Wie kann eine Theaterzeitschrift auf diesen Kriegsbeginn reagieren? Wenn man ukrainische Theaterleute, die in Kellern sitzen oder fliehen müssen, persönlich kennt? Wenn man russische Theaterleute kennt, die ebenfalls fliehen müssen, die mutig auf Demonstrationen gehen und dafür verhaftet werden oder eben mit zusammengepressten Lippen fassungslos zuschauen, wie ihre in der ganzen Welt geschätzte Theaterkultur innerhalb weniger Wochen in diesem Krieg mit untergeht?
Serhij Zhadans Text „Lieder von Vertreibung und Nimmerwiederkehr“, dessen Uraufführung noch im letzten Heft als „aktuell brisanteste Produktion“ der Münchner Biennale für neues Musiktheater angekündigt war, hat sich als prophetisch erwiesen. Als erschreckend prophetisch. Aber auch als Gabe der Literatur, die mehr sieht als alle Medien (und wohl auch Geheimdienste) zusammen. Zhadan, der in Charkiw lebt und dort momentan bei der Evakuierung hilft, dabei sein Leben riskiert, hat in diesem Theatertext das Entsetzliche vorausgesehen.