Die Klosterbasilika in Thalbürgel Durch das rudimentäre Atrium und ein vierstufiges romanisches Säulenportal öffnet sich der Blick in den verbliebenen überdachten Gebäudeteil des einstigen Bürgeler Benediktinerklosters, in das Langhaus. In einem hohen Raum von erhabener Schlichtheit, geprägt durch Kunstsinn und Kunstfertigkeit früherer Baumeister und Steinmetze. Viel Licht flutet durch die Rundbogenfenster am Ende des Kirchenschiffs, das sich zwischen den aufstrebenden Säulen der Arkaden der Seitenschiffe gleich einer himmelhohen Prozessionsstraße hinzieht. Hin zum Christusbild am Kreuz. Wer weiß, dass es vermutlich aus dem Jahre 1505 stammt, möglicherweise sogar aus einer Werkstatt Tilman Riemenschneiders, und dass es wohl schon in den letzten Jahren des Klosters hier stand, nähert sich ihm mit besonderer Andacht. Große, jahreszeitlich bunte Blumensträuße neben dem Altar, im Kontrast zur weißen Wand, vermitteln Zuversicht. Die festen Mauern, die massiven Säulen Geborgenheit. Die fast unwirkliche Stille gebietet andächtiges Schweigen. Da schweben gleichsam sphärische Klänge durch den Raum, erfüllen ihn, brechen sich an seinen Wänden, steigern sich zu vielstimmigem Jubilato. Feierlich gekleidet singen die Sängerinnen und Sänger des Vokalensembles Eisenberg Marc Antonio Ingegneris „Tenebrae facte sunt“. An einem einzigartigen spirituellen Ort entsteht eine Aufnahme für die DVD „Klingende Schätze“, für eine musikalische Reise durch den Saale-HolzlandKreis, die die Vielfalt des musikalischen Lebens, die Schönheit der Landschaft und den Reichtum an Kirchenschätzen andeutet. Zu diesen gehört die Klosterkirche als lebendiges Gotteshaus, als Ort vielbesuchter Konzerte namhafter Solisten, Chöre, und Klangkörper, auch Jazzkapellen, als besondere Galerie für Werke namhafter bildender KünstlerInnen und als einzigartige romanische Pfeilerbasilika in Thüringen. Die erhaltenen Reste der 1150 geweihten Kirche des vom Naumburger Bischof Udo I. gegründeten und von Paulinzellaer Mönchen aufgebauten Benediktinerklosters bezeugen ein Stück mittelalterlicher Kirchengeschichte: Den Einfluss der so genannten Hirsauer Klosterreform, einer Reform der Liturgie und des ausschweifenden Klosterlebens hin zur Askese, die im 10. Jahrhundert vom größten
im Abendland gebauten Kloster Cluny in Burgund ausging und sich über die schwäbische Abtei Hirsau auf Hunderte Benediktinerklöster im deutschsprachigen Raum ausdehnte. Bis in die Lande östlich der Saale, eben auch nach „Burgelin“. In Folge der Reformation schloss das Kloster 1526 seine Pforten, verfiel und verkam zum Steinbruch für die umliegenden Gemeinden. Das noch nutzbare Langhaus der monumentalen Basilika diente auf Hinwirken Philipp Melanchthons dem Kirchspiel St. Georgenberg als Dorfkirche und als Gereideschüttboden. Auch Goethe erkannte die Bedeutung der Klosterkirche und setzte sich beim Herzoghaus Sachsen-Weimar für ihre Erhaltung und teilweise Wiederherstellung ein. Der ihr verbliebene südliche Turm erhielt 1757 seine heutige barocke Haube. Die jüngste Restauration erfuhr sie zwischen 1964 und 1972, der ursprünglichen Hirsauer Idee folgend, als erhabenes, aber schlichtes Bauwerk, im Inneren weitgehend des Barocken entkleidet und dem Romanischen angenähert. Damals fanden sich auch christlich und kulturell engagierte Bürgeler Bürger unter dem Dach der evangelischen Kirchgemeinde und des Kulturbundes zusammen, um über die Pflege ihres architektonischen „Kleinodes“ nachzudenken und hoben unter anderem den „Thalbürgeler Konzertsommer“ aus der Taufe. Im Mai 1972 eröffnete ihn der Thüringische Akademische Singkreis. Seither folgten Sommer für Sommer hochklassige klassische Musikereignisse. Es kam oft zu Engpässen bei Eintrittskarten, besonders für Sonderkonzerte. Seit 1991 befördert nun der „Verein der Freunde der Klosterkirche Thalbürgel“ das musikalische Geschehen, die Werterhaltung der Kirche, die Erforschung der Klostergeschichte und ihre Publikation. Pfarrer Eckhardt Waschnewski: „Wir leben in einer dissonanten Welt, die viele Menschen beängstigt. Sie sehnen sich nach Harmonie, nach äußerem und innerem Frieden. Gottesdienste, Ausstellungen und Konzerte können dazu dienen, diese Sehnsucht zu stillen. Die Stille, das Licht, der erhabene Raum tragen die andachtsvolle Atmosphäre dazu bei. Dass aus der Klage die Hoffnung wachse.“ Engagement für einen spirituellen, einen magischen Ort der Ruhe, des Besinnens und der inneren Einkehr, der es gestattet, sich abseits lärmender Straßen ganz der
Andacht hin zu geben, sich in Kunst zu versenken oder Musik zu genießen, auch in leisen Tönen, die die wohltuende Akustik an jeden Platz trägt. Der „Reromanisierung“ der Klosterkirche musste 1967 auch die zweihundert Jahre alte, von Johann Michael Hartung gebaute barocke Orgel samt Empore weichen. Die Kirchgemeinde bemühte sich redlich, beispielsweise durch Basare und den Verkauf rarer Bürgeler Keramik zweiter Qualität, das Geld für eine neue zu beschaffen, der Greizer Orgelbauer Hartmut Schüßler, unter den schwierigen Verhältnissen in der DDR eine geeignete zu bauen. Es entstand eine kleine Orgel auf einem fahrbaren Podest, die den Stil der Raumgestaltung nicht brach und sich für den Gemeindedienst, aber auch zur Begleitung vor allem kammermusikalischer Konzerte gut eignet. Gemeindekirchenrat und Stiftung Klosterkirche Thalbürgel saßen nun jüngst mit den an der Erhaltung dieses einmaligen sakralen Bauwerks interessierten, respektive dafür verantwortlichen kirchlichen und staatlichen Institutionen des Freistaates, des Landkreises und der Stadt Bürgel am Tisch, um über ein Sanierungskonzept nachzudenken. Es betrifft die durch Umwelteinflüsse geschädigte Bausubstanz, die Elektroanlagen, die Einbeziehung eines Teils der ehemaligen Klausur in das Gesamtensemble, ebenso des Zinsspeichers und der ehemaligen Gebäude des Wirtschaftshofes, die heute noch die beeindruckenden Dimensionen des Klosters erkennen lassen. Auch weitere archäologische Forschungen. Pfarrer Waschnewski träumt schon von „einem Erlebnis Maulbronn in Thüringen“ für die Besucher Thalbürgels. Und er träumt auch von einer neuen Orgel. Konzepte liegen schon vor, für eine am ursprünglichen Platz über dem Portal, zweistöckig, nahe an der Romanik. Benefizkonzerte und noble Spender könnten helfen, den Traum zu erfüllen. Selbst wenn es zehn Jahre dauerte. Die Stadt Bürgel verfügt neben ihrem Ruf als Töpferstadt und einer idyllischen Umgebung mit der romanischen Pfeilerbasilika als romantischem Ort für musikalisches Erleben über ein weiteres Pfund zum Wuchern, das ihr wirtschaftlich nützen kann, auch wenn sie nicht mehr am Schnittpunkt wichtiger mittelalterlicher Handelsstraßen liegt. In einer “schrillen Zeit“ vielleicht gerade deshalb.
Evangelisch-lutherisches Pfarramt Bürgel Kirchplatz 1 23 · 07616 Bürgel · Telefon 03 66 92/2 22 10 · Fax 03 66 92/2 16 59 info@klosterkirche-thalbuergel.de 32