DP Studienbuch: A digital lifestyle

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mfg innovation 02

a digital lifestyle leben und arbeiten mit social software innovationsprogramm web 2.0 der mfg baden-w端rttemberg


inhalt Editorial

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1. Neue Wege im Internet der zweiten Generation 1. Wissensmanagement 1.1 Social Software im Wissensmanagement 2.0 / Martin Koser 1.2 Wikis – Die Wissensmanagement-Lösung / Tim Romberg und Hans-Jörg Happel 2. Geschäftsmodelle 2.1 Geschäfte machen im Web 2.0 / André Hellmann 2.2 Neue Geschäftsmodelle mit Web 2.0? / Heiko Wöhr

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3. Leben online 3.1 Wie Web 2.0 unser Leben verändert / Horst Henn 3.2 Leben online im Internet der zweiten Generation / Astrid Beck

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4. Werbung & PR 4.1 Das Agentur-Weblog Storyblogger / Björn Eichstädt 4.2 Marketing to the Social Web / Wilfried Mödinger

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2. Erfolgsgeschichten aus dem Web 2.0 1. Innovationspreis Web 2.0 1.1 Zweitgeist – Möglichkeiten zum Leben im Web / Christine Stumpf 1.2 Die Demokratisierung des Fernsehens – Live-WebTV / Markus Scheibenpflug

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2. BWeb 2.0 Challenge

2.1 Mannschaftssportler auf dem Weg ins Netz / Christian Reinheimer und Oliver Moser 2.2 In alten Hasen steckt jede Menge Wissen / Peter Wagner 2.3 Castogo – Der ortsabhängige Reiseführer / Andreas Walbert und Mirko Ross 2.4 beeloc – ein Social Network verbindet Reisende / Noria Id Bellouch 2.5 Webbrain – Webbasierte Echtzeit-Kollaboration / Rainer M. Engel und Jonas Reinsch 2.6 Wiki-basiertes Wissensmanagement im Bürgerservice / Burkhard Hermann

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3. Social Software-Szene im Südwesten

3.1 Social Software-Aktivitäten der MFG 3.2 Übersicht der MFG-Projekte

Impressum

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editorial A Digital Lifestyle. Leben und Arbeiten mit Social Software.

Das Phänomen Web 2.0 steht für tief greifende Veränderungen in Wirtschaft und Gesellschaft. Das Leben mit und im Internet der zweiten Generation schafft eine gänzlich neue Form des Wissens. Fernab vom Herrschaftswissen Einzelner lautet die Devise heute „Geteiltes Wissen ist Macht“. Die neuen Paradigmen des globalen Megatrends Vernetzung sind Linking, Sharing, Openness – ob im beruflichen oder privaten Kontext, ob national oder über Ländergrenzen hinweg. Diesen Trend hat die MFG Baden-Württemberg früh erkannt. Bereits 2005 setzte die Innovationsagentur des Landes für IT und Medien im Rahmen ihres Regional Foresight-Projekts FAZIT das Thema Web 2.0 und Social Software auf ihre Forschungsagenda. Schon damals – lange vor dem Durchbruch – erkannte sie das Potenzial der neuen Technologien. Nachdem zunächst das Bewusstsein für die damit verbundene Innovationskraft geschaffen wurde, unterstützt die MFG nun konkrete Geschäftsmodelle auf ihrem Weg in den Markt. Mit dem „Innovationsprogramm Web 2.0“ bringt sie Entscheider, Wissenschaftler und Macher an einen Tisch und vernetzt über 1.000 Akteure durch Roadshows, Webmontage, Wiki-Wednesdays und Wettbewerbe. So fördert die Innovationsagentur aktiv den Auf- und Ausbau eines Web 2.0-Clusters. Wie erfolgreich dieser Ansatz ist, belegen die Beispiele in diesem Buch. Im Mittelpunkt der Publikation stehen die Ergebnisse von vier Arbeitskreisen. Unter dem Motto Kooperation, Interaktion und Partizi-

pation diskutieren und entwerfen Autoren aus Wissenschaft und Praxis, wie der Lebensstil und die Arbeitswelt der digitalen Zukunft aussehen werden. Die Szenarien sind faszinierend global, multimedial und spiegeln eine neue Art des Denkens, Arbeitens und Kommunizierens wider. Die Themen Wissensmanagement, Geschäftsmodelle, Leben online sowie Marketing & PR werden durch jeweils zwei sich ergänzende Aufsätze – sowohl praxisorientiert als auch wissenschaftlich – beleuchtet. Einen weiteren Schwerpunkt bilden Erfahrungsberichte junger Talente und Start-ups, die im vergangenen Jahr von der MFG Baden-Württemberg ausgezeichnet und gefördert worden sind. Ausgewählt unter fast 100 Mitbewerbern haben sie mit ihren innovativen Ideen in Form von Social Networks und Wissen verknüpfender Social Software bei den Businessplan-Wettbewerben „Innovationspreis 2.0“ und „BWeb 2.0 Challenge“ überzeugt. Und viele von ihnen haben sich bereits erfolgreich am Markt durchgesetzt. Der Preisträger SPIELERKABINE.net wurde von der Süddeutschen Zeitung unter die wichtigsten 25 Start-ups in Deutschland gewählt. Ein Zeichen dafür, wie wirksam das Innovationsprogramm Web 2.0 ist. Lassen Sie sich von den Beiträgen und Erfolgsgeschichten inspirieren! Eine interessante Lektüre wünscht Ihnen Ihr Klaus Haasis Geschäftsführer MFG Baden-Württemberg editorial

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neue wege im internet der zweiten generation

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social software im wissensmanagement 2.0.

social software im wissensmanagement 2.0.

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1.wissensmanagement Martin Koser: Social Software im Wissensmanagement 2.0 Tim Romberg und Hans-JÜrg Happel: Wikis – Die Wissensmanagement-LÜsung

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Martin Koser frogpond - Social Software Consulting, Schlierbach

social software im wissensmanagement 2.0 Potenziale von sozialen Netzwerken, Weblogs und Wikis

Social Software ist ein innovativer Ansatz, Wissensmanagement neu zu gestalten. Durch neue Technologien, mehr aber noch durch die Adoption neuer Prinzipien und Methoden, ergeben sich sowohl Herausforderungen als auch neue Möglichkeiten: Wissensmanagement wird daher in Variante 2.0 wieder zum Thema in Unternehmen. Dieser Beitrag lotet die Chancen und Einsatzarenen des Internets der neuen Generation – Web 2.0 – für das Wissensmanagement in Organisationen aus. wissensmanagement << Seite 13


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web 2.0 und social software im unternehmen Die digitale Wissensgesellschaft wird durch Entwicklungen, die zusammenfassend unter dem Oberbegriff Web 2.0 diskutiert werden, verändert und bestimmt. Das Internet wird dabei zur dynamischen Applikationsplattform, zur Basis für interaktive Kommunikationsmechanismen und insbesondere zur Plattform für soziale Netzwerke. Es ist mittlerweile durch neue Methoden und Werkzeuge gekennzeichnet, die unter dem Sammelbegriff Social Software diskutiert werden. Das Web 2.0 ist sozial, weil es Menschen miteinander kommunizieren und interagieren lässt. Social Software ist nicht mit dem Web 2.0 synonym, sondern ist eine Untermenge davon. Sie steht für Anwendungssysteme, die unter Ausnutzung von Netzwerk- und Skaleneffekten, indirekte und direkte zwischenmenschliche Interaktion (Koexistenz, Kommunikation, Koordination, Kooperation) auf breiter Basis ermöglichen (vgl. Richter und Koch 2007). Ausgehend vom privaten Nutzungsbereich etabliert sich Social Software nun auch in Unternehmen (vgl. McAfee 2006). Sie ermöglicht unter anderem die Verbesserung von Prozessen der Wissensarbeit, weil Daten, Informationen und Wissen besser erfasst, verwaltet und genutzt werden. Wikis, Weblogs, Social Networking-Plattformen etc. sind mithin interessante Instrumente für das organisatorische Wissensmanagement, auch weil sie leicht mit anderen IuK-Werkzeugen wie RSS (Really Simple Syndication)-Readern oder Intranetportalen kombiniert werden können.

Wikis in Unternehmen

Wikis sind grundlegend Sammlungen von Inter- oder Intranetseiten, die durch Benutzer nicht nur gelesen, sondern auch leicht verändert werden können. Sie können daher als leichtgewichtige Instrumente des Informations-, Kommunikations-, Identitäts- und Beziehungsmanagements verwendet werden. Seite 14 >> wissensmanagement

dann auch Beziehungen zwischen Unternehmen und Kunden, Lieferanten oder Partnern umfassen. Das Intranet wird dadurch zum Partizipations-, Kommunikations- und Distributionsmedium, das es erleichtert, Mitarbeiter

Zudem sind sie multifunktional, das heißt nicht nur auf einen Anwendungszweck spezialisiert, sondern können flexibel an verschiedene Aufgaben angepasst werden (vgl. Leuf und Cunningham 2001; Cunningham 2005; Ebersbach, Glaser und Heigl 2007).

Intranet Weblogs

Weblogs im Unternehmen sind – und hier durchaus in ähnlicher Weise wie im privaten Bereich – in der Regel persönliche Werkzeuge des Informationsmanagements, die aus dem subjektiven Blickwinkels eines Autors geschrieben sind. Ein Blog kann aber auch von einer Gruppe, beispielsweise einem Projektteam, geschrieben werden. Dies bietet die Chance, die Dokumentation der eigenen (Projekt-)Arbeit in einer schnellen und direkten sowie selbstorganisierten und -verantworteten Form zu organisieren. Weblogs sind dabei meist bottom-up getrieben, das heißt sie setzen auf die unmittelbare Kommunikation einzelner, die dadurch in Diskursen mitwirken, mit Kollegen direkt in Kontakt treten etc. Sie ergänzen so auch die traditionelle Top-down-Kommunikation im Unternehmen, und ermöglichen die einfache und schnelle Distribution von Inhalten – gerade durch einzelne Mitarbeiter.

Social Networking-Plattformen im Intranet

Social Networking-Plattformen im Intranet sollen die Beziehungen zwischen Mitarbeitern abbilden. Das virtuelle Geflecht der Beziehungen wird sichtbar gemacht, unter anderem weil es möglich ist, durch das Netzwerk der Mitarbeiter, die über Beziehungen miteinander verbunden sind, zu navigieren. Mitarbeiter können eigene Profile veröffentlichen, nach Kollegen suchen und Verbindungen mit anderen herstellen. Diese können durchaus auch unternehmensübergreifend interpretiert werden und

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bzw. Partner mit gleich gelagerten Interessen entdecken und kennen zu lernen sowie an der Produktion und der Verteilung von Wissen in diesen Netzwerken zu partizipieren.

warum wissensmanagement 2.0? Chancen von Social Software für das mations-)technologisch anzugehen. So wandelt Wissensmanagement sich das Wissensmanagement zunehmend von Wissen ist zum wichtigsten Produktionsfaktor geworden und wissensintensive Arbeiten machen einen Großteil der Wertschöpfung aus. Die Bedeutung der Unterstützung von Wissensarbeit und Lernen wird so auch auf breiter Front gesehen und kehrt – wieder einmal – in das Zentrum der Unternehmensstrategien zurück (vgl. BITKOM 2007). Unternehmen starten Initiativen, um den Wissenstransfer im Unternehmen zu fördern, um die Bewahrung des Wissens zu sichern oder um externe Wissensquellen besser einzubinden. Dabei ist der Terminus Wissensmanagement 2.0 etwas unglücklich – bereits das Wissensmanagement 1.0 hat sich mit sehr modern anmutenden Aspekten und Instrumenten beschäftigt, wie beispielsweise der Förderung von Zusammenarbeit in Gemeinschaften. Insgesamt wächst die Erkenntnis, dass sich Wissen nicht unabhängig vom Träger benutzen lässt. Der Mensch als Wissensträger wird mittlerweile stärker in seiner sozialen Vernetzung wahrgenommen und sein Wissen als ein Ergebnis von Kommunikation und kontextspezifischer Erfahrung verstanden (vgl. Johnson, Manyika und Yee 2005). Wissensmanagement 2.0 zielt so auch auf einen anderen Umgang mit der Ressource Wissen und zieht soziale Netzwerke, Relevanz, Workflows und wissensorientierte Beziehungen in die Betrachtung mit ein. Damit verbunden ist auch die weitere Abkehr von Versuchen, Wissensmanagement rein (infor-

IT- und werkzeugorientierten zu personen- bzw. organisationsorientierten Ansätzen. Folgerichtig wird flexible und adaptive Social Software zur nahe liegenden Infrastruktur für dynamische Strukturen, betriebliche (Informations-) Technologien, Unternehmenskulturen und Mitarbeiter. Wikis, Weblogs und andere Social Software sind innovative Werkzeuge, die der Wissensarbeit neue Horizonte eröffnen, indem sie als kollaborative Arbeitsumgebungen die Mitarbeiter selbst zu Inhalteproduzenten im Unternehmen machen. Gleichwohl setzt Social Software vor allem an der Unterstützung von Gruppen und Teams an, das heißt an den kollaborativen Aspekten der Wissensarbeit. Die soziale Dynamik und das soziale Netzwerk stehen im Vordergrund, Konversationen und die Kopplung zwischen Individuen und Gruppen werden unterstützt (vgl. Shirky 2003). Social Software ist also ein hybrider Ansatz, der Individualisierung und Zusammenarbeit sinnvoll koppelt: Selbstorganisierte, individuelle Wissensarbeit und Strukturen und Praktiken der Zusammenarbeit werden simultan unterstützt. Wissensarbeit wird so selbstgesteuerter und selbstverantwortlicher – und gleichzeitig eingebundener in die Zusammenarbeit mit anderen. In der Folge muss sowohl die nötige Autonomie, als auch Zusammenarbeit ermöglicht und gefördert werden. Persönliches Wissensmanagement wird dabei nicht vernachlässigt, sondern ist sowohl Grundwissensmanagement << Seite 15


element als auch wichtiges Gestaltungsobjekt, beispielsweise wenn geeignete Instrumente zur Förderung des persönlichen, individuellen Wissensmanagements ausgewählt und in das organisationale Wissensmanagement eingepasst werden. Erhöhte Konnektivität zwischen den Mitarbeitern soll dann unter anderem das organisatorische Lernen unterstützen: Menschen in Organisationen lernen nicht allein in Fort- und Weiterbildungsprogrammen, sondern unter Umständen auch mehr und schneller im Kontakt mit Experten, in informellen Lernnetzwerken und in der täglichen Zusammenarbeit im Team. Die Interaktion mit anderen Menschen ist dabei besonders wertvoll, allerdings sind gerade diese persönlichen Interaktionssituationen nur schlecht skalierbar, unter anderem weil räumliche und zeitliche Restriktionen wirken. Der eigentliche Wert von Social Software liegt denn auch weniger in der Bereitstellung von Wissen, sondern in der Unterstützung von Relationen, insbesondere in informellen Strukturen und ad hoc zusammengestellten Teams von Wissensarbeitern. Social Software erhöht zudem die Sichtbarkeit und damit das organisatorische Potenzial informeller Strukturen. Im Idealfall ist es möglich, die Bündelung von bisher unverbundenen Mitarbeitern, Gedanken, Ideen und Informationen zu erreichen, die in klassischen Wissensmanagementsystemen und Taxonomien nicht erfasst bzw. sichtbar werden, die aber potenziell nützlich sind. Hier fördert Social Software selbstorganisierte, kollaborative und ko-aktive Wissensarbeit: Mitarbeiter wandeln sich vom passiven Wissensrezipienten zum aktiven Wissensschaffer – und vom isolierten Einzelkämpfer zum bewussten Teamplayer und aktiven Sucher und Weiterverteiler von relevantem Wissen.

Einsatzarenen von Social Software im Wissensmanagement 2.0 Social Software-Werkzeuge bieten neue Ansatzpunkte, um traditionelle HerausforderunSeite 16 >> wissensmanagement

gen des Wissensmanagements zu bewältigen. Die Verwendung von Social Software kann die Interaktionsprozesse im Unternehmen vereinfachen, beschleunigen und verbessern. Insbesondere kann das Teilen von Wissen und Ideen, wechselseitiges Lernen und kollaboratives Brainstorming gefördert werden. Einige generische Einsatzarenen für Social Software im Wissensmanagement sind beispielsweise: • die Ersetzung oder Ergänzung des bestehenden oder die Einrichtung eines neuen Intranets für die Unterstützung der Wissensarbeit im Unternehmen. Wikis ermöglichen dann unter anderem die kollaborative Bearbeitung von Inhalten und deren einfache Verteilung und Wiederverwendung. Ein Beispiel ist die verteilte, kollaborative Erarbeitung von FAQs oder auch die Erstellung, Verteilung und Vernetzung von Grundlageninformationen; • die Beschleunigung der Wissensprozesse im Unternehmen, unter anderem indem die Sichtbarkeit und Auffindbarkeit der Wissensund Kompetenzträger erhöht wird. Wikis helfen dann dabei, das Wissen, das sich innerhalb eines Unternehmens bei den Mitarbeitern befindet, aber auch das der Kunden und Partner, systematisch zu nutzen. Ein Beispiel ist die Nutzung von Wikis als flexiblen Yellow Pages, die es den Benutzern selbst ermöglichen, ihre Kenntnisse und Interessen, ihre Projekterfahrungen etc. aktuell zu halten; • die Unterstützung verteilter, thematisch organisierter Diskussionen, sei es in Weblogs, Wikis oder dedizierten Diskussionsseiten aber auch die Unterstützung von vernetztem Lernen (Lernen in der Peer Group, Entdeckung von relevantem Wissen über die unternehmensinternen sozialen Netzwerke etc.); • die Unterstützung von Gruppen- und TeamZusammenarbeit, beispielsweise können Wikis oder Weblogs zur Vor- und Nachbereitung von Meetings genutzt werden (Verteilung von Agendas, Verwaltung von Auf-

gabenpaketen, Terminen und Teilnehmern, Dokumentation etc.); • die Einrichtung situations- und aufgabengerechter Applikationen, unter anderem leistungsfähiger Portale für Projekte, die verschiedene Perspektiven integrieren und vernetzen. Projektmitarbeiterportale, Aufgaben- und Prozessportale etc. können zudem mit RSS-Feeds kombiniert werden, um die effiziente Verteilung der Informationen zu erreichen. Zudem können beispielsweise Wikis als einfache Dokumentenarchive dienen, die nicht nur auf verschiedene Weise struk-

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turierbar sind, sondern zum einen auch über eine Volltextsuche erschlossen werden können und zum anderen frühere Dokumentenversionen eigenständig verwalten. Daneben ergeben sich vielfältige (unternehmens-)spezifische Einsatzarenen von Social Software mit indirektem Bezug zum Wissensmanagement. Beispiele sind die Unterstützung und Ergänzung bestehender MI (Management Information)- oder DS (Decision Support)Systeme, die Unterstützung von Innovationsund Ideenmanagement etc.

herausforderungen des wissensmanagements 2.0 Um die Potenziale des Wissensmanagements 2.0 in Organisationen nutzen zu können, sind verschiedene Herausforderungen zu bewältigen. Social Software ist nicht nur „Software“, sondern impliziert auch veränderte Prinzipien, Methoden und Werkzeuge. Die Einführung von Social Software verändert die Wissensarbeit und letztlich auch die Organisation, deren Infrastrukturen und Organisationsstrukturen angepasst werden müssen. Im Folgenden werden einige beispielhafte Aspekte aufgegriffen.

Herausforderungen für Wissensarbeiter 2.0

Mitarbeiter müssen Meta-Kompetenzen der Wissensarbeit wie beispielsweise Nutzung der neuen IuK-Werkzeuge, Fähigkeit zur permanenten Re-Organisation der eigenen Arbeitsweise, kontextuell angepasstes Agieren in veränderlichen Teams etc. beherrschen. Dazu gehört auch die Kompetenz, Wissen wieder aus Social Software extrahieren zu können und Wissensmanagement in die alltägliche Arbeit zu integrieren. Hierfür ist Training und auch

Coaching notwendig, eine ungeordnete und nicht unterstützte Einführung kann nicht besonders erfolgreich sein. Die Möglichkeiten der neuen Instrumente müssen den Mitarbeitern demonstriert und erklärt werden, auch um im Dialog mit den Anwendern neue Nutzungsideen zu entdecken. Wissensteilung muss Bestandteil des eigenen Selbstverständnisses, aber auch der Unternehmenskultur werden. Noch verstehen viele Mitarbeiter Wissensmanagement in erster Linie als Versuch des Unternehmens, der Ressourcen des Mitarbeiters habhaft zu werden und ihn damit ersetzbar zu machen. Dieses Misstrauen gegenüber dem Unternehmen und den Kollegen verhindert Wissensteilung, zumal ist das Horten von Wissen eine eingeübte und gängige Praxis in vielen Unternehmen und wird zumeist auch nicht effektiv sanktioniert. Die Einführung von Social Software wie beispielsweise Wikis und Weblogs kann hier helfen, zum einen weil abgeschlossene Kommunikationskanäle wie E-Mail durch zugänglichere Medien wie Wikis abgelöst werden, aber auch weil diese neuen wissensmanagement << Seite 17


Werkzeuge den Mitarbeitern Gelegenheit zur sichtbaren Wissensdemonstration geben. Der Autor eines Weblogs gewinnt Anreize auch aus der Außenwirkung, das heißt seinen dokumentierten Kompetenzen, er wird also angeregt, gehortetes Wissen freizugeben (Statusgewinn durch Kompetenz). Zudem ist nicht nur die Dokumentation ein Anreiz, sondern auch die potenzielle Aufnahme in interessante Wissensnetzwerke.

Herausforderungen für IT-Abteilungen

Das IT-Management muss die Entwicklungen im Bereich Social Software permanent beobachten und prüfen, ob und wenn ja welche davon sinnvoll im internen Wissensmanagement einsetzbar sind. Dies ist anspruchsvoll, zum einen ist die Entwicklungsdynamik des Web 2.0 beträchtlich, zum anderen sind viele der Veränderungen aufgrund ihres hohen Neuigkeitsgrads nur schlecht einzuschätzen bzw. mit den Erfahrungen der Vergangenheit zu verstehen. Andererseits eröffnen manche dieser Veränderungen beträchtliche Innovationschancen, während gleichzeitig darauf geachtet werden muss, dass der Kern der Unternehmens-IT nicht beeinträchtigt wird. Social Software wie Wikis, Weblogs, Social Networking-Plattformen in Unternehmen oder Bookmarksammlungen etc. bauen auf der Interaktion bzw. der produzierenden und einordnenden Wissensarbeit von Menschen auf. Die Rolle der IuK-Technologie ist es, die Infrastrukturbasis zu schaffen bzw. diese Aktivitäten zu erleichtern. Viele der neuen Werkzeuge haben attraktive Eigenschaften, die Mitarbeiter zusätzlich motivieren, weil sie beispielsweise bestehende soziale Prozesse in Organisationen unterstützen und die Zusammenarbeit über räumliche und zeitliche Grenzen erleichtern. Social Software verändert so auch die Rolle der IT-Abteilungen in Unternehmen. Diese müssen unternehmerischer denken, das heißt Seite 18 >> wissensmanagement

die Unterstützung der Unternehmensstrategie durch die IT in den Mittelpunkt stellen, gleichzeitig aber mit steigenden IT-Kosten und sinkenden Budgets zurechtkommen. In der Folge muss die IT kreativer werden und zudem in der Lage sein, schnell Pilotprojekte und Prototypen aufzusetzen, um mit Social Software schnell Erfahrungen sammeln zu können.

Herausforderungen für Change Manager

Bei der Einführung von Social Software sind angepasste Vorgehensweisen notwendig. Die Phasen der Implementierung müssen planvoll und koordiniert ablaufen und die Integration mit bestehenden Prozessen sichern. Es reicht nicht, Werkzeuge bereitzustellen, aber die entsprechenden Prozesse nicht zu berücksichtigen. Zudem ist es wichtig, gerade weil kollaborative Wissensarbeit in vielen Unternehmen nicht etabliert ist, die Trainings- und Coaching-Maßnahmen den spezifischen Anforderungen und Bedingungen im Unternehmen anzupassen. Ein Beispiel, das die Vielfalt der Implementierungsaufgaben deutlich macht, ist die Unterstützung der Wissensprozesse in verteilten virtuellen Teams durch Social Software. Zum einen muss Wissen dokumentiert und veränderlichen Teamzusammensetzungen und -konstellationen von Mitarbeitern verfügbar gemacht werden, zum anderen sollen einheitliche Plattformen für veränderliche Wissensprozesse geschaffen werden. Social Software wie Wikis oder Weblogs kann hier als Plattform wirken, die einerseits veränderliche Prozesse dokumentiert und verstetigt, andererseits aber auch dynamische Beschleunigungswirkungen bewirkt, indem dynamische Strukturen schneller Kompetenzen aufbauen und nutzen können. Social Software kann hier dabei helfen, Commitment in der verteilten Gruppe aufzubauen sowie ein gemeinsames Verständnis der Begriffe zu sichern, wovon wiederum die gemeinsame Wissensarbeit profitiert. Gerade verteilte

Organisationen werden also von der erhöhten Wissenstransparenz profitieren, weil sie darauf angewiesen sind, dass sich die Prozesse und Aktivitäten sowie die Menschen und Themen

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miteinander vernetzen, obwohl sie nur wenig Raum für gemeinsame, das heißt zeit- und raumgleiche Zusammenarbeit bieten.

zusammenfassung und ausblick Das neuerliche Comeback von Wissensmanagement ist eng mit der Entwicklung von Web 2.0 und Social Software verknüpft: Weiterhin bleibt Wissensmanagement eine anspruchsvolle Aufgabe, andererseits stehen nun Instrumente und Mittel zur Verfügung, die in früheren Anläufen noch nicht bereitstanden. Social Software im Wissensmanagement wird so schnell zum „State of the Art“ im Wissensmanagement werden, auch wenn zumeist bestehende Systeme nicht ersetzt, sondern punktuell ergänzt werden. Weil Social Software flexibel an die individuellen und organisatorischen Anforderungen anpassbar ist, sind zudem vielfältige Einsatzarenen denkbar, die über Wissensmanagement im

engeren Sinn hinausgehen. Beispielsweise wird Social Software eingesetzt werden, um neue Kunden zu identifizieren, bestehenden Kunden verbesserten Service anbieten zu können oder um in Open Innovation-Initiativen gemeinsam mit externen Partnern Innovationen zu entwickeln. In konkreten Einführungsprojekten werden zumeist nicht Technologien die Herausforderung sein, sondern das Management der durch sie verursachten kulturellen und sozialen Veränderungen. Die Anpassung von Organisationen und Arbeitsprozessen an die veränderten Bedingungen und Möglichkeiten ist die eigentliche Herausforderung für die Zukunft.

martin koser Martin Koser ist unabhängiger Berater für Social Software. Beratungs- und Tätigkeitsschwerpunkte von frogpond sind der Einsatz von innovativen Webtechnologien im Wissens- und Innovationsmanagement sowie die Konzipierung, Begleitung und Unterstützung von Change Management- und Implementierungsprojekten. mk@frogpond.de • www.frogpond.de

Literatur Ebersbach, A. et al., 2007: Wiki. Kooperation im Web. 2. Aufl. Heidelberg, Berlin. • Koch, M. und Richter, A., 2007: Enterprise 2.0 – Planung, Einführung und erfolgreicher Einsatz von Social Software in Unternehmen. München. • Leuf, B. und Cunningham, W., 2001: The Wiki Way: Quick collaboration on the web. Boston (MA). • McAfee, A.P., 2006: Enterprise 2.0: The Dawn of Emergent Collaboration. S. 21-28 in: MIT Sloan Management Review, 47. Jg., 2006, 3. • BITKOM (Hrsg.), 2007: Wichtige Trends im Wissensmanagement 2007 bis 2011. Positionspapier des BITKOM. URL = http://www.bitkom.de/files/documents/ Trendreport_WM_zur_KnowTech2007.pdf (15.11.2007) • Cunningham, W., 2005: Wiki Design Principles. URL = http://c2.com/cgi/wiki?WikiDesignPrinciples (11.10.2005) • Johnson, B.C., Manyika, J.M. und Yee, L.A., 2005: The next revolution in interactions. In: McKinsey Quarterly, 41. Jg., 2005, 4. URL = http://www. mckinseyquarterly.com/article_page.aspx?ar=1690&L2=18&L3=30 (08.05.2007) • Shirky, C., 2003: A Group Is Its Own Worst Enemy. URL = http://www.shirky. com/writings/group_enemy.html (19.04.2005)

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Tim Romberg und Hans-Jörg Happel FZI Forschungszentrum Informatik an der Universität Karlsruhe (TH) Forschungsbereich IPE

wikis Die Wissensmanagement-Lösung für Unternehmen?

Wissen ist die Schlüsselressource für die Wettbewerbsfähigkeit moderner Unternehmen. Der Erfolg sogenannter Social Software, wie zum Beispiel Wikis, im öffentlichen Internet weckt derzeit das Interesse, diese unternehmensintern einzusetzen und damit Defizite klassischer Wissensmanagement-Lösungen zu überwinden. Wir erläutern Prinzipien, Einsatzbereiche und Chancen von Wikis, aber auch mögliche Probleme. Anschließend zeigen wir zukünftige Entwicklungen auf und beschreiben die Umrisse eines Gesamtkonzepts für Wissensmanagement in agilen Unternehmen. wissensmanagement << Seite 21


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wissen im unternehmen In den letzten 30 Jahren vervielfachten Unternehmen die Produktivität ihrer Kernprozesse erfolgreich durch Reengineering, Automatisierung und das Outsourcing von Tätigkeiten außerhalb der eigenen Stärken. Darin liegt aber auch eine große Gefahr: Zusätzliche Produktivitätsgewinne sind auf diesem Weg kaum mehr möglich, und die Wettbewerber, zum Teil auch neue Player aus Niedriglohnländern, haben bei den bisherigen Verbesserungen gleichgezogen. Unternehmen differenzieren sich immer mehr durch die Erfüllung von Spezialanforderungen und kundennahe Dienstleistungen. Wertschöpfende Tätigkeiten verlagern sich dabei zunehmend in Bereiche mit einem hohen Anteil unstrukturierter, wissensintensiver Prozesse (Johnson 2005). Charakteristisch für diese sogenannte Wissensarbeit (Drucker 1973) ist ein hohes Maß an Komplexität, ein großer Einfluss von Erfahrungswissen sowie ein hoher Anteil von Kreativität und Entscheidungen. Die organisatorische Aufgabe, die ausführenden Wissensarbeiter mit den erforderlichen Informationen zu versorgen, wird als Wissensmanagement bezeichnet. Klassische Zielgrößen sind die Steigerung der Produktivität von Wissensarbeitern, der Wissenstransfer auf neue Mitarbeiter und die Reduktion der Abhängigkeit von einzelnen Wissensträgern. Unternehmen mit einem hohen Anteil an Beratungs-, Dienstleistungs- und Ingenieurtätigkeiten verfügen traditionell über ein breites Methodenspektrum im Wissensmanagement. Dabei spielt auch Informationstechnologie eine wichtige Rolle. Begünstigt wurde diese Entwicklung durch die steigende Anzahl von Arbeitsplatzrechnern und deren Vernetzung (Grudin 1994). Wissensmanagement-Systeme (Maier 2003) umfassen die seit Anfang der 1990er eingeführten Kommunikationswerkzeuge, Dokumentenablage und -management, Seite 22 >> wissensmanagement

Groupware bis hin zu spezialisierten Expertensystemen. Neben bemerkenswerten Erfolgen dieser Systeme hat der praktische Einsatz auch einige Probleme aufgezeigt: • Mangelnde Akzeptanz durch geringe Motivation (Cabrera und Cabrera 2002; Wasko und Faraj 2005) oder die Angst, sensible Informationen preiszugeben (Ardichvili 2003; Orlikowski 1992); • eine Zersplitterung und Wucherung in zu viele einzelne Datenbanken, oft mit veralteten und unvollständigen Daten sowie • zu starre Strukturen (insbesondere bei Workflows und Taxonomien), welche dazu führen, dass um die IT-Lösung herumgearbeitet wird, da sie nicht mit den Anforderungen flexibler Ad-hoc-Zusammenarbeit harmonieren. Zudem sind viele Wissensmanagement-Systeme auf die Bedürfnisse großer Unternehmen zugeschnitten. Für kleine und mittlere Unternehmen sind sie zu kostspielig und schwierig zu pflegen. Aus den genannten Gründen ist mit der Zeit ein Bedarf an offenen, leichtgewichtigen Systemen zur Unterstützung des Wissensmanagements entstanden. Seit einigen Jahren wurde eine neue Reihe von Anwendungen im Internet angeboten, die diese Lücke schließen. Diese Social Software (Hippner 2005) basiert auf den Prinzipien Freiwilligkeit und Selbstorganisation. Beiträge werden durch niedrige Zutrittshürden erleichtert und liefern einen sofortigen Nutzen für den Anwender. Aus kleinen Beiträgen vieler Anwender entstehen wiederum imposante Ergebnisse. Beispiele für die Ergebnisse solcher Gemeinschaftswerke sind die BookmarkSammlung del.icio.us, die Foto-Community Flickr und die Wiki-basierte Enzyklopädie Wikipedia. Viele dieser Anwendungen wurden erfolgreich in einen Unternehmenskontext übertragen (McAfee 2006). Studien zeigen daher ein

wachsendes Interesse am betrieblichen Einsatz von Social Software, der sich nicht zuletzt auch in der regen Beteiligung am Arbeitskreis Wissensmanagement des MFG Innovationspro-

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gramms Web 2.0 gezeigt hat. Wikis erscheinen uns für das Wissensmanagement als der zentrale Baustein.

wikis Was bei Wikipedia heute zu einer schon recht komplexen Anwendung mit vielen Bausteinen, Regeln und Rollen herangewachsen ist, begann 1995 als ein recht primitives Programm des Softwareingenieurs Ward Cunningham. Sein WikiWikiWeb diente in der Folge einer Software-Community zur Erfassung von Projektmanagement-Mustern. Da zwischen diesen Mustern oft Beziehungen bestehen, bot sich Hypertext (elektronischer Text mit Querverweisen) an. Die Standards des World Wide Web und übliche Browser unterstützen jedoch bis heute das Publizieren und gemeinsame Bearbeiten von Hypertext nur schlecht. Cunningham gelang mit dem WikiWikiWeb ein Weg, wie jeder Benutzer Webseiten (Wikiseiten) recht leicht aus Standardbrowsern heraus bearbeiten kann, so wie es für Hypertext eigentlich immer vorgesehen war. Konzeptionell neu am Wiki war, wie Links auf nicht existierende Seiten interpretiert werden: Statt einer Fehlermeldung erhält der Benutzer ein leeres Feld und die Aufforderung, etwas zum betreffenden Thema zu schreiben. Wiki-Systeme verwirklichen darüber hinaus die folgenden technischen und sozialen Prinzipien: Themen-Fokus. Anders als klassische Internetoder Intranetseiten stellen Wikis das Konzept einer Seite bzw. eines Artikels in den Vordergrund. Jede Seite eines Wikis ist über einen sprechenden Namen adressierbar, der in der Regel wie ein Titel den Inhalt der Seite vorgibt. Somit sammeln sich Informationen zu einem Thema kontinuierlich an – Wikis erfüllen eine klassische Glossarfunktion.

