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Frutigen und die Zündhölzli

ZÜNDHÖLZLI-MUSEUM FRUTIGEN

Als 1850 die erste Zündhölzlifabrik in Frutigen entstand, ahnte wohl noch niemand, welche Folgen dies für die ganze Region haben sollte. Aufgearbeitet wurde die Geschichte nun von der Kulturgutstiftung Frutigland in einem neuen Museum.

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Der Brandsee auf der Elsigenalp. Das idyllische Frutigland stellte früher jedes zweite Zündholz der Schweiz her.

© ANJA ZURBRÜGG PHOTOGRAPHY «Ihan es Zündhölzli azündt, und das het e Flamme gäh…». Mani Matter beschreibt in diesem Mundartklassiker eindrucksvoll, wie durch das Entzünden eines Streichholzes, das versehentlich auf den Boden fällt, schlussendlich die Welt fast ins Elend gestürzt wird. Ob seiner Zündhölzli-Idee wohl die Geschichte des Frutiglands Pate stand? Schliesslich ist die Zündhölzli-Fabrikation im bernischen Frutigen tief verwurzelt – und Ursprung eines fast vergessenen Kapitels. Diese Geschichte hat kürzlich die Kulturgutstiftung Frutigland aufgearbeitet. Sie hat in Archiven und Bibliotheken umfassend recherchiert, Zeitzeugen befragt und diverse Originalgegenstände gesammelt. Entstanden ist ein umfassender Einblick in diesen regionalen Industriezweig und seine Folgen, welche in einer Broschüre dokumentiert sind. Dem Zündhölzli im Frutigland wurde gar ein eigenes Museum gewidmet, welches Ende Juli eröffnet hat. Das Thema ist nämlich nicht nur interessant, sondern auch relevant: Immerhin stellten im damaligen Amt Frutigen Ende des 19. Jahrhunderts bis zu 20 Fabriken Phosphor-, Schwefel- und Sicherheitshölzchen her – das waren rund 50 Prozent der gesamtschweizerischen Produktionsmenge.

AUSWEG AUS DER ARMUT? Grosse Verbreitung fanden die Zündhölzer nach der Entwicklung des Phosphorzündholzes, und schon in der 1830er Jahren wurden diese in diversen europäischen Ländern fabrikmässig hergestellt. Die erste solche Fabrik in der Schweiz gründete der Deutsche Johann Friedrich Kammerer in Zürich Mitte der 1830er Jahre, und alsdann verbreitete sich die neue Industrie schnell - und primär in Gegenden mit grosser Armut. Denn dort waren genügend Leute bereit, zu mickrigen Löhnen die giftige Arbeit zu machen. So auch im Berner Oberland. Die erste Zündhölzlifabrik wurde 1850 gegründet und massgeblich vom damaligen Gemeinderat unterstützt. Denn die Errichtung der Fabrik würde zur Linderung der grassierenden Armut beitragen, so die Hoffnung. In der Tat war damals jeder Vierte in der Region abhängig von der «Armenkasse» – die Leute im Frutigland litten Hunger. Nachdem ein Brand ein Grossteil der Häuser zerstört und zu allem Überfluss auch noch eine Überschwemmung die Ernte zunichte gemacht hatte, fehlte es komplett an Perspektiven und die Menschen erhofften sich eine Verdienstmöglichkeit in der neuen Fabrik. Andere Optionen hatten sie auch nicht.

