes das Gedicht »Stufen« von Hermann Hesse ein: »Wir sollen heiter Raum um Raum durchschreiten« und »... jedem Anfang wohnt ein Zauber inne ...«. Ja, ja – das stimmt!

J

eder einigermaßen reflektierte Mensch weiß das – nicht nur aus dem Gedicht, sondern aus seinem eigenen Leben. Alles verändert sich. Immer. Und immer wieder. Tag und Nacht, die Jahreszeiten, unser Körper, selbst

die Entwicklungsstufen der eigenen Kinder erinnern uns täglich daran, dass nichts im Leben statisch ist. Man denkt, man hat den Schlafrhythmus seines Kindes gerade im Griff – da ist schon wieder alles anders. Es folgen die Pubertät, das Erwachsenwerden – schlicht all die bekannten Stufen des Lebens. Wir sollen heiter Raum um Raum durchschreiten … Dass diese mittlerweile fast banale Lebensweisheit sogar in Detlev Bucks Kin-

derfilm »Bibi & Tina« vermittelt wird, machte mich stutzig. Tina ist traurig, weil ihr 15-jähriger Freund Alex drauf und dran ist, sie für eine Tussi zu verlassen. Tina offenbart sich ihrer Mutter. Diese tröstet sie: »Sei nicht traurig Schatz, alles verändert sich halt.« Wird diese Lebensweisheit inzwischen sogar als billige Entschuldigung unserer Zeit benutzt, um alles schnell loszulassen und wegzuwerfen? Weil sich halt alles verändert? Also weg? Also weiter? Wir sollen ja heiter Raum um Raum durchschreiten … und das lernen nun schon unsere Kinder? Führt das nicht auch zu einem Mangel an Tiefe? Einem Mangel an Ausdauer? Einem Mangel an Bindungsfähigkeit? Oder ist es einfach nur Bequemlichkeit?

140 | un-plaqued No 22


UN-PLAQUE YOUR LIFE / Veränderung

Ist es immer besser, Altes wegzuwerfen? Immer auf zu neuen Ufern? Immer Erlebnis? Immer egoistisch dahin ziehen, wo es für uns besser sein könnte? Werden wir dadurch nicht auch ziemlich rastlos? Wir gehen auf Kreuzfahrten, dippen mal kurz in 20 Orte auf der Welt und meinen, sie zu kennen. Wir tauschen unsere Handys alle zwei Jahre aus, weil alles immer besser, schneller, effektiver werden soll. Die iPhone-Versionen treiben mich in den Wahnsinn. Alles funktioniert einwandfrei, ich soll aber alle zwei Monate eine neue Version installieren. Was soll das? Auch Beziehungen werden ausgewechselt wie Kalenderblätter. Wo sind die wirklich langjährigen Bezie-

ein falscher Satz, der Nächste bitte!

hungen? In den Schulklassen findet man immer mehr Scheidungskinder, das Onlinedating boomt. Zehn Dates gleichzeitig pro Woche – ein falscher Satz, der Nächste bitte! Wer da eifersüchtig wird, muss das gefälligst wegdrücken, schließlich ist jeder grenzenlos frei … In Detlev Bucks »Bibi & Tina« besinnt sich Alex und bleibt bei seiner Tina. Da war die Welt für mich wieder in Ordnung. // das-rundequadrat.de

un-plaqued No 22 | 141


MUSIC IN THE

BOX

Ch-Ch-Changes Text Julius Brodkorb

W

as war zuerst da? Die Veränderung der Art, wie Musik gemacht wird oder wie man sie konsumiert? Betrachtet man die Entwicklung erfolgreicher Musik in den voran-

gegangenen Jahrzehnten, so fällt auf, dass Erfolg immer weniger von der musikalischen Begabung der Künstler, dafür aber immer mehr von dem betriebenen Marketing-Aufwand abhängt. So verwundert es nicht, dass der Rapper Kanye West zum wiederholten Mal beinahe eine Musikpreisverleihung gesprengt hätte, um genau diese Entwicklung aus seiner Sicht zu verteidigen. Er ist der Meinung, dass der Preis nicht jemandem zusteht, der seine Musik selbst schreibt, produziert und sogar weitestgehend selbst einspielt, sondern eher einer Sängerin, die einen ganzen Stab von Songschreibern, Produzenten und Marketingfachleuten beschäftigt. Wenn man bedenkt, dass West selbst ein Meister dieses Faches ist, die künstlerische Arbeit an andere Leute zu delegieren, dann ergibt dies auch durchaus einen Sinn. Denn was in der freien Wirtschaft immer schon funktionierte, gilt auch im Kleinen für die Musik- und Kunstindustrie. Schließlich bauen Künstler wie Jeff Koons oder Damien Hirst ihre teilweise meterhohen, aufwendigen Skulpturen ebenfalls nicht selbst, sondern beschäftigen dafür Heerscharen von Mitarbeitern. Beide zählen in der Szene immerhin zu den erfolgreichsten Künstlern überhaupt. Auch Michelangelo beschäftigte schon Assistenten, und auch jemand wie Mozart konnte seine Musik selbstverständlich nicht komplett alleine wiedergeben, sondern war für Konzerte auf ein Orchester angewiesen. Dennoch gibt es Unterschiede zwischen diesen Künstlern und vielen, der heute erfolgreichen Musikern. Früher hatte ein Künstler eine Idee und setzte diese dann mithilfe anderer Musiker in Zusammenarbeit um. Selbst Multiinstrumentalisten brauchten oft weitere Mitspieler, weil die mehrspurige Aufnahme erst im Laufe der Jahrzehnte immer weiter entwickelt wurde und weil sie nur so live auftreten konnten.

