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Der Mensch zählt ORF Zeitgeschichte-Dokumentationen als Beitrag zum gesellschaftlichen Diskurs Es war ein überraschendes Bild: ein ehemaliger Waffen-SS-Mann im Gespräch mit einem Auschwitz-Überlebenden, eine Widerstandskämpferin, die im KZ Ravensbrück terrorisiert wurde, am Tisch mit einem Ritterkreuz-Träger der Wehrmacht. Keine Fantasie, sondern Realität bei der Präsentation des Films „Verfolgt, verschleppt, vernichtet“, der die Geschichte NS-Vernichtungsmaschinerie erzählt. Die erwähnten Personen: Interviewpartner im fünfteiligen ORFDokumentationsprojekt „Der Zweite Weltkrieg“. Es sind ausnahmslos engagierte Zeitzeugen, die zur öffentlichen Aufarbeitung ihrer ganz persönlichen Geschichte bereit sind. Als ich nach 4 Jahren Lager wieder frei war, habe ich mir geschworen, nie aufzuhören darüber zu berichten, was geschehen war. Das war irgendwie ein Versprechen, dass wir denen schuldig sind, die nicht überlebt haben. Irma Trksak, KZ-Überlebende Für Menschen, die Krieg, Verfolgung, Lagerhaft, den Tod von Angehörigen und anderes menschliches Leid erleben mußten, ist die Mitarbeit an Zeitgeschichte-Dokumentationen ein meist schmerzhafter Prozess, aus dem Verdrängen und Schweigen heraus in das Licht der Kamerascheinwerfer zu treten. Vor allem für Holocaust-Opfer bedeutet die Erzählung der eigenen Vergangenheit das Wieder-Erleben eines folgenschweren Traumas. Dazu braucht es Vertrauen: Vertrauen in die Gesprächspartner während der Dreharbeiten, Vertrauen in einen öffentlich-rechtlichen ORF und seiner Verpflichtung, Beiträge zur nationalen Erinnerung zu leisten, aber auch Vertrauen sich einem breiten Publikum zu präsentieren und damit zur öffentlichen Person zu werden.


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