GIFTE UND KINDERARBEIT In der Folge entstanden innerhalb von nur 16 Jahren mehr als ein Dutzend weiterer solcher Zündhölzli-Fabriken im Frutigland – wobei es sich hierbei eigentlich um bessere Hütten handelte; eng, finster, dreckig und ohne Fenster oder Lüftungen. Die Fabrikarbeitenden verdienten im Jahr 1886 zwischen 60 Rappen und etwas mehr als 4 Franken – pro Tag notabene. Während die Männer für das Tunken, die Herstellung des Holzdrahtes und das Verpacken zuständig waren, erledigten die übrigen Arbeiten meist Frauen oder Kinder. Kinder erhielten für einen Tag Arbeit oft nur 10 Rappen – und ein Arbeitstag dauerte bis zu 14 Stunden. Zuerst wurde aus Tannenholz dünne Streifen geschnitten und diese dann auf die entsprechende Länge gekürzt. Anschliessend mussten sie in Rahmen eingespannt werden; diese filigrane Arbeit erledigten Kinder, die aufgrund ihrer feinen Finger besser hierfür «geeignet» waren. Schon Fünfjährige wurden für solche Arbeiten angeheuert. Schliesslich wurden die Hölzer in eine chemische Brennmischung getaucht und dann verpackt.

KRANKHEITEN ALS FOLGE Die Kinderarbeit wurde zunächst nicht in Frage gestellt, und erst im Jahre 1870 kam ein Verbot der Kinderarbeit zur Abstimmung. Wenngleich dem Vorhaben ein heftiger Gegenwind entgegenblies – das Verbot der Kinderarbeit würde den Untergang der hiesigen Zündhölzli-Industrie bedeuten, hiess es. Nichtsdestotrotz wurde das Gesetz angenommen. Mit zweifelhaftem Erfolg: Die Kinder verrichteten nun einfach Heimarbeit, wo die Verhältnisse in hygienisch absolut unhaltbaren Zuständen noch prekärer waren. Die Küchenpfanne diente kurzerhand dazu, das giftige Phosphor zu ersitzen – und die lebensgefährlichen Dämpfe lagen somit permanent in der Luft. In den Fabriken akzentuierte sich dasselbe Problem: Da die Arbeiter den ganzen Tag dem giftigen Phosphor-Dampf

ausgesetzt waren, wurden die körperlichen Beschwerden immer augenfälliger. Obwohl die Krankheiten zweifellos auf die miserablen Arbeitsbedingungen mit giftigen Dämpfen zurückzuführen waren, dauerte es noch Jahre, bis diesem Missstand Einhalt geboten wurde.

NIEDERGANG DER INDUSTRIE Diese unhaltbare Situation änderte sich erst mit dem Bundesgesetz betreffend die Fabrikation von Phosphorzündhölzern und Phosphorstreichkerzen vom 23. Dezember 1879 und der Berner Konvention vom 1. Januar 1912. Nun wurden die Arbeiter besser geschützt. So oder so befand sich die Zündholz-Industrie im Frutigland im stetigen Niedergang, denn nach Ende des Ersten Weltkriegs entstanden internationale Zündholz-Gesellschaften, die den Bernern den Rang abliefen. Insbesondere schwedische Unternehmen, welche auch etliche Fabriken im Berner Oberland aufkauften. Das definitive Aus besiegelten schliesslich die billigen Importe aus Indien oder China, wie natürlich auch das Taschenfeuerzeug, das zu Beginn des 20. Jahrhundert seinen Siegeszug um die Welt startete. 1972 schloss die letzte Zündholzfabrik in Frutigen ihre Türen. 120 Jahre lange war diese Industrie eminent wichtig für die Region.

MUSEUM GEGEN DAS VERGESSEN Dank der Aufarbeitung der Kulturgutstiftung Frutigland gerät die Geschichte über das Gift aus der Streichholzschachtel nicht in Vergessenheit. Durch die intensiven Recherchen der Stiftung ist eine gut hundertseitige Broschüre sowie das Zündhölzli-Museum entstanden. Hier wird nun der gesamten Geschichte dieses regionalen Industriezweigs und seinen Folgen Rechnung getragen. Portraitiert werden die Arbeiter und 24 Betriebe, die einst in Reichenbach, Wengi, Frutigen, Adelboden, Kandergrund und Kandersteg ihren Lebensunterhalt verdienten und die grösste Zündholzproduktion des Landes stellten. Eine Ausstellung, welche aufzeigt, wie die Zündhölzli-Fabriken im Frutigland entstanden sind, wo die Fabriken standen und welche Schwierigkeiten damit verbunden waren, runden das Angebot ab. Aufgrund der Coronapandemie wurde die Eröffnung mehrmals verschoben – doch seit Ende Juli können sich die Besucher nun endlich in der ehemaligen Zündhölzlifabrik einen Eindruck dieser spannenden Geschichte aus dem Frutigland machen.