142 | un-plaqued No 22


un-plaque your life / Veränderung

Heute dagegen sucht man sich ein-

Lo-Fi, Musik kommt aus Handylaut-

fach jemanden, der eine Idee hat,

sprechern und iPod-Aufladestatio-

und setzt diese fast ausschließlich

nen mit Mega-Bass-Einheit. Eigent-

mit der Hilfe anderer um.

lich verrückt, dass soviel Aufwand

Das ist durchaus legitim, aber gleich-

für Ambient-Musik betrieben wird,

zeitig auch eine starke Veränderung

wenn es denn dann wirklich Ambient

des Charakters von Musik. Eine an-

wäre. Gleichzeitig wird durch extre-

dere Eigendynamik entsteht zusätz-

me Kompression des Sounds im Stu-

lich durch den steigenden Erfolgs-

dio alles versucht, einen besonders

druck bei den großen Plattenfirmen.

präsenten Klang zu erzeugen, damit

Die Kosten-Nutzen-Rechnung ist ein-

Jeff Koons oder Damien Hirst bauen ihre Skulpturen auch nicht selbst

fach: Investiert man schnell sehr viel in ein Produkt, kann man mehr erwirtschaften, als wenn man etwas auf natürlichem Wege wachsen lässt. Deshalb arbeiten plötzlich elf Songschreiber und fünf Produzenten an einem Stück, für das es vor geraumer Zeit lediglich eine Person oder zum Beispiel ein Duo wie Lennon / Mc-

er im Radio zwischen penetrierenden

Cartney gebraucht hätte. Gleichzei-

Werbespots, Jingles und quäkenden

tig haben Ausnahmeerscheinungen

Moderatoren nicht untergeht.

und Erfolgsautoren wieder Hochkonjunktur, sodass zwischenzeitlich

Musik ist offenbar in einer Phase

mehrere Stücke verschiedener Sän-

angelangt, wo sie gleichzeitig auf-

ger gleichzeitig in den amerikani-

regend, perfekt produziert, leicht

schen Top Ten vertreten waren, die

konsumierbar und kurzweilig sein

alle denselben Autor hatten – Phar-

muss. Die perfekte Unterhaltung

rell Williams.

also, aber ohne zu sehr abzulenken oder zu fesseln.

Aber ist das alles überhaupt von Inte-

Und dort schließt sich auch der Kreis.

resse für die Musikhörer? Die merken

Denn wenn man ein paar Jahrhun-

Julius

doch gar nicht, wie viele Menschen

derte in der Musikgeschichte zu-

Brodkorb

an dem fertigen Produkt beteiligt

rückgeht, stellt man fest, dass schon

ist Chefredakteur

sind. Seitdem erst der Plattenspie-

im Mittelalter Musik vom Adel als an-

von VRU und Autor

ler, dann der CD-Player und schließ-

genehme Unterhaltung beispielswei-

auf de:bug

lich die Stereoanlage selbst aus dem

se neben dem Essen bestellt wurde.

(de-bug.de)

Wohnzimmer geflogen und dem En-

Die Veränderung von Musikproduk-

tertainment-System mit Hi-Speed-

tion und ihrer Rezeption scheint auch

Internetzugang gewichen sind, wird

ein Zeichen ihrer Zeit und der dazu-

Musik eher als Klangteppich denn als

gehörigen Gesellschaft zu sein. Hof-

Ereignis wahrgenommen. Abspielge-

fen wir jetzt schon auf das Beste für

räte sind nicht mehr Hi-Fi, sondern

die Zukunft. //

vru-berlin.de un-plaqued No 22 | 143


DER GESUNDE MENSCHENVERSTAND / Veränderung

Viele kleine Leute, die in vielen kleinen Orten viele kleine Dinge tun, können das Gesicht der Welt verändern. Afrikanische Weisheit

144 | un-plaqued No 21 22


un-plaqued ist Mitglied des VDZ


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146 | un-plaqued No 22

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32670693-DE-1410 © 2014 DENTSPLY IH GmbH. Alle Rechte vorbehalten.

RUBRIK / Veränderung


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