Offenheit. Der partizipative Charakter von Wikis basiert insbesondere auf freigiebigen Zugriffsund Änderungsrechten (Leuf und Cunningham 2001). Die fehlende Zugriffskontrolle wird dabei durch Vertrauen in die Nutzer und soziale Kontrolle ersetzt (Viégas 2004). Das Fehlen eines expliziten Autors senkt die Beitragshürde und führt dazu, dass sich mehrere Nutzer für einen Artikel verantwortlich fühlen. Dieses Aufbrechen der Trennung zwischen Autoren und Lesern ist nicht nur für das Internet, sondern auch für Intranet-Anwendungen neu (Buffa 2006). Transparenz. Der Entstehungs- und Änderungsprozess der Inhalte ist für jeden sichtbar. Wichtige Funktionen hierfür sind die Änderungshistorie jeder Seite, Benachrichtigungen bei Änderungen sowie die Liste zuletzt geänderter Seiten im Wiki. Die „Wikipedia trust coloring demo“ (Adler und De Alfaro 2007) sowie der WikiScanner zeigen eindrucksvoll, wie solche Informationen bei der Einschätzung von Artikeln hilfreich sein können. Flexibilität. Herkömmliche Wissensmanagement-Lösungen geben oft ein bestimmtes Strukturierungsparadigma, wie zum Beispiel hierarchische Taxonomien oder Ordnersysteme, Chronologie oder Tabellen/Formulare mit festen Feldern, vor. Notwendigerweise ist dabei jemand zentral für die Verwaltung dieser Struktur zuständig; einzelne Benutzer können sie nicht anpassen. Dies ist sicher ein Grund für den Vorwurf der „Starrheit“ und die Phänomene der Zersplitterung und des „um das System Herumarbeitens“. Das Hypertext-Paradigma wissensmanagement << Seite 23


von Wikis macht es dem Benutzer leichter, die für seine Inhalte passende Struktur zu wählen. Ihre Flexibilität – auch bei der Verlinkung externer Quellen – führt dazu, dass sie häufig als Glue-Code in einer Anwendungslandschaft eingesetzt werden, das heißt alle Informationen und Verknüpfungen aufnehmen, für die in anderen Systemen kein Raum ist. Metainformation und Kommunikation werden bei Wikis oft unter die eigentliche Information gemischt. So findet man zum Beispiel oft Nachfragen nach fehlender Information, Anleitungen zum Aktualisieren („Neue Projekte bitte hier verlinken“) oder Markierungen für ausstehende redaktionelle Aufgaben („Diese Seite sollte mit Seite X zusammengefasst werden“). Wikis enthalten also zugleich Ergebnisse als auch Prozesse der Wissensarbeit. Reifung. Während ein gewöhnliches Dokument das Wissen darstellt, welches der Autor oder die Autoren im Zeitraum vor seiner Veröffentlichung gesammelt haben, geht beim Veröffentlichen einer Wikiseite deren Leben erst richtig los, und sie kann in Folge Beiträge von all denen einsammeln, die sich für das Thema interessieren. Da es in Wikis idealerweise nur eine Seite pro Thema gibt (vgl. Fokus), gilt das Konsensprinzip – das heißt Autoren ergänzen

Tab.1: Vergleich von Wikis mit anderen Social Software-Tools

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und verfeinern die Beiträge ihrer Vorgänger. Somit unterstützen Wikis optimal das Konzept der Wissensreifung (Maier und Schmidt 2007). Oft führen erst die vielen inkrementellen Beiträge zu qualitativ hochwertigen Ergebnissen. Im Idealfall können die Nutzer so im Wiki ihre gemeinsame Realität abbilden. Während dies bei der Wikipedia der geteilte enzyklopädische Wissensschatz ist, handelt es sich bei organisationsinternen Wikis um alle möglichen Entitäten wie Mitarbeiter, Produkte, Projekte, Standorte, Kunden, Technologien oder Wettbewerber (Lehner 2000).

Wann Wikis einsetzen?

Wikis werden oft in einem Atemzug mit Blogs, Social Bookmarking unter dem Schlagwort Social Software genannt. Wikis unterscheiden sich dabei von Social Bookmarking (zum Beispiel dem eingangs erwähnten del.icio.us) zum einen dadurch, dass ihre Inhalte eher Dokumenten als Datensätzen ähneln; zum anderen, dass es gemeinsam verantwortete Inhalte sind, während beim Social Bookmarking Inhalte immer persönlich erfasst und dann automatisch (zum Beispiel als Statistik) aggregiert werden. Die folgende Tabelle zeigt die Einordnung anhand der beiden Dimensionen:

Wikis erscheinen aus diesen Gründen besonders gut geeignet bei: • Sachbezogenen/technischen Inhalten • Inhalten mit relativ langer Halbwertszeit • Schwacher inhärenter Inhaltsstruktur • Geringen Macht- und Kompetenzunterschieden der Benutzer • Gemeinsamen Zielen der Benutzer • Fokus auf Kreativität und Innovation Sie sind oft weniger gut geeignet bei: • Starker und gut modellierbarer Struktur der Inhalte • Datenbanken • Zeitbezogenen Inhalten • Foren, Mailinglisten • Persönlich geprägten Inhalten • Blogs • Klarer Rollenverteilung zwischen Autoren und Lesern • Content-Management-Systemen • Fokus auf Effizienz von Routine-Prozessen • Workflows

Heutige Verbreitung in Unternehmen

Während Wikis zunächst überwiegend von Technologie-affinen Unternehmen genutzt wurden, halten sie heute mehr und mehr Einzug in die Unternehmenswelt. Ein Hinweis darauf sind Enterprise-Wiki-Angebote von Firmen wie Atlassian, Socialtext, Central Desktop und neuerdings auch IBM und Intel. Aktuelle Umfragen (Economist 2007; McKinsey 2007) haben ergeben, dass ca. 33 Prozent der befragten Unternehmen Wikis bereits nutzen oder dies in Zukunft planen. In größeren Unternehmen finden sich heute noch häufig viele dezentrale Wiki-Installationen, die auf Betreiben einzelner Mitarbeiter eingeführt wurden (Buffa 2006). Vereinzelt werden Wikis aber auch schon strategisch und unternehmensweit eingesetzt. Bemerkenswert ist dabei, dass auch bei großen Installationen das Prinzip des offenen Zugriffs und der so-

zialen Kontrolle anscheinend funktioniert. Während es bei der Wikipedia häufiger zu Edit Wars kommt, bei denen verschiedene Gruppen ihre Beiträge gegenseitig löschen, wird aus der Unternehmenswelt bisher nichts derartiges berichtet.

Erfahrungen

Überzeugte Power User sind gerade in der ersten Aufbauphase eines Wikis unabdingbar, um auf verschiedenen Kanälen auf das Wiki hinzuweisen, eine kritische Masse an nützlichem Inhalt zu erfassen und produktive Strukturen für die Kollaboration zu schaffen. Ideal ist es, wenn beim Start bereits Inhalte aus Vorgängersystemen übernommen werden können. So hat zum Beispiel auch die Wikipedia zeitweise massiv Inhalte aus alten Brockhaus-Ausgaben oder dem CIA Factbook übernommen, für die freie Verwendungsrechte bestanden, um ihre Themenabdeckung und damit Autorenbasis zu verbreitern. Typische Probleme, die beim Einsatz von Wikis genannt werden, sind: Benutzbarkeit und Produktivität. Obwohl Wikis das Bearbeiten von Seiten gegenüber HTML stark erleichtern, sind sie noch weit von dem Komfort einer zeitgemäßen Textverarbeitung entfernt. Autoren müssen Kürzel beherrschen und sich Seitennamen exakt merken. Die Integration mit dem Desktop (zum Beispiel das Einfügen von formatiertem Text) ist mangelhaft. Auch wenn Benutzer diese Barrieren überwinden, besteht immer noch die Gefahr, dass viel Arbeitszeit dabei vergeudet wird. „Wuchern“ und andere Qualitätsprobleme. Viele Seiten werden nach kurzer Zeit nicht mehr weiter gepflegt und veralten. Inhalte mehrerer Seiten überschneiden oder widersprechen sich sogar. Mögliche Gründe: Das Neuordnen von Inhalten ist relativ umständlich. Man hat Angst, den ursprünglichen Autoren auf die Füße zu treten. Es fehlt an Transparenz, was schon alles existiert. wissensmanagement << Seite 25


Insellösung. Die Integration mit existierenden Unternehmensanwendungen wird selten unterstützt – selbst das Verlinken interner WebRessourcen ist umständlich und fehlerträchtig. Oft werden schon vorhandene Informationen daher nochmals manuell im Wiki erfasst oder hineinkopiert. Sozial unterentwickelt. Die Orientierung an Themen und die kollektive Verantwortung heißt gleichzeitig, dass soziale Seiten der Kommunikation (Appell, Selbstdarstellung, Beziehung, vgl. Schulz von Thun 1981) leicht zu kurz kommen. Anders als bei E-Mail oder Workflows gilt es bei Wikis als sozial akzeptabel, neue Inhalte zunächst nicht zu lesen oder Anfragen zu ignorieren.

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Unternehmensübergreifender Einsatz erfordert verschiedene Zugriffsrechte für verschiedene Gruppen und die Sicherheit für jeden, eigene Beiträge auch in Zukunft im Zugriff zu haben. Heutige Wikis unterstützen dies nur schlecht. Offline-Zugriff. Gerade wenn Wikis im Unternehmen großen Erfolg haben, stehen dort auch essentielle Informationen, die man unterwegs braucht. Und viele wichtige potenzielle Benutzer (zum Beispiel im Vertrieb) sind häufig unterwegs und könnten auch dann beitragen. Im nächsten Abschnitt zeigen wir aktuelle Ansätze, um diese Probleme zu überwinden.

über die Systeme verteilten Unternehmensinformationen nutzen. In diese Richtung geht beispielsweise SystemOne. Während man einen Text schreibt, bietet SystemOne automatisch Informationen aus verschiedenen Quellen an, die mit den Schlagwörtern im Text zu tun haben.

Semantische Wikis und Wikis mit Datenbank-Funktionen

In vielen Szenarien hat ein Teil des Wissens eine regelmäßige Struktur, der andere nicht. Die Strukturen erlauben Funktionen wie Umsortieren, Zusammenfassen (zum Beispiel als Statistik), Kombinieren, die normale Wikis nicht anbieten. Um für den strukturierten Teil nicht wieder ein anderes Werkzeug zu benutzen, beinhalten heute schon einige Wikis besondere Funktionen zum Erfassen strukturierter Informationen in Formularen (zum Beispiel TWiki). Allerdings ist man hier an ein zentral definiertes Schema oder Formular gebunden,

trends für das enterprise wiki der zukunft Benutzbarkeit und Produktivität

Bisherige (webbasierte) Wikis konnten deshalb nicht so komfortabel gestaltet werden, weil es recht aufwändig war, mit dynamischem HTML mehr Komfort zu realisieren. Inzwischen stehen erstens mächtige Fertigkomponenten für dynamisches HTML (AJAX-Technik) zur Verfügung; zweitens werden Plattformen für Rich Internet Applications (Microsoft .NET Smart Clients, Adobe Flex & AIR, Java Web Start) reif für den Einsatz in der Breite. Diese bieten den vollen Komfort einer DesktopAnwendung, erfordern aber keine Installation. Besonders für Nutzer, die viel schreiben, lohnt sich sogar die Installation eines Clients, der dann auch Offline-Arbeitsmöglichkeiten bietet. Einen Prototyp hierfür liefert zum Beispiel das Projekt Mindquarry. Im folgenden Screenshot ist beispielsweise erkennbar, wie auf Basis des ausgewählten Textes Links zu anderen Seiten, aber auch zum Beispiel zu Dateien, vorgeschlagen werden:

Seite 26 >> wissensmanagement

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Abb.1: Dialog „Link einfügen“ in Mindquarry (Bildquelle: www.mindquarry.org)

Integration von Unternehmensdaten

Um die „Insel Wiki“ mit der existierenden Unternehmens-IT zu verbinden, gibt es zwei zueinander komplementäre Ansätze: Wikis als Baustein zum Beispiel im Unternehmensportal integrieren. Diesen Weg gehen u.a. Microsoft Sharepoint 2007 oder Intrexx. Aus dem Wiki heraus Zugriff auf Unternehmensdaten erlauben... und so das Wiki selbst als Portal, den Wikitext als Glue-Code für die

was zu einer Problemquelle klassischer Groupware zurückführt. Mächtiger und flexibler sind semantische Wikis wie beispielsweise Semantic Mediawiki, die das Formulieren formaler semantischer Aussagen erlauben, die anschließend abgefragt werden können. Hier ist kein zentrales Schema erforderlich. Allerdings verschärfen sich hier die Benutzbarkeitsprobleme der Wikisyntax bei webbasierten Clients. Zukunftsträchtig erscheint daher die Kombination mit Rich Clients in sogenannten Knowledge Desktops, wie sie im Forschungsprojekt Nepomuk entwickelt werden. Schließlich erlauben semantische Technologien, Unternehmensdaten nicht bloß zu verlinken, sondern logisch zu verknüpfen. Dies wird beispielhaft für Software-Engineering-Szenarien im Forschungsprojekt Waves mit Hilfe eines Wiki Rich Clients realisiert.

wikis und web 2.0 im agilen unternehmen von morgen Wir haben in diesem Artikel die Grundprinzipien, Einsatzbereiche von und Erfahrungen mit Wikis für das Wissensmanagement im Unternehmen gezeigt. Auch die Wikis von morgen werden aber nach unserer Einschätzung nur eine von mehreren Bausteinen sein, um Unternehmen agiler zu machen. Agiler heißt: • Nicht nur Effizienz, Stabilität und Fehlerfreiheit in gut kontrollierbaren Prozessen zu beherrschen, sondern ebenso Innovation, Dynamik und Kreativität; • Feedbackzyklen zu verkürzen; • auch die Kreativität von Kunden, Partnern und der Öffentlichkeit einzubinden; • Wissensarbeiter als die Schlüsselressource

des Unternehmens gemeinsam produktiver zu machen Zukünftige IT kann dies in vielerlei Hinsicht unterstützen (vgl. darüber hinaus BITKOM 2007): Integriertes Kompetenzmanagement. In vielen Großunternehmen existiert bereits ein von der Personalabteilung betriebenes zentrales, explizites Kompetenzmanagement. Dabei werden Kompetenzen modelliert, explizit von Mitarbeitern erfasst, und dienen dann unter anderem zur Zusammenstellung von Teams und zum Abgleich zwischen Bestand und Bedarf. Networking-Portale wie Xing zeigen das Potenzial wissensmanagement << Seite 27


dezentraler, unternehmensübergreifender Lösungen. Auch Blogs können funktionierende Netzwerke zwischen den Experten in einem bestimmten Gebiet bilden. Sie weisen den Weg zur impliziten, IT-gestützten Identifizierung von Kompetenzträgern über die von ihnen verantworteten Inhalte (vgl. Braun: 2007). Jenseits der unternehmensweiten Suche. Heute sind Unternehmen schon glücklich, wenn sie für alle Informationssysteme einen gemeinsamen Zugang, zum Beispiel als Portal, mit Single SignOn und gemeinsamer Suche, anbieten können. Für viele Szenarien ist es jedoch notwendig, Informationen aus verschiedenen Systemen zu

verknüpfen, was heute noch oft manuell, beispielsweise per Tabellenkalkulation geschieht. Das Veröffentlichen von offenen Dienstschnittstellen (SOA) ermöglicht in Zukunft Mashups mit wenigen Zeilen Code zu bauen. Zweitens gibt es bei der Suche noch viele ungenutzte Möglichkeiten zur Kollaboration: So lassen sich aus einer Analyse der Suchanfragen in einem Unternehmen möglicherweise Wissensbedarfe aufspüren; Communities von Wissenssuchenden können gebildet werden; beim Ranking von Ergebnissen kann vergangenes Verhalten von Teamkollegen berücksichtigt werden, und viele andere mehr.

hans-jörg happel Hans-Jörg Happel, Diplom-Wirtschaftsinformatiker, ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am FZI Forschungszentrum Informatik an der Universität Karlsruhe (TH) in der Gruppe von Prof. Rudi Studer. Er forscht dort im EU-geförderten Projekt TEAM sowie im BMBF-Projekt Waves an Technologien zum Wissensaustausch in verteilt arbeitenden Teams. Weitere Forschungsinteressen sind die Anwendung von Ontologien im Software-Engineering sowie die Verknüpfung von Suche und Wissensakquisition mit semantischen Wikis. happel@fzi.de • www.fzi.de/ipe

tim romberg Kompetenzanforderungen

Prozessgestaltung

Prozessoptimierung

GeschäftsprozessManagement

Erfolg smess Bildu ngsco ung & ntroll ing Anwendung von Wissen in ausgeführten Geschäftsprozessen

Kompetenzorientierte Personalentwicklung Lernprozesse Wissen teilen

Wissenserzeugung im Kontext von Geschäftsprozessen

Tim Romberg, Diplom-Wirtschaftsingenieur, ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am FZI in der Gruppe von Prof. Wolffried Stucky und freier Berater. Seine Tätigkeiten umfassen die Themen Softwareökonomie, Kollaboration, Enterprise Social Software und Business Intelligence. Mit Hans-Jörg Happel arbeitet er im Projekt Waves und moderierte den Arbeitskreis Wissensmanagement im Innovationsprogramm Web 2.0 der MFG Baden-Württemberg.

Kompetenzmessung und -diagnose

WissensManagement

Auswahl von Entwicklungsmaßnahmen Individuelle Lernpfade

romberg@fzi.de • www.fzi.de/ipe

E-Learning Erstellen von Lernobjekten

Literatur Speicherung von Wissensartefakten

Abb.2: Eine integrierte Sichtweise auf Wissens-, Geschäftsprozess- und Kompetenzmanagement sowie E-Learning (Bildquelle: Kunzmann und Schmidt 2007)

Wissensreifung – von persönlichen Notizen bis zum Embedded Learning. Die Wissensreifungstheorie (Maier und Schmidt 2007) verkörpert die Idee, dass Wissen in Unternehmen einen Reifungsprozess von informellen Ideen, Ganggesprächen und Notizen hin zu formalisiertem, standardisiertem Lernmaterial durchläuft. In heutigen Unternehmen wird dieser Reifungsprozess jedoch mehrfach durch organisatoriSeite 28 >> wissensmanagement

sche und technische Barrieren behindert. Wikis können heute schon mittlere Phasen dieses Prozesses überbrücken, da sie sowohl für schnelle Notizen als auch für große Kompendien geeignet sind. Zukünftige Lösungen werden den gesamten Reifungs- und Aktualisierungsprozess unterstützen (Braun und Schmidt 2007).

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2.geschäftsmodelle André Hellmann: Geschäfte machen im Web 2.0 Heiko Wöhr: Neue Geschäftsmodelle mit Web 2.0?

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André Hellmann zelect GmbH, Karlsruhe

geschäfte machen im web 2.0 Eine aktuelle Betrachtung der Chancen und Risiken von Web 2.0-Geschäftsmodellen

Im Internet steckt sehr viel Energie. Genau wie in den Menschen, die es „machen“. Wie kann man diese Energie effizient nutzen, um Mehrwerte zu schaffen und auch ökonomisch erfolgreich zu sein? Dazu werden zunächst die aktuellen sozio-demografischen und psychografischen Variablen betrachtet und anschließend die wichtigsten Lektionen zusammengefasst. geschäftsmodelle << Seite 33


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großes geld im „world wide web“ Der Traumberuf des beginnenden 21. Jahrhunderts: Nicht mehr Rockstar oder Topmodel, sondern Internet-Unternehmer. Reich werden wir, die Gründer von MySpace, YouTube oder studiVZ, das treibt heute nicht mehr nur „nerdy“ IT-Absolventen an. Ob BWL-Student, freiberufliche Esoterikerin oder arbeitsloser Pädagoge: Jeder hat eine Idee für ein soziales Netzwerk, eine Rechercheseite oder einen Community-Shop; schreibt einen Blog, spricht einen Podcast oder ist aktiv auf einem YouTube-Kanal. Jeder wünscht sich die Millionen Nutzer. Und jeder hofft darauf, so auf die Einkaufslisten großer Investoren zu kommen, die dann Millionenbeträge überweisen und fürs „Geschäftsführen“ dicke Gehälter bezahlen. Nüchtern betrachtet handelt es sich hier um das Hollywood-Syndrom: Von den Millionen Angeboten im Internet (in L.A. sind es Schauspieler) werden es sehr wenige schaffen, die Wünsche des Erfinders und Betreibers wahr werden zu lassen. Die Chancen für realistischere Personen, daraus einen soliden Grunder-

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werb oder Nebenverdienst zu erreichen, stehen schon besser und es wird sicherlich für viele Möglichkeiten geben. Doch die allermeisten Start-ups der Web 2.0-Welle werden von der Masse überhaupt nicht entdeckt, von wenigen erinnert und verkümmern auf anonymen Webservern in riesigen Rechenzentren. So bleibt das „große Geld im Internet“ wenigen vorbehalten. Die meisten davon werden aus asiatischen oder nordamerikanischen Gefilden kommen, weil dort die Zielgruppen für den Mehrwert der Web 2.0-Angebote größer sind und schneller mehr potenzielle Mitglieder erreicht werden können. Vergleichbare Nutzerzahlen in Europa sind schon aufgrund der Aufwände für internationales Marketing und der Sprachenvielfalt für ein Start-up schwer zu realisieren. Trotzdem gibt es Chancen für deutsche und europäische Internet-Geschäftsmodelle. Wer elegant Risiken umschifft und aus zahlreichen Lektionen anderer Abenteurer lernt, hat guten Grund, sein digitales Glück zu suchen.

standortbestimmung Für Geschäfte bedarf es Kundschaft. Egal ob die Erlöse von Werbekunden oder den Nutzern selbst kommen sollen – erst einmal muss jemand durch die virtuelle Türe treten. Dabei hilft es stark, wenn man sich erst einmal ein Bild vom Markt macht: den Nutzern, deren Probleme, Erwartungen, Sorgen und Wünsche sowie den Nutzungs-Voraussetzungen (Abb.1). Zunächst also einmal der Gesamtmarkt. Laut aktueller Ergebnisse der AGOF (www.agof.de) sowie des (N)Onliner-Atlas der TNS Infratest sind gut 60 Prozent oder knapp 40 Millionen der Deutschen regelmäßig im Internet (Ergebnisse AGOF 2007-II und des 2007er Atlas). Seite 34 >> geschäftsmodelle

Abb.1: Nationales Wachstum der Internet-Nutzer (Bildquelle: (N)Online-Atlas 2007 | TNS INFRATEST)

Abb.2: Anteil der Internet-Nutzer nach Alter (Bildquelle: (N)Online-Atlas 2007 | TNS INFRATEST)

Gut 40 Prozent waren erst gestern „surfen“, was einer Intensiv-Nutzer-Gemeinde von 27 Millionen Menschen entspricht (Abb.2-4). Dass die Dichte der Nutzer mit zunehmendem Alter sinkt, erklärt sich von selbst; genauso die Verteilung über weitere, demografische Variablen wie Bildung und Haushaltseinkommen (siehe Diagramme). Wir können also davon ausgehen, dass unsere Nutzer eher jung sind und wenige materielle Sorgen haben. Weiterhin sind sie eher gebildet oder auf dem besten Weg dorthin (Abb.5). Abb.3: Bildung und Ausbildung der Internet-Nutzer (Bildquelle: (N)Online-Atlas 2007 | TNS INFRATEST)

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Nutzer sofort auf seinen Zug aufspringen. Mitunter kann es eine Weile dauern, bis sich eine kritische Masse gefunden hat. So kann es zum

Beispiel keiner erklären, warum Friendster nie abhob und MySpace schnell sehr hoch flog – wahrscheinlich war es einfach vor seiner Zeit.

Abb.4: Monats-Haushalts-Einkommen der Internet-Nutzer (Bildquelle: (N)Online-Atlas 2007 | TNS INFRATEST)

Abb.6: Genutzte Online-Anwendungen in Prozent (Bildquelle: ARD/ZDF Online-Studie 2007)

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die lektionen im einzelnen Auf dem Teppich bleiben

Abb.5: Thematische Nutzungsschwerpunkte in Prozent (Bildquelle: internet facts 2007/II | AGOF)

Der nächste Sprung geht nun also in Richtung Nutzerverhalten: Welche „Dinge“ fragen sie im Internet konkret nach? Und wie verbreitet und benutzt sind Web 2.0-Inhalte und -Funktionen (Abb.6)? Wie die Abbildung darstellt, wird die meiste Zeit im Internet mit alt bekannten Themen verbracht: Mailen, Surfen, Banking. Das machen selbst die „Silver Surfer“ und „Best Ager“ mit. Dünner wird die Luft bereits bei der Nutzung Seite 36 >> geschäftsmodelle

von audiovisuellen Medien sowie beim Shopping. Und die Aktivitäten der frühen Mehrheit könnte man Angeboten zuordnen, die nahe an die Definition vom Web 2.0 kommen. Diese Realität muss man neutral vor Augen haben. Die Nutzungszahlen und die Intensität für die neuen Angebote steigen und werden dies weiterhin tun, während die Liste von oben verlängert wird. Aber wer heute startet, kann nicht damit rechnen, dass alle aktuellen Internet-

Der erste Klimmzug ist der härteste. Man muss oben an der Stange ankommen, um darüber blicken zu können und von anderen wahrgenommen zu werden. Und dazu braucht man entweder viel Muskeln in Form von Kapital oder man muss zäh sein: Viel Arbeit, wenig Schlaf und trotzdem die Kraft, Höhen und Tiefen erleben zu können. Um einen zeitlichen Horizont in die Sache zu bringen, muss das Geschäftsmodell glasklar sein: Kapitalherkunft, dessen Verwendung und die zu erwartende Rendite muss mengen- und

zeitmäßig geklärt sein. Wann kommt aus welcher Quelle Umsatz? Und wofür wird bezahlt? Wann bekomme ich das erste Mal Geld für Miete und Brot? Alle mit einem Unternehmer-Herz in der Brust sind in dieser Hinsicht weniger schmerzempfindlich: Fakt ist jedoch, dass wir alle wohnen und essen müssen. An die persönliche Finanzierung zu denken ist ein ganz wesentlicher Bestandteil gerade zu Beginn der Tätigkeit. Denn nichts ist schlimmer, als sich in der Mitte der Anstrengungen nicht mehr auf das Projekt konzentrieren zu können. geschäftsmodelle << Seite 37


Der Nutzer braucht einen Mehrwert

Für alle, die es noch nicht mitbekommen haben: Es gibt bereits soziale Netzwerke für alle erdenklichen Zielgruppen. Dasselbe gilt für Blogs, Link-Sammlungen, Shops und andere Services. Man muss ganz scharf nachdenken, um noch eine wahre Innovation zu finden und nicht nur ein amerikanisches oder asiatisches Projekt zu „übersetzen“. Und sind wir einmal ehrlich: Potenzielle Nutzer von Web 2.0-Anwendungen sprechen Englisch in ausreichendem Maß. Gehen wir davon aus, dass es sich nicht um eine Innovation handelt, sondern um ein Nischenangebot mit bekanntem Funktionsumfang anderer Modelle: Wer genau ist die Zielgruppe dafür? Warum würde sich jemand ein weiteres Profil dort anlegen, dass er pflegen und regelmäßig besuchen sollte? Die klare Definition der Zielgruppe und Differenzierung für diese sind das A und O des Projekts. Für wen ist es und warum ist es gut für sie/ihn? Marginale Mehrwerte sind nicht Grund genug, um einen Nutzer oder Kunden zu gewinnen. Und der Mehrwert an sich hat nicht zu viele Ausprägungen. Eigentlich beschränkt er sich auf zwei: a) Ich kann es billiger. Sind meine Produkte oder Werbeplätze billiger als bei anderen, vergleichbaren Anbietern? Reichen mir die Einnahmen aus Anzeigen von Werbenetzwerken? Genügt eine geringere Nutzer-Gebühr? b) Ich kann es besser. Ist mein Netzwerk für Zielgruppe XY besser als das andere? Warum ist es besser? Und für wen ist es besser? Und gibt es davon genug, um an Bedeutung zu gewinnen? Jeder, der den Geldbeutel aufmachen soll, wird eine Kosten-Nutzen-Rechnung erstellen. Muss ich das ausgeben? Oder bekomme ich es anderswo günstiger. Dies gilt für kostenpflichtige Unterhaltung und Services noch um vieles Seite 38 >> geschäftsmodelle

mehr als für den Kauf von Waren und Informationen.

Exkurs in die Online-Werbung

Die November-Ausgabe der Horizont bezeichnet sie als das „Digital Manna“ (HORIZONTAusgabe vom 15.11.2007): die stets steigenden Werbeetats für das Internet. In den USA sollen diese sich bis 2011 sogar verdoppeln und auf 42 Milliarden US-Dollar anschwellen. Da liebäugelt man schnell damit, sich etwas von dem vermeintlich großen Kuchen abzuschneiden. In diesem Jahr wurden bis September insgesamt 756 Millionen Euro in Online-Werbung investiert (Quelle: Pressemitteilung Nielsen Media Research vom 18. Oktober 2007). Nicht ohne Grund hat auch Lars Hinrichs (Xing-Gründer und CEO) entschieden, Werbung zu schalten, nachdem sie über Jahre tabu war. Alleine von den Nutzern kommt das monetäre Wachstum heute nicht mehr. Wenn ca. zwölf Prozent der heutigen Nutzer zahlen, jedoch der Zustrom der neuen Nutzer abebbt, da der Markt für Netzwerke gesättigt ist, müssen die versprochenen Umsätze aus anderen Quellen kommen, um nicht hinter den Erwartungen der Investoren zurückzubleiben. Gerade die großen Communities müssen sich hier nun der Marktrealität stellen und Farbe bekennen. Solange die Schar der Nutzer wächst, kann über den Unternehmenswert alles finanziert werden. Das beste Beispiel dafür ist das soziale Netzwerk „Facebook“, das für den Rekordwert von 240 Millionen Dollar gerade einmal 1,6 Prozent der Anteile an den SoftwareGiganten Microsoft verkauft hat. Das beziffert den Unternehmenswert der Community auf sage und schreibe 15 Milliarden US-Dollar. Doch Unternehmenswert alleine macht die Kassen nicht voll. Schwächelt die Zahl der Neuanmeldungen oder der Nutzeraktivitäten, müssen Umsätze her, um Geld in die Kassen zu bringen. So schließt sich der Kreis, und wir sprechen wieder über Werbefinanzierung.

Generell muss zur Werbefinanzierung Folgendes gesagt werden: Bevor man in seinen Businessplan schreibt, dass man darüber seine neue Präsenz einmal refinanzieren möchte, sollte man sich darüber informieren, wie Werbung funktioniert. Sie ist nämlich alles andere als „leicht verdientes Geld“. Gerade bei sozialen Netzwerken spaltet sie sich alsbald auf: Netzwerke mit wenigen Nutzern und Traffic sind uninteressant und irrelevant (ab einer Million Nutzern kann man eine Agentur einmal ansprechen) – Netzwerke ab einer Million Nutzer müssen sich schon gut überlegen, wie ihr Werbemodell aussieht. Denn mit einem TausenderKontakt-Preis brennt man mit Lichtgeschwindigkeit durch ein sehr großes Budget gänzlich ohne messbaren Werbeerfolg. Werbung und Reichweite sind sehr eng miteinander verschlungen. Daher ist es auch verständlich, dass werbefinanzierte Unternehmen diese maximieren möchten; organisch oder über Zukauf. Zwar werden die Etats für Online-Formate auch in Deutschland steigen, der heute stark fragmentierte Markt wird sich sicher aber über kurz oder lang in ein Oligopol wandeln. Der Werbekuchen wird nicht für alle ausreichen und sich wirtschaftlich nur für wenige Angebote mit relevanter Größe rechnen.

Der Nutzer muss vom Mehrwert erfahren

Macht ein fallender Baum im Wald ein Geräusch, wenn keiner da ist? Die Antwort weiß niemand, aber jeder denkt sich: Ist doch egal. Gleiches gilt für Internet-Angebote, die noch so wunderschön sind, aber von denen keiner weiß. Ein solides Marketing-Konzept braucht es also schon; das gilt für Web-Start-ups genauso wie für Friseur-Geschäfte. Die Herkunft der Nutzer sollte also geklärt werden und eine klare Marktbearbeitung erkennbar sein. Alleine eine Mail an alle Freunde zu senden genügt vielleicht für den Start; für stufenloses Wachstum bis über die Relevanz-Grenze

für Investoren oder Werbekunden genügen jedoch die wenigsten Adressbücher. Und auch eCommerce-Start-ups müssen sich klar gegen die zahlreichen Konkurrenten durchsetzen. Nicht ohne Grund arbeiten viele etablierte Marken aus allen Bereichen an ihren eigenen „Communities“: Sie haben Zugang zu einer großen Zahl von Menschen. Egal ob über Anzeigen in den eigenen Blättern, Hinweise auf Verpackungen oder über große Plakatwände; wer täglich viele Menschen erreicht ist wahrscheinlich auch in der Lage, einige davon zu überzeugen, ein Profil auf der hauseigenen Webseite anzulegen. Wichtig ist hierbei die Erkenntnis, dass jedes virtuelle Netzwerk ab einem bestimmten Punkt eine reale Komponente besitzen sollte. Nicht umsonst führte Xing in diesem Jahr „XingAmbassadors“ ein, die sich darum kümmern, lokale Events zu veranstalten und so Nutzern zu Nutzen verhelfen. Fazit ist, dass virales Marketing sicherlich schick klingt und anfänglich Spaß macht. Ausreichend ist es aber eigentlich nur für totale Pioniere, die als Erste ein bis dato nicht adressiertes Problem lösen oder Bedürfnis wecken. Aktuell kann man sagen, dass dies nicht für Xing oder studiVZ galt, als diese Portale starteten. Es gilt aber doppelt für jeden, der mit den beiden konkurrieren möchte.

Der Nutzer muss unterhalten werden

Langeweile bedeutet Tod. Der Mensch ist nämlich nicht immer ein Gewohnheitstier, sondern sucht gerade im Internet oft nach Abwechslung und neuen Impulsen. Schnell ist man in eine neue Anwendung geschnuppert und hat ein Profil angelegt. Auf Treue aufgrund des angesiedelten Freundeskreises darf man nicht hoffen. Wenige Tastendrücke später ist das neue Konto angelegt und die Freunde eingeladen. Notwendig ist daher die Abwechslung im Angebot. Neue Funktionen, neue Anregungen, neue Freunde. Mehr Nutzwert. Mehr persönligeschäftsmodelle << Seite 39


cher Benefit. Und vor allem: Integration in den Lebensstil. Damit es den Mitgliedern auf Facebook nicht langweilig wird, hat das Unternehmen bereits sehr früh eine offene API (für Nicht-Techniker: eine offene Programmier-Schnittstelle) für externe Programmierer angeboten. Dieser haben sich rasch nicht nur Privatpersonen, sondern auch Unternehmen angenommen und für abwechslungsreiche kleine Applikationen gesorgt, die nun auf den Profilseiten der Nutzer laufen und sowohl Information als auch Unterhaltung bieten (Abb.7). Heute sehen selbst die konventionellen Medien die Zukunft in den Plattformen als festen Lebensbestandteil einer jungen Zielgruppe. So bieten die Washington Post und die Mercury News aus San José kleine Applikationen an, mit

denen ihre Leser Nachrichten auf ihren Seiten verfolgen können. Dies mag heute noch in den Kinderschuhen stecken und nicht sehr ausgegoren sein: Dass sich solche Häuser allerdings mit diesen Themen beschäftigen, deutet auf einen klaren Kurs hin. So hat auch Google den Reiz der offenen Programmierschnittstellen entdeckt und bietet mit OpenSocial jetzt eine zentrale Möglichkeit, für mehrere soziale Netzwerke gleichzeitig Anwendungen zu entwickeln. Und während sich studiVZ gegen den Netz-Standard entscheidet, hat Xing bereits die Kooperation zugesagt. Und auch in den USA macht nur eines der beiden Dickschiffe (vorerst) mit: MySpace, bereits seit längerer Zeit Google-Werbepartner, führt die Liste an, während man nach Facebook vergeblich sucht.

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fazit Das Web 2.0 ist heute kein Spielplatz mehr. Es ist in fester Hand von klaren Marktführern, deren Marken in den Zielgruppen bekannt sind. Neueinsteiger müssen sich heute den gleichen Herausforderungen stellen wie in allen anderen Dienstleistungsbereichen: einzigartiger Service oder einzigartiger Preis. Dennoch ist es ein spannendes und lebhaftes Feld, das immer wieder eine neue Überraschung hervorbringen kann. Geniale Ideen umzusetzen muss auch

nicht immer Millionen kosten; und vieles wird heute durch offene Standards ohnehin auch für Laien mit einer guten Idee möglich. Wir werden also sicherlich noch viele Web-Startups erleben, die mit einer Vision starten die Welt zu erobern. Und manche davon werden es nach ganz oben schaffen. Aber auch diese Grundeinstellung haben nicht nur die InternetEntrepreneure eigen: sie gehört dazu zum Unternehmertun. Ob online oder offline.

andré hellmann André Hellmann, Diplom-Betriebswirt, zeichnet sich als Geschäftsführer der zelect GmbH verantwortlich für Beratungsbetreuung im Medienbereich sowie Marketing/Vertrieb der Unternehmung. Nach dem Studium der Ökonomie mit einem Medienschwerpunkt an der Hochschule in Ravensburg übernahm er die Position als Marktforschungs- und Strategiedirektor bei Creative Loafing an der amerikanischen Ostküste. Dort leitete er später als Verleger und Anzeigenleiter die lokale Einheit in Atlanta. Anfang 2006 zog es ihn in die Selbstständigkeit als Berater und Coach für Anzeigenabteilungen in Verlagen und gründete in Deutschland die „beckmann + hellmann media consulting group“, aus der am 1. Juli 2007 die zelect GmbH als Joint Venture mit der agentes AG / PIRONET NDH AG hervorging. In dieser kümmert er sich als geschäftsführender Gesellschafter heute um die strategische Weiterentwicklung, beteiligt sich nach wie vor aktiv an Projekten und leitet den Vertrieb. andre.hellmann@zelect.de • www.zelect.de

Literatur

Abb.7: Ein Screenshot meiner Facebook-Seite am 15.11.2007 mit dem WP-Newstracker

Seite 40 >> geschäftsmodelle

Analysten- und Investoren-Telefonkonferenz zum ersten Halbjahr 2007, 21. August 2007: Präsentation von Lars Hinrichs, Vorstandsvorsitzender, und Eoghan Jennings, CFO der XING AG. URL = http://corporate.xing.com/index.php?id=363 (15.11.2007)

geschäftsmodelle << Seite 41


Heiko Wöhr mindXchange Ltd., Stuttgart

neue geschäftsmodelle mit web 2.0? Wertschöpfungspotenziale und Anwendungsfelder

Die mit dem Web 2.0 assoziierten Veränderungen für Wirtschaft und Gesellschaft sind weit reichend, und sie haben erst begonnen. Aus dem Web wird eine Kollaborationsplattform für jedermann. Eine ganze Reihe bestehender Märkte ändert ihre Gesetze, und die Geschäftsmodelle der Marktteilnehmer sind gefährdet. Grund genug für jeden Marktteilnehmer zu prüfen, welche Auswirkungen diese Veränderungen auf sein Geschäftsmodell haben werden. Der folgende Beitrag beginnt mit einer Beschreibung des Web 2.0 und der damit verbundenen Veränderungen. Anschließend wird den Fragen nachgegangen, was Geschäftsmodelle sind und welche es im Web bereits gibt. Den Abschluss bildet die Darstellung einer Reihe von Anwendungsfeldern, die besonders grundlegenden Veränderungen unterworfen sind oder sein werden. geschäftsmodelle << Seite 43


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was ist web 2.0? „Web 2.0 – Wir sind das Netz“ ist überall dort zu lesen, wo sich Web 2.0-Evangelisten treffen. Die zentralen Web 2.0-Entwicklungen der vergangenen Jahre wurden bereits Ende der 60er Jahre von den visionären Wissenschaftlern Douglas Carl Engelbart und Joseph C. R. Licklider prognostiziert. Die ersten Computergenerationen hatten den Charakter von Maschinen. Mit dem Aufkommen des Personal Computers Anfang der 80er Jahre verschob sich der Fokus hin zu einem Werkzeug. Maschinen konnten nur von Experten programmiert werden, Personal Computer auch von Laien. Den Beginn eines noch bedeutenderen Paradigmenwechsels erlebten die Computer-Nutzer Anfang dieses Jahrzehnts. Der Computer wird im Verbund mit dem Internet zum universellen Kollaborationsmedium. Aktivitäten einzelner Nutzer haben eine kausale Auswirkung auf andere Nutzer (Mocigemba 2003: 152). Im Unterschied dazu steht der Nutzer mit dem Werkzeug isoliert da. Licklider prägte für die beiden Nutzungsvarianten die Begriffe informational housekeeping und cooperative modeling. Cooperative modeling beschreibt die aktuell beobachtbaren Entwicklungen sehr treffend. Welche Rolle spielen aber das Internet und das World Wide Web? Das Ende der 60er Jahre entstandene Internet ist ein Computernetzwerk, das räumlich getrennte Computer verbindet. Jeder Knoten

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in diesem Netzwerk verfügt über eine eindeutige IP-Adresse. Mit geeigneten Werkzeugen können Experten von Rechner zu Rechner navigieren und ihre Aktivitäten entfalten. Mit dem nunmehr 15 Jahre alten Web (1.0) wurde zum Zwecke der Navigation das Konzept der Hyperlinks eingeführt. Inhalte werden über eindeutige URLs adressiert. Der Nutzer muss sich keine Gedanken um die physische Position des konkreten Inhalts machen. Über das Computernetzwerk wurde die Abstraktion eines Informationsnetzwerks gelegt. Dessen Nutzung wurde auf Laien erweitert. Mit dem Web 2.0 verweisen Inhalte auf Personen. Personen werden Teil des navigierbaren Netzwerks und sind über Inhalte erreichbar. Personen werden ihrerseits mit Inhalten und mit anderen Personen verknüpft. Das Informationsnetzwerk wird um die Abstraktion des sozialen Netzwerks ergänzt. Verknüpfungen zwischen Personen machen soziale Interaktionen möglich. Soziale Interaktion erhöht das Wertschöpfungspotenzial erheblich. Das Web wurde bisher vorwiegend als Werkzeug für die Präsentation von Inhalten und die Ausführung von Transaktionen genutzt. Mit dem interagierenden Menschen aber wird das Web zur Infrastruktur für die Wertschöpfung an sich. Und die Menschen? „Die vernetzten Menschen sind der Computer.“

was ändert sich mit dem web 2.0? Zentrale Merkmale des Web 2.0 sind Partizipation, Selbstorganisation und soziale Rückkopplung. Die drei wichtigsten durch das Web 2.0 induzierten Veränderungen sind: • Der Mensch wird Bestandteil des Netzes. • Neue Kollaborationsformen entstehen. • Das Web wird zur universellen Plattform. Seite 44 >> geschäftsmodelle

Der Mensch wird Bestandteil des Netzes

Nutzer werden bei Web 2.0 zu Teilnehmern. Ihre Rolle beschränkt sich nicht mehr auf den Konsum von Inhalten. Teilnehmer erweitern ihre Aktivitäten um das Kommentieren, Bewerten und Kategorisieren bestehender sowie

das aktive Produzieren neuer Inhalte. Sie machen mit ihren Inhalten auf sich aufmerksam. Sie schaffen Repräsentationen ihrer selbst, stellen Beziehungen zu anderen Nutzern her und treten mit diesen in Interaktion. Der Web 2.0Nutzer wird zur öffentlichen Person. Für geschäftliche Ziele entwickelt sich das Reputationsmanagement zu einem entscheidenden Erfolgsfaktor. Eine virtuelle Identität wird aufgebaut, bestehend aus einem oder mehreren Profilen mit Vorlieben, Interessen, Leistungen oder der Beschreibung von Kontaktwünschen. Ergänzt werden Profile um recherchierbare Texte und multimediale Veröffentlichungen. Das soziale Umfeld wird öffentlich gemacht und damit die eigene Bedeutung dokumentiert. Die Sichtbarkeit des Umfelds und der Kommunikation mit diesem untermauert die eigene Darstellung. Verknüpfungen mit und Kommentare von Bekannten haben den Charakter von Empfehlungen. Öffentlich nachvollziehbare Kommunikation schafft Authentizität und letztlich Vertrauen. Social NetworkingPlattformen bieten die zur Selbstdarstellung notwendigen Beziehungsräume.

Neue Kollaborationsformen entstehen

Wikipedia ist ein Beispiel für das Potenzial neuer Kollaborationsformen, Open Source-Software ein weiteres. Durch das Zusammenwirken eigenverantwortlicher und motivierter Akteure werden Werte geschaffen. Auch die Effektivität und Effizienz bestehender Organisationen kann beträchtlich gesteigert werden. Ein bemerkenswertes Beispiel ist die CIA. Nach den Anschlägen vom 11. September wurde schnell klar, dass die amerikanischen Geheimdienste zu langsam sind. Die Verantwortlichen gelangten zu der Überzeugung, dass selbst eine Reorganisation das zugrunde liegende systematische Problem nicht löst. Informationsflüsse in hierarchischen Organisationen sind zu träge, wenn der Feind mit autonomen Gruppen agiert. Ein Kollaborationssystem aus Wikis und Weblogs

wurde eingeführt. Einzelne Mitarbeiter sollten durch eine gemeinsame Strategie geführt werden. Jeder extrahierte die für ihn relevanten Informationen eigenverantwortlich aus der gemeinsamen Wissensbasis und machte anderen relevante Informationen verfügbar. Unter dem Stichwort Sharing werden Inhalte mit anderen geteilt und gemeinsam erstellt. Der resultierende User Generated Content steht wegen seinen Verknüpfungen mit den Autoren nicht isoliert im Raum. Linking schafft als wesentlichen Mehrwert einen Kontext für diese Inhalte, bestehend aus Lesern und Autoren. Über solchermaßen angereicherte Inhalte werden Personen gefunden und Menschen auf Basis gemeinsamer Interessen verknüpft. Inhalte wirken als Katalysator für soziale Interaktionen und die Herstellung oder Vertiefung persönlicher Beziehungen. Neue Kollaborationsformen sind durch Selbstorganisation gekennzeichnet. Mitglieder tragen in ihrer Gesamtheit Verantwortung für die Organisation der Leistungserstellung. Nutzer des Systems sind selbst Teil des Systems und tragen bei, was sie am besten können. Ressourcen werden so effizient verteilt. Im Unterschied dazu haben Nutzer klassischer Intranets kaum direkte Möglichkeit zur Teilnahme. Ein Verantwortlicher legt sowohl den Prozess zur Veröffentlichung von Inhalten als auch deren Prüfung fest. Die Extraktion von Mitarbeiterwissen in die unternehmensweite Wissensbasis wird wirksam verhindert. Mitarbeiter sind lediglich Konsumenten von Information, die durch eine kleine Gruppe organisiert und verteilt wird.

Das Web wird zur universellen Plattform

Einen großen Einfluss auf die Weiterentwicklung des Internets hat die Konvergenz verschiedener vormals getrennter Medien. Die Digitalisierung der gesamten Medienindustrie hat eine Vereinheitlichung der technisch-strukturellen Infrastruktur zur Folge. Unter dem Namen geschäftsmodelle << Seite 45


Triple Play werden von Telefonnetzbetreibern, Internet Service Providern und Kabelnetzbetreibern gleichsam Fernsehen, Internet und Telefonie angeboten. Jeder kann alles liefern. Auf traditionellen Einzelmärkten erscheinen ebenfalls neue Konkurrenten. Skype bietet Telefonie an. Das Fernsehen bekommt Konkurrenz durch YouTube. Die Telekom liefert die Fußball-Bundesliga live über das Internet. Der ehrwürdige Brockhaus behält nur die Alten und die Elite als Kunden. Die Zukunft liegt bei Wikipedia. CD-Geschäfte werden durch iTunes substituiert und Bildagenturen weichen Flickr & Co. Die elektronischen Medien wachsen zusammen und das Internet integriert alle. Schließlich lösen sich die Medien von spezifischen Endgeräten. Geräte werden mobil und erlauben den Konsum aller Medien – jederzeit und überall. Auch das Web unterliegt zwei wichtigen technisch-organisatorischen Veränderungen. Sogenannte Mashups führen Inhalte aus verschiedenen Quellen in einer Web-Oberfläche zusammen. Die eingebundenen Daten und Medien kommen direkt vom jeweiligen Anbie-

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ter. Ein Beispiel ist die Anreicherung von Seiten um Kartenausschnitte von Google Maps. Arbeitsteilung hält Einzug in die Erstellung von Web-Anwendungen. Der Wert von Daten und die Bedeutung der Datenlieferanten erhöhen sich durch die Vielfachnutzung. Moderne Web-Anwendungen erfreuen sich schließlich einer wesentlich smarteren Nutzung. Der Anwender muss nicht mehr auf das Laden und den Aufbau der Seite warten. Neben wesentlich höheren Bandbreiten ist dafür eine Technik namens AJAX verantwortlich. Nur Fragmente der aktuellen Seite werden neu geladen und dynamisch eingefügt. Die User Experience von Web-Applikationen nähert sich mit großen Schritten der Qualität von DesktopAnwendungen an. Der Webtop übernimmt immer mehr Aufgaben. Der Nutzer muss keine Software mehr installieren, konfigurieren und upgraden. Dafür sind die Dienstanbieter zuständig. Das erfolgsversprechende Modell Software as a Service (SaaS) funktioniert wie Software aus der Steckdose.

geschäftsmodelle Was sind Geschäftsmodelle?

Für die Entwicklung von Innovationen werden die Dimensionen Produkt/Dienstleistung und Geschäftssystem unterschieden. Im Fokus innovativer Produkte/Dienstleistungen steht der vielschichtige Begriff Nutzenversprechen. Weitere kritische Merkmale sind der potenzielle Markt sowie die Ertragsmechanik. Innovationen im Geschäftssystem streben vor allem Änderungen in der Organisation von Wertschöpfungsketten an. Solche Änderungen sollen die Effektivität steigern, mindestens aber die Effizienz. Im Fokus steht die Architektur der Wertschöpfung. Seite 46 >> geschäftsmodelle

Das Nutzenversprechen muss die Lösung eines für andere Marktteilnehmer bedeutenden Problems darstellen. Es beschreibt, welchen Nutzen Kunden oder andere Partner eines Unternehmens aus dem Produkt oder der Dienstleistung ziehen können. Dieser Teil eines Geschäftsmodells wird gelegentlich auch Value Proposition genannt. Es beantwortet die Frage: Welchen Nutzen stiftet das Produkt oder die Dienstleistung? Die erfolgreiche Umsetzung eines Geschäftsmodells setzt einen Markt voraus. Dieser ist quantitativ zu bestimmen und qualitativ zu beschreiben. Marktaussagen spezifizieren die Ziel-

gruppe und beantworten die Frage: Wer kauft unser Produkt oder unsere Dienstleitung? Neben dem Was und dem Wie beschreibt das Geschäftsmodell auch die Ertragsmechanik – welche Einnahmen aus welchen Quellen generiert werden. Die zukünftigen Einnahmen entscheiden über den Wert des Geschäftsmodells und damit über dessen Nachhaltigkeit. Die Ertragsmechanik beantwortet die Frage: Wodurch wird Geld verdient? Ein Geschäftssystem beschreibt im Sinne einer Architektur die verschiedenen Stufen der Wertschöpfung sowie die verschiedenen wirtschaftlichen Agenten und deren Rollen in der Wertschöpfung. Es beantwortet die Frage: Wie wird die Leistung in welcher Konfiguration erstellt?

Welche Geschäftsmodelle gibt es im Web?

In 15 Jahren World Wide Web haben sich eine Reihe von Geschäftsmodellen etabliert. Michael Rappa hat sie bereits vor Jahren klassifiziert. Deren Fokus liegt auf der Ertragsmechanik. In diesem Abschnitt werden die für das Web 2.0 relevanten Kategorien kurz zusammengefasst. Am weitesten verbreitet ist das Advertising Model. Inhalte werden mit dem Ziel öffentlich angeboten, Zugriffszahlen auf der Website zu erhöhen. Erträge werden mit Bannerwerbung erwirtschaftet. Dies ist für Angebote mit sehr hohem unspezifischen Traffic lohnend, wie beispielsweise Google. Andere Angebote adressieren eine spezifische Zielgruppe und profitieren von der höheren Affinität der Benutzer zu den beworbenen Leistungen. Bei Angeboten nach dem Subscription Model bezahlt der Benutzer unabhängig von seiner Aktivität einen festen Beitrag. Das Abonnement wurde auf das Web übertragen. Ein in Deutschland etabliertes Beispiel ist Xing. Dort sind lediglich Premium-Nutzer beitragspflichtig. Sie können eine Reihe interessanter Zusatzfunktionen nutzen. Das Utility Model sieht auch die Bezahlung von

Nutzer-Gebühren vor. Deren Höhe orientiert sich aber stärker an der tatsächlichen Nutzung der Plattform oder weiterer Dienstleistungen. Das Utility Model ist vor allem in der Welt der Online-Spiele verbreitet. Bekannte Beispiele sind Cyworld und Second Life. Bei beiden Plattformen erwerben die Nutzer virtuelle Gegenstände oder Ressourcen, ohne die eine aktive Teilnahme reizlos wäre. Das Community Model sieht den Aufbau einer Online-Community um ein gemeinsames Thema oder Interesse herum vor. Erträge werden auf die bereits genannten Arten (Werbebanner, Vertrieb von Dienstleistungen, Abonnement) oder durch Spenden erwirtschaftet. Unter Brokerage wird der Betrieb einer Plattform verstanden, die Anbieter und Nachfrager zusammenbringt. Der Betreiber unterhält einen virtuellen Marktplatz und macht diesen für potenzielle Marktteilnehmer zugänglich. Er profitiert je nach konkreter Ausgestaltung von erfolgsunabhängigen festen Gebühren für die Einstellung von Angeboten oder Gesuchen, oder es fällt erfolgsabhängig bei jeder Transaktion eine Gebühr an. Ebay ist ein prominentes Beispiele für den zweiten Ansatz. Das Merchant Model sieht den ausschließlichen oder ergänzenden Online-Vertrieb von Produkten durch Händler vor. Sofern es sich um digitalisierbare Produkte handelt, erfolgt auch die Distribution über das Web. Durch Web-Aktivitäten sollen Umsatz und Ertrag gesteigert werden. Eine Variante davon ist das Manufacturer Direct Model. Der Web-Vertrieb erfolgt hier durch den Hersteller selbst. Der Zwischenhandel wird umgangen. Kunden profitieren von einem günstigeren Preis und durch eine direkte Einbindung in den Erstellungsprozess von einer besseren Konfigurierbarkeit. Hersteller bekommen den direkten Endkundenkontakt. Ein Beispiel dafür ist der Computerhersteller Dell.

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welche anwendungsfelder entstehen? Querschnittsdienstleistungen 2.0

Ein offensichtliches Potenzial für neue Geschäftsfelder birgt die Bedienung neu entstehender Grundbedürfnisse bei der Web 2.0-Nutzung. Die wichtigste Querschnittsdienstleistung rund um das Thema Kommunikation und Kollaboration ist die Vertraulichkeit. Die neue Offenheit fordert vom Nutzer mehr Verantwortung. Dazu zählt der verantwortungsbewusste Umgang mit den eigenen Daten. Es ist davon auszugehen, dass die Missbrauchshäufigkeit beim Umgang mit Daten zunehmen wird. Daraus entsteht das Bedürfnis für differenziertere Ebenen von Vertraulichkeit. Auf der höchsten Ebene müssen sich Kommunizierende gegenseitig eindeutig identifizieren können und es muss sichergestellt sein, dass kein Dritter Zugang zu den Informationen erhält. Dies stellt auch alltäglich genutzte Dienste wie E-Mails in Frage, ist deren Inhalt doch so wenig vertraulich wie eine Postkarte. Klassische Hyperlinks verknüpfen Web-Ressourcen. Mit dem Web der zweiten Generation kommen Verknüpfungen zwischen Nutzern hinzu. Über diese Verknüpfungen werden geschäftliche Transaktionen geroutet. Dies erfordert eine höhere Servicequalität. Verbindlichkeit ist die zweite geforderte Basisdienstleistung. Sie umfasst die Leistungsmerkmale der Vertraulichkeit. Darüber hinaus müssen die interagierenden Teilnehmer dauerhaft an die Nachricht und den Akt der Übermittlung gebunden sein. Schließlich liegt beiden beschriebenen Leistungsmerkmalen die gegenseitige Identifizierung zugrunde. Am Telefon erfolgt dies durch das Erkennen der Stimme des Gegenübers. Mit Passport hatte Microsoft versucht, die Rolle des identifizierenden Dritten einzunehmen, aber ohne Erfolg. Der Bedarf an Identifizierung steigt. Die bestehenden Verfahren sind zumeist umständlich oder teuer. So erfordert die Nutzung von Postident den Weg zum loSeite 48 >> geschäftsmodelle

kalen Postamt. Die beiden praktisch genutzten indirekten Verfahren sind SMS und Kontoüberweisung. Das erste Verfahren ist teuer und das zweite ebenfalls umständlich. Hier liegt ein zentraler Markt. Für die kommerzielle Nutzung sind schließlich weitere Anwendungen für einen leichtgewichtigen Geldverkehr zu erwarten. Dieser Markt wird aktuell von der Ebay-Tochter Paypal beherrscht. Nutzer können per E-Mail Geld überweisen. Eine Reihe weiterer Anbieter existieren. Allen ist gemeinsam, dass eine nahtlose Integration in eigene Anwendungen nur unzureichend gelingt.

Menschenmärkte verändern ihre Struktur

„By the end of 2011, 80 percent of active Internet users will have a ‚second life‘.“ Gartner Mit dem Web der ersten Generation wanderten Classified-Märkte (Automobile, Immobilien, Stellen und Bekanntschaften) von Tageszeitungen ins Web. Märkten mit Menschen als Handelsgut steht ein weiterer Paradigmenwechsel bevor. Angebot und Nachfrage im Personalmarkt kehren sich um. Obiges Zitat von Gartner bezieht sich weniger auf die 3D-Anwendung „Second Life“ als auf die zunehmende Notwendigkeit, neben der realen eine virtuelle Präsenz zu besitzen. Der Umgang mit personenbezogenen Daten professionalisiert sich rasant. In den USA existiert mit zoominfo.com ein Unternehmen, dessen Robots das Web nach personenbezogenen Daten durchkämmen, diese automatisiert zu Profilen verdichten und erfolgreich vertreiben. Mehr als 35 Millionen Profile stehen bereits heute zur Verfügung. 20 Prozent der US-Top 500-Unternehmen nutzen den Dienst zur Personalbeschaffung. Es ist davon auszugehen, dass sich das Verhalten der Akteure am Personalmarkt umkehrt. Firmen werden im-

mer weniger Stellenangebote veröffentlichen. Geeignete Bewerber werden vielmehr online recherchiert, kontaktiert und schließlich eingeladen. Wer online nicht präsent ist, existiert in dieser Welt nicht. Die Frage, ob man sich online präsentieren möchte, wird sich in wenigen Jahren nicht mehr stellen. Das beschriebene Szenario ist im IT-Freiberufler-Markt schon seit Jahren Realität. Freiberufler veröffentlichen Profile in einschlägigen Datenbanken. Personal-Vermittler recherchieren in diesen Datenbanken nach Kandidaten mit den geforderten Skills. Die Chancen des Freiberuflers steigen durch eine marktgerechte Selbstdarstellung an möglichst vielen relevanten virtuellen Orten. Dies erfordert einen erheblichen Aufwand allein für die regelmäßige Pflege. Reputationsmanagement gehört für IT-Berater zum Kerngeschäft. Im Fernseh-Casting-Markt ging vor wenigen Wochen getfamous.de online. Getragen von schwergewichtigen Fernsehproduzenten suggeriert die Website, dass jeder ein Star werden kann und ruft alle auf, sich zu präsentieren. Produzenten umgehen die Casting-Agenturen und können den stetig wachsenden Pool ihrerseits vermarkten. Mit der beschriebenen Verdichtung virtueller Netzwerke kann jeder alle Rollen des klassischen Personalmarkts übernehmen. Er kann sich selbst anbieten, auf Basis eines umfangreichen Pools selbst nach Personal suchen oder als Vermittler auftreten, wenn eine konkrete Anfrage an ihn herangetragen wird. Diese Veränderungen gelten gleichermaßen für die Heirats- und Bekanntschaftsmärkte.

Infrastruktur für kleine agile Einheiten

„A firm will tend to expand until the costs of organizing an extra transaction within the firm become equal to the costs of carrying out the same transaction on the open market. “ Ronald H. Coase: The nature of the firm (1937) Transaktionskosten sinken mit dem Aufbau

einer virtuellen Kollaborationsinfrastruktur dramatisch. Unter Transaktionskosten werden Kosten für die Suche, die Vertragsverhandlung und -gestaltung sowie die anschließende Steuerung externer Partner zusammengefasst. Wie alle kommunikationstechnischen Neuerungen zuvor hat auch das Aufkommen des Internets zu einer Beschleunigung der Arbeitsteilung beigetragen. Besonders effektiv unterstützt das klassische Internet die globale Arbeitsteilung. Physische Präsenzmärkte konnten immer besser durch virtuelle Märkte ersetzt oder zumindest ergänzt werden. Insofern ist das Internet ein wichtiger Katalysator für die Globalisierung. Der Trend zur Reduzierung der Fertigungstiefe profitiert ebenso von dieser Entwicklung. Ökonomische Einheiten treiben die Konzentration auf ihr Kerngeschäft weiter voran. Das Web 2.0 setzt bei Personen an. Aufgrund der dramatisch fallenden Transaktionskosten ist davon auszugehen, dass der Umfang an Wirtschaftseinheiten mit der Losgröße eins weiter zunehmen wird. Die Teilnahme an etablierten internetbasierten Märkten ist vor allem größeren Unternehmen vorbehalten. Ein Beispiel dafür ist die Handelsplattform Covisint, auf der Automobilhersteller und Zulieferer Handel betreiben. Der Betrieb solcher Plattformen ist mit erheblichen Kosten verbunden. Mit der Transformation des Internets hin zu einer Kollaborationsplattform entsteht eine billige und für jedermann zugängliche Alternative. Ebay ist ein gutes Beispiel, aber eben doch nur auf Produkte beschränkt. Die sich zwischen Einzelpersonen und kleinen Wirtschaftseinheiten etablierenden Verbindungen eignen sich zukünftig hervorragend für Ad-hoc-Geschäfte. So wird folgendes Beispielszenario in naher Zukunft Realität sein. Vormittags liegt ein Dokument auf dem Schreibtisch, das ins Chinesische übersetzt werden muss. Mit einem Aufwand von wenigen Mausklicks wird das Dokument in den virtuellen Briefkasten eines der vielen präsenten virtuellen geschäftsmodelle << Seite 49


Übersetzungsbüros geworfen. Am Nachmittag desselben Tages liegt das Ergebnis im eigenen Briefkasten. Die Rechnungssumme wird durch einen der bereits heute etablierten Anbieter mit weiteren drei Mausklicks überwiesen. Eine bisher nur größeren Organisationen vorbehaltene Dienstleistung wird plötzlich für jedermann einfach nutzbar. Die Übersetzerin kann ihre Dienste heute nur indirekt durch Einbindung in ein größeres Übersetzungsbüro oder bei einem größeren Unternehmen anbieten. Morgen benötigt die Übersetzerin den Mantel des Arbeitgebers nicht mehr. Nachdem sie den Einstieg in den Markt geschafft und gute Leistung erbracht hat, sorgt die Transparenz und ihre eigene Kenntnis um die Kommunikationsmechanismen des neuen Webs dafür, dass potenzielle Nachfrager dies erfahren. Darüber hinaus unterhält sie kein teures Büro mehr in Deutschland. Sie kann ihre Leistung von überall aus anbieten, aus China beispielsweise. Auch der ehemalige Arbeitgeber, ein international agierendes mittelständisches Unternehmen, profitiert von dieser Entwicklung. Übersetzungen sind nicht sein Kerngeschäft. Er kauft sich die Leistungen bei Bedarf ein, reduziert dadurch sein Risiko und damit verbundene fixe Kosten. Die Übersetzerin bedient zusätzlich andere Kunden. Nimmt ihr Auftragsvolumen zu, nutzt sie ihre sozialen Kontakte in der Branche und delegiert Aufträge, die sie nicht selbst bewältigen kann. Dank der Abbildung dieser Kontakte im Internet kann sie die Beauftragung mit wenigen Mausklicks effizient ausführen. Das auf diese Weise entstehende Wertschöpfungsnetzwerk baut seine Kernkompetenz auf, profitiert von Skaleneffekten und steigert seine Konkurrenzfähigkeit. Nicht jeder Knoten in diesem Netzwerk nimmt notwendigerweise die Rolle eines Übersetzers ein. Ebenso wichtig sind Personen mit Kontakten. Diese suchen in der Rolle des Vermittlers effiziente Pfade zu der aktuell geforSeite 50 >> geschäftsmodelle

derten Lösung. Pfade in sozialen Netzwerken sind potenzielle Wertschöpfungspfade. Soziale Kontakte werden institutionalisiert und in die Wertschöpfung eingebunden. Das Sozialkapital, also „Ausmaß und Qualität des Beziehungsnetzwerks“ (Bourdieu 1997: 209), spielt eine zentrale Rolle bei der Wertschöpfung 2.0. Die Intensivierung der Zusammenarbeit auf dieser Basis stärkt das Sozialkapital, begünstigt wechselseitige Unterstützung und übernimmt somit auch eine wichtige gesellschaftspolitische Funktion.

Einbindung des Kunden in den Wertschöpfungsprozess

In der Web 2.0-Welt wird der Kunde und dessen User Generated Value in alle Aktivitäten des Wertschöpfungsprozesses eingebunden. Dies beginnt bei der Ideenfindung für neue Produkte und Leistungen. Bei digitalen Produkten kann der Nutzer und Kunde besonders gut an der Produktgestaltung und -produktion teilhaben. Unter dem Stichwort virales Marketing übernimmt er eine zentrale Rolle bei der Kommunikation. Auch Supportleistungen lassen sich in Form von Wikis in Richtung Nutzer verlagern. Schließlich stellt das Feedback der Kunden einen wichtigen Input für die Weiterentwicklung von Produkten dar. Die Einbindung von Kunden erfordert organisatorisch eine Aufteilung von Aufgaben in hinreichend kleine Einheiten. Aus Kundenbindung wird Kundeneinbindung. Es wird versucht, potenzielle Kunden in einen kommunikativen Prozess zu involvieren. Beispiele aus der Entwicklung von Web 2.0-Plattformen können als Vorlage für andere Bereiche dienen. Die Entwicklung neuer Plattformen beschränkt sich zunächst auf Basisfunktionen und kann deshalb sehr schnell erfolgen. In einem engen Dialog mit Benutzern wird in Erfahrung gebracht, wie bedeutend einzelne Leistungsmerkmale sind und welche neuen Features die höchste Priorität genießen. Diese werden zuerst realisiert, getestet und unmittelbar

danach freigeschaltet. Dieses Vorgehen setzt einen agilen Software-Entwicklungsprozess voraus. Das neue Paradigma lautet release early, release often. Flickr spielt viermal pro Stunde Programmcode auf seine Server auf. Microsoft benötigt für vier Updates zehn Jahre. Hersteller von Endgeräten veröffentlichen zunehmend ihre Software-Schnittstellen. So kann die Nutzer- und Entwicklergemeinde selbst Funktionen und Anwendungen für das Endgerät implementieren. Google, Amazon, Ebay und viele weitere renommierte Web 2.0-Unternehmen erfreuen sich daran, dass ihre Kunden nützliche Anwendungen für andere Kunden schreiben, emotional näher an das Unternehmen rücken und ganz nebenbei dessen Popularität erhöhen.

Wertschöpfung in der Medienindustrie

Das klassische Geschäftsmodell von Inhalteanbietern unterliegt einem grundlegenden Wandel. Verlage hatten über Generationen hinweg die Kontrolle über die Produktion und Verteilung von Wissen. Mit dem Aufkommen des Fernsehens übertrugen sie ihr Geschäftsmodell auf das neue Medium. Dasselbe versuchten Verlage in den Anfangszeiten des Internets. Der wirtschaftliche Erfolg hat sich bis heute zumeist nicht eingestellt. Mit dem Web der zweiten Generation droht der Einfluss weiter zu schwinden. Das Geschäftsmodell trägt nicht mehr. Studien belegen, dass die zunehmende Nutzung des Internet zu Lasten bestimmter Offline-Medien geht. Dies gilt ganz besonders für die Gruppe der 14- bis 29-jährigen digital natives. Diese besonders wichtige Zielgruppe nutzt klassische Medien signifikant weniger als die Älteren. Besonders mit bestimmten Printmedien, wie lokale Tageszeitungen, lässt sich diese junge Generation immer schwerer erreichen. Bedrohlich für die alten Meinungsbildner wird die explosionsartige Zunahme an Inhalteanbietern. Das Geschäftsmodell von Brockhaus

und Co., kaufe und verkaufe Informationen, wurde in nur fünf Jahren aus den Angeln gehoben. Quasi über Nacht wurde bisher teuer gehandelte Information öffentliches Eigentum. Brockhaus und Co. hatten wegen des rasanten Wandels keine Chance, ihr Geschäftsmodell anzupassen. Nach dem Erfolg von Wikipedia schickt sich YouTube an, dem klassischen Fernsehen Konkurrenz zu machen. Dasselbe gilt für Musik und Podcasts. Die Transformation des eigenen Geschäftsmodells erfordert Phantasie und Mut. Der eben erst beginnende Wandel des Webs hin zum universellen Kommunikationsmedium wird weitere Marktgesetzmäßigkeiten außer Kraft setzen. Daraus entstehende fundamentale Wandlungsprozesse bieten für jeden Marktteilnehmer potenziell Chancen. So kann ein Fachverlag seine Erträge aus dem Verkauf hochwertiger Fachinhalte um Erträge aus der eigenen OnlineCommunity ergänzen. Durch entschlossenes Handeln kann er die Kunden als erster an das eigene Unternehmen binden. Eine Kombination aus Advertising Model und Subscription Model kann nach wenigen Jahren zum Break Even führen. Jeder Fachbeitrag eines Kunden erhöht den Wert der Community und der Link vom Beitrag zur eigenen Präsentation ist für den Kunden eine Werbemaßnahme. Er kann Kompetenz zeigen. Eine solche Ausgangssituation ist geeignet, den finalen Schritt zu einem virtuellen Marktplatz zu vollziehen. Durch die Installation einfacher Beauftragungsprozesse und die Anbindung einer Clearingstelle wird aus der Community eine Handelsplattform. Einfache, geregelte Abläufe reduzieren die Transaktionskosten entscheidend. Ein solcher Marktplatz ist dem traditionell unstrukturierten Markt weit überlegen, da die Transaktionskosten sinken. Er ist nützlich für Anbieter und Nachfrager. Der Fachverlag profitiert von jeder Transaktion. Er hat über Inhalte einen ganzen Markt akquiriert und sein Merchant Model hin zum Brokerage Model transformiert. geschäftsmodelle << Seite 51


Unternehmensgrenzen weichen auf

„Social network interaction will become the engine for innovation.“ Gartner (5/2007) Unser persönliches Leben wird durch den Austausch von innen und außen gesteuert. Dies gilt für den Menschen genauso wie für die kleinste biologische Einheit – die Zelle. Nicht etwa die DNS regelt den Stoffwechsel, sondern die Zellmembran. Sie reagiert intelligent auf Umweltimpulse und leitet aus der Erfahrung ihr Verhalten ab. Molekularbiologisch betrachtet ist die Membran das Gehirn der Zelle (Lipton 2006: 83). Die Führung moderner Unternehmensorganisationen sind angesichts einer Verdopplung der Innovationsgeschwindigkeit alle fünf Jahre ebenfalls gefordert, an der Grenze zwischen innen und außen neue Regeln für die Durchlässigkeit ihrer Membran zu definieren. Mit dem Web 2.0 ist die Infrastruktur verfügbar. Neben den häufig beschriebenen Phänomenen aus dem Web-Umfeld gibt es eine Reihe weniger bekannter Erfolgsgeschichten, die auf denselben Prinzipien beruhen. So zum Beispiel die von Don Tapscott über Goldcorp, einer kanadische Goldminen-Gesellschaft (Tapscott 2006: 7f.). 1999 war das Unternehmen wegen stark rückläufiger Fördermengen in eine kritische wirtschaftliche Lage geraten. Nach dem Besuch einer Open Source-Veranstaltung am MIT hatte CEO Rob McEwan eine verblüffende Idee. Sein Unternehmen sollte im Stile von Open Source alle bis dahin als „streng geheim“ eingestuften geologischen Befunde veröffentlichen. Die Internet-Gemeinde sollte Goldcorp bei der Suche nach neuen Grabungsstätten unterstützen. Im Jahr 2000 wurde die Goldcorp Challenge gestartet. Für die besten Analysen und Ideen wurde eine Gewinnsumme von 575.000 US-Dollar ausgelobt. Mehr als tausend Interessierte aus über 50 Ländern begannen, die über das Internet veröffentlichten Daten zu analysieren. Die Teilnehmer und deren Methoden kamen aus unterschiedlichsten FachSeite 52 >> geschäftsmodelle

richtungen. Sie fanden auf Grundlage der veröffentlichten Daten 110 Grabungsstätten, von denen mehr als die Hälfte vorher nicht bekannt waren. Von den neu gefunden Grabungsstätten waren 80 Prozent signifikant ertragreich. Als Konsequenz stieg der Börsenwert des Unternehmens von vormals 100 Millionen US-Dollar auf inzwischen neun Milliarden US-Dollar. Vor allem im Hinblick auf Innovationen ist der Austausch von Erfahrungen notwendig. Innovation beruht meist darauf, dass ein kluger Kopf vorhandenes Wissen zusammensucht, auswählt und zu etwas Neuem montiert. Für jede gute Idee im Unternehmen existieren außerhalb des Unternehmens hundert gute Ideen. Procter & Gamble ist ein weiteres Beispiel für einen gelungenen Paradigmenwechsel. Wieder war es der CEO, der einen Paradigmenwechsel hin zur Öffnung eigener Forschungsergebnisse einleitete. Eine Analyse der Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten ergab Aufwände von 1,5 Milliarden US-Dollar jährlich. Weniger als 10 Prozent der Patente wurden tatsächlich für eigene Produkte genutzt. CEO Lafley entschied, einen signifikanten Teil der Patente zu veröffentlichen und deren Lizensierung aktiv zu vermarkten. Die Erlöse kommen der eigenen Forschung zugute. Für die effiziente Vermarktung entstanden in den vergangenen Jahren eine Reihe von Internet-Plattformen für den Handel mit Intellectual Property. Sie wurden zu Katalysatoren für diese Entwicklung. Wie sich zeigte, liegt die wahre neue Chance aber im Zugriff auf externe Lösungen für eigene drängende Probleme. Procter & Gamble legte das Innovationsprogramm „connect and develop“ auf. Ziel bis 2010 ist es, 50 Prozent der Innovationen außerhalb des Unternehmens zu finden und zusammen mit eigenen Forschungsergebnissen in Produkte und Prozesse zu integrieren. Die 2006 veröffentlichten Zwischenergebnisse geben Procter & Gamble recht. 35 Prozent der neuen Produkte enthalten Ideen von außen. Die R&D-Effektivität ist zwi-

schen 2000 und 2006 um 60 Prozent gestiegen – ein Teil davon ist auf „connect und develop“ zurückzuführen. Die R&D-Kosten sind im selben Zeitraum bezogen auf den Umsatz von

4,8 Prozent auf 3,4 Prozent gefallen. Innerhalb von fünf Jahren konnte der Aktienkurs verdoppelt werden (Huston und Sakkab 2006: 84).

heiko wöhr Heiko Wöhr, Diplom-Medieningenieur, moderierte im Rahmen des Innovationsprogramms Web 2.0 den Arbeitskreis Geschäftsmodelle. Er ist geschäftsführender Gesellschafter des 2004 gegründeten Beratungsunternehmens mindXchange Ltd. In dieser Eigenschaft konzipiert er moderne Kollaborationslösungen für Unternehmen und berät diese bei der Einführung. Seit 1994 beschäftigt er sich als Berater, Dozent und Autor mit dem World Wide Web. Zuvor absolvierte er ein Medientechnik-Studium an der Hochschule der Medien in Stuttgart. heiko.woehr@mindXchange.net • www.mindXchange.net

Literatur Teile dieses Beitrags stammen aus dem Beitrag „Web 2.0 – Wohin geht die Reise?“, den der Autor für das von Mathis Hoffmann und Stefan Leible zum Jahreswechsel beim Verlag Richard Boorberg erscheinende Buch „Vernetztes Rechnen - Softwarepatente - Web 2.0“ verfasst hat. • Bourdieu, 1997: Die feinen Unterschiede. • Hoffmann und Leible (Hrsg.), 2008: Vernetztes Rechnen - Softwarepatente - Web 2.0. • Huston und Sakkab, 2006: Harvard Business Review 3/2006. • Lipton, 2006: Intelligente Zellen. Wie Erfahrungen unsere Gene steuern. • Mocigemba, 2003: Die Ideengeschichte der Computernutzung. • Tapscott, 2006: Wikinomics.

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3.leben

online

Horst Henn: Wie Web 2.0 unser Leben ver채ndert Astrid Beck: Leben online im Internet der zweiten Generation

leben online << Seite 55


Horst Henn Portaleco Technology Consulting, Böblingen

leben online Wie Web 2.0 unser Leben verändert

Schnelle Mobilfunk- und Internetzugänge sind die Treiber für die Weiterentwicklung des Internets zum Web 2.0. Nicht nur Buch, Post und Telefon werden im Internet abgebildet, sondern auch die vielfältigen wirtschaftlichen und sozialen Beziehungen der Benutzer. Ähnlich wie die Gesellschaft entwickelt sich dabei auch im Internet neben der großen Gemeinschaft eine Vielzahl von offenen und geschlossenen Interessengruppen. Die Trennung der Internet-Welt von der realen Welt wie Haus, Auto und Konsumgüter wird im Pervasive Computing aufgehoben. Immer größere Teile der Bevölkerung werden immer mehr und länger das Internet für Arbeit und Freizeit nutzen. Web 2.0-Bildung wird zu einem wesentlichen wirtschaftlichen und sozialen Faktor der Gesellschaft. leben online << Seite 57


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die web 2.0-evolution Neue Technologien sind seit der industriellen Revolution im 19. Jahrhundert die wesentlichen Treiber für Fortschritt und Wohlstand in unserer Gesellschaft geworden. Der Standort Baden-Württemberg verfügte nicht über wertvolle Bodenschätze, so dass sich in Baden-Württemberg eine noch heute florierende Maschinenbau-Industrie entwickeln konnte. Die Öffentlichkeit als auch die Politik sahen die Computer- und auch Kommunikationsindustrie als Weiterentwicklung der Feinmechanikindustrie. Verständnis konnte man zunächst dafür aufbringen, dass für diese Computergeräte und für die Verwaltung in den Unternehmen Software benötigt wurde. Schwieriger war schon, das Internet in das bestehende Weltbild einzuordnen, und noch schwieriger wird es, die neue Welt, in der die Jugendlichen mit ihren Mobiltelefonen, PCs und Playstations heute agieren, zu verstehen. Plötzlich sollen nicht Werte wie Nutzen, Kosten und Gewinn sondern Werte wie Spaß, eigenes Gestalten und persönliche Netzwerke wichtig sein. Junge Menschen gründen Firmen basierend auf ihrem Wissen praktisch ohne Kapital und schaffen, wie Google oder MySpace in kürzester Zeit, Firmenwerte, von denen etablierte Firmen mit den besten Beratern aus der traditionellen Geschäftswelt nur träumen können. Der Wert der Firma wird dabei an der Zahl der Kunden und ihrer Bindung an das Unternehmen und nicht am Wert der Investitionen oder der Umsätze gemessen. Nun ist Kundenbindung auch für konventionelle Unternehmen ein wesentlicher Bestandteil des Firmenwertes. Neu ist eigentlich nur, dass andere Faktoren fast keine Rolle mehr spielen. Die neue Web 2.0-Welt bietet nicht nur Chancen im sozialen Umfeld durch Internet-basierende, persönliche Dienste. Es ergeben sich auch vielfältige Möglichkeiten, die Zusammenarbeit nicht nur in Unternehmen, sondern auch im privaten und Seite 58 >> leben online

gesellschaftlichen Umfeld zu verbessern. Das Schlagwort Web 2.0 wurde ähnlich wie das Schlagwort Internet ursprünglich benutzt, um einen neuen Satz von Internet-basierenden technischen Komponenten zu beschreiben. Die Bedeutung wurde anschließend auf Aspekte wie Benutzerverhalten, Infrastruktur, Geschäftsmodelle, Sozialverhalten usw. erweitert. Web 2.0 ist keine Weiterentwicklung des Internets, sondern eine andere Nutzung der vorhandenen Infrastruktur.

Aspekte des Web 2.0 aus Sicht des Benutzers

Im Folgenden werden einige Aspekte des Web 2.0 am Beispiel ausgewählter Anwendungen und dem Benutzerverhalten im Vergleich zu konventionellen Internet-(Web 1.0)-Anwendungen aus Sicht des Benutzers beschrieben.

Benutzer generieren die Inhalte

Im Web 1.0 wurden die Inhalte von Firmen wie konventionelle Produkte erstellt und von den Benutzern meist passiv genutzt. Die Interaktion beschränkte sich in der Regel auf das Ausfüllen von vorgefertigten Formularen, zum Beispiel um Waren zu bestellen. Im Web 2.0 werden die Inhalte weitgehend von den Benutzern selbst erstellt. Typisch für Web 1.0 ist zum Beispiel die Enzyklopädie Microsoft Encarta, während die Enzyklopädie Wikipedia ein typisches Web 2.0-System ist. Bei Wikipedia steht dem Benutzer nicht nur eine Schnittstelle zur Ansicht der Information zur Verfügung, sondern ein vollständiges Online-Autorensystem zur selbständigen Erstellung und Aktualisierung der Information. Ein ethisches Regelwerk sorgt für geordnete Nutzung und hohe Qualität der Enzyklopädie. Wikipedia nutzt die Web 2.0-Technik Wiki. Ähnlich ist im Mediabereich Apple iTunes ein typisches Web 1.0-Angebot mit kommerziell erstellten Inhalten, während

bei YouTube Inhalte vor allem von den Benutzern erstellt werden. Ein großer Teil der aktuellen Information wird heute in Blogs meist von den Benutzern aber auch von kommerziellen Medienunternehmen erstellt und verteilt. Im Gegensatz zur E-Mail können Benutzer Blogs selektieren, die Inhalte filtern und auch aggregieren wie zum Beispiel aktuelle Berichte über eine Firma oder ein spezielles Produkt aus allen Blogs der Welt in einem Blog zusammenfassen. Blogs benutzen eine sehr einfache Form der XML-Technologie, um Nachrichten und Dokumente logisch und nicht nur als formatierten HTML-Text – wie bisher im Web 1.0 üblich – darzustellen.

Zugriff zu Anwendungen wird unabhängig von Zeit und Raum

Web 2.0-Benutzer können über mehrere und verschiedene Endgeräte – wie zum Beispiel mehrere PCs (im Unternehmen und zu Hause) aber auch Mobiltelefone, Fernsehgeräte, Spielkonsolen oder Kommunikationsanlagen im Auto – auf ihre Informationen und Anwendungen im Web zugreifen. Web 2.0-Websites bieten meist unterschiedliche und optimierte Benutzerschnittstellen für PCs und andere Geräte an. Dabei wird nicht nur die grafische Gestaltung, sondern auch der Inhalt und die Navigation an die Fähigkeiten des Geräts angepasst. Mobiltelefone wie beispielsweise das iPhone von Apple werden nicht nur von Geschäftsleuten, sondern auch von privaten Benutzern im Internet genutzt. Web 2.0-Anwendungen sind nicht mehr an einen statischen Arbeitsplatz mit Tisch und PC gebunden. Bei multimodalen Web 2.0-Sites werden anders als bei Web 1.0-Sites die Information (häufig im XML-Format), die grafische Darstellung und die Interaktion und Navigation streng getrennt. Damit kann man Benutzerschnittstellen sowohl für bestimmte Geräte aber auch für Benutzer mit geringer Komplexitätsakzeptanz oder Behinderungen automatisch generieren.

Inhalte und Webseiten werden für und vom Benutzer personalisiert

Während bei Web 1.0-Anwendungen für alle Benutzer die gleichen Webseiten angezeigt wurden, werden bei typischen Web 2.0-Anwendungen die Webseiten und ihre Inhalte auch durch den Benutzer an seine Bedürfnisse angepasst (Abb.1). Eine Web 2.0-Online-Zeitung wie die New York Times erlaubt dem Benutzer, Themengebiete aus dem Angebot der Zeitung auszuwählen und täglich eine individuell für ihn zusammengestellte Zeitung (My Times) automatisch zu beziehen. Es werden sogar Informationen für Kinder gemäß Klassenstufen angezeigt! Im iGoogle-Portal können Benutzer sich ihre Webseiten aus vorhandenen Bausteinen, den Gadgets, selbst gestalten. Google stellt dabei nur die Technologieplattform und einzelne Gadgets bereit. Der Großteil der Gadgets wird von den Benutzern oder Firmen selbst erstellt. Eine personalisierte Seite kann man selbst in wenigen Minuten zusammenstellen. Der Hauptaufwand besteht darin, geeignete Gadgets auszuwählen und zu personalisieren, indem man Daten – zum Beispiel Berlin als Ort für die Klimaanzeige oder die Sprachen für die gewünschte Übersetzung – auswählt. Google und New York Times benutzen die Web 2.0Technologie Web 2.0-Portal, mit der personalisierte Websites ohne Programmierung erstellt werden können. Alle großen Software-Anbieter aber auch kleinere Firmen und Non-Profit-Organisationen bieten Web 2.0-Portale an, um die Erstellung personalisierter Benutzerschnittstellen zu erleichtern.

Benutzer haben eine oder mehrere Identitäten im Internet

Während der typische Surfer im Web 1.0 auf Webseiten ohne Anmeldung (Login) anonym zugreifen konnte, muss man sich für personalisierte Seiten im Web 2.0 anmelden. Man kann ja keine personalisierten Dienste anbieleben online << Seite 59


Abb.1: Personalisierte iGoogle-Portal-Seite (Bildquelle: iGoogle)

ten, ohne den Benutzer zu kennen. Für den Dienste-Anbieter hat das den unschätzbaren Vorteil, dass der Benutzer und seine Präferenzen bekannt sind. Dies kann man unter anderem dazu benutzen, die eigenen Angebote zu optimieren oder – wie häufig üblich – gezielte Werbung anzubieten. Der Benutzer hat in der Regel mehrere persönliche Identitäten wie beispielsweise als Arbeitnehmer, als Privatperson oder als Bürger, aber auch mehrere anonyme Identitäten für beispielsweise Versteigerungen, Spiele oder Blogs und Konferenzbeiträge. Das hat aber den wesentlichen Nachteil, dass selbst wenig aktive Web 2.0-Benutzer meist mehrere Identitäten und mehr als ein Dutzend Benutzernamen und Kennworte kennen und verwalten müssen. Dies ist im Moment eines der wesentlichen Hindernisse, Akzeptanz von Web 2.0-Anwendungen speziell bei älteren Internetbenutzern zu finden. Dieses Problem könnte durch eine allgemein benutzbare Identität ähnlich wie Single Sign-On in Firmen gelöst werden. Technische und rechtliche Hürden werden Seite 60 >> leben online

eine akzeptable Lösung aber sicher noch mehrere Jahre verzögern. Web 2.0-Anwendungen benötigen leistungsfähige Sicherheitssysteme, um sowohl den Zugriff der Benutzer, als auch die Verwaltung der Systeme sehr granular zu gestalten. Bei Web 1.0-Anwendungen ist dagegen eine strikte Trennung von Benutzern, Inhalterstellern und Administratoren typisch.

Benutzer bilden Gruppen und soziale Netzwerke

Die Unterstützung von Gruppen und Netzwerken im Web 2.0 hat wahrscheinlich den größten Einfluss auf die Art und Weise, wie das Internet in Zukunft genutzt wird. In Unternehmen wird die Bildung von Gruppen mit gemeinsamen Ablagen, Web Meetings und Kommunikation schon länger eingesetzt. Im IBM Research Labor, Yorktown Heights wurde bereits 1978 eine Gruppenumgebung mit Speichern und Anwendungen (Virtuelle Maschinen), Gruppenkommunikation (E-Mail, Instant Messaging, integrierte Telefonie) sowie

eMeetings und eLearning, zum Beispiel mit dem Massachusetts Institute of Technology (MIT), genutzt. Allerdings kostete ein Arbeitsplatz damals etwa 200.000 US-Dollar im Jahr! Die am weitesten verbreitete Groupware Lotus Notes von IBM wird heute von 128 Millionen Menschen weltweit benutzt. Das System bildet ein Unternehmen, seine Organisationsstrukturen und den Bürobetrieb des Unternehmens in einem lokalen Netz ab und unterstützt einfache Formen der Selbstorganisation in Projekten und Teams. Die Mitarbeiter und Gruppen in den Unternehmen sind jedoch von anderen Unternehmen abgeschottet und können nur über E-Mail mit der Außenwelt kommunizieren. Web 2.0-Anwendungen wie Covisint erlauben im Gegensatz dazu die Bildung von Gruppen über Unternehmens- und Landesgrenzen hinweg. Auch private Benutzer können meist kostenlos Gruppen gründen und Daten und Applikationen sowie vielfältige Kommunikationsmöglichkeiten gemeinsam nutzen. Gruppenmitglieder können sich zum Beispiel über E-Mail, SMS oder Blogs benachrichtigen lassen, wenn wichtige Termine oder Dokumente geändert werden oder – was meist für Jugendliche wichtiger ist – sich in der Gruppe auch mit Sprache unterhalten. Mit Betriebskosten von 6 Euro/Monat kann man heute eine professionelle und mit 99,5 Prozent verfügbare Web 2.0Plattform für hundert Teilnehmer zum Beispiel für eine kleine Firma oder einen Verein als Hosted Service mieten. Inzwischen nutzen auch Nachrichtendienste (wie z.B. Focus) Systeme wie Twitter, um kurze Nachrichten über SMS zu verteilen. Mit Twitter Vision kann man den weltweiten Twitter Nachrichtenverkehr, der noch weitgehend von Freaks dominiert wird, auf einer Weltkarte verfolgen. Twitter kann auch über eine Sprachschnittstelle – zum Beispiel im Auto – bedient werden. In ganz andere Dimensionen der Interaktion

mit Gruppen kommt man bei Online-Spielen wie World of Warcraft, über das man sich am besten über User Foren informieren kann. Second Life ist nur eine, aber wahrscheinlich die extern bekannteste von vielen virtuellen Welten, in denen die Besucher ganz wie im richtigen Leben ihren Tätigkeiten nachgehen und auch mit Sprache miteinander kommunizieren können. Die Datenströme solcher interaktiver Spiele erfordern heute riesige Rechnersysteme, die, zudem noch anders als Forschungsrechner, ununterbrochen verfügbar sein müssen.

Die reale Welt wird mit der virtuellen Welt des Web 2.0 verbunden

Die reale Welt der Dinge und die virtuelle Welt des Web waren bisher für den typischen WebBenutzer streng getrennt. Allenfalls konnte man die reale Welt mit Webcams besichtigen. Im Web 2.0 wird auch die reale Welt in das Internet eingebunden. Im dünn besiedelten Finnland sind viele Haussprech- und Schließanlagen schon seit Jahren vom Mobiltelefon oder vom Arbeitsplatz-PC aus zu bedienen. Damit kann auch bei Abwesenheit der Bewohner der Postbote die im Internet bestellten Pakete sicher deponieren oder ein Handwerker das Haus betreten. Mit Diensten wie Jaiku kann man sehen, wo sich Freunde mit ihrem Mobiltelefon oder ihrem Auto gerade aufhalten und was sie gerade vorhaben, um sich an einem für alle günstigen Ort zu treffen. „Seriöse“ Internetbenutzer werden diese Technologie im privaten Bereich zunächst ablehnen. Wenn man jedoch damit am Bildschirm zu Hause sehen kann, wann der Schulbus mit den Kindern ankommt, könnte das durchaus eine Überlegung wert sein, diese Technik zu nutzen. Ortsbezogene Werbung (location based services) oder auch Dienste wie Steuerung der Raumtemperatur im Haus abhängig von der Entfernung der Bewohner lassen sich damit realisieren. Damit kann man speziell im Immobilien-Bestand weit größere Einsparungen beim Energieverbrauch schnelleben online << Seite 61


ler und mit geringeren Investitionen erzielen als mit aufwändigen Baumaßnahmen und alternativen Energien. Ob sich allerdings die Idee durchsetzt, die Benutzerschnittstelle zum intelligenten Haus der realen Welt in der virtuellen Welt zum Beispiel in Second Life nachzubilden, wird sich zeigen (Abb.2). Die pfiffigsten intelligenten Häuser findet man übrigens nicht bei Universitäten oder Milliardären in den USA, sondern weltweit in Privathäusern von Softwareentwicklern. Die Zahl der Benutzer, die ihre Stehlampe in Second Life anmachen wollen, wird sich jedoch wohl in Grenzen halten. Es kann jedoch durchaus Sinn machen, dass sich Angehörige von älteren Menschen über das Internet darüber informieren können, ob im Haus noch alles in Ordnung ist. Dazu muss man keine indiskrete Webkamera installieren – auch die Anzeige des Stromverbrauchs einiger Geräte im Haus ist bereits ein guter Indikator. Die Technik hierfür kann dank drahtloser Datenübertragung einfach installiert werden. „Ambient Assisted Living“ kann vorteilhaft in vielen Bereichen der sozialen Dienste und Pflege sowie deren Organisation eingesetzt werden, um nicht nur die Lebensqualität der älteren Menschen, sondern auch die der pflegenden Familienmitglieder und Pflegekräfte zu erhöhen. Der Verkauf, die Installation, der Umgang und der Service immer komplexerer Hausgeräte wird nur effizient möglich sein, wenn es gelingt, ähnliche Konzepte der Fernwartung, wie sie bei Großsystemen und bei PCs heute üblich sind, auch bei Haushaltsgeräten einzuführen. Wie schwierig es ist, solche IT-Konzepte bei Millionen von Geräten fehlerfrei umzusetzen, müssen die Mobilfunkkunden aber auch iPhone-Kunden des IT-Profis Apple häufig beim Software-Update ihrer Geräte erfahren.

Innovation im Web 2.0

Da Web 2.0 keine grundlegend neue Technologie erfordert und selbst neue Betriebsformen Seite 62 >> leben online

– wie das für den Betrieb großer Online-Service-Netze mit tausenden im Netz verteilten Online-Rechnern notwendige Cloud Computing – aus vorhandenen Bausteinen zusammengesetzt werden, erfolgt die Entwicklung des Web 2.0 organisch aus kleinen Ideen und Prototyp-Systemen heraus. Große Firmen oder Universitäten mit vielen Mitarbeitern und großen Geldmitteln sind anders als bei vielen anderen Innovationen nicht in einer besseren Startposition als einige clevere Spezialisten, die eine pfiffige Idee schnell und unbürokratisch umsetzen können. Ähnlich wurde auch die heute dominierende IT-Landschaft durch den Personal Computer geprägt. Die PCs kamen damals durch die Kinderzimmer in die Chefetagen der Firmen. An Universitäten wurden zwar die Grundlagen von Web 2.0 vor etwa 20 bis 30 Jahren entwickelt, in der aktuellen Web 2.0Szene spielen jedoch Universitäten allenfalls als Lieferanten von cleveren Studienabbrechern für die neuen Erfolgsfirmen eine Rolle. Die heute in der Wirtschaft und Politik üblichen Formen der Innovationsforschung und Innovationsförderung sind bei dieser „Bottom up“-Innovation nicht anwendbar. Ein Wirtschaftsführer kann wahrscheinlich in einem Gespräch mit seinen Kindern mehr über Web 2.0-Technologien und deren soziale Auswirkungen erfahren als durch eine Beratung großer Consulting Firmen oder durch Besuch eines Innovationsseminars an einer Eliteuniversität. Dazu kommt, dass die meisten Firmen die Mitwirkung ihrer kreativen Mitarbeiter in geschlossenen Innovationsnetzwerken, in denen alle Mitglieder aktiv Beiträge leisten müssen, nicht gerne sehen und diese Mitarbeiter damit nicht auf dem höchsten Stand der Technik sein können. Dies führt unter anderem dazu, dass die meisten großen Firmen Innovationen in Form von kleinen Firmen zukaufen und nicht mehr selbst entwickeln. In der IT-Industrie ist das seit langem üblich. Diese Tendenz wird zunehmend auch in traditionellen Industrien sichtbar.

Abb.2: Bankfiliale in Second Life (Deutsche Bank) (Bildquelle: Second Life)

Chancen und Risiken

Die Beherrschung und Durchdringung der Web 2.0-Techniken wird für jede global agierende Hochtechnologieregion zu einer Schlüsselqualifikation. Obwohl in Deutschland 68 Prozent selbst der 50- bis 60-Jährigen das Internet nutzen (Quelle: Forschungsgruppe Wahlen 3Q 2007), sind fast alle Web 2.0-Benutzer jünger als 40 Jahre. Das liegt sicher an mangelnden attraktiven Angeboten für Ältere aber auch an fehlenden Kenntnissen im Umgang mit der neuen Technik und deren Organisationsformen (Abb.3). Während die SWR-Hörfunksendung „Das Ding“ schon seit Jahren fast alle bekannten Web 2.0-Techniken für Dienstleistungen und Beteiligung ihrer jugendlichen Kunden bis zu 14 Jahren einsetzt, bietet die Stuttgarter Zeitung ihrer älteren Leserschaft erst seit neuestem einige limitierte Online-Dienste und -Foren an, obwohl sie einen recht guten Technologie-Informationsdienst für Privatpersonen pflegt. Praktische

Mitarbeiterschulungen oder VHS-IT-Kurse zum Erlernen der Web 2.0-Techniken findet man in Baden-Württemberg noch selten. Web 2.0-Techniken wären für Schüler und Lehrer eigentlich ideal, um den eigentlichen Unterricht vorzubereiten und zu ergänzen. Da alle Anwendungen und Daten im Netz verfügbar sind und fast alle Schüler zu Hause PCs und schnellere Internetanschlüsse als in der Schule haben, kann man auf die Anschaffung und den Transport von Laptops in den Schulranzen verzichten. Auch die Betreungslehrer, die an der Schule in einer recht komplexen IT-Landschaft gegen Hardware, Software und veraltete Netztechnik kämpfen, könnten entscheidend entlastet werden. Wie alle neuen Dinge kann auch das Web 2.0 eine unheimliche Faszination ausüben. Jugendliche in Deutschland sind oft zwischen vier bis zu elf Stunden online. In Südkorea werden auffällige Jugendliche (Spitzenreiter mit bis zu 17 Online-Stunden am Tag!) bereits zu Entzieleben online << Seite 63


hungskuren und Schulungskursen geschickt. Man sollte aber nicht vergessen, dass auch Erwachsene mehr als elf Stunden im Auto, Büro und zu Hause mit Telefon und PC online sind und im Mittel eine E-Mail in weniger als zwei Minuten beantworten. Auch hier können nur Schulung, Erziehung und gute Vorbilder helfen.

horst henn Horst Henn, Dr.-Ing.: Studium der Datenverarbeitung und Nachrichtentechnik an der Universität Stuttgart, Promotion. 1975 Eintritt in das IBM Forschungs- und Entwicklungslabor in Böblingen. Ab 1982 Entwicklungsmanager für neue Produkte ab 1992 mit Schwerpunkt Pervasive Computing u.a. Unterschriftenprüfung (SIVAL, Biometrie), Smartcard Software (Geldkarte, Gesundheitskarte/DIABCARD, OpenCard), Pervasive (IBM WebSphere Portal). Entwicklung und Lead Consultant bei der Einführung von Unternehmensportalen speziell in der Automobilindustrie. Entwicklung von Zukunftskonzepten zusammen mit Kunden, z.B. G7 Healthcard/ DIABCARD (1995), Pervasive Bank der Zukunft (Funkschau Berlin 1997), Digitale Content Fabrik (Multimedia Showcase und Wireless Car, CeBIT 2002). Seit 2006 selbständig als IT Technologie-Berater für die Einführung und Nutzung neuer Portal- und Web 2.0-Technologien auch im Privat- und Non-Profit-Bereich. hhenn@portaleco.com • www.portaleco.com

Abb.3: Altersverteilung der Benutzer einer typischen Web 2.0-Anwendung (Bildquelle: Hugo E. Martin, Oktober 2007)

Literatur Burkhardt, J. et al., 2002: Pervasive Computing. London: Pearson. • Henn, Horst, 2007: Links LebenOnline. URL= http://www.mister-wong.de/rss/groups/ LebenOnline/ (20.11.2007) • Lange, Corina 2006: Web 2.0. zum Mitmachen – die beliebtesten Anwendungen. O‘Reilly: Köln. URL = ftp://ftp.oreilly.de/pub/ katalog/web20_broschuere.pdf (19.11.2007)

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Astrid Beck Hochschule Esslingen

leben online im internet der zweiten generation Anforderungen aus Sicht der Nutzer an heutige und zukünftige Anwendungen im Internet

Fast schon alltäglich für viele Menschen: E-Mail, Online-Shopping, Surfen im Web. Doch was ist davon zu halten, wenn nun immer mehr Menschen rund um die Uhr online sind, stundenlang mit bekannten und unbekannten Personen Gespräche führen, Tagebücher online schreiben und private Fotos und Filme vom letzten Urlaub oder persönliche Bookmarks für alle sichtbar ins Netz stellen? Findet hier sozialer Austausch statt oder eher asoziale Selbstdarstellung? Hier soll der Frage nachgegangen werden, welche Anforderungen an Webplattformen es gibt und wie diese umzusetzen sind, um das Weberlebnis interessant und zufriedenstellend zu gestalten. leben online << Seite 67


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leben online Ein neuer Rekord bei der Internetverbreitung in Deutschland wurde aufgestellt: Erstmals wurde 2007 die 40 Millionen-Grenze für die Internet-Nutzung durchbrochen. Laut der ARD/ ZDF-Online-Studie [2007] haben aktuell 40,8 Millionen Deutsche ab 14 Jahren Zugang zum Internet. Zuwachsraten gegenüber dem Vorjahr wurden vor allem bei den Frauen und den über 50-Jährigen ausgemacht. Mit 5,1 Millionen über 60-Jährigen sind erstmals mehr „Silver Surfer“ im Netz als 14- bis 19-Jährige (4,9 Millionen). Was bewegt die Menschen im Netz? Welche Services sind für private und berufliche Surfer neben E-Mail und Online-Suche interessant?

Lernen, Arbeiten und Zeit vertreiben im Web

Zunächst sind vor allem Videos und Audiodateien zu nennen. 16 Prozent der Onliner schauen sich via Internet mindestens einmal wö-

chentlich bewegte Bilder online an. Dies sind fast doppelt so viele wie 2006 [ARD/ZDFOnline-Studie 2007]. Gespeichert werden diese auf Videoportalen wie YouTube (die beliebtesten Videoportale zeigt Abb.1). Die Benutzer haben die Möglichkeit – neben dem Up- und Download von Filmen –, sich mit anderen Usern über die Inhalte auszutauschen und diese zu bewerten. Man kann sehen, wer gerade Bewertungen abgibt und welche Filme gesehen werden. Dies sind wichtige Funktionen, die Nutzern das Gefühl geben, am aktuellen Geschehen teilzuhaben, nicht allein im Netz zu sein und das Geschehen ein Stück weit mit im Griff zu haben und es zu steuern. Die User gestalten das Internet, auch vom Mitmachweb oder sozialem Netzwerk (das sich durch soziale Software erschließt) wird gerne gesprochen.

1. www.youtube.com

6. www.maxdome.de

2. www.myvideo.de

7. www.t-online.de

3. www.clipfish.de

8. www.my-video.de

4. www.youtube.de

9. www.clipfisch.de

5. www.sevenload.de

10. www.autsch.de

Abb.1: OnlineStar 2007. Kategorie Videoportale: die 10 beliebtesten Webseiten des Jahres

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senioren im netz In der Generation 50plus stieg der Anteil der Onliner rapide an. Von den 50- bis 59-Jährigen sind mit 64 Prozent mittlerweile nahezu zwei Drittel (2006: 60 Prozent) online, unter den Seite 68 >> leben online

sind vielfältig. Hard- und Software werden immer benutzungsfreundlicher, die Technikkompetenz der älteren Generation nimmt zu. Gleichzeitig werden aber auch die Ansprüche größer. Die heutigen Senioren können sich vieles leisten, haben viel gesehen und konsumiert und sind mannigfaltig interessiert, sie nutzen ein breites Medienangebot und tauschen sich mit Freunden und der Familie über ihre Erfahrungen aus. Dies müssen entsprechende Angebote berücksichtigen. Gut gelungen ist das bei feierabend.de. Die Webplattform feierabend.de – mit nach eigenem Bekunden mehr als 120.000 Usern – bietet neben Werbung für Bestattungen jede Menge Community- und interaktive Angebote und nennt diese auch so. Den Begriff Senior gibt es hier aber nicht, es wird stattdessen von den „besten Jahren“ gesprochen. Stark nachgefragte Themen sind Partnersuche, Regionaltreffs, Unterhaltung und Ratgeberangebote. Des weiteren kann man Bilder und Gedichte hochladen, shoppen und seine persönliche Seite ein-

ab 60-Jährigen (2006: 20 Prozent) jeder Vierte [ARD/ZDF-Online-Studie 2007]. Die Gründe, warum sich immer mehr ältere Menschen einen Internetanschluss zulegen,

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richten. Die Schriftgröße ist mit einem Klick veränderbar. Ein ähnliches Angebot bieten z.B. Platinnetz, das Seniorenportal oder Seniorentreff (Abb.2). Die Anforderungen der Generation 50+ werden zukünftig noch steigen. Personen, die heute 40, 45 Jahre alt sind, haben den Internetboom voll mitgemacht, sind computeraffin mit entsprechender Online-Kaufroutine und haben Massen von technischem Gerät in ihren Sakkos und Handtaschen, man denke an iPods und iPhones, mobile Geräte jeder Art. ‚Always on’ ist die Devise und Poweruser werden in zehn Jahren dann mit über 50 ihre Computer und sonstige Geräte nicht bei Ebay versteigern, sondern Angebote wie Xing, MySpace und Facebook neben E-Mail und elektronischem Terminplaner ganz selbstverständlich weiternutzen. ‚Everything under control’ lässt sich als weitere Anforderung hinzufügen, bei dem (Über-)Angebot von Hard- und Software sollte nie der Überblick und die Orientierung verloren gehen.

anforderungen an die bedienbarkeit Neue Nutzergruppen, ältere Nutzer aber auch Kinder und Gelegenheitsnutzer benötigen spezielle Unterstützung bei der Benutzbarkeit von Online-Angeboten. Aber auch der Normalnutzer möchte nicht auf Bedienkomfort verzichten müssen. In einer Studie der DMC (s. Internet World Business 22/07) geben die Online-Nutzer an, dass sie sich beim OnlineShopping ein klares Shopdesign und ein einfach zu bedienendes System wünschen. Des weiteren werden gewünscht: • Preisvergleiche • Anzeige des Liefertermins • Prüfung des Bestellstatus • Kundenbewertung lesen/schreiben Diese Wünsche lassen sich einerseits dem Be-

dürfnis zur Interaktion und andererseits zur Personalisierung, also zur individuellen Benutzerunterstützung zuordnen. Anforderungen, die bereits genannt bzw. umschrieben wurden: • Steuerbarkeit • Selbstbeschreibungsfähigkeit • Individualisierbarkeit Diese Kriterien sind in der international gültigen Norm DIN EN ISO 9241 beschrieben, diese beinhaltet außerdem: • Aufgabenangemessenheit • Erwartungskonformität • Fehlertoleranz • Lernförderlichkeit

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Abb.2: Die Webplattform feierabend.de bietet Services für Senioren (Bildquelle: feierabend.de)

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usability test: anforderungen umsetzen und überprüfen Unter Usability versteht man den Grad der Benutzbarkeit einer Software, um anstehende Aufgaben zufriedenstellend umzusetzen. In der bereits erwähnten DIN EN ISO 9241 wird noch konkreter definiert, wobei der Begriff ‚Usability’ mit ‚Gebrauchstauglichkeit’ übersetzt wird: „Gebrauchstauglichkeit: Das Ausmaß, in dem ein Produkt durch bestimmte Benutzer in einem bestimmten Nutzungskontext genutzt werden kann, um bestimmte Ziele effektiv, effizient und mit Zufriedenheit zu erreichen.“ (DIN EN ISO 9241-11) Wichtig sind auf der einen Seite der Nutzungskontext, der beschreibt, wie und in welchem Umfeld Benutzer ihre Ziele erreichen wollen und auf der anderen Seite, dass die Ziele auch wirklich erreicht werden und zwar schnellstmöglich. Außerdem sollen die Benutzer zufrieden sein mit dem, was sie mit der Software tun. Bereits während der Entwicklung von Software – also nicht erst bei Projektende – sind daher Usability Tests durchzuführen. Sie zielen darauf ab, Schwachstellen bei Prototypen und ersten Versionen aufzudecken. Leider wird dies in Internetprojekten noch nicht immer gemacht, aber wenn man Schwächen und Fehler schon frühzeitig entdeckt, ist ihre Korrektur weitaus kostengünstiger, als wenn Fehler erst bei der Nutzung durch den Kunden gefunden werden. Für den Test und die Bewertung kommen verschiedene Methoden in Frage. Zuvor sind die Untersuchungsziele festzulegen, die mit dem Test überprüft werden sollen. Anhand von festzulegenden Bewertungskriterien und Testaufgaben wird dann mit ausgewählten Testern und Testpersonen getestet. Abschließend sind Tests auszuwerten und Handlungsempfehlungen abzuleiten.

Für die Tests reichen fünf bis acht Testpersonen aus, die Testaufgaben mit der Software oder einem Webauftritt durchführen. Eine Aufgabe kann zum Beispiel lauten „Kaufen Sie eine geräuscharme, umweltfreundliche Geschirrspülmaschine für einen 4-Personen-Haushalt“. Testaufgaben sollen realistisch formuliert sein und von den Testpersonen ohne weitere Hilfe verstanden und durchgeführt werden können. Anhand der Testaufgaben soll untersucht werden, wie lange die Testperson braucht, um die Aufgabe durchzuführen, welche Schwachstellen gefunden und wie viele Fehler dabei gemacht werden. Außerdem von Interesse sind die subjektive Einschätzung und Zufriedenheit der Benutzer. Die Dauer des Test sollte eineinhalb bis zwei Stunden pro Person nicht überschreiten. Bei dem Test sollte ein Testleiter und -beobachter dabei sein, aber nur zur Einführung und Erläuterung des Tests, er sollte bei der Durchführung nicht helfen. Weitere Technik, wie zum Beispiel Video, wird nicht benötigt, da sie unnötig Geld und Zeit für die Auswertung der Tests erfordert. Es stehen eine ganze Reihe von Methoden für Usability Tests zur Verfügung. Bereits dargestellt wurde die verhaltensbasierte Methode, das heißt man überprüft das Vorgehen und Verhalten von Testpersonen beim Surfen auf der zukünftigen Webseite. Die Benutzer führen festgelegte Aufgaben aus, beispielsweise „Finden Sie das Kontaktformular und stellen Sie eine Anfrage bezüglich des Produkts ‚xyz‘ “. Benutzer werden dabei beobachtet und im Anschluss interviewt und/oder darum gebeten, einen Fragebogen auszufüllen. Die Online-Hilfe und das Handbuch können ebenfalls in den Test einbezogen werden. Nur durch ausreichende Tests mit den zukünfleben online << Seite 71


tigen Nutzern kann sichergestellt werden, dass der Webauftritt „funktioniert“, das heißt bei den Nutzern ankommt und zwar so gut, dass sie gerne wiederkommen und das Angebot auch

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gerne weiterempfehlen. Häufig wird neben den vielen technischen Möglichkeiten bei der Umsetzung schlicht übersehen, dass es letztlich auf die Zufriedenheit der Nutzer ankommt.

astrid beck Astrid Beck ist Geschäftsführerin von GUI Design und hat eine Professur an der Hochschule Esslingen inne. Ihre Beratungsund Lehrschwerpunkte sind die Gestaltung von Benutzungsoberflächen und Usability, Konzeption von Webprojekten sowie Methoden und Verfahren für die Software-Entwicklung, wie zum Beispiel Anforderungsermittlung und Test.

fazit Das Internet der ersten Generation kommt in die Jahre. Damit einher geht der Wunsch nach Neuem, nach Modernität, mehr Komfort und besserer Bedienung. Etablierte Anbieter werden ihre Webauftritte mit neuen Services anreichern müssen, zum Beispiel durch Kundenmeinungen und -bewertungen, wenn sie mithalten wollen. Kunden werden sich stärker einbringen wollen und können. Echte Partizipation bedeutet dabei nicht nur, sich über Produkte zu informieren, sich über diese in Blogs auszutauschen und Bewertungen zu schreiben, sondern auch die Produkte direkt mitzugestalten. Ideen wie beim neuen Fiat 500 werden Schule machen: Online können die Benutzer über Aussehen und Ausstattungsmerkmale mitbestimmen, die Öffentlichkeit entwickelt am zukünftigen Auto mit (FIAT500.com). Diese Grundidee lässt sich auf viele Produkte übertragen. Es lässt sich verstärkt beobachten, dass die Medien nicht nur über neue Entwicklungen im Web berichten, sondern gleich selbst einsteigen. Holtzbrinck kaufte Ende 2006 studiVZ für einen fast dreistelligen Millionenbetrag und Pro Sieben hält 30 Prozent von MyVideo. Medien und Mediennutzung verändern sich, über das Web lässt sich beispielsweise das Fernsehprogramm mit Trailern und Ausschnitten bewerben, im Web kann man dann später über

das Gesehene seine Meinung abgeben und Sendungen bewerten. Zeitungen lassen zu ihren Artikeln bloggen und drucken wiederum die interessantesten Beiträge. Die Medien gehen zusammen: Konvergenz statt Konkurrenz. Verstärkt muss untersucht werden, welche Nutzergruppen in Web 2.0 aktiv sind. Jugendliche nutzen MySpace, Studenten treffen sich in studiVZ und ältere Nutzergruppen nutzen mobile Services und Blogs? Ganz so einfach ist es sicher nicht, bisher fehlen aber detaillierte Untersuchungen, um Angebote noch genauer auf die Kunden zuschneiden zu können. Mit Sicherheit wachsen wird der Bedarf an mobilen Lösungen. Dazu kommen die Ansprüche an die soziale Kommunikation. Sozialer Austausch allein über das Internet wird auch zukünftig den meisten Usern nicht ausreichen, es werden also auch zukünftig – vielleicht sogar noch mehr – ergänzende Möglichkeiten für den Austausch im realen Leben gefragt sein: Netzwerk- und Regionaltreffen, Arbeitskreise, Chat- und Datingpartner, Teams wollen sich nicht nur online sondern im echten Leben treffen und austauschen. Diese Treffen wiederum müssen organisiert und koordiniert werden, und das geht am besten mit sozialer Software…

Astrid Beck ist Sprecherin des Fachbereichs Mensch-Computer-Interaktion der Gesellschaft für Informatik (GI) und Mitherausgeberin von Web 2.0, HMD - Praxis der Wirtschaftsinformatik, Juni 2007. Prof. Astrid Beck Hochschule Esslingen Fakultät Informationstechnik Studiengang Softwaretechnik und Medieninformatik Mensch-Maschine-Schnittstellen Flandernstr. 101 73732 Esslingen Astrid.Beck@hs-esslingen.de • www.it.hs-esslingen.de

Literatur ARD/ZDF-Online-Studie, 2007: URL = http://ard-zdf-onlinestudie.de/ (17.11.2007) • OnlineStar, 2007: URL = http://www.onlinestar.de/ (17.11.2007)

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4.werbung

& pr

Björn Eichstädt: Das Agentur-Weblog Storyblogger Wilfried Mödinger: Marketing to the Social Web

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Björn Eichstädt Storymaker GmbH, Tübingen

das agentur-weblog storyblogger Zwei Jahre im Web 2.0 – ein Erfahrungsbericht

Am 17. November 2005 startete die PR-Agentur Storymaker aus Tübingen das Agentur-Weblog Storyblogger als Kommunikationsplattform. Seither schreiben mehrere und wechselnde Autoren über spannende Entwicklungen im Internet, Themen und Fundstücke aus der Welt der Medien, vermitteln Sichtund Denkweisen der Agentur und berichten über Metathemen, die für Kommunikations- und Medienschaffende von Interesse sind. Neben dem Aufbau neuer Kontakte in der Medienwelt brachte das Web 2.0-Engagement auch Entwicklungen innerhalb des Unternehmens und bei Kunden der Agentur in Gang. werbung & pr << Seite 77


Aus Amerika mitten ins deutschsprachige Web

Anfang des Jahres 2005 wurde das Echo des Weblog-Trends in den USA auch in Deutschland langsam hörbar. Leise noch, aber nach den klassischen Early Adopters, die bislang fast unbemerkt von einer breiteren Öffentlichkeit ihr Weblog auch hierzulande betrieben, sprangen langsam auch Unternehmen auf den ins Rollen geratenen Blog-Zug auf. Auch bei Storymaker, einer heute 17-köpfigen PR-Agentur in Tübingen, tauchten immer wieder Links zu interessanten Themen in E-Mail-Texten auf, die nicht auf klassischen redaktionellen Inhalt eines bekannten Verlages verwiesen, sondern auf so genannte „Weblogs“. Das erste „Online-Tagebuch“, das unter den Mitarbeitern der Agentur eine kontinuierliche Leserschaft fand, war „Indiskretion Ehrensache“ aus der Feder des HandelsblattJournalisten Thomas Knüwer (s. Literatur), der regelmäßig über seine Erfahrungen mit PRAgenturen und Unternehmen im Redaktionsalltag berichtet. Neben „Indiskretion Ehrensache“ fand sich schnell ein ganzes Netzwerk an aktiven deutschen Bloggern, die die heimische, sogenannte Blogosphäre bildeten. In den Bereichen Marketing / PR / Medien bestimmten der Werbeblogger Patrick Breitenbach (s. Literatur) und der PR-Blogger Klaus Eck (s. Literatur) – beide noch immer die Wortführer in ihren individuellen Bereichen – die inhaltliche Diskussion. In einem ersten Schritt näherten wir uns der Blogosphäre, die 2005 noch mit dem Web 2.0 gleichgesetzt wurde, indem via Kommentare und Diskussion in fremden Weblogs ein Gefühl für die Regeln und Gepflogenheiten in den Online-Tagebüchern, die mit ihren Lesern schnell zu Communities wuchsen, erreicht wurde.

Der Wunsch und die Grundlagen

Nach einigen Monaten der Beschäftigung mit der Blogosphäre wuchs bei Storymaker der Seite 78 >> werbung & pr

Wunsch, mit einem eigenen Weblog im Web 2.0 aktiv zu werden. Gemeinsam mit einer PartnerWerbeagentur evaluierte Storymaker verschiedene im Internet verfügbare Weblog-Publishing-Systeme. Die Wahl fiel auf WordPress (s. Literatur), ein international häufig eingesetztes, auf der Skriptsprache PHP (s. Literatur) basierendes System, das als quelloffene Software kostenlos zum Download verfügbar ist. Vor allem die leichte Anpassbarkeit der Software, die Fähigkeit zur Integration von zahlreichen Plugins, die optische Basis von WordPress sowie die sehr leichte Handhabbarkeit und Übersichtlichkeit bei der Editierung im Back-end (s. Abb.1) der Software konnten überzeugen. Als nächstes folgte die Suche nach einem Namen für das Weblog. Die Wahl fiel auf Storyblogger – für sich allein stehend und doch an die Identität der hinter dem Blog stehenden PR-Agentur Storymaker angelehnt. Als inhaltlichen Fokus definierten wir „PR- und Medienthemen in einfacher, anekdotenhafter Art und Weise aufbereitet“. Einzelne Kategorien wie „PR-Welt“, „Werbung“ etc. sollten einen Rahmen für die Texte und deren Auffindbarkeit bilden. Außerdem war von Anfang an der Einsatz von Fotos geplant. Am 17. November 2005 ging Storyblogger, angelehnt an die Optik der damaligen Homepage, mit dem Beitrag „Storyblogger rising“ live.

Abb.1: Das Back-end des Weblog Publishing Systems WordPress ist einfach und übersichtlich.

Zielsetzungen

Von Anfang an ging es bei Storyblogger um das Experimentieren mit dem Medium Weblog. Als PR-Agentur wollte Storymaker für künftige Aktivitäten für sich und die Agenturkunden im Internet gerüstet sein. Ziele waren zunächst die Verlinkung im Netz, die stetige Steigerung der Besucherzahlen und die Schaffung einer eigenen Web-Identität für die Agentur, parallel zum Homepageauftritt www.storymaker.de (Abb.2). Außerdem fokussierte sich das Projekt auf die Untersuchung von PR-Mechanismen und Querverlinkungen zum Weblog, um die Popu-

Abb.2: Die Website von www.storymaker.de ist die Basis der Internetpräsenz der PR-Agentur.

werbung & pr << Seite 79


larisierung von Weblog-Angeboten zu testen. Im Verlauf der zweijährigen Geschichte von Storyblogger kamen weitere Ziele hinzu: der Aufbau von Kontakten zu anderen Web 2.0Aktivisten, die Integration neuer Tools, die Multimedialisierung des Weblogs sowie der Aufbau eines Autorenstamms, der den Blickwinkel des Weblogs auf weitere Themen im Medienumfeld erweitern sollte.

Umsetzung und begleitende Bekanntmachung

Von Anfang an folgte die Arbeit mit dem Weblog Storyblogger einer Doppelstrategie – einerseits sollte interessanter Content für das Online-Tagebuch erstellt und die Verlinkung in der Blogosphäre vorangetrieben, andererseits mussten das Tool und die aus seiner Anwendung gewonnenen Erkenntnisse auf breiterer Basis bekannt gemacht werden. Begleitende PR gehörte schon zu Beginn zur Strategie des Weblogs. Direkt zum Start wurde beispielsweise eine Pressemitteilung an PR- und Marketingmedien, aber auch an die Agenturkunden verschickt. Auch die PR-nahen Weblogs in Deutschland wurden mit dieser Pressemitteilung über den neuen Mitstreiter in der Blogosphäre informiert. Dies führte bereits in den ersten zwei bis drei Monaten zu einer

Zugriffszahl von etwa 5000 Visits pro Monat; eine Zahl, die kontinuierlich anstieg. Im März 2006 pegelte sie sich zwischenzeitlich auf etwa 20.000 Visits ein, um später auf 40.000 Visits im Monat zu wachsen. Eine Zahl, die bis heute – mit leichten Schwankungen – Bestand hat. Externe Kommunikation zum Weblog wurde bald auf weitere Maßnahmen ausgeweitet: Regelmäßige Aktionen im Blog bekamen Unterstützung durch breit versendete Presseinformationen, Kommentare und Interviews in PR- und Marketingpublikationen unterstrichen die Web 2.0-Expertise der Agentur. Darüber hinaus kam es zu Seminaren und Vorträgen, in denen das Thema immer wieder fokussiert wurde. Neben diesen Maßnahmen wurde die URL www.storyblogger.de bei sämtlichen Kontaktinformationen von Storymaker – E-Mail-Abbinder, Visitenkarten, Briefpapier und natürlich Homepage – ergänzt. Im Kunden-Newsletter Storyletter wurde eine eigene Rubrik mit den monatlichen Highlights des Weblogs eingeführt und so zusätzliche Verlinkung erreicht (Abb.3): Die Bloglights waren geboren. PR ohne Content ist ein Unding: Deswegen stand die Entwicklung der inhaltlichen Umsetzung von Storyblogger von Anfang an im Zentrum der Bemühungen. Nach etwa einem halben Jahr Alleingang mit nur einem Autor Abb.4: Internationalität und Multimedialität prägen den Storyblogger nach etwa einem Jahr.

Abb.3: Die Website Bloglights ist fester Bestandteil des monatlichen E-Mail-Newsletters Storyletter.

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kamen zusätzliche Schreiber mit unterschiedlichen Ansätzen und inhaltlichen Kompetenzfeldern hinzu: Internationalität (Abb.4), Illustration, Technologie, Fotografie oder Multimedia bildeten Schwerpunkte, die verschiedenen Experten zugeordnet waren. Sowohl in- als auch externe Blogger bildeten schließlich das Storyblogger-Team, das nach etwa einem Jahr Ende 2006 ungefähr zehn Autoren umfasste und das neben dem Schreiben viele weitere Aktivitäten wie Fotografieren, Filmen von Videos etc. entwickelte.

Viel Arbeit und noch mehr Spam

Inhaltlich entwickelte sich Storyblogger kontinuierlich weiter. Doch wo im ersten halben Jahr vor allem der Enthusiasmus über das neue Medium vorherrschte, bei den angesprochenen Fremdautoren, aber auch intern, stellten sich ab dem ersten Jahr des Bestehens erste Ermüdungserscheinungen ein. Dass ein Weblog ein kostengünstiger Selbstläufer sein könnte – damals ein wichtiger Punkt in der medialen Diskussion des Themas – stellte sich bald als Irrtum heraus. Die Autoren mussten immer wieder von werbung & pr << Seite 81


neuem motiviert werden, Kommentare von Lesern (deren Zahl auf bald 40.000 Visits anstieg) trafen nur selten oder sehr unregelmäßig ein, eine gezielte Community-Bildung und ein zusätzlicher Kundendialog verliefen eher zäh. Bis heute hat sich die Zahl der Autoren wieder auf zwei regelmäßige Schreiber reduziert, die von sich aus die Motivation zum Verfassen von Artikeln entwickelt haben. Nach einer Hochphase mit mehreren Beiträgen pro Tag, hat sich der Blog inzwischen auf etwa ein bis zwei Beiträge in der Woche eingependelt. Außerdem hatte sich bald die internationale Spam-Versenderszene auf Weblogs eingeschossen: Zunächst war offenes Kommentieren an der Tagesordnung, ein Kommentar generierte lediglich eine E-Mail an den BlogMaster, der daraufhin den hinterlassenen Text überprüfte. Mit zunehmender Bekanntheit von Storyblogger erreichten die durch Spam generierten E-Mails schnell eine Größenordnung von mehreren Dutzend pro Tag, so dass der Aufwand kaum mehr in sinnvoller Zeit zu bewältigen war. Deshalb musste das SpamfilterPlug-in Spam Karma (s. Literatur), das speziell

für WordPress entwickelt wurde, eingeführt werden. Die Software hält bis heute tausende von Spam-Kommentaren ab (s. Abb.5), ohne dass diese zusätzliche Arbeit generieren. Zum weiteren Schutz vor Spam mussten später zusätzliche Maßnahmen bei der Kommentierung eingeführt werden – etwa eine kleine Rechenaufgabe, die der Kommentierer lösen muss, bevor sein Kommentar online geht.

Aus dem Bloggen werden Geschäftsentwicklungen

Die vielleicht wichtigsten Entwicklungen für die PR-Agentur Storymaker sind heute aus dem Weblog Storyblogger herausgewachsen. Die positiven Erfahrungen mit dem Einsatz von multimedialen Elementen, wie eingebundenen YouTube-Videos und deren Wirkung, führte 2006 zur Einstellung eines Regisseurs, der mit dem Aufbau einer Multimedia-Abteilung bei Storymaker begann. Diese setzt heute im Auftrag von Kunden Internetvideos, Imagefilme und kleinere Spots um. Auch das Thema Fotografie ist für die Agentur heute wichtiger denn je – einen Artikel zu illus-

trieren macht ihn interessanter – das hat Storymaker, bislang eine eher textlastige Agentur, aus den Erfahrungen mit Storyblogger mitgenommen. Durch die Weblog-Aktivitäten und deren Außendarstellung in der Presse und bei Veranstaltungen konnten außerdem interessante Kontakte mit innovativen Menschen und Unternehmen geschlossen werden, die später zu Umsätzen bei Storymaker führten und noch führen werden. Auch bei bestehenden Kunden wächst das Bewusstsein für das Internet – mit dem Wissen und den Erfahrungen aus der Storyblogger-Arbeit kann Storymaker hier rat- und tatkräftig zur Seite stehen, denn vor allem die inhaltlichen Themen und Recherchen für die Blogbeiträge haben die Mitarbeiter

geschult und fit für das Zeitalter des Internets als Leitmedium gemacht. Storyblogger selber ist weiterhin ein Entwicklungsprojekt, das derzeit – nach viel hektischer Aktivität in den vergangenen beiden Jahren – etwas zur Ruhe gekommen ist. Derzeit denken wir über einen Relaunch des Blogs nach, der neue Ziele verfolgen und zukunftsträchtige Inhalte generieren soll. Denkbar wäre der Auftritt als Schulungstool für Volontäre der Agentur oder als Plattform zum gezielten Austausch mit anderen Medienschaffenden. Die Möglichkeiten sind sicherlich vielfältig. Nur, auch das haben wir gelernt: Ohne viel Arbeit und Engagement ist eine solche Web-Präsenz nicht sinnvoll gestaltbar.

björn eichstädt Björn Eichstädt ist Geschäftsführer der auf die B2B-Kommunikation spezialisierten PR-Agentur Storymaker in Tübingen. Im November 2005 startete er das Weblog Storyblogger als erstes Web 2.0Instrument des Unternehmens, dem er seit sechs Jahren angehört. Strategische Kommunikation, operative PR-Arbeit und multimediale Ansätze gehören zu seinen Arbeitsschwerpunkten. Der studierte Neurobiologe lebt privat in München. b.eichstaedt@storymaker.de • http://www.storymaker.de Weblog: http://www.storyblogger.de Xing: https://www.xing.com/profile/Bjoern_Eichstaedt

Literatur

Abb.5: Spam-Kommentare übersteigen normale Kommentare schnell um mehrere Zehnerpotenzen.

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Blogspam – weitere Informationen: URL= http://de.wikipedia.org/wiki/Spam#Index-.2C_Link-.2C_Blog-_und_Wikispam (21.11.2007) • Indiskretion Ehrensache – Notizen aus dem Journalistenalltag von Thomas Knüwer: URL = http://blog.handelsblatt.de/indiskretion (21.11.2007) • PHP – weitere Informationen: URL= http://de.wikipedia.org/wiki/PHP (21.11.2007) • Spam Karma – weitere Informationen: URL= http://unknowngenius.com/blog/wordpress/spamkarma/ (21.11.2007) • Werbeblogger: URL= http://www.werbeblogger.de (21.11.2007) • WordPress – weitere Informationen: URL= http://de.wikipedia.org/ wiki/Wordpress (21.11.2007)

werbung & pr << Seite 83


marketing to the social web

Wilfried Mödinger Hochschule der Medien, Stuttgart

Die Rolle von Web 2.0 im Marketing-Mix

Neue Medien oder ein neues Medienverhalten wie zum Beispiel das Social Computing erfordern ein neues Verständnis, wie dieses im Marketing von Unternehmen eingesetzt und genutzt werden kann. In der Regel entwickeln neue Medien oder ein neues Medienverhalten dabei ihre eigenen Gesetze und werden „irgendwie“ – in der Regel additiv – dem Marketing-Mix hinzugefügt. Bei der Vielzahl der Möglichkeiten im Social Web, vom klassischen Weblog bis hin zu den Marketingaktivitäten mit Hilfe von Vlogs, besteht die Gefahr, dass der Überblick über die Marketingaktivitäten durch Web 2.0 verloren geht. Um dem entgegen zu wirken und systematisch Klarheit im Blick auf die Fragestellung „Was bringen die Web 2.0-Aktivitäten für das Marketing und die PR?“ zu erhalten, wurde im Rahmen des Innovationsprogramms Web 2.0 eine Expertengruppe eingerichtet, die sich um eine Klärung der Rolle von Web 2.0 insbesondere von Weblogs im Marketing-Mix bemühte. werbung & pr << Seite 85


das konzept der expertengruppe Das Konzept der Expertengruppe bestand darin, mit Hilfe von vorstrukturierten Experteninterviews Erkenntnisse über die Rolle des Social Web im Marketing-Mix zu gewinnen. Die Zusammensetzung der Expertengruppe bestand aus Teilnehmern, die in folgenden Bereichen tätig sind: selbstständige Beratungsagenturen, Verlage, Multimedia-Unternehmen, Studierende, Medienschaffende aus dem Bereich TV, Audio und digitale Medien und andere. Die Expertengruppe traf sich regelmäßig in

Abstand von vier bis sechs Wochen. Bei den einzelnen Treffen wurde systematisch an der Fragestellung gearbeitet, welche Möglichkeiten für das Marketing und Public Relation durch die Nutzung neuer Medien wie Web 2.0-Kommunikationsinstrumente gegeben sind. Um möglichst an einer konkreten Aufgabenstellung eine Bewertung dieser Fragestellung zu entwickeln, konzentrierte man sich vorwiegend auf die Rolle des Weblogs im Marketing-Mix und bei den PR-Maßnahmen.

das konzept der expertengruppe Phase 1: Festlegung eines Fragenkata- Phase 2: Befragung von vier Experten, loges für eine Expertenbefragung die ein Weblog betreiben In einer ersten Phase wurden die Kriterien für eine Befragung von Experten festgelegt. Diese bestanden vorwiegend darin, die Wirkung und Einsatzmöglichkeiten von Social Software/ Blogs an konkreten Beispielen mit den Schwerpunkten „Wirkung, Strategie, Maßnahmen, Hindernisse, Chancen“ festzustellen (s. Abb.1).

Es wurden vier Experten ausgewählt, die das Marketing ihres Weblogs präsentierten: Dabei handelte es sich um die Weblogs der Agentur storymaker (www.storyblogger.de), „Die-Arbeit-der-Nacht“ in Zusammenhang mit einer Buchveröffentlichung im Hanser-Verlag (www. die-arbeit-der-nacht.de), das Fixing-Blog der Fischerwerke (www.fixingblog.de) und das

1. Wirkung Was haben die Blogs für das Marketing eines/r Unternehmens/Organisation bisher gebracht? (besseres Ranking, Bekanntheit, neue Geschäftsfelder, neue Produkte, CRM u.a.) Welche positive Wirkung können Blogs für das Marketing bringen? 2. Strategie Gab es eine Strategie? Wie kann diese Strategie beschrieben werden? 3. Maßnahmen Was waren die Maßnahmen (Blog, Flickr, MySpace, Google Earth, Podcast usw.) und wie haben diese Maßnahmen zusammen gewirkt? 4 Hindernisse, Besonderheiten, Chancen, Risiken

Ergaben sich bei der Einführung und Betreibung eines Blogs besondere Hindernisse oder Herausforderungen? (Beispiel: Die Suche und Auswahl von geeigneten Autoren ist das größere Problem als Geld oder Zeit.)

Abb.1: Kriterien für das standardisierte Experteninterview

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Pons-Blog der Ernst Klett Sprachen GmbH (www.ponsblog.de). Schwerpunkt der Analyse, die anhand eines strukturierten Experteninterviews durchgeführt wurde, war die Frage nach der Funktion von Marketing und PR – vor allem von Weblogs – im Marketing-Mix. Die Interviews mit den Experten wurden in einer Gruppe mit ca. 15 bis 20 Teilnehmern in einem ca. einstündigen Interview durchgeführt. In einer anschließen-

den Diskussion wurden die Ergebnisse als Expertenmeinung zusammengestellt.

Phase 3: Formulierung und Diskussion von Thesen als Ergebnis der Expertenbefragung Die Mitglieder des Expertenkreises diskutierten gemeinsam Thesen im Blick auf die Wirkung und den Einsatz von Web 2.0/Blogs im Marketing-Mix und Public Relation.

thesen: die rolle von web 2.0 im marketing-mix Aus den Expertengesprächen wurden folgende Thesen formuliert:

These 1: Kommunikation und Medien

Innerhalb der Kommunikation entstehen immer wieder neue Formen von Medien (Fax, E-Mail, Blogs u.a.), durch die eine neue Art von Kommunikation stattfinden kann. Die Bedeutung der neuen Medien für die Kommunikation im Blick auf den Einzelnen und die Gesellschaft erschließt sich vorwiegend aus der aktiven Nutzung sowie deren konstruktiven Reflexion im Rahmen der Kommunikationsund Wirtschaftswissenschaft. Medien als „Transporteur von Kommunikation“ unterliegen als solche keinem Werturteil. Medien sind „weder als gut noch schlecht“ zu bewerten. Der Einsatz oder Gebrauch von Medien ist von der Funktion beziehungsweise dem Nutzen abhängig.

These 2: Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit

Blogs bzw. Social Computing sind Medien bzw. Instrumente zur Steigerung der allgemeinen Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen. Ihre Funktion im Blick auf die Steigerung im Absatzmarketing oder innerhalb der Verkaufsförderung ist zu diesem Zeitpunkt noch als be-

grenzt zu betrachten. Eine Wirkung im Blick auf die Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit ist gegenwärtig durch Public Relations-Aktivitäten, eine stärkere Wahrnehmung in der Öffentlichkeit und durch eine Absatzförderung durch redaktionelle Beiträge wahrnehmbar.

These 3: Anwendungs- und Einsatzbereich

Der Einsatz von Blogs bzw. Social Computing als Kommunikations- und Marketinginstrumente ist vielfältig und kann folgende Bereich umfassen: Personalmarketing (Recruitment), Public Relation Image, interne Wissenskommunikation und Wissensmanagement, Kundenbeziehungsmanagement CRM, Beschwerdemanagement, Anbahnung sozialer Kommunikation zum Beispiel durch Social Bookmarking, Rating, Information und andere.

These 4: Projekt oder kontinuierliche Anwendung

Marketing durch Blogs oder Social Computing kann im Rahmen eines begrenzten Projektes oder als eine kontinuierliche Anwendung realisiert werden. Zeitbefristete Web 2.0-Projekte müssen eindeutig und klar durch das Marketing abgeschlossen und beendet werden (nice exit). werbung & pr << Seite 87


These 5: Wissensmanagement und Beziehungsmanagement als Strategie

Die strategische Zielsetzung im Blick auf den Einsatz von Social Computing/Weblogmarketing im Marketing-Mix besteht vor allem in der Entwicklung von Beziehungen bzw. einer Community. Social Computing-Anwendungen können als Teile von Communities betrachtet werden, deren Aufgabe darin besteht, „sich ins Gespräch zu bringen“.

These 6: Redaktion und persönliche Ansprache

Der Anreiz zum Austausch und zur Teilnahme an Social Computing besteht in verschiedenen Aktivitäten wie beispielsweise Themen setzen,

Authentizität der Teilnehmer, Kommunikationsstil, relevante Inhalte und eine persönliche Ansprache bzw. Kommunikationsmöglichkeit, die sich an den Wissensbedürfnissen der Teilnehmer orientiert.

munikationskanal zu verstehen, um darin einen Werbe- oder Informationsdruck aufzubauen, ist das Ende aller Social Computing-Aktivitäten, insbesondere der Blogosphäre. Damit ver-

ändert sich grundlegend die Aufgabenstellung, mit denen sich Marketingexperten im Rahmen des Marketing im Social Web konfrontiert sehen.

These 7: Kommunikation und Ethik

Der Einsatz von Social Computing oder Aktivitäten des Weblog-Marketings im MarketingMix bedarf einer ethischen Reflexion. Diese umfasst die Fragestellung, inwieweit die Kommunikation einen (nachweisbaren, individuellen) Nutzen für den Rezipienten stiftet, eine Nachhaltigkeit erzeugt und auf der Basis von Wahrheit und Wahrhaftigkeit beruht.

das klassische marketing-mix-verständnis Die Arbeit der Expertengruppe war ein wesentlicher Bestandteil, die Funktion und Wirkungsweise von neuen Medien oder eines neuen Medienverhaltens wie zum Beispiel durch Social Computing zu analysieren und im Blick auf ihre Wirkung in bestehenden Marketingkonzepten zu bewerten. Dadurch wurde mit Hilfe der Thesen ein konkretes Ergebnis gefördert. Allerdings muss im Blick auf die gegenwärtige Diskussion die Frage gestellt werden, ob das Konzept des Marketing-Mix ausreichend ist, um die Wirkung und den Nutzen von Marketingaktivitäten im Social Web abzubilden und darzustellen. Das klassische Verständnis des Marketing-Mix im Bereich der Kommunikationspolitik ist so zu verstehen, dass innerhalb von verschiedenen Medien- oder Kommunikationskanälen bestimmte Aktivitäten mit bestimmten Kommunikationszielen geplant und realisiert werden. Mit Hilfe der Medien- oder Kommunikationskanäle wird ein bestimmter Informations- oder Werbedruck aufgebaut (vgl. Zielske 1969), der zu einer gewünschten Seite 88 >> werbung & pr

Wirkung der Kommunikationspolitik im Marketing führt. An diesem Punkt kann ein grundlegendes Missverständnis entstehen, das zu einer Fehlinterpretation des Marketing im Social Web führen kann: Die Aktivitäten im Social Web lassen sich nicht in dem Sinne verstehen, dass sie zu einem Kommunikations- oder Medienkanal zusammengefasst werden können, durch dessen Hilfe ein bestimmter Werbe- und Informationsdruck aufgebaut werden kann, um bestimmte Marketingziele bzw. eine bestimmte Kommunikationswirkung zu erzielen. Das Social Web ist kein Kommunikations- und Informationskanal, dessen sich Marketingfachleute in dem beschriebenen Sinne bedienen können. Marketing mit Hilfe von Social Web-Aktivitäten geschieht nach anderen Kriterien und Grundprinzipien. Marketing to the Social Web geschieht in erster Linie dadurch, dass Kommunikation angeregt und gemeinsam durch die Initiative aller stattfindet. Schon allein die Idee, Web 2.0 als Kom-

Abb.2: Klassisches Verständnis des Marketing-Mix (vgl. Beck, Mödinger und Schmid 2006: 406)

marketing to the social web Als Ergebnis der empirischen Überprüfung der Rolle von Web 2.0 im Marketing-Mix durch eine Expertengruppe und auf der Basis der Auseinandersetzung mit der bisherigen Literatur zu dieser Thematik, lässt sich die These formulieren, dass das Marketing mit Hilfe von Web 2.0 einem anderen Verständnis beziehungsweise Denken folgt als das klassische Marketingverständnis. Das grundlegende andere Verständnis von Marketing beginnt beim Selbstverständnis und der Rolle der Marketingfachleute selbst: Die Aufgabe der Marketingexperten, die für das Marketing in Unternehmen oder Organi-

sationen verantwortlich sind, beschränkt sich nicht darauf, mit Hilfe einer kreativen Idee und durch die Auswahl eines Kommunikationskanals den bestmöglichen Werbedruck im Blick auf eine Zielgruppe aufzubauen. Vielmehr soll Kommunikation in dem Sinne angeregt und entwickelt werden, dass dadurch eine Einstellung entsteht, die zur positiven Meinung, zum Kauf und zur Weiterempfehlung eines Angebots führt. Innerhalb der amerikanischen Sprache lässt sich dieser fundamentale Wechsel im Selbstverständnis eines Marketingexperten mit zwei Worten beschreiben: Marketingexperten werbung & pr << Seite 89


sind nicht mehr ausschließlich die „broadcaster“, die ihre Werbebotschaft in verschiedenen Medienkanälen „senden“ und damit einen Werbedruck aufbauen, sondern „aggregator“, die

Kommunikation anregen und kontinuierlich weiterentwickeln. Das Selbstverständnis des neuen Marketings lässt sich wie folgt beschreiben:

Aspekte

Altes Marketingverständnis

Neues Marketingverständnis

Kommunikationswege

Channel

Community

Selbstverständnis des Marketingexperten

Broadcaster

Aggregator

Marketingverständnis/ Mindset des Marketers

Aufbau eines Informations- und Werbedrucks durch One-wayKommunikation innerhalb eines Medienkanals

Aufbau von Beziehungen und Vertrauen durch eine natürliche dialogorientierte Kommunikation

Marktsegmentierung

Zielgruppen und Marktsegmente werden nach sozio-demographischen Merkmalen eingeteilt

Kundengruppen kristallisieren sich entsprechend von Werten, Verhalten und Kommunikation

Marketingziele

Beeinflussung von Zielgruppen entsprechend der sozio-demographischen Einteilung durch die Media-Planung

Einfluss der Zielgruppen entsprechend ihrem Kommunikationsverhalten

Top-down entsprechend der Marketingziele und Segmentierung

Bottom-up entsprechend dem Input aus der Kommunikation mit dem Kunden

Strategie

Art der Kommunikation Broadcasting-Style: Botschaften werden kreiert und innerhalb von Medienkanälen „gesendet“

Interaktive Kommunikation, Einladung zum Dialog und persönliche Bewertung durch den Kunden

Markenwert

Traditioneller Markenwert „holy grail“

Vitaler Markenwert durch die interaktive Kommunikation mit dem Kunden

Geschäftsmodell

Tausender Kontaktpreis (CPM): share of voice, share of mind, market share

Return on Investment (ROI): Investment in das Marketing in zukünftige Wachstumsfelder mit messbarem Ergebnis

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Die Gegenüberstellung von altem und neuem Marketingverständnis führt zu einer besseren Wahrnehmung der Veränderungen und der Anforderungen, die sich momentan grundlegend durch das Social Web ergeben. Die Gegenüberstellung stellt noch keine Lösung dar, wie altes und neues Marketingverständnis sich zu diesem Zeitpunkt miteinander zu einem ganzheitlichen Marketing verbinden lassen. In der Regel führt der Einsatz von einem neuen Medium wie Web 2.0 oder die Nutzung von einem neuen Medienverhalten wie zum Beispiel Social Computing im Marketing dazu, dass sich die unterschiedlichen Formen der Kommunikationen eher ergänzen als ersetzen. Allerdings geschieht diese Ergänzung nicht additiv, sondern im Blick auf die unterschiedliche Mediennutzung auf die Art und Weise, die den Besonderheiten der Mediennutzung – channel oder community – entspricht. Man kann also an

dieser Stelle von einer integrativen Ergänzung sprechen, ohne das Prinzip der Integration näher zu beschreiben. Ein besonderer Fokus der zukünftigen Forschung könnte dabei auf dem klassischen Issues Management liegen, das die Rolle der Kommunikationsorganisation in Unternehmen von Public Relation und Kommunikationsmanagement gegenüber verschiedenen Anspruchsgruppen generell zu klären versucht. Im Blick auf eine pragmatische Vorgehensweise wird im Folgenden der Vorschlag für ein Marketingprogramm dargestellt, der sowohl das alte als auch das neue Marketingverständnis umfasst. Entscheidend dabei ist die gewonnene Erkenntnis, dass Social Computing nicht als Kommunikationskanal eingesetzt werden kann, sondern als Kommunikationsgemeinschaft mit dem Kunden stattfindet, die ihren eigenen Gesetzen folgt.

der “go to the market-plan” Will man die Web 2.0-Marketingaktivität nicht nur additiv dem bisherigen Marketingverständnis des Marketing-Mix hinzufügen – und damit letztendlich mehr Verwirrung als Klarheit stiften –, dann muss sich das traditionelle Verständnis des Marketing-Mix einem umfassenderen Verständnis des „Marketing to the Social Web“ konstruktiv zuordnen lassen. Eine solche Zuordnung kann im Rahmen eines Marketingplans realisiert werden. Viele Unternehmen setzen ihre strategischen Entscheidungen im Rahmen des operativen Marketingmanagements durch ein Marketingprogramm oder einen Marketingplan um. Der Marketingplan beinhaltet alle operativen Aktivitäten, deren Einsatz zur Erfüllung der strategischen Zielsetzung im Marketing nützlich ist. Das nachfolgende Modell folgt in der strategischen Zielsetzung dem Modell „Hierarchy of

Effects“. Das bedeutet, dass die Kommunikation mit dem potenziellen Kunden durch die operativen Marketingaktivitäten im Blick auf die bewusste Wahrnehmung, seine Kaufabsichten und Kaufeinstellungen sowie auf den tatsächlichen Kauf und den Aufbau einer langfristigen Kundenbeziehung ausgerichtet ist. Der operative Einsatz der Marketingaktivitäten von „Channel and Community“ folgt also dem Modell des Customer Lifecycle. Neben dem Adressaten aller Marketingaktivitäten ist der Marketingplan eingebettet in die Zielsetzung des Marketings. Marketingziele bestehen heute nicht mehr ausschließlich in dem Erreichen von absatzpolitischen Vorgaben sondern auch im Aufbau des Markenbewusstseins oder in der Steigerung des Mindshares. Die Marketingziele sind beispielsweise für den beschriebenen Marketingplan in folgenden Bereiwerbung & pr << Seite 91


chen festgelegt: Steigerung der „Thought Leadership“, Steigerung der Nachfrage „Demand Generation“, Steigerung der Verkaufszahlen (Sales Force), Intensivierung der Kundenbeziehung. Der abgebildete Marketingplan bringt zwei grundlegende Erkenntnisse zum Ausdruck: „Marketing to the Social Web“ findet nicht losgelöst innerhalb einer allgemeinen Corporate Communication statt, sondern ist Bestandteil eines Marketingplans. Innerhalb des Marketingplans ist das „Marketing to the Social Web“ dem klassischen Marketing-Mix vorgeordnet. Auf diese Weise wird das „Marketing to the Social Web“ innerhalb der Unternehmens-

funktion des Marketings verortet. Darüber hinaus ist das „Marketing to the Social Web“ innerhalb eines Marketingplanes so eingebettet, dass es zwischen einer klaren Zielsetzung – im Rahmen der Formulierung von Marketingzielen – und der strategischen Überlegungen mit Hilfe einer Marketingstrategie und den darauf aufbauenden operativen Marketingaktivitäten bestimmte, bei einer Zielgruppe zu erreichende Wirkungen erfüllt. „Marketing to the Social Web“ findet auf diese Weise seine Zuordnung zum Marketing-Mix und wird seiner Besonderheit als Kommunikationssphäre und nicht als Kommunikationskanal dennoch gerecht!

wilfried mödinger Wilfried Mödinger lehrt als Professor an der Hochschule der Medien, Stuttgart, Schwerpunkt Medienmarketing, Medienwirtschaft und an verschiedenen internationalen Hochschulen und Business Schools, IBR Institute of International Business Relations, (Osteuropa/Ukraine), Visiting Professor an der Universidad de las America (Puebla/Mexiko), Visiting Professor at Welingkar Management Institute (Mumbai/Indien). info@integriertes-marketing.com • www.integriertes-marketing.com www.360marketing-networt.com

Abb.3: Marketingplan: Go to the Market

Literatur Beck, J., Mödinger, W. und Schmid, S., 2006: Marketing – Grundlagen und Instrumente. Haan-Gruiten. • Kirby, J. und Mardsen, P. (Hrsg.), 2006: Connected marketing the viral, buzz and word of mouth revolution. Burlington. • Lavidge, R. und Steiner, G., 1961: A Model for Predictive Measurements of Advertising Effectiveness. In: Journal of Marketing 10/1961: 61. • Röttger, U. (Hrsg.), 2001: Issues Management, Theoretische Konzepte und praktische Umsetzung. Eine Bestandsaufnahme. Wiesbaden. • Wright, J., 2006: Blog Marketing. New York. • Rosen, E., 2002: The Anatomy of Buzz. New York. • Weber, L., 2007: Marketing to the Social Web. How Digital Customer Communities build your Business. New Jersey Canada. • Zielske, H.,1969: The remembering and forgetting of advertising. S. 175-181 in: Irwin, Homewood, Ill. et al.: Measuring advertising effectiveness.

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erfolgsgeschichten aus dem web 2.0

social software im wissensmanagement 2.0. << Seite 95


1.innovationspreis

web 2.0

Christine Stumpf: Zweitgeist – Möglichkeiten zum Leben im Web Markus Scheibenpflug: Die Demokratisierung des Fernsehens – Live WebTV

innovationspreis web 2.0 << Seite 97


Christine Stumpf Zweitgeist GmbH, Hamburg

zweitgeist – möglichkeiten zum leben im web „Die Menschen verbringen immer mehr Zeit im Internet und integrieren es zunehmend in ihr tägliches Leben. Es beeinflusst ihr Kaufverhalten, ihr soziales Leben und ihre Hobbies, verbindet sie mit Freunden und Familie, kurz gesagt, es ist ein essentieller Lebensbestandteil geworden“, so fasst der 8. Faktenbericht von tns Infratest seine Studien über die Nutzung des Internets zusammen. innovationspreis web 2.0 << Seite 99


Die Möglichkeiten, die das Internet den Menschen bietet, deckt zunehmend viele ihrer Bedürfnisse. In den ersten Jahren erfüllte das Netz vor allem Informationsbedürfnisse. Das Internet war dominiert von Business-Angeboten, Produkt- und Unternehmensdarstellungen, die wesentlichen Nachrichten-Portale waren Online-Abteilungen etablierter klassischer Medien. Web 2.0 stellt jetzt besonders Kommunikationsbedürfnisse, soziales Verhalten und Beziehungen in den Mittelpunkt und bietet

den Menschen Möglichkeiten zur Partizipation und Erstellung eigener Inhalte, wie sie vorher noch nie dagewesen sind. Entertainment-Anwendungen gewinnen zunehmend an Gewicht, die Nutzer nehmen ihre Chance wahr, Inhalte selbst zu gestalten, zu veröffentlichen und ein Teil des Schwarms zu werden. Ein wesentlicher Aspekt von Web 2.0 ist der Perspektivenwechsel vom Geschäftlichen zum Privaten. Der Mensch als Individuum, als Akteur und Gestalter steht dabei im Mittelpunkt.

warum web 2.0 bei nutzern gut ankommt Viele Web 2.0-Anwendungen lassen erkennen, welche Bedürfnisse zunehmend online erfüllt werden können. Beispiel Social NetworkingAngebote: Sie zielen einerseits auf das Bedürfnis nach Gesellschaft ab, besonders deutlich zeigt sich dies in den stark frequentierten Dating-Portalen, einer besonderen Form des Networking. Andererseits sind Networking und Dating-Applikationen auch eine Möglichkeit zur Selbstdarstellung. „Mein Haus, mein Auto, mein Boot…“, so oder ähnlich stellen sich viele User-Profile in Networking-Plattformen dar. Das ist sinnvoll, denn klappern gehört zum Handwerk. Auch Blogs sind häufig selbstdarstellerisch motiviert. Ist die Darstellung einigermaßen unterhaltsam oder dramatisch, gewinnt der Blog eine wachsende begeisterte Fangemeinde, in manchen Fällen kann man sogar von Freundeskreis oder Netzwerk sprechen.

Die neuen Web-Akteure müssen sich einerseits von der Masse abheben, andererseits finden sich oft allein durch die Reichweite der Veröffentlichung im Internet viele Gleichgesinnte, Neugierige und heimliche Bewunderer und damit die Zuordnung zu einer Peer-Group. Zusammengefasst sprechen die Web-Anwendungen der zweiten Generation folgende Bedürfnisse an: • das Bedürfnis nach Gesellschaft (im Sinne vom Gegenteil der Einsamkeit), • das Bedürfnis sich einzuordnen zu Gleichgesinnten, Peer-Groups und • das Bedürfnis nach Selbstdarstellung (Eitelkeit, Status etc.). Das ist der Grund, warum die Anwendungen bei Internet-Nutzern so gut ankommen, sie erfüllen deren Bedürfnisse.

len Welten – möglich. Es gibt virtuelle Welten, wie zum Beispiel „Second Life“, in denen Menschen über eine virtuelle Identität verfügen. Sie leben in einer virtuellen und abgeschlossenen Welt. Second Life begann als Spiel, für einige Spieler ist die virtuelle zweite Welt und das zweite Leben aber schon sehr real geworden. Die Spieler können und dürfen nämlich selbst Inhalte erstellen, Land kaufen, Immobilien bauen, Kleidung entwerfen usw. Das Leben in Second Life kann sehr aufwendig und zeitintensiv sein. Für einige Spieler, die viel Zeit investieren, ist das virtuelle Leben bereits zur wichtigsten Einkommensquelle geworden. Sie handeln mit virtuellen Gegenständen und verdienen damit ihren realen Lebensunterhalt. Betrachtet man das gesamte Internet als virtuelle Welt, stellt sich die Frage, wie die Präsenz der Menschen in der großen virtuellen Welt dargestellt werden kann. Aus dieser Betrachtung entwickelte sich die Idee zu einem Software-

programm, das die Menschen auf jeder beliebigen Webseite darstellen kann, der Avatar-Chat zweitgeist. Zweitgeist ist eine Software, die auf dem PC installiert wird. Nach der Installation wählt man einen Charakter aus einer Figuren-Palette aus oder läd ein eigenes Bild hoch. Sobald man den Browser startet und auf Webseiten surft, ist man mit dieser Figur sichtbar. Der virtuelle Charakter hat ein Namensschild, das ist mehr Information als im realen Leben zur Verfügung steht. Um zu kommunizieren, schreiben die Teilnehmer Text in ihre jeweiligen Sprechblasen (Abb.1). Die virtuellen Figuren können ihren Platz auf der Webseite verändern, das heißt sie können aufeinander zugehen, sich neben eine andere Figur stellen oder von einer Figur weggehen. Einige Figuren aus der Palette sind animiert, sie können Bewegungen ausführen und damit nonverbal kommunizieren. Zum Beispiel kön-

virtuelle welten und das internet Betrachten wir nun die Webseiten – virtuelle Plätze, alte wie neue – genauer und vergleichen wir sie mit der Realität, fällt auf: Die Menschen, die sich an virtuellen Plätzen aufhalten, sind Seite 100 >> innovationspreis web 2.0

nicht sichtbar. Im Gegensatz zur Realität, wo Menschen, die sich zur selben Zeit am selben Ort aufhalten sehen können, war das bisher im Internet nicht – beziehungsweise nur in virtuel-

Spacer.

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Abb.1: Internet-Nutzer sind mit ihrem virtuellen Charakter auf der Webseite „slashdot“ repräsentiert

innovationspreis web 2.0 << Seite 101


nen sie winken, lachen, sich ärgern, gähnen und jemandem Küsschen zuwerfen (Abb.2). Zweitgeist verspricht, das Internet lebendiger zu gestalten und hat bereits viele Nutzer aber auch Kooperationen mit namhaften Unternehmen wie Lancia, Windows Live und IBM gewonnen. Zweitgeist wird von der Gründerin-

itiative „unternimm was“ von Microsoft gefördert und hat mit der Software bereits mehrere Preise gewonnen. Zweitgeist ist international aktiv und in deutsch, englisch, italienisch, spanisch, portugiesisch, japanisch, französisch und polnisch übersetzt.

christine stumpf Christine Stumpf, geboren 1969, hat Wirtschaftsmathematik und angewandte Kulturwissenschaften studiert. Nach dem Diplom hat sie baden-württembergische Universitäten auf Messen begleitet. Sie ist seit 1996 in Internet-Chats aktiv und hat 1999 ein erstes InternetUnternehmen gegründet. Ab 2001 war Christine Stumpf Geschäftsführerin für Marketing und PR bei der Softwareschmiede bluehands GmbH. 2006 hat sie mit Dr. Heiner Wolf die Zweitgeist GmbH gegründet und mit dem Avatar-Chat weblin bereits mehrere Preise gewonnen. stumpf@weblin.com • www.weblin.com / www.zweitgeist.com

Jay Jay

Devi ne

Abb.2: Screenshot der Webseite how2date, besucht von den Zweitgeistern „Jay Jay“ und „Devine“

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innovationspreis web 2.0 << Seite 103


Markus Scheibenpflug Webzooms AG, Karlsruhe

die demokratisierung des fernsehens Live-WebTV erobert die Wohnzimmer

Die Demokratisierung des Fernsehens ist seit einiger Zeit in aller Munde und wird als heiliger Gral der TVZukunft gesehen. Qualitativ minderwertige Sendungen, mangelnde Diversifizierung der Programme und fehlende Integration der Zuschauer in die Sendungen f端hren derzeit zusammen mit schier endlosen Werbeschleifen zu schwindenden Zuschauerzahlen. innovationspreis web 2.0 << Seite 105


Hinzu kommen geradezu erdrutschartige Änderungen im Konsumverhalten der Zuschauer: Während der durchschnittliche Pro-KopfKonsum herkömmlichen Fernsehens stetig sinkt, verbringt der Konsument zunehmend Zeit im Internet und hier speziell vor bewegten Bildern. Diesem wohl nicht mehr umzukehrenden Trend tragen die derzeit wie Pilze aus dem Boden sprießenden Video-Portale Rechnung. Die hierbei gebotenen Inhalte beschränken sich aber meist auf qualitativ fragwürdige, teilweise illegal mitgeschnittene und veröffentlichte Videoclips, die zu beliebiger Zeit und beliebig oft über den Browser am heimischen Computer angeschaut werden können (On-Demand).

Hierbei von einem adäquaten TV-Ersatz zu sprechen, wäre aber mehr als vermessen. Minderwertige Qualität und kurze Laufzeiten können nicht durch die ständige Verfügbarkeit und diverse Bewertungsmechanismen wieder wettgemacht werden. Allerdings zeigt der anhaltende Erfolg der YouTubes dieser Welt, dass die bislang klare Trennung von Produzent und Konsument im TV-Umfeld im konkurrierenden Internet nicht mehr gilt: Der Zuschauer wird zum Produzenten und Dritte können wiederum daran partizipieren. Immer neue Mashups (Re-Kombination bereits bestehender Inhalte und Angebote) ermöglichen die Trennung und das beliebige Zusammenfügen von Bild, Ton,

Abb.2: Live-WebTV-Show mit Video-Chat

Abb.1: Programmübersicht Webzooms.TV

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Interaktion und auch Distribution der dabei entstehenden neuen Mediengefüge. Trotzdem fehlte bislang noch eine entscheidende Komponente. Denn erst die Möglichkeit, nicht nur beliebige Medien zu einer TV-Show zusammenzusetzen, sondern diese auch live von jedermann jederzeit senden zu können, macht dem Fernsehen, wie wir es heute noch kennen, zusehends zu schaffen. Und wie fast immer, wenn um eine Distribution von allen an alle mit minimalem Aufwand geht, findet sich die Antwort im Internet. Denn die Zukunft des Fernsehens liegt in der Tat im Internet. 24 Stunden am Tag und 365 Tage im Jahr können hier TV-Sendungen gesendet und empfangen werden. WebTV ermöglichte zwar schon bisher die Entkoppelung der

TV-Inhalte – wie Videos und Fotos – von der starren Prozesskette Sendeanstalt und Fernseher, jedoch konnten bislang auch hier nur bereits vorproduzierte Konserven bereit gestellt werden. Mit echtem Fernsehen hat dies noch herzlich wenig zu tun. Webzooms.TV, die Live-WebTV-Plattform der Karlsruher Webzooms AG, ermöglicht nun erstmalig die weltweite Ausstrahlung von echten Live-WebTV-Shows über das Internet. Diese Live-Shows können beliebige Medien wie Videos und Fotos beinhalten, angereichert mit einer Live-Moderation per Webcam und Web 2.0 typischen Interaktionen mit den Zuschauern, zum Beispiel für Expertenrunden (Abb.1). Ein Breitband-Internetanschluss, ein Browser und eine handelsübliche Webcam genügen. innovationspreis web 2.0 << Seite 107


Mehr braucht es nicht, um selbst auf Sendung zu gehen und ein Millionenpublikum anzusprechen. Denn jeder, der das Internet nutzt, ist auch ein potentieller WebTV-Zuschauer. Webzooms.TV ist der Mitmach-TV-Sender im Web 2.0 und ermöglicht eine aktive Beteiligung des Zuschauers an der Programmgestaltung (User-generated WebTV), flankiert von interaktiven Zusatzfunktionen wie Text- und Video-Chat. Die Nutzer machen und wählen ihr eigenes Programm, diskutieren innerhalb der Live-Shows und werden selbst zu WebTV Produzenten, Moderatoren, Stars. Live-WebTVShows können dabei auch aufgezeichnet werden und stehen im Anschluss dem Publikum als On-Demand-Angebot zu beliebiger Zeit und an beliebigem Ort zur Verfügung (Abb.2). Webzooms.TV sieht sich deshalb nicht als bloßer

Verwerter von medialen Konserven über das Medium Internet. Webzooms.TV erweitert vielmehr das heute übliche WebTV aus vorproduzierten Konserven um die Faktoren ´live´, ´interaktiv´ und ´User-generated´. Webzooms versteht sich dabei sowohl als Enabler-Plattform für die Community als auch WhitelabelAngebot für Unternehmen. Damit ermöglicht Webzooms erstmalig ein wirkliches Out-ofthe-box-Angebot für Live- und On-DemandWebTV. Hierbei hilft die kinderleichte Bedienbarkeit und Skalierbarkeit der hochmodernen, gehosteten SaaS-Plattform (Software as a Service) enorm. Denn nur so kann sich Live WebTV für die breite Masse auf Dauer am Markt durchsetzen. Und ermöglicht so endlich die so dringend benötigte Demokratisierung des Fernsehens.

markus scheibenpflug Der 1964 geborene Markus Scheibenpflug ist bei der Webzooms AG als Leiter Marketing und WebTV-Produktionen tätig. Davor war er als VP Product Manager bei der update software AG in Wien für das gesamte CRM-Portfolio verantwortlich. Weitere Karriere-Stationen waren die Leitung des Produkt Marketings bei der Gauss Interprise AG in Hamburg und bei der Brokat AG in Stuttgart, wo er als Consultant und Product Manager tätig war. press@webzooms.de • www.webzooms.de

Abb.3: Interaktive WebTV-Show mit Video-Chat

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social software im wissensmanagement 2.0. << Seite 109


2.bweb

2.0 challenge

Christian Reinheimer und Oliver Moser: Mannschaftssportler auf dem Weg ins Netz Peter Wagner: In alten Hasen steckt jede Menge Wissen Andreas Walbert und Mirko Ross: Castogo – Der ortsabhängige Reiseführer Noria Id Bellouch: beeloc – ein Social Network verbindet Reisende Rainer M. Engel und Jonas Reinsch: Webbrain – Webbasierte Echtzeit-Kollaboration Burkhard Hermann: Wiki-basiertes Wissensmanagement im Bürgerservice

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Christian Reinheimer und Oliver Moser SPIELERKABINE.net, Stuttgart

mannschaftssportler auf dem weg ins netz Unterstützung von Mannschaftssport durch vereinfachte Kommunikation und Information mittels Online-Anwendungen

Kommunikation und Informationsbeschaffung verlagern sich zusehends ins Internet. Dort erfahren beide neue Ausprägungen bzw. werden durch zusätzliche Dienste sinnvoll erweitert. Dieser Trend wird durch die weitreichende Verbreitung von Breitband-Internetanschlüssen ermöglicht und zieht sich langsam aber sicher durch alle gesellschaftlichen Gruppen. Hiervon profitieren kann auch der Mannschaftssport, der eine besonders heterogene Zusammensetzung sozialer Schichten aufweist. SPIELERKABINBE.net hat sich zur Aufgabe gemacht, die entsprechenden Funktionen zur Unterstützung von Mannschaftssportlern bereitzustellen. bweb 2.0 challenge << Seite 113


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gesellschaft online Die gesellschaftlichen Veränderungen, die zugrunde lagen, als das Projekt SPIELERKABINE.net Ende 2006 geplant wurde, sind vor allem Veränderungen in der Art und Weise, wie Informationen gewonnen werden und wie Kommunikation verläuft. Bedingt werden sie von der zunehmenden Verbreitung von Hochgeschwindigkeitsinternetanschlüssen. Durch diese hat eine breite Masse die Möglichkeit erhalten, komplexere Internetdienste zu nutzen, was – damit direkt zusammenhängend – in einer höheren Pro-Kopf-Internetnutzung resultiert. Alleine in Deutschland sind laut der ARD/ ZDF-Online-Studie rund zwei Drittel der Bevölkerung im weltweiten Datennetz zugange. Die Online-Nutzung pro Kopf lag Ende 2006 bereits bei 48 Minuten. Die Entwicklung setzt sich fort: Die Zahl der Internetnutzer und die Pro-Kopf-Online-Nutzung nehmen weiter zu. Auch in der technischen Umsetzung von Internet-Anwendungen hat sich viel getan. Die Open-Source-Bewegung in der Softwareentwicklung ermöglicht es, Internetanwendungen

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zu realisieren, ohne teure Entwicklungssoftware anschaffen zu müssen.

Vom Bedürfnis zur Idee

Die Bedürfnisse des Amateursportbereichs, vor allem im Mannschaftssport, sind uns geläufig, da wir selbst aktive Mannschaftssportler sind. Aus eigener Erfahrung wissen wir, wie kompliziert es teilweise ist, sich für Trainings und Spielbegegnungen abzustimmen. Wir kennen den Kommunikationsbedarf von Sportlern untereinander und zwischen Vereinen genauso wie das Informationsbedürfnis nach möglichst aktuellen Ergebnissen der direkten Konkurrenten und der nächst höheren oder niedrigeren Liga. Unsere Idee war es daher eine Anwendung zu entwickeln, die für diese Problemstellungen eine Lösung bietet. Dabei sollte die Entwicklung stark am Nutzer orientiert sein und die technische Umsetzung dem aktuellen Stand der Technik entsprechen, um ein möglichst innovatives Ergebnis zu erzielen, das aber dennoch von jedem in der Zielgruppe anwendbar ist.

definition der zielgruppe Als Grundlage der Definition unserer Zielgruppe dienten die Mitgliederzahlen des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB) sowie die Online-Studie von ARD und ZDF. Aus der Kombination der beim DOSB verzeichneten Sportler und den Daten zur Internetnutzung von ARD und ZDF entstand eine aussagekräftige Darstellung der Zielgruppe (Abb.1). Es gibt in Deutschland ca. vier Millionen registrierte Mannschaftssportler, die aufgrund der Erfassungen zur Internetnutzung potenzielle Online-Nutzer sind und sich in der relevanten

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Altersgruppe befinden. Die Zielgruppe und eine ausreichend große Zahl potenzieller Nutzer für die geplante Anwendung sind da. Dass der Bedarf dafür vorhanden ist, wissen wir aus unseren eigenen Erfahrungen im Breitensport sowie aktuellen Entwicklungen im Internet. Die Informationsgewinnung in Sachen Sport findet zunehmend im Netz statt. Nun werden auch die Inhalte immer öfter von anderen Internetnutzern generiert und nicht mehr nur redaktionell bestimmt.

Abb.1: Sportler im DOSB nach Altersgruppen sowie Anteil an Mannschaftssportlern und internetaffine Mannschaftssportler (Quelle: DOSB Jahresbericht 2006, ARD Mediabasisdaten 2006)

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eine neue art von sportportal Die Sportportale, die es bis zum Start von SPIELERKABINE.net gab, waren entweder reine Ergebnisdienste ohne jegliche Interaktion oder Sportseiten mit redaktionellen Inhalten, die sich überwiegend mit Profisport beschäftigten. Im Bereich des Amateursports gab es nur einfache Foren, in denen benutzergenerierte Inhalte auftauchten. SPIELERKABINE.net ist als Sportportal konzipiert, das Ergebnisdienst, Diskussionsforen, Netzwerk und Verzeichnis mit Funktionen zur Organisation zu einer einzigen Anwendung kombiniert, die dem Amateursport ein virtuelles Zuhause bietet. Mit Inhalten von Sportlern für Sportler. Vom System so einfach und benutzerfreundlich gestaltet, dass es von jedem verwendet werden kann und trotzdem komplexe Möglichkeiten zur Selbstregulierung bietet. Geplant sind für die Anwendung folgende Teile: • Ein Social Network mit internem Nachrichtensystem, Themengruppen mit Foren und sportspezifischen Benutzerprofilen als Basis. • Ein Verzeichnis von Mannschaften und Vereinen, das mithilfe von geokodierten Daten

regionale Relevanz einfließen lässt. • Ein Ligasystem, das den realen Spielbetrieb in den Verbänden genauso wie Hobbyligen abbilden kann. • Weitreichende Möglichkeiten zur Berichterstattung durch die Benutzer in Wort, Ton und Bild, erweitert um mobile Dienste. • Umfassende Statistiken, generiert aus den Daten des Ligabetriebs, die Spielern sowie Trainern aufschlussreiche Informationen über das Spielgeschehen und individuelle Leistungen vermitteln. • Ein Terminkalender zur Organisation von Trainings, Spielbegegnungen und anderen Terminen. • Eine Turnierverwaltung für offizielle und inoffizielle Turniere. Zu diesen „fachlichen“ Funktionen kommen verschiedene Funktionen, die zur Steigerung der Kommunikation innerhalb der Community dienen sollten, um eine Anwendung zu erstellen, die durch ihre hohe Aktualität die Benutzer ermuntert, sich immer wieder einzuloggen.

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nissen der Anwender zu gestalten. Ein weiterer wichtiger Punkt ist die Sicherheit. Da es sich um personenbezogene Daten handelt, ist es uns wichtig, jede mögliche Art von Sicherheitslücken zu vermeiden oder frühzeitig zu erkennen. Entsprechende Tests und die Zusammenarbeit mit Sicherheitsexperten sind daher ein absolutes Muss. Denn nur wenn die Benutzer das Gefühl haben, dass ihre Daten in guten Händen sind, werden sie sich aktiv an einer Anwendung wie SPIELERKABINE.net beteiligen.

Technische Umsetzung

Die Umsetzung der Anwendung erfolgt mithilfe verschiedener Open Source-Lösungen.

Der Programmcode wird mit dem Ruby on Rails-Framework entwickelt, das eine agile und schnelle Entwicklung von stabilen Anwendungen gewährleistet. Die Benutzerfreundlichkeit und das „Look and Feel“ der Anwendung werden mit AJAX optimiert. Dabei wird mit Eclipse-basierten Entwicklungsumgebungen gearbeitet. Die Umsetzung der statistischen Auswertungen erfolgt mit Adobe Flex, das als Weiterentwicklung von Flash speziell für Online-Anwendungen konzipiert wurde. Damit ist das Projekt nicht nur auf dem aktuellen Stand der Technik, sondern mit der Kombination dieser Techniken bereits ein kleinen, aber bedeutsamen Schritt voraus.

Abb.2: Screenshot SPIELERKABINE.net Mannschaftsprofil

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spielerkabine.net Genau wie die Anforderungen an die Anwendung ist auch die Gründermannschaft gewachsen, um möglichst viele Kompetenzen im Team zu vereinen. Mittlerweile zu fünft wird an der Umsetzung, Bekanntmachung und Vermarktung des Projektes gearbeitet. Im Moment sind große Teile der geplanten Funktionalitäten fertiggestellt. Während der Entwicklung – in Eigenregie – wurde die Funktionalität bereits an manchen Stellen über das Geplante hinaus erweitert. SPIELERKABINE. net präsentiert sich dem Benutzer als anwenderfreundliches Social Network mit umfassenden Möglichkeiten zur Darstellung von Sportlern Seite 116 >> bweb 2.0 challenge

und Mannschaften, zur Kommunikation und zur Suche von Gleichgesinnten (Abb.2). Funktionen zur Berichterstattung, Organisation und Statistiken sind bereits teilweise umgesetzt, befinden sich aber noch im Ausbau.

Vorgehensweise bei der Entwicklung

Bei der Entwicklung wird viel Wert darauf gelegt, die Anwendung sinnvoll und benutzerfreundlich zu gestalten. Daher werden vor dem Release neuer Features immer wieder Testphasen eingeschoben, in denen das Feedback ausgewählter Benutzer eingeholt wird, um die Anwendung so nah wie möglich an den Bedürf-

Abb.3: Regionale Suche nach gleichgesinnten Sportlern mit Hilfe der Landkarte

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die ewige beta-version Anwendungen wie SPIELERKABINE.net können immer noch um neue Funktionen erweitert werden. Dies ergibt sich alleine schon dadurch, dass man aktuelle technische Entwicklungen einfließen lässt. Auch einer der Grundsätze von Web 2.0, die Integration verschiedener Endgeräte wie zum Beispiel Mobilfunkgeräte, spielt dabei eine Rolle. Daher

spricht man bei Anwendungen im Web 2.0 auch häufig von der ewigen Beta-Version, also einer Anwendung, die sich immer in der Entwicklung befindet, weil sie sich immer wieder selbst neu erfindet. Auch uns ist es wichtig, immer innovativ zu sein und nicht in der Entwicklung stehen zu bleiben. Nur so liefern wir unseren Benutzern das bestmögliche Angebot.

Im November 2006 initiierten Oliver Moser und Christian Reinheimer gemeinsam das Projekt SPIELERKABINE.net.

christian reinheimer Christian Reinheimer, Bachelor of Science in Computerscience (FH-Darmstadt), Master of Arts in Mediaauthoring (HdM Stuttgart) Beschäftigung bei T-Systems und als freiberuflicher Entwickler mit Schwerpunkt Internet- und Multimedia-Anwendungen. christian.reinheimer@spielerkabine.net • www.spielerkabine.net

oliver moser Oliver Moser, Diplom-Wirtschaftsingenieur (FH), Mediengestalter für Digital- und Printmedien Fachrichtung Medienoperating Freiberuflicher Entwickler und Berater für verschiedene Internetprojekte. oliver.moser@spielerkabine.net • www.spielerkabine.net

Literatur

Abb.4: Der Spielbericht - Umfangreiche Berichterstattung für den Amateursport

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Deutscher Olympischer Sportbund Bestandserhebung, 2006. • Frankfurt: Deutscher Olympischer Sportbund, 2006. • ARD/ZDF: 2007. URL = http://www.ard. de/intern/basisdaten/onlinenutzung/onlinenutzung_3A_20zeiten_20und_20dauer/-/id=55190/1l98aso/index.html (29.03.2007) • Financial Times Deutschland, 2007: Internet läuft Fernsehen den Rang ab. URL = http://ftd.de/technik/medien_internet/:Internet%20Fernsehen%20Rang/276623.html (08.11.2007)

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Peter Wagner Wagnerwagner GmbH, Reutlingen

in alten hasen steckt jede menge wissen Wie eine Web 2.0-Anwendung unter alte-hasen.eu das Wissen von Senioren verfügbar macht

„Alte Hasen“ ist eine virtuelle Vermittlungsplattform für Senioren. Unternehmen, die einen Spezialisten für einen bestimmten Bereich benötigen, können hier nach Ruheständlern suchen, die dieses Know-how noch haben und ihr Wissen gerne zur Verfügung stellen. bweb 2.0 challenge << Seite 121


„da kann ihnen keiner mehr helfen.“ Bei der über 40-jährigen Telefonanlage eines alten Fabrikkomplexes waren die Techniker der Telekom ratlos. Glücklicherweise konnte ein pensionierter Mitarbeiter reaktiviert werden, der sich in der speziellen Konfiguration der alten Firma auskannte und half, dass neue Büros in der alten Fabrik an das Datennetz angeschlossen werden konnten. Momentan können solche unersetzlichen Spezialisten nur über persönliche Kontakte, aufwändige Recherche, Weiterempfehlung oder durch Zufall gefunden werden. Das will Wag-

nerwagner ändern und eine Informationsbasis bzw. einen Marktplatz schaffen, von dem alle profitieren können: zum einen die suchenden Unternehmen und zum anderen die Senioren, die ihr spezielles Wissen einbringen können und das Gefühl haben, gebraucht zu werden. Vor allem aber profitiert die Gesellschaft davon, dass künftig kein Wissen mehr ungenutzt brachliegt. So können alle Alters- und Lebensbereiche an den Vorteilen von Web 2.0 partizipieren, auch diejenigen, die nicht einmal wissen, was Web 2.0 überhaupt bedeutet.

alte-hasen.eu Auf der Plattform www.alte-hasen.eu können Ruheständler, die ihr Wissen weitergeben wollen, ihr Profil eingeben. Das können ganz unterschiedliche Kompetenzen sein: Techniker können ihr Wissen über alte Maschinen anbie-

ten, Apotheker ihr Know-how im Umgang mit Kunden und ehemalige Spezialisten können ihre Erfahrungen in der Branche an Gründer weitergeben.

peter wagner

web 2.0 im nicht-webaffinen umfeld Für die in der Regel wenig Internet erfahrenen Senioren ist es aber nicht so einfach, mit solchen Plattformen zurechtzukommen. Die Angst, etwas „kaputt“ zu machen, versteckte Kosten oder Datenschutzbedenken sind in dieser Bevölkerungsgruppe allgegenwärtig. Bei der Entwicklung wurde daher darauf geachtet, die Benutzung so einfach wie möglich zu gestalten – trotz der vielen gesetzlichen Bestimmungen zum Datenschutz, die genau dies erschweren. Ein geläufiger Doppel Opt-in scheitert oft am Spamfilter der FreeMailer – und der Senior denkt, er hätte niemals eine Bestätigungsmail erhalten. Wenn jemand gar nicht weiter weiß, kann er Seite 122 >> bweb 2.0 challenge

Abb.1: Screenshot www.alte-hasen.eu

sein Profil auch per Telefon angeben. Viele ältere Menschen haben das Internet aber längst für sich entdeckt, die Computerkurse für Senioren boomen, und in diesem Jahr gab es laut der ARD/ZDF-Online-Studie im Netz mehr Über-60-Jährige als Unter-20-Jährige im Netz. Die so genannten Silver Surfer erobern das Internet. Klassische Anwendungen wie E-Mail sind mittlerweile gelernt. Wenn die Web 2.0-Plattform dank Ajax das Look&Feel einer Software vermittelt, auf verständliche Begriffe bei der Benutzung geachtet wird und der Nutzer jederzeit informiert wird, was gerade passiert, werden die Benutzungsbarrieren effizient gesenkt.

Peter Wagner, Jahrgang 1975, ist Geschäftsführer der Werbeagentur Wagnerwagner aus Reutlingen. Vor seinem Studium lernte er bei der börsennotierten Transtec AG in Tübingen die Unternehmensseite, deren Anforderungen und Bedürfnisse von innen heraus kennen. Seine berufliche Laufbahn führte ihn in die Bereiche Vertrieb, strategisches Marketing, New Media und Investor Relations. Im Anschluss daran studierte er Betriebswirtschaft an der Hochschule Sigmaringen. Sehr schnell spezialisierte er sich dort auf die interaktiven Medien und erkannte schon früh die Bedeutung des Internets als zentrales Marketing-Instrument. 2003 gründete er zusammen mit seinem Bruder Marcus die Werbeagentur Wagnerwagner. Mit ihrem neunköpfigen Team betreuen sie inzwischen namhafte Kunden wie den Sportbekleidungshersteller Reusch, das Fraunhofer Institut IPA und den Deutschen Sparkassenverlag. peter.wagner@wagnerwagner.de www.alte-hasen.eu • www.wagnerwagner.de

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Andreas Walbert und Mirko Ross Castogo GbR, Nürtingen

castogo – der ortsabhängige reiseführer Audiovisuelle Podcasts für die bedarfsorientierte Informationsbeschaffung des modernen Globetrotters

Reiseführer sind out. Nicht erst der Verkauf des 1972 gegründeten Verlagshauses Lonely Planet an die BBC zeugt von dieser Entwicklung. Der moderne Globetrotter informiert sich über das Internet – vor Ort und in Echtzeit. Hier setzt Castogo an. Über die Web 2.0-Community für GlobetrotterInnen können sich Reisende nicht nur auf ihre Reise vorbereiten. Vielmehr erlaubt es die Konzeption des Portals, dass Reiseinformationen direkt vor Ort abgerufen werden können. Möglich wird dies durch den Einsatz von Geocasts. Dabei handelt es sich um die logische Weiterentwicklung von Podcasts, die zu diesem Zweck mit einer Georeferenz versehen werden. bweb 2.0 challenge << Seite 125


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castogo – idee und ziele Der Einsatz von Podcasts als Reiseführer hat gegenüber einem gedruckten Buch zahlreiche Vorteile. Vergleichbar mit einer Audiotour in einem Museum können sich die Reisenden vollständig mit ihrer Umgebung auseinander setzen. Genutzt wird dafür das eigene Endgerät (beispielsweise iPod oder Smartphone). Doch Castogo [Cast:to:go] bietet mit seinem Web 2.0-Ansatz einen Vorzug: Erst die Integration des Endnutzers macht es überhaupt möglich, dass Inhalte publiziert werden, die auf spezielle Interessensgruppen zugeschnitten sind. Diese Inhalte kommen bei klassischen Medienhäusern oft zu kurz, da es zu wenige potenzielle Kunden gibt, die eine Produktion

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rechtfertigen könnten. Das Einsatzgebiet der Geocasts ist nicht nur auf MP3-fähige Abspielgeräte begrenzt. So ist mittelfristig eine Zusammenarbeit mit Herstellern von Navigationsgeräten denkbar. Inhalte können direkt als aktive Wegpunkte abgespielt werden. Geräte wie der Merian Scout oder der Magellan Triton zeigen, dass der Trend bereits in diese Richtung geht. Außerdem ist eine Zusammenarbeit mit Mobilfunk-Service-Providern geplant. Beispielsweise ist es möglich, Inhalte direkt auf GPS-fähige Smartphones zu streamen, in Abhängigkeit von den Interessensgebieten und dem aktuellen Standort der Reisenden.

die community Durch den Web 2.0-Ansatz bietet das CastogoPortal zahlreiche Interaktionsmöglichkeiten. Durch Verknüpfen eines Podcasts mit einer Geo-Information (Geo-Tag) entsteht ein Podcast mit einer geografischen Relevanz. Für besondere Interessensgebiete bietet die Castogo-Community entsprechende Channels mit eigenem RSS-Feed an. Außerdem können Podcasts auf der Castogo-Plattform noch mit Tags versehen werden. (Abbildung 1 zeigt einen Screenshot von der Eingangsseite zu Castogo.) User können sowohl einzelne Wegpunkte als auch ganze Trips mit einem Rating versehen. Dieses Rating ist Teil des Qualitätskonzepts von Castogo und soll zu einer Motivationsquelle für die Nutzer werden, qualitativ hochwertige Inhalte zu erzeugen.

Zielgruppe(n)-Überlegungen

Während Navigationssysteme bisher lediglich für Enthusiasten mit Navigationskenntnissen geeignet waren, hat das Angebot von kompakSeite 126 >> bweb 2.0 challenge

ten Geräten für den Einsatz im Straßenverkehr die Verbraucher an den Umgang mit Navigationsgeräten gewöhnt. Gleichzeitig sind die Endgeräte benutzerfreundlicher geworden. Anstatt Koordinaten zeigen die meisten Geräte heute den Standort direkt auf einer digitalen Karte an. Spätestens die Konvergenz von Navigationsgerät und Mobiltelefon (wie im Nokia N95) führt zu einem Einsatz der Geräte in der Breite. Gleichzeitig scheint das Interesse für Navigationsgeräte stetig zu steigen. So ist etwa Geocaching, eine Art Schnitzeljagd mit dem GPSGerät, heute so verbreitet, dass man bereits weltweit mit über 100.000 Nutzern rechnet. Weiterhin ist die Zusammenarbeit mit Reiseverlagen und Reiseportalen vorstellbar, da die Inhalte von Castogo per Mashup in andere Services eingebunden werden können, genauso wie es möglich ist, fremde Inhalte per Mashup in Castogo einzubinden. Abb.1: Screenshot der Castogo-Community

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roadmap 2008 bis 2009 In den nächsten beiden Jahren soll der Prototyp in eine internationale Community überführt werden. Folgende Schritte sind dabei als nächstes geplant: • Going-Public der Community „Castogo-beta“ • Erstellung von Premium-Content mit Schwerpunkt „Baden-Württemberg“

andreas walbert

• Marketing-Kampagne (Präsenz auf Touristik-Messen wie CMT) • Weiterentwicklung der Community • Gründung der Castogo AG • Going-Public der Castogo-Community mit einem öffentlichen und einem Premium-Bereich

Andreas Walbert, Diplom-Ingenieur • Studium des Maschinenwesens, Universität Stuttgart (1993 2000) • Wissenschaftlicher Mitarbeiter, Zentrum Fertigungstechnik Stuttgart (2000 - 2001) • Projektingenieur Automation, Gebrüder Heller Maschinenfabrik GmbH, Nürtingen (2002 - 2004) • Seit 2005 Leiter TrainingsCenter, Heller Services GmbH, Nürtingen • Seit 2006 Lehrbeauftragter Dienstleistungsmanagement, HFWU, Nürtingen • Seit 2007 Geschäftsführer bei castogo.com andreas.walbert@castogo.com • www.castogo.com

mirko ross Mirko Ross, Diplom-Ingenieur (FH) • Studium an der Fachhochschule Nürtingen, Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Angewandte Forschung (IAF) in Nürtingen, Bereich Internet, grafische Datenverarbeitung und Geoinformationssystem (GIS/CAD/VRML) (1994 - 1998) • Seit 1998 CIO bei Rahlfs+Ross Multimedia GmbH • Nationale und internationale Vorträge, Lehraufträge und Moderationen zu Internet-Marketing, eBusiness und Open Source-Software (1998 - 2007) • Seit 2005 Maintainer im Open Source-Projekt colamo.org • 2007 ausgezeichnet für colamo.org im Bereich beste Lösung für mobile Konvergenz durch den IT-Branchenverband BITKOM • Seit 2007 zuständig für Informationstechnologien und Business Development bei castogo.com mirko.ross@castogo.com • www.castogo.com

Literatur

Abb.2: Screenshot der Castogo-Community

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Spiegel Online, 2007: BBC kauft Lonely Planet – für 100 Millionen Euro. URL = http://www.spiegel.de/wirtschaft/0,1518,508837,00.html (01.10.2007)

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Noria Id Bellouch beeloc Gbr, Stuttgart

beeloc - ein Social Network verbindet Reisende im Web marco polo und das web 2.0

Ein Auslandsaufenthalt darf mittlerweile in keinem Lebenslauf mehr fehlen. So sehen das viele Personalverantwortliche und daf체r sprechen eindeutige Zahlen, die die 체berragende Wichtigkeit von Mobilit채t in Zeiten der Globalisierung herausstreichen: Um 41 Prozent ist die Anzahl der Auslandsstudenten weltweit zwischen 1999 und 2004 gestiegen. Die deutschen Studenten zeigen sich dabei besonders reisebegeistert: In einem Zeitraum von nur sechs Jahren (1999 bis 2005) nahm ihre Zahl um 84 Prozent zu. bweb 2.0 challenge << Seite 131


Es ist deutlich zu erkennen: Der Auslandsaufenthalt gewinnt immer mehr an Bedeutung und wird zu einem festen Bestandteil einer Vita. Schließlich schreiben Personaler dem Bewerber mit längeren Auslandsaufenthalten besondere Fähigkeiten zu. Eigeninitiative, gute Sprachkenntnisse, soziale und interkulturelle Kompetenz rangieren in den Bewertungen weit vorne. Diese Eigenschaften kann man einem Menschen sicherlich zusprechen, der den Aufwand an Planung und oft auch finanzielle Belastungen auf sich nimmt, der sich für einen längeren Zeitraum freiwillig von allem Gewohnten trennt, Familie und Freunde hinter sich lässt, um in der Fremde Neues kennen zu lernen. Doch wer während seiner Studienzeit selbst ein Auslandsstudium oder -praktikum absolviert hat, der weiß, dass mehr dahinter steckt als die Verbesserung der eigenen Chancen auf dem

Arbeitmarkt: Der Auslandsaufenthalt ist eine spannende und abenteuerliche Zeit, in der man neue Freunde und viel Lebenserfahrung gewinnt. Eine Zeit, von der man sein ganzes Leben lang zehrt und erzählt. Auch der Weltenentdecker Marco Polo hatte sicherlich nicht sein nächstes Vorstellungsgespräch im Hinterkopf, als er sich aufmachte, Asien zu bereisen. Doch was hat Marco Polo mit dem Web 2.0 zu tun? Genau wie Marco Polo haben die Menschen auch heutzutage das Bedürfnis, von Ihren Erlebnissen zu berichten, andere daran teilhaben zu lassen und von den Erfahrungen anderer zu profitieren. Wäre es damals möglich gewesen, vielleicht hätte Marco Polo sein eigenes Blog gehabt und wäre Mitglied bei beeloc geworden.

Mitglieder treten mit Menschen in Kontakt, die sich für das gleiche Land, die gleiche Stadt, die gleiche Hochschule oder für das gleiche Unternehmen interessieren. Sie lernen Menschen kennen, die bereits im Zielland gelebt haben oder sich zum selben Zeitpunkt dort befinden. Dadurch erhält man Zugang zu drei unterschiedlichen Informationsformen (Abb.1).

1. Menschen, die bereits vor Ort waren, können als Experte fungieren. Diese Mitglieder haben ihren Aufenthalt detailliert beschrieben und ermöglichen damit den Vergleich, wie Menschen ihre Anwesenheit am selben Ort auf unterschiedlichste Art und Weise gestaltet haben. Dies kann als Inspiration für die Gestaltung des eigenen Aufenthalts herangezogen werden.

beeloc – ein social network mit fokus auf auslandsaufenthalten beeloc ist ein soziales Netzwerk mit dem Ziel, Menschen aus aller Welt zusammenzubringen, die sich für einen Auslandsaufenthalt interessieren und sich über gemeinsame Vorhaben und erlebte Abenteuer austauschen wollen. Die Idee zu beeloc entstand bei der Planung eines eigenen Auslandsaufenthalts in Jakarta, der Hauptstadt von Indonesien. Dabei ließen sich im Vorfeld eine Reihe von Informationen über die Stadt ermitteln. Jakarta ist eine zehn Millionen Einwohner zählende Stadt mit permanen-

tem Verkehrschaos und gelegentlichem Smog. Das Auswärtige Amt fügt hinzu, dass in Indonesien erhöhte Tsunami- und Erdbebengefahr besteht und Seepiraten dort ihr Unwesen treiben. Das hörte sich zunächst nicht besonders einladend ein. Die Meinung eines Menschen, der bereits vor Ort war, musste her. Jemand, der von seinen persönlichen Erfahrungen berichtet und für die Entscheidung und Planung des Aufenthalts hilfreiche Informationen und Tipps liefert.

grenzenloser austausch zwischen reisenden So entstand die Idee, eine Community ins Leben zu rufen, die Erfahrungen zu den unterSeite 132 >> bweb 2.0 challenge

schiedlichsten Orten dieser Welt speichert und den Kontakt zwischen den Reisenden herstellt.

Abb.1: beeloc - Verknüpfung von Menschen mit gemeinsamen Zielorten

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2. Über Menschen, die aktuell vor Ort sind, gelangt man an aktuelle Informationen und kann diesen Kontakt im Idealfall als erste Anlaufstelle vor Ort nutzen. 3. Das gemeinsame Ziel verbindet Reisende mit

Mitgliedern, die ebenfalls einen Aufenthalt zum selben Zeitpunkt planen. Im Kollektiv können Probleme und Hindernisse beseitigt werden – und vielleicht auch schon erste Freundschaften geschlossen werden.

noria id bellouch Noria Id Bellouch, Dipl. oec., Gründerin der beeloc GbR, Stuttgart. Ihr besonderes Interesse gilt der Usability und der Gestaltung der Web-Oberfläche von Web 2.0-Applikationen. Die Begeisterung für beeloc basiert vor allem auf ihren Erfahrungen während längerer Auslandsaufenthalte in Marokko, Frankreich und Indonesien.

interaktivität und inhalte werden groß geschrieben beeloc war nicht explizit als Web 2.0-Projekt geplant, hat sich aber aufgrund der vielen interaktiven Nutzungsmöglichkeiten zu einer dynamischen Anwendung entwickelt. Das Ziel ist, eine webbasierte Plattform für ein soziales Netzwerk anzubieten, das Möglichkeiten der Interaktion und Kommunikation unter den Mitgliedern unterstützt. Innerhalb der Community sollen Informationen, die zu einem Ort zur Verfügung stehen, diskutiert und bewertet werden. Persönliche Erlebnisse anderer spielen dabei eine wichtige Rolle (Abb.2).

noria.idbellouch@beeloc.de • www.beeloc.eu

beeloc ermöglicht seinen Mitgliedern, eigene Inhalte einzupflegen und anderen zu präsentieren, Aufenthalte zu planen und im Kollektiv Probleme zu lösen. Techniken wie Tagging und Bookmarking helfen den Nutzern, Inhalte zu strukturieren und mit Metainformationen zu versehen. Wichtigste Zielsetzung ist es, Reisebegeisterten eine interaktive Plattform anzubieten, auf der sie mit viel Spaß und Engagement eigene Erlebnisse beschreiben, mit anderen teilen und von den Möglichkeiten eines internationalen Netzwerks profitieren können.

Literatur

Abb.2: Alle Auslandsaufenthalte werden auf einer Weltkarte angezeigt

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Statistisches Bundesamt, 2007: Deutsche Studierende im Ausland – Statistischer Überblick 1995 – 2005. Wiesbaden.

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Rainer M. Engel endime | ENGEL DIGITAL MEDIA, Kiel Jonas Reinsch selbstst채ndig, Freiburg

webbrain Webbasierte Echtzeit-Kollaboration

Dieser Beitrag stellt die webbasierte Mind MappingSoftware Webbrain vor. Es werden theoretische Ans채tze diskutiert und technische Merkmale angef체hrt. bweb 2.0 challenge << Seite 137


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räumlich verteilte ideenfindung / konzeptentwicklung Wer – unabhängig vom Aufenthaltsort – mit anderen Menschen zusammenarbeiten will, dem bieten sich heute eine Vielzahl technischer Hilfsmittel an: (Mobil-)Telefon, E-Mail, Instant-Messaging, um nur einige zu nennen. Sobald die Zusammenarbeit konkret wird, also beispielsweise in einer räumlich verteilten Arbeitsgruppe ein gemeinsames Dokument erstellt werden soll, stoßen die oben erwähnten technischen Hilfsmittel an ihre Grenzen. So kann das wechselseitige „Umher-Mailen“ verschiedener Dokumentenversionen bereits bei drei Gruppenmitgliedern schnell unübersichtlich werden. Einen Ausweg bietet hier spezielle Kollaborations-Software, verfügbar in unterschiedlichsten Ausprägungen von Wikis bis hin zu Google Docs, der webbasierten Textverarbeitung von Google. Eines jedoch haben diese Kollaborationswerkzeuge gemeinsam: Sie eignen sich sehr gut, um ein existierendes Konzept schriftlich (und visuell durch Bilder begleitet) zu fixieren. Bei der vorausgehenden Ideenfindungs- und Brainstorming-Phase jedoch stoßen sie an ihre Grenzen. Hier lohnt ein Blick auf üblicherweise bei räumlich nicht getrennten Arbeitsgruppen verwendete Medien. Weit verbreitet ist beispielsweise das Whiteboard, eine einfache Tafel, auf die zunächst relativ frei gezeichnet und geschrieben werden

kann. Diagramme, kleine Bilder und Stichpunkte lassen sich absolut frei und ohne das strukturelle Korsett eines linearen Textes miteinander in Beziehung setzen, durch Pfeile verbinden oder durch entsprechend vereinbarte Symbole voneinander trennen. Es gibt zwar Software, die die elektronische Erstellung derartiger Brainstorming-Diagramme ermöglicht. Diese ist jedoch meist als traditionelle PC-Software, mithin also für den einzelnen Benutzer gedacht. Das zweite wichtige Element des oben geschilderten Arbeitens am Whiteboard, nämlich der lockere Wechsel des jeweils Schreibenden bzw. Zeichnenden bis hin zum gleichzeitigen Arbeiten (mehrere Mitglieder der Arbeitsgruppe zeichnen zur selben Zeit auf die Tafel), ist mit diesen Programmen nicht möglich. Diese Lücke schließt die hier vorgestellte Software Webbrain: die elektronische Variante des Whiteboards, geeignet für mehrere Benutzer, die gemeinsam und gleichzeitig an einer Idee oder einem Konzept arbeiten. Gegenüber dem Whiteboard in der realen Welt hat Webbrain jedoch einen wichtigen Vorteil: Die Teilnehmer der Arbeitsgruppe müssen nicht alle vor einer Tafel stehen, sondern können über die ganze Welt verteilt an ihren Arbeitsplätzen oder zu Hause sitzen – einzige Voraussetzung ist ein Internetzugang sowie ein moderner Browser.

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online-mind mapping, strukturiertes querdenken Webbrain ist eine webbasierte Mind MappingSoftware, die Kollaborationen unterstützt. Mit dieser Komponente entsteht eine sehr produktive Umgebung, in welcher im Austausch untereinander komplexe Zusammenhänge erarbeitet und dokumentiert werden können. Hierzu liegen die von der Umgebung des Internets gegebenen Vorteile eindeutig auf der Hand. Durch Verlinkung auf externe Seiten oder zwischen Mind Maps können auf komfortable Weise logische Systeme erzeugt werden, welche keine Begrenzung im Bezug auf Umfang und Vernetzung kennen.

Brainstorming vs. Mind Mapping

Der Vorteil im Vergleich zu handschriftlich verfassten Mind Maps liegt bei elektronischen un-

ter anderem in der klaren Struktur. Dabei ist bei der elektronischen Variante eine Bildschirmauflösung üblicherweise breiter als hoch. Diese Raumaufteilung der Mind Map beugt dem etablierten linkshemisphärischen und somit linearen Denken vor, welches sonst von Hochkantformaten angesprochen würde, ähnlich der Lesegewohnheit von links nach rechts. Webbrain funktioniert ferner auch für reines Brainstorming, also der assoziativen Gedankensammlung. Speziell dafür angepasst, wurden alle Benutzereingaben auf Plausibilität optimiert und höchst intuitiv konzipiert. So kann der Anwender vorab Stichwörter sammeln und diese in einem anschließenden Schritt vernetzen und strukturieren. Er hat also für jeden Arbeitsschritt ein ideales Werkzeug zur Hand.

Mindmapping Brainstorming Gedanken-Visualisierung

Echtzeit-Kollaboration

WebBrain gemeinsam Ideen und Konzepte entwickeln

Assoziatives Denken

keine Installation nötig automatische, zentrale Speicherung

Abb.1: Node-Netz zu Webbrain (Bildquelle: endime)

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Web(Brain) 2.0 Das visuell aufwändige Interface mit Echtzeit-Kollaborationseigenschaften wird durch massiven Einsatz von AJAX (Asynchronous JavaScript and XML) realisiert. Webbrain geht dabei allerdings über gewöhnliche Web 2.0-Anwendungen weit hinaus. Durch den Einsatz des XML-basierten Vektorgrafikformats SVG (Scalable Vector Graphics) wird eine Benutzerschnittstelle geschaffen, die in ihrer visuellen Fortgeschrittenheit bisher nicht zu sehen war. Auf Serverseite wird das Web 2.0-Framework Ruby on Rails eingesetzt. Arbeitsgruppen können sich in Webbrain dynamisch finden: Jemand, der eine Mind Map erstellt hat, kann andere Benutzer einladen, ebenfalls an dieser mitzuarbeiten. Je nach dem in der Mind Map behandelten Thema kann eine Arbeitsgruppe also mit viraler Geschwindigkeit wachsen. Je nach Wunsch der Arbeitsgruppe kann der erstellte User Generated Content auch öffentlich zugänglich gemacht werden, die Inhalte in

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Form von vernetzten Mind Maps also beliebig geteilt werden (Sharing).

Anforderungen

Webbrain ist eine der ersten Web-Applikationen, die sich von der überkommenen rein linear textbasierten Benutzerschnittstelle der meisten Web-Seiten und -Applikationen löst. Einzige Voraussetzungen zur Benutzung sind ein Webbrowser und ein Internet-Anschluss. Dabei geht Webbrain über die Eigenschaften von Desktop-Mind Map-Applikationen weit hinaus: • Gemäß dem Wiki-Prinzip können Maps durch Hyperlinks beliebig miteinander verknüpft werden; • Benutzer können in Echtzeit miteinander kooperieren - egal wo sie sich gerade aufhalten, sehen sie unmittelbar die Änderungen, die ein anderer Teilnehmer an der Mind Map vornimmt.

Abb.2: Screenshot Webbrain

rainer matthias engel Rainer Matthias Engel, Dipl. Digital Artist, studierte in Elstal, nahe Berlin, digitale Medienproduktion mit dem Schwerpunkt visuelle Effekte und Film-Compositing. Seit seinem Diplom im Jahre 2006 ist er selbstständig tätig und in verschiedenen, thematisch verwandten Bereichen aktiv, unter anderem: Film-Restaurierung, VFX, Software-Konzeption und Design-Studien.

das produkt Auch das Geschäftsmodell unterscheidet sich von traditionellen Desktop-Applikationen. Während bei letzteren meist eine relativ hohe Lizenzgebühr auf einmal fällig wird, wird Webbrain als Service zur Verfügung gestellt, für den – je nach Bedarf und der Anzahl von zur Editierung berechtigten Benutzern – monatlich bezahlt wird (Abb.2). Die Kosten werden kalkulierbarer, der Administrationsaufwand sinkt beinahe auf null.

engel@endime.de • endime.de

Webbrain muss weder installiert noch upgedated werden. Nutzer besuchen stattdessen die Webbrain-Webseite, um mit der jeweils aktuellsten Version zu arbeiten. Auch müssen keine Backups gemacht werden. Diese Dienstleistung wird als Teil des Webbrain-Services angeboten, der Server kann zentral gesichert werden. Damit sinken die Gesamtkosten der Software (Total Cost of Ownership) in erheblichem Umfang.

jonas reinsch Jonas Reinsch, Diplomand der Informatik in Karlsruhe, verfügt über langjährige Programmiererfahrungen. Neben Web-Entwicklung interessiert er sich unter anderem für mobile Software, Data Mining und maschinelles Lernen. jonas.reinsch@gmail.com

Literatur Brand, Stewart, 2000: Das Ticken des langen Jetzt. Frankfurt am Main: Suhrkamp. • Buzan, Tony und Buzan, Barry, 2005: Das Mind-Map-Buch. Die beste Methode zur Steigerung ihres geistigen Potenzials. Heidelberg: mvg Verlag.

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Burkhard Hermann Amt für Bürgerservice und Informationsverarbeitung, Stadt Freiburg i. Br.

wiki-basiertes wissensmanagement im bürgerservice Öffentliche Verwaltung und Web 2.0

Schnelle, kompetente und umfassende Auskunft ohne lange Wartezeiten. Diesen Kundenwunsch zu erfüllen ist im Bürgerservice besonders schwierig, weil das erforderliche Expertenwissen auf viele Schultern verteilt ist. Das Wiki-basierte Wissensmanagement im Bürgerservice, kurz WiWiB, macht dieses Wissen in Baden-Württemberg zu einem in den Bürgerämtern allgemein verfügbaren Gut. bweb 2.0 challenge << Seite 143


was ist wiwib? Ein Großteil der Kundenkontakte einer Kommunalverwaltung findet Tag für Tag in den Bürgerämtern der Städte und Gemeinden statt. Vielfältige Dienstleistungen von A wie Anmeldung bis Z wie Zulassung eines Fahrzeugs werden dort erbracht. Die Bediensteten können nicht lückenlos über das hierfür erforderliche Wissen verfügen. Es müssen ihnen deshalb alle notwendigen Informationen bereitgestellt werden, um diese Dienstleistungen in der gewünschten Qualität und der zur Verfügung stehenden Zeit erbringen zu können. Dafür muss Wissen unterschiedlicher Herkunft organisiert werden und effizient abrufbar sein. Die Verfügbarkeit und Pflege dieser Informationen ist bisher von Verwaltung zu Verwaltung

unterschiedlich. In einigen Fällen wurden bereits in der Vergangenheit DV-gestützte Systeme eingesetzt. Bei der Stadtverwaltung Freiburg war dies beispielsweise ein Auskunftssystem, basierend auf MS Access, das jedoch aus strategischen Gründen (Plattformabhängigkeit) bis Ende 2007 abgelöst sein muss. Inhalte oder Quellen dieser Informationssysteme sind oft die gleichen. Eine gemeinsame Lösung zu realisieren und sich den Entwicklungsund Pflegeaufwand zu teilen, ist naheliegend. Ein Wiki, das von öffentlichen Verwaltungen in Baden-Württemberg gemeinsam als Wissensplattform genutzt und bearbeitet werden kann, ermöglicht dies behördenübergreifend (Abb.1). Zusätzlicher Anreiz: mit der frei verfügbaren

Software MediaWiki entstehen hierfür keine Lizenzkosten. Der Betrieb erfolgt auf einem Webserver, der durch die Kommunale Informationsverarbeitung Baden-Franken bereitge-

stellt wird und in die zum öffentlichen Internet abgesicherte Infrastruktur des Landesverwaltungsnetzes Baden-Württemberg (LVN) eingebunden ist.

was kann wiwib? Ziel des Wiki-basierten Wissensmanagements im Bürgerservice ist in erster Linie ein einziger und übersichtlicher Zugangskanal für die Mitarbeiter zu den Daten, die sie für ihre Aufgabenerledigung benötigen. Langes Suchen nach Paragrafen, Verordnungen und aktuellen Informationen soll durch einige wenige Klicks ersetzt werden. Immerhin, so zeigen Erfahrungswerte der Stadt Freiburg, hat jeder Beschäftigte im Bürgerservice in der Vergangenheit im Durchschnitt rund eine Stunde pro Woche mit der Informationsbeschaffung zugebracht. Spezialistenwissen ist gerade in den großen Städten in vielen Bürgerämtern im Land BadenWürttemberg für viele einzelne Wissengebiete vorhanden. Diese Experten der beteiligten Kommunen bringen ihre jeweiligen Schwerpunkte ein und veröffentlichen sie im WiWiB. Ihr Wissen steht somit nicht nur den Kollegen ihrer Kommune beziehungsweise in ihrem un-

mittelbaren Arbeitsumfeld zur Verfügung. Alle Beschäftigten der Verwaltungen mit Zugriff auf WiWiB können diese Informationen nutzen. Insgesamt kann so ein Qualitätszuwachs bei der Informationsbereitstellung erreicht werden, der die Möglichkeiten jeder einzelnen Verwaltung bei weitem übersteigt. Gerade kleinere Kommunen werden sogar erstmals über ein entsprechendes Informationsangebot verfügen können. Und die Inhalte des WiWiB wachsen in Umfang und Anzahl. Die Beschäftigten, die Tag für Tag Bürgerkontakte haben, erkennen am besten, welche Informationen von den Kunden nachgefragt oder zur Sachbearbeitung benötigt werden, aber noch fehlen. Entweder formulieren sie im WiWiB einen entsprechenden Informationsbedarf oder sie dokumentieren dort ihre eigenen Rechercheergebnisse und stellen sie auf diese Weise allen Nutzern zur Verfügung.

für wen ist wiwib gedacht?

Abb.1: Screenshot WiWiB

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Im WiWiB sollen keine Informationen verwaltet und gepflegt werden, die an anderer Stelle im Internet bereits verfügbar sind. Hier reicht ein Link ins Word Wide Web. Aktueller und zuverlässiger als auf den Seiten des Außenministeriums werden die Daten der ausländischen Botschaften in der Bundesrepublik beispielsweise sicherlich nirgends gepflegt. Größtenteils besteht das Angebot daher aus Informationen, die für Personen außerhalb

des Bürgerservice nicht zugänglich sein sollten. Dazu gehören Arbeitsanweisungen, Ausführungsvorschriften oder Informationen beispielsweise zur Identifizierung von Urkundenfälschungen und vergleichbare Hinweise. Daher ist WiWiB ausschließlich für die Behörden verfügbar, die Zugang zum LVN haben. Inhalte, die auch für die Bürger relevant sind, stehen schon heute unter www.service-bw.de oder auf den Internetseiten vieler Kommunen bereit. bweb 2.0 challenge << Seite 145


wo stehen wir? WiWiB ist ein Versuchsballon, der sich zur Begeisterung der Initiatoren schneller entfaltet und ausgedehnt hat, als zu erwarten war. Der Aufbau einer solchen Datenbasis erfordert aber Zeit. Die finanzielle Förderung im Rahmen der „BWeb 2.0 Challenge“ durch die MFG Baden-Württemberg mbH konnte einen entscheidenden Beitrag leisten, innerhalb weniger Wochen ein in der Praxis anwendbares Produkt vorweisen zu können. Denn bei aller Motivation der Beteiligten mussten die analogen Grundinformationen erst einmal digital verfügbar gemacht werden. Hierzu war die Bereitstellung zusätzlicher Arbeitskapazität für die Datenaufbereitung und -erfassung, die aus diesen Mitteln finanziert werden konnte, ein erheblicher Beschleunigungsfaktor. Überraschend schnell waren alle Beteiligten bereit, sich der Gedankenwelt eines Wikis zu öff-

nen. Regeln wurden, entgegen aller ursprünglichen Pläne, auf ein Minimum beschränkt bzw. erst gar nicht aufgestellt. Die Projektkommunikation hat innerhalb kürzester Zeit weitgehend im Wiki stattgefunden. Die Qualitätskontrolle der Inhalte durch die Spezialisten erfolgt über die MediaWiki-Funktion der sogenannten „Beobachtungslisten“. Bei Änderungen an einem Beitrag werden alle benachrichtigt, die sich für diesen Artikel in die betreffende Liste eingetragen haben. Die räumliche Verteilung der Akteure auf ganz Baden-Württemberg stellt somit kein Problem dar. WiWiB ist inzwischen verfügbar. Auf der Basis einer Online-Umfrage liegen erste Rückmeldungen der Nutzer vor. Nun gilt es, die Anwender zur Mitarbeit zu motivieren, um Fehler oder Kritikpunkte zu beseitigen und so die Akzeptanz und Attraktivität zu steigern.

perspektiven Die Stadtverwaltung Freiburg hat zum interkommunalen WiWiB bereits eine lokale Ergänzung, ebenfalls auf Basis der Software MediaWiki, realisiert. Sie enthält die Informationen, die nur dem Bürgerservice Freiburg von Nutzen sind. Gleichzeitig dient sie als zentraler Einstieg zum Wissensmanagement. Über sogenannte „Interwiki-Links“ wird die Verbindung zu den Inhalten von WiWiB hergestellt. Andere am Projekt beteiligte Kommunen planen vergleichbare Lösungen. WiWiB ist aber nur ein Beispiel für den möglichen Einsatz solcher Kollaborationswerkzeuge im kommunalen Umfeld. Eine vergleichbare gemeinsame Informationsbasis ggf. auch mit anderen Softwarelösungen könnten sich auch andere Fachbereiche, wie zum Beispiel das Personenstands- oder Ausländerwesen schaffen. Oder die Nutzer von landeseinheitlichen Verfahren stellen sich auf diese Weise ProgrammSeite 146 >> bweb 2.0 challenge

burkhard hermann Burkhard Hermann, Diplom-Verwaltungswirt (FH), seit 1990 bei der Stadt Freiburg. Dort seit 2006 beim Amt für Bürgerservice und Informationsverarbeitung als Teamleiter Applikationsservice u.a. verantwortlich für die Planung und Koordination strategischer Maßnahmen zur Einführung und Weiterentwicklung von kommunalen E-Bürger- und Verwaltungsdiensten und die Einführung von stadtweit einzusetzenden Verfahren. burkhard.hermann@stadt.freiburg.de • www.freiburg.de

zur it-strategie der stadt freiburg Die Stadt Freiburg verfolgt die IT-Strategie, durch offene Standards eine höhere Herstellerunabhängigkeit und damit Kostenvorteile zu erreichen. Der Gemeinderat hat am 26. Juni 2007 beschlossen, dass die Verwaltung neben PDF als Standard das Dokumentenformat Open Document (ODF) verwendet. Die

Umsetzung erfolgt mit der Migration der 2.000 Arbeitsplätze von MS Office 2000 auf Open Office. Ein weiteres Ziel ist der Wissensaufbau und die Vernetzung. Ein Baustein ist das „Wikibasierte Wissensmanagement im Bürgerservice“ (WiWiB).

hilfen bereit, diskutieren Weiterentwicklungsbedarf oder tauschen Erfahrungen aus. Es muss auch nicht immer gleich der ganz große behördenübergreifende Wurf sein. Als Informations- und Kollaborationsplattform innerhalb einer Verwaltung, in Ergänzung zu Filesystemen und Intranet, hat die Stadtverwaltung Freiburg bereits sehr positive Erfahrungen mit Wikis gemacht. Dies gilt insbesondere im Bereich der Projektarbeit, bei der im Rahmen eines Tests die komplette Information, Kommunikation und Dokumentation eines Projektes über ein Wiki abgewickelt wird. Ein Blog in Form eines Projekttagebuches ist angedacht. Das Einsatzspektrum von Social Software auch in der öffentlichen Verwaltung ist vielfältig. Die unkonventionelle und ungewohnte Art der Zusammenarbeit sollte man als Chance und nicht als Problem erkennen. bweb 2.0 challenge << Seite 147


social software-szene im s端dwesten

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social software im wissensmanagement 2.0. << Seite 149


social software-aktivitäten der mfg Web 2.0 entlang der MFG Innovationskette

Social Software verbindet Menschen. Wissen wird geteilt, Ideen werden gemeinsam entwickelt und Geschäftsmodelle kooperativ vorangetrieben. Neben einer technologischen Entwicklung steht der Begriff Web 2.0 vor allem für einen Paradigmenwechsel: Mit Wikis, Podcasts und anderen Tools wird das Internet immer mehr zu einem sozialen Raum, den Millionen von Nutzern selbst gestalten und mit Leben füllen. social software-aktivitäten der mfg << Seite 151


ein Innovationskreis aus Experten und interessierten Nutzern etabliert. Weiteres Bewusstsein für die Anwendungsmöglichkeiten von Social Software in der Region schaffte das Internet-Kursprogramm klick!

mach mit im selben Jahr. In vier Kursen zur Internet-Nutzung werden bis heute aktuelle Web 2.0-Anwendungen thematisiert und Tipps für die Praxis gegeben.

forschungsanreize schaffen

Die MFG Innovationskette

Seit der Entstehung sozialer Netzwerke beobachtet die MFG Baden-Württemberg aufmerksam die neuen Formen digitaler Zusammenarbeit in Wirtschaft und Wissenschaft. Dieses Interesse und eine rege Social Software-Aktivität spiegelt sich in vielen MFG-Projekten wider. Auf verschiedensten Ebenen und mittels zahlreicher Tools lernen Kunden und Mitarbeiter täglich mehr über Grundlage und gleichzeitig Erfolgsgarantie der komplexen Web 2.0Aktivitäten ist die systematische Bearbeitung aller Stufen der MFG Innovationskette: Von der Sensibilisierung für Trendthemen über gezielt gesetzte Forschungsanreize bis zum erfolgreichen wirtschaftlichen und länderübergreifenden Einsatz begleitet die MFG die innovativsten Ideen, Akteure und Konzepte. Wie

erfolgreich die Innovationsagentur mit diesem Modell im Bereich Social Software ist, belegen folgende Zahlen.

Social Software-Aktivitäten der MFG in Zahlen In 19 regionalen, interregionalen und weltweiten Projekten, auf knapp 100 Veranstaltungen und auf zwölf Online-Plattformen mit monatlich knapp 200.000 Zugriffen vernetzen sich bis heute über 30.000 Experten, Fachanwender, IT-ler, Kreative und Wissbegierige.

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Damit neue Technologien erfolgreich von der Forschung in den Markt getragen werden, sind auch Akteure gefragt, die an der Schnittstelle zwischen Wissenschaft und freier Wirtschaft arbeiten. Das Karl-Steinbuch-Stipendium (KSS) fördert gezielt talentierte Nachwuchsforscher. Im Jahr 2007 besaßen rund 20 Prozent der Einreichungen einen Web 2.0-Bezug. Neue und alte Stipendiaten trafen sich auf dem Heidelberger Innovationsforum (HDI), der Plattform für die Kommerzialisierung von Forschungsergebnissen, und verfolgten u.a. die Präsentation dreier Web 2.0-Produktlösungen. Eine feste Institution ist mittlerweile auch der do it.software-Award. Im Jahr 2007 punktete das eingereichte Projekt „Semantic MediaWiki“ bei der Jury und wurde für das vernetzende Konzept mit dem 3. Platz belohnt.

kommerzialisierung den weg ebnen

bewusstsein für innovation wecken Wie wird Social Software die Lebens- und Arbeitswelt der Zukunft verändern? Dieser Frage ging FAZIT bereits 2005 nach. Ziel des Forschungsprojekts ist es, zukunftsweisende Informations- und Medientechnologien aus

Neben FAZIT beschäftigen sich seit Herbst 2005 noch weitere MFG-Projekte mit den wissenschaftlichen Grundlagen des Web 2.0. So stellte der Forschungsverbund PRIMIUM das Wissen über kooperative Tools zur Verfügung. Unterstützt wurde das Programm durch das Konsortium CollaBaWue. Das Ziel war, die Funktionsweise von Wikis zu erforschen und diese weiter zu verbessern. Weitere Informationen über digitale Wege der Zusammenarbeit finden Interessenten auch auf der Plattform collaboration-bw.de. Auch intern vernetzt die MFG ihre Wissensressourcen und die Informationen in den Köpfen. Das hauseigene MFG Wiki bildet nicht nur das breit gefächerte Wissenskapital der rund 50 Mitarbeiter ab, sondern fördert seit Oktober 2006 die Teilnahme an sozialen Netzwerken. Das aktiv erworbene, erweiterte Verständnis der digitalen Zusammenarbeit führt wiederum zielsicher zu neuen Projekten.

Baden-Württemberg und ihre Anwendungsmöglichkeiten zu identifizieren. Um neue Marktchancen für die Region zu erkennen und zu fördern, wurden im Rahmen einer Studie Social Software-Anwendungen untersucht und

Wofür FAZIT die Basis gelegt hatte, wurde durch das Innovationsprogramm Web 2.0 ab Mitte 2006 in die Praxis und in die Regionen Baden-Württembergs getragen. Das Projekt vernetzt über 1.000 Akteure durch Roadshows, Webmontage, Wiki-Wednesdays und Wettbewerbe. Zwei Unternehmen, die den Trend frühzeitig erkannt haben, wurden beim do

it.kongress im November 2006 von Minister Willi Stächele mit dem Innovationspreis Web 2.0 ausgezeichnet. Bereits ab August 2006 diskutierten 130 Entscheider, Wissenschaftler und Macher in vier Arbeitskreisen über den Einfluss von Social Networks in den Bereichen Wissensmanagement, Leben online, Werbung & PR und Geschäftsmodelle. social software-aktivitäten der mfg << Seite 153


Die Motivation für konkrete Innovationen stand im Vordergrund bei der sich anschließenden BWeb 2.0 Challenge, für die 57 Ideen eingereicht wurden. Die sieben ausgezeichneten Projekte zeigen, dass Baden-Württemberg in Sachen Web 2.0 in der ersten Liga spielt. So

wurde die Spielerkabine.net von der Süddeutschen Zeitung unter die wichtigsten 25 Startups in Deutschland gewählt. Und seit November 2007 investiert T-Online Venture Fund in die Social Software „weblin“ des Preisträgers zweitgeist GmbH.

vernetzung vorantreiben Die Vernetzung zwischen Web 2.0-Aktivisten, Geschäftemachern und Markt hat auch die Wirtschaftsinitiative Baden-Württemberg: Connected e.V. (bwcon) fest im Blick. Zahlreiche der 400 Mitgliedsunternehmen mit über 4.400 Experten sind im Web 2.0-Umfeld aktiv. Ihnen bietet bwcon eine Vernetzungsplattform und schafft durch ein professionell betriebenes Community-Management Synergien. Auch die Veranstaltungsreihe „Kreativität vor Ort“ nimmt das Thema soziale Netzwerke auf und informiert mit hochkarätigen Referenten über Communities als Marketinginstrument und die Qualität der Kreativität als Grundlage jeder innovativen Geschäftsidee. Auch der von bwcon verliehene Preis CyberOne stand im Jahr 2007 ganz im Zeichen von Social Software: Auf dem Siegertreppchen des Businessplan-Wettbewerbs landete unter anderen innovativen Ideen die zweitgeist GmbH mit ihrem Webseiten übergreifenden Kommunikationstool weblin. Ein Netzwerk ganz anderer Art bietet die Linux Solutions Group e.V. (LiSoG). An der Quelle von Innovation agiert der Branchenverband von Linux- und Open Source-Unternehmen über Ländergrenzen hinweg. 84 Mitgliedsunternehmen aus Deutschland, Österreich und der Schweiz partizipieren aktiv am Vernetzungsgedanken und tauschen sich seit Ende 2006 unter anderem über Wikis aus, die auf der Website der Initiative zur Verfügung stehen. Interaktiv und kollaborativ erstellen ProjektSeite 154 >> social software-aktivitäten der mfg

beteiligte Texte und Inhalte, die beispielsweise in Publikationen einfließen oder als Grundlage neuer Projekte dienen. Neue Wege geht die MFG Baden-Württemberg seit Oktober 2007 mit dem MFG Innovationcast. Dieser informiert monatlich mit Interviews und Hintergrundinformationen zu aktuellen Themen rund um IT und Medien. In der Podcast-Szene hat er sich bereits nach kürzester Zeit einen Namen gemacht. Alex Wunschel, der „Papst“ der deutschen Podcast-Welt, zeichnete den Innovationcast im Januar 2008 als zweitbesten Corporate Podcast in Deutschland aus, noch vor den Formaten von Duden und Nestlé. In der ersten Folge des MFG Innovationcasts drehte sich alles um den Deutschen Multimedia Kongress (DMMK), der seit 1992 als Trendsetter für interaktive Medien wegweisende Trends und Perspektiven in der Digitalen Wirtschaft aufzeigt. Bereits 2004 hat der DMMK Digitale Wirtschaft in Berlin erstmals die Interaktionsmöglichkeiten der Nutzer im Internet und die daraus folgenden Handlungsfelder sowie Marktchancen thematisiert. Seitdem werden von Jahr zu Jahr verstärkt Themen rund um das Schlagwort Web 2.0 aufgegriffen und in das Programm integriert. Im Jahr 2008 spiegeln sich die neuen Interaktionstools in nahezu jedem Panel und Workshop wider, und erneut werden Referenten von internationalem Format zum Themenfeld Social Software vortragen.

Als Weiterbildungsangebot der Innovationsagentur bietet die MFG Akademie Wissbegierigen nicht nur hochkarätige Seminare an, sondern auch die Möglichkeit zur intensiven Diskussion mit Experten sowie zum Netzwerken. Die verstärkte Nachfrage der Teilnehmer nach Seminaren mit Web 2.0-Bezug ist deutlich spürbar. Die Konsequenz: Im kommenden Akademieprogramm (von Januar bis Juli 2008) finden sich zu den neuen Technologien so viele Seminare wie nie zuvor. Und wer neben den anspruchsvollen Seminaren auch tagtäglich auf dem aktuellsten Stand

in Sachen IT und Medien bleiben möchte, findet auf insgesamt zwölf Online-Plattformen tagesaktuelle Informationen, ansprechend in Fokus-Themen, Features und Nachrichten redaktionell aufgearbeitet. Ein Beispiel unter vielen ist ebigo.de. Auf der Internetplattform der Mittelstandsinitiative wurden bereits mehrfach umfangreiche Hintergrundberichte, Studien und vor allem Best-Practice-Beispiele zu diesem Thema präsentiert. Im Januar 2008 stellte ebigo.de den aktuellen Trend Enterprise 2.0, das heißt den Einsatz von Web 2.0-Technologien im Mittelstand, in den Fokus.

internationalisierung ausdehnen Auch auf dem internationalen Parkett trieb die MFG im Jahr 2007 die Vernetzung voran. Mit Second Life (SL) hat die Innovationsagentur Pioniergeist bewiesen. Als andere noch darüber redeten, setzte sie gemeinsam mit dem Staatsministerium Baden-Württemberg eine virtuelle Präsenz des Landes Baden-Württemberg in der digitalen Welt um. Die Eröffnung erfolgte im März 2007. Nur elf Arbeitstage umfasste die virtuelle Zusammenarbeit mit den Anshe Chung Studios in Wuhan in China, bis die eigene Sim mit Bodensee und Schwarzwaldhaus nahezu vier Millionen „Bewohnerinnen und Bewohner“ zum Entdecken und Verweilen einlud. Gleichzeitig richtet sich der Auftritt auch an Hochschulen und junge Kreative aus dem Land, mit denen im digitalen „Innovation Park“ neue Formen der Kommunikation und Zusammenarbeit erprobt werden. Ideale Möglichkeiten zur internationalen Kommunikation und Zusammenarbeit bieten Wikis. Deshalb werden sie v.a. in den EU-Projekten der MFG Baden-Württemberg verstärkt eingesetzt. Genutzt wird das Kollaborations-Tool z.B. im Projekt SPreaD (Strategic Project Management Tool-kit for Creating Digital Literacy

Initiative). Das internationale Konsortium aus Deutschland, Spanien und den Niederlanden verfolgt das Ziel, Erfahrungen zum Management groß angelegter Bildungsprogramme im Bereich digitaler Medienkompetenz in Wirtschaft und Gesellschaft zu strukturieren und verfügbar zu machen. Dazu wird ein europaweit verzweigtes Netzwerk mit öffentlichen und privaten Institutionen und Initiativen aufgebaut. Das englisch-sprachige Wiki sowie die viersprachige Projekt-Website sind Beispiele für eine derartige angewandte Vernetzung. Auch die Partner des EU-Projekts SYNEBIS setzen in ihrer Kommunikation auf ein Wiki. Das Ziel des Projekts ist, den Austausch von regionalen Best-Practice-Maßnahmen zwischen KMU-Initiativen zu unterstützen und zu forcieren. Die grenzenübergreifende Zusammenarbeit der fünf Projektpartner aus Deutschland, Spanien, Tschechien sowie England und Kanada wird durch das eigens entwickelte englischsprachige Wiki perfekt ergänzt. Darüber hinaus können sich europaweit interessierte Akteure aus dem öffentlichen Bereich über Best-Practices und erfolgreiche Maßnahmen zur Förderung von E-Business bei kleinen und social software-aktivitäten der mfg << Seite 155


mittelständischen Unternehmen informieren. Das Projekt FOKUS setzt vor allem bei der Verbreitung der Projektergebnisse des Vorgängerprojekts SYNEBIS auf Social Software. Das bereits etablierte Wiki soll konsequent weiterentwickelt und verbreitet werden. Ergänzt wird das Wiki um weitere interessante Anwendungen. So wird auf der Basis der SYNEBIS-Ergebnisse ein Online-Trainingsmodul entwickelt. Auch Beratung ist fortan virtuell möglich: Dazu soll ein Helpdesk in Second Life eingerichtet werden, an dem sich interessierte Akteure individuell beraten lassen können. Innovative Social Software-Lösungen haben auch für die Kreativwirtschaft eine enorme Bedeutung, revolutionieren sie doch geradezu die Marketing- und Absatzmöglichkeiten der Unternehmen. Auch bei der europaweiten Vernetzung der kreativen Branche, die im Rahmen des CReATE-Projekts in den Mittelpunkt rücken wird, kommen Social Software-Anwendungen eine wichtige Rolle zu. Ziel des Projekts ist die

Seite 156 >> social software-aktivitäten der mfg

Entwicklung konkreter Innovationsstrategien und Handlungsempfehlungen für die Kreativwirtschaft des Landes. Dabei werden Innovationen in viel versprechenden Bereichen wie eMarketing, e-Publishing, e-Design, e-Learning, Games oder Wissensmanagement gefördert. Die technischen Möglichkeiten des Web 2.0 erleichtern auch eine direktere Kommunikation zwischen Bürgern und Politikern. Im Rahmen des EU-Projekts VoicE plant die MFG bis August 2008 ein Portal für e-Participation zu schaffen, mit dem Bürger direkt mit ihren EU-Abgeordneten in Brüssel in Kontakt treten und an der Gesetzgebung im Feld Verbraucherschutz mitwirken können. VoicE ist als Pilotprojekt angelegt, das einerseits neue technische Möglichkeiten politischer Beteiligung mittels strukturierten Debatten in Foren und Livechats, Abstimmungen und Umfragen testen soll, andererseits das Interesse und Verständnis der Bürger für die politischen Entscheidungsprozesse in der EU wecken soll.

der blick in die zukunft Seit drei Jahren verfolgt die MFG kontinuierlich, was im Social Software-Bereich geschieht. Die Ergebnisse der FAZIT-Forschung aus 2005 haben sich bestätigt, wenn wir sehen, welch tiefgreifende und wegweisende Veränderungen Web 2.0-Anwendungen und vernetzende Technologien in Wirtschaft und Gesellschaft gebracht haben. Mit ihren regionalen, interregionalen und internationalen Projekten, mit ihren Initiativen,

den Wettbewerben sowie den Veranstaltungen hat die MFG die Web 2.0-Landschaft in Baden-Württemberg und europaweit maßgeblich geprägt. Die konsequente Arbeit entlang der Innovationskette „Bewusstsein – Forschungsanreize – Kommerzialisierung – Vernetzung & Internationalisierung“ hat dazu beigetragen, dass das Land heute in der ersten Social Software-Liga spielt.

social software-aktivitäten der mfg << Seite 157


alphabetische übersicht der mfg-projekte mit social software-bezug

bwcon Zahlreiche Mitgliedsunternehmen der Wirtschaftsinitiative Baden-Württemberg: Connected e.V. (bwcon) sind im Web 2.0-Umfeld aktiv. bwcon bietet ihnen eine Vernetzungsplattform und schafft durch ein professionell betriebenes Community-Management Synergien.

Oliver Zils • zils@bwcon • 0711 - 90715-363 Nadja Haase • haase@bwcon • 0711 - 90715-507 www.bwcon.de

CReATE Bei der europaweiten Vernetzung der kreativen Branche, die im Rahmen

des EU-Projekts CReATE in den Mittelpunkt rücken wird, kommen Social Software-Anwendungen eine wichtige Rolle zu. Ziel des Projekts ist die Entwicklung konkreter Innovationsstrategien und Handlungsempfehlungen für die Kreativwirtschaft des Landes. Dabei wird die Zusammenarbeit zwischen Akteuren aus Wissenschaft und Wirtschaft auf regionaler und europäischer Ebene verbessert, Innovationen in viel versprechenden Bereichen wie e-Marketing, e-Publishing, e-Design, eLearning, Games oder Wissensmanagement gefördert.

Anna Lenka Schlosser • schlosser@mfg.de • 0711 - 90715-327 www.mfg-innovation.com

DMMK

Deutscher Multimedia Kongress Bereits 2004 hat der Deutsche Multimedia Kongress (DMMK) die Interaktionsmöglichkeiten der Nutzer im Internet sowie deren Handlungsfelder und Marktchancen thematisiert. Seit diesem Jahr spiegeln sich Social Software-Themen in fast jedem Panel und Workshop wider.

Annette Passon • passon@mfg.de • 0711 - 90715-341 Ulrich Winchenbach • winchenbach@mfg.de • 0711 - 90715-313 www.dmmk.de

do it.online Das Informationsportal doit-online.de bietet tagesaktuelle Nachrichten

und ausführliche Hintergrundartikel über die IT- und Medienszene in Baden-Württemberg. Zusätzliche Services sind eine umfangreiche Verübersicht der mfg-projekte << Seite 159


anstaltungsdatenbank, die branchenspezifische Dienstleistersuche sowie der wöchentliche do it.newsletter. Eines der beliebtesten Themen ist Social Software.

Jürgen Pfeifle • pfeifle@mfg.de • 0711 - 90715-317 www.doit-online.de

ebigo.de Die Mittelstandsinitiative ebigo.de hat schon früh erkannt, dass Social

Software auch für kleine und mittelständische Unternehmen von großer Bedeutung ist. Auf der tagesaktuellen Internetplattform www.ebigo. de wurden bereits mehrfach umfangreiche Hintergrundberichte, Studien und Best-Practice-Beispiele zu diesem Thema präsentiert. Im Januar 2008 stellte ebigo.de den Einsatz von Web 2.0-Technologien im Mittelstand in den Fokus.

Kirsten Wissing • wissing@mfg.de • 0711 - 90715-320 Amy Meyhoefer • meyhoefer@mfg.de • 0711 - 90715-321 www.ebigo.de

FAZIT Bereits 2005 erkannte das Regional Foresight-Projekts FAZIT den neu-

en Trend Social Software. Um neue Marktchancen für die Region zu identifizieren und zu fördern, wurden im Rahmen einer Studie Social Software-Anwendungen untersucht. Unter dem Titel „Potenziale von Social Software“ erscheint die Publikation im Januar 2008. Abgeleitet aus den Forschungsaktivitäten wurde zudem der Innovationskreis „Social Software“ mit über 20 teilnehmenden Unternehmen ins Leben gerufen.

Andrea Buchholz • buchholz@mfg.de • 0711 - 90715-325 Felix Jansen • jansen@mfg.de • 0711 - 90715-323 www.fazit-forschung.de

FOKUS Das Projekt FOKUS setzt vor allem bei der Verbreitung der Projekt-

ergebnisse der Vorgängerprojektes SYNEBIS auf Social Software. Das SYNEBIS-Wiki soll konsequent weiterentwickelt und verbreitet werden. Ergänzt wird das Wiki um weitere interessante Anwendungen Web 2.0Anwendungen.

Anna Lenka Schlosser • schlosser@mfg.de • 0711 - 90715-327 www.mfg-innovation.com

Seite 160 >> übersicht der mfg-projekte

Heidelberger Um Bewusstsein für potenzielle Innovationsfelder zu schaffen und ForInnovationsforum, schungsanreize zu setzen, hat die MFG Baden-Württemberg das KarlKarl-SteinbuchSteinbuch-Stipendium (KSS) initiiert. Dieses fördert gezielt talentierte Stipendium und do Nachwuchsforscher. In 2007 hatten fast 20 Prozent der Einreichungen it.software-Award einen Web 2.0-Bezug. Auch auf dem Heidelberger Innovationsforum (HDI), der Plattform für die Kommerzialisierung von Forschungsergebnissen, sowie beim do it.software-Award hat das Thema nachhaltig Einzug gehalten.

Stefanie Springer • springer@mfg.de • 0711 - 90715-356 www.hdi.de • www.karl-steinbuch-stipendium.de • www.doit-award.de

Innovationspro Mit dem Innovationsprogramm Web 2.0 unterstützt die MFG vielvergramm Web 2.0 sprechende Unternehmenskonzepte und macht so die vielfältigen technischen, wirtschaftlichen und sozialen Potenziale in Baden-Württemberg sichtbar. Nadia Zaboura • zaboura@mfg.de • 0711 - 90715-353 www.internet2null.de

klick – mach mit! Das von der MFG betreute Programm „klick – mach mit!“ entwickelte vier Kurse zur fortgeschrittenen Internet-Nutzung. In allen vier Kursen werden aktuelle Web 2.0-Anwendungen thematisiert, praktisch erklärt und in den Lehrplan eingearbeitet. Den Kursteilnehmern wird sowohl die passive als auch die aktive Nutzung dieser Möglichkeiten vermittelt.

Robert Gehring • gehring@mfg.de • 0711 - 90715-322 www.klick-mach-mit.de

Die Linux Solutions Group (LiSoG) agiert als Branchenverband von Linux- und Open Source-Unternehmen über Ländergrenzen hinweg. 84 Linux Solutions Mitgliedsunternehmen aus Deutschland, Österreich und der Schweiz Group - LiSoG tauschen sich u.a. über Wikis aus, die 2006 auf der Website der Initiative eingerichtet wurden. Interaktiv und kollaborativ erstellen Projektbeteiligte Texte und Inhalte, die beispielsweise in Publikationen einfließen oder als Grundlage neuer Projekte dienen.

Oliver Zils • zils@lisog.org • 0711 - 90715-363 Nico Gulden • gulden@lisog.org • 0711 - 90715-393 www.lisog.org

übersicht der mfg-projekte << Seite 161


MFG Akademie Im Rahmen der MFG Akademie vermitteln professionelle Referenten

Wissen aus vielfältigen Bereichen. Auf die verstärkte Nachfrage nach Veranstaltungen zum Thema Social Software reagiert die MFG mit ihrem aktuellen Akademieprogramm (Januar bis Juli 2008), in dem noch mehr Seminare als bisher zu diesem Themenkomplex enthalten sind.

ie virtuelle Präsenz des Landes Baden-Württemberg in Second Life D (SL) ist ein anschauliches Beispiel für angewandte Vernetzung. Damit belegt das Land einmal mehr seine Vorreiterrolle als führender Standort der Kreativwirtschaft in Europa. Nahezu vier Millionen „Bewohnerinnen und Bewohnern“ haben seit dem 20. März 2007 rund um die Uhr Zugang zur Baden-Württemberg-Sim. Der Auftritt richtet sich insbesondere auch an Hochschulen und junge Kreative aus dem Land, mit denen im digitalen Innovation Park neue Formen der Kommunikation und Zusammenarbeit erprobt werden.

Stefan Sottner • sottner@mfg.de • 0711 - 90715-306 Veit Strasser • strasser@mfg.de • 0711 - 90715-343 secondlife.mfg-innovation.de

Anke Jesek • jesek@mfg.de • 0711 - 90715-319 Nina Korte • korte@mfg.de • 0711 - 90715-328 www.doit-online.de

Auch die MFG Baden-Württemberg beschreitet neue Wege, um Wissen MFG und Informationen zu vermitteln. Mit dem MFG Innovationcast, dem Innovationcast Podcast-Angebot der MFG, liefert sie in Hörbeiträgen interessante Hintergrundinformationen zu aktuellen Themen rund um IT und Medien. Bereits in der ersten Folge drehte sich alles um Social Networks. Nadia Zaboura • zaboura@mfg.de • 0711 - 90715-353 Jürgen Pfeifle • pfeifle@mfg.de • 0711 - 90715-317 www.podcast.mfg-innovation.de

MFG Wiki Social Software ist bei der MFG auch ein wichtiges Element der inter-

nen Kommunikation. Mit dem MFG Wiki als flexiblem Wissensspeicher erreicht die Innovationsagentur einen hohen Vernetzungsgrad zwischen den Mitarbeitern. Von Fachaufsätzen über Innovationsmaßnahmen bis hin zu Begriffsdefinition aus der Web 2.0-Welt finden sich hier vielfältige Informationen. Derzeit wird das im Oktober 2006 gelaunchte MFG Wiki als Referenzobjekt von der Universität Bamberg untersucht.

Second Life

Claire Keßler • kessler@mfg.de • 0711 – 90715-354

Der Forschungsverbund PRIMIUM beschäftigt sich unter anderem mit PRIMIUM und collaboration-bw.de dem Trend der verteilten Softwareentwicklung. Eine Möglichkeit, kol-

SPreaD Im Rahmen des EU-Projekts SPreaD (Strategic Project Management Tool-

kit for Creating Digital Literacy Initiative) entwickeln die MFG BadenWürttemberg, die Dirección General de Modernización de la Generalitat de la Comunitat Valenciana aus Spanien und CINOP aus den Niederlanden über Ländergrenzen hinweg gemeinsam ein englischsprachiges Wiki.

SYNEBIS Im Rahmen des EU-Projekts SYNEBIS soll der Austausch von regi-

onalen Best-Practice-Maßnahmen zwischen KMU-Initiativen forciert werden. Die internationale Zusammenarbeit der fünf Projektpartner aus Deutschland, Spanien, Tschechien sowie England und Kanada vereinfacht ein Wiki, das alle miteinander vernetzt.

Tina Schanzenbach • schanzenbach@mfg.de • 0711 - 90715-372 www.primium.org • www.collaboration-bw.de

Seite 162 >> übersicht der mfg-projekte

Stefan Sottner • sottner@mfg.de • 0711 - 90715-306 • www.synebis.eu

VoicE Mit dem Projekt VoicE plant die MFG bis August 2008 ein Portal zu

schaffen, mit dem Bürger direkt mit ihren EU-Abgeordneten in Brüssel in Kontakt treten und an der Gesetzgebung im Feld Verbraucherschutz mitwirken können. VoicE ist als Pilotprojekt angelegt, das einerseits neue technische Möglichkeiten politischer Beteiligung mittels strukturierten Debatten in Foren und Livechats, Abstimmungen und Umfragen testen soll, andererseits das Interesse und