KULTURGUTSTIFTUNG.CH, MADEINBERN.COM

Seit Ende Juli 2021 ist das Museum zugänglich und vermittelt alles Wissenswerte zum Zündhölzli.

BILDER: © ZÜNDHOLZFABRIK FRUTIGEN

INFORMATIONEN ZUM ZÜNDHÖLZLI-MUSEUM

Öffnungszeiten: Jeden ersten Samstag im Monat, von 14.00 bis 17.00 Uhr Ab Gruppen von 6 Personen jederzeit besuchbar Eintrittspreise: Kollekte während den normalen Öffnungszeiten Gruppe bis 12 Personen: CHF 50 Gruppe bis 25 Personen: CHF 75

Adresse: Zündhölzliweg 5, 3714 Frutigen

WALLIS

Auf dem Walliser Weinweg

Fendant, Malvoisie oder Heida sind nur ein paar der bekanntesten Weine des Wallis. Die Trauben dieser edlen Tropfen reifen in der Ebene zwischen Martigny und Leuk durch die der Chemin du Vignoble führt. Entlang dieses Weges entdecken Genusswanderer heimelige Weinstuben, typische Bauernhöfe und ein paar der steilsten Rebgärten der Welt. Nicht nur die Trauben, die entlang des Chemin du Vignobles reifen, sind einmalig – auch die Wanderreise selbst ist ein wahrer Genuss. Für Naturfreunde ist die Region ein Paradies. Überall entdeckt man Neues und Überraschendes. Weinliebhaber können zudem mit dem «Valais Wine Pass» in insgesamt 27 Degustationslokalen die typischen Walliser Weine entdecken.

VALAIS.CH © SCHWEIZ TOURISMUS, JAN GEERK

SLOWENIEN

Herbstwandern in Slowenien

Slowenien durchzieht ein Netz von mehr als 10’000 perfekt gepflegten und markierten Wanderwegen in allen Schwierigkeitsgraden, das sich vom Flachland der Pannonischen Tiefebene im Osten, über die weintragenden Hügel im Süden und Westen, das mit malerischen Dörfern, Wäldern und Gewässern besäte Mittelgebirge und die Alpenwelt bis hin zu den mächtigen Zweitausendern erstreckt. Insbesondere im Herbst ist das Wandern in dieser Region ein einzigartiges Erlebnis. Zu den beliebtesten Wanderzielen zählt Sloweniens höchster Gipfel – der Triglav. Der Aufstieg auf den Triglav war seit jeher ein besonderes Ritual und ist für die Slowenen auch von grosser symbolischer Bedeutung.

TESSIN

Mit dem Velo durchs Tessin

Velofahren wird im Tessin leichtgemacht: Für die genussvolle Tour zu den Bauernhöfen (ticino.ch/spesainfforio) gibt es Leihräder direkt am Bahnhof Bellinzona. Jeder Hofladen auf dieser Radtour in der Magadinoebene bietet eigene Spezialitäten: Frisches Gemüse, saftiges Obst oder Käse von der Alp. Velos aller Art können im ganzen Kanton gemietet werden, z.B. über Bikesharing. Auch Cargobikes stehen zur Verfügung (carvelo2go.ch). Es gibt zudem zahlreiche Hotels, die sich auf Gäste mit Fahrrädern spezialisiert haben. Und in vielen Transportmitteln, auch Seilbahnen, dürfen Velos mitgenommen werden (ticino.ch/bike-services).

TICINO.CH © SCHWEIZ TOURISMUS, TINA STURZENEGGER