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Ein Ikea Regal wird zum Gehäuse für einen 3D-Drucker.
Ikea-Hackers Knock-Down-Furniture Immer schon einen praktischen Raumteiler gewollt, aber das Geld reicht nur für die schwedischen Bausatzregale, die in fast jeder Wohnung stehen? Es gibt eine Alternative: Aufmöbeln. ———— Ex-Vorstandsmitglieder bezeichnen ihn als Rassisten, er überwachte seine Angestellten und ließ in der DDR Möbelteile von politischen Häftlingen fertigen. Entschädigungslos. Trotzdem ist der 91-jährige Ingvar Kamprad mit seinem Einrichtungshaus Ikea nach wie vor in aller Welt erfolgreich. Im Geschäftsjahr 2016 machte die schwedisch-niederländische Gesellschaft nach eigenen Angaben rund 35,1 Mrd. Euro Umsatz und 4,2 Mrd. Euro Reingewinn. Das liegt nicht nur daran, dass sich das Franchise ewig jung gibt und Jahr um Jahr Tonnen seiner Hochglanzkataloge verschenkt. 2016 erwirtschaftete es 40,48 Prozent des Gewinns oder 1,7 Mrd. Euro in den weltweit über 340 Märkten allein mit Essen. Kötbullar gehören wie das Bällebad zu einem Besuch in dem Möbelhaus. Zudem konnte Ikea seine Preise durch den Massencharakter, Steuerflucht und billige Arbeit drücken. Und obwohl immer mehr Konkurrenten das Bausatzprinzip übernehmen, setzt es niemand so zentral in der PR ein wie Kamprads Konzern. Der
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Inbusschlüssel, ikonisches Standardwerkzeug in fast jedem Ikea-Karton, wurde in den 1990ern sogar zum Werbemaskottchen. Dieser DIY-Nimbus, entstanden durch langwierige Aufbauaktionen, umgibt Ikea noch heute. Dadurch kann man einerseits auf eine enorme Fanbase setzen, andererseits bricht diese auch schon mal aus und folgt nicht den strengen Anleitungen, sondern kreiert Neues.
Pimp my Pax, Jules Einer der wohl bekanntesten Ikea-Fans der Welt ist die Malaysierin Jules Yap. 2006 stieß Yap beim Browsen auf Menschen, die ihre Selbstbau-Möbel modifizierten. Ein User, der zwei Pax-Türen zu einem Raumteiler umfunktionierte, zog sie besonders in den Bann. Yap wollte dieser Community eine Plattform bieten und beschloss, IkeaHacks zentral zu sammeln. ikeahackers. net entstand und wurde schnell bekannt und beliebt. Die Möbel der Firma, die »demokratisches Design« für sich beansprucht, wurden nun gewissermaßen direktdemokratisch. Während viele andere Unternehmen Blogger dafür bezahlen, mit ihren Produkten zu experimentieren, war Ikea anfangs nicht begeistert. Es mahnte Yap 2014 ab, droh-
te gar mit einer Unterlassungsklage, da sie ihre Seite mit Bannern finanzierte. Offiziell fürchtete man auch eine Verwechslung. Anstatt die Werbefachfrau – nebenbei bemerkt ist Jules der Name eines Drehstuhls, nicht ihr bürgerlicher Name – in die Markenkommunikation einzubeziehen, wollte Ikea den Blog schlicht abdrehen. Dabei stellt Ikeahackers. net seit jeher klar, nicht zu Kamprad zu gehören. Der Fall schlug so hohe Wellen, dass der Konzern den Streit beilegte. Jetzt gibt es wieder Werbebanner, einen Bastel-Webshop und jüngst erschien das erste Ikeahackers.netBuch mit den »25 Biggest and Best Projects«.
Lack auftragen Ikea-Hacks sind einfach, denn jede Modifikation des Ikea-Codes gilt als Hack. Dazu gehört schon die Umfärbung eines Beistelltischs wie Lack. Selten bleibt es aber dabei: ikeahackers.net hat schon über 6.000 Anleitungen gesammelt. Hackern geht es nicht um Verschönerung allein. Sie passen die Möbel ihren Bedürfnissen an, mal aus Liebe zum Label, mal aus Drang zum Individualismus, mal aus Geldnot. Ikea-Hacks können so auch als Kritik am Massenkonsum verstanden werden.
19.09.17 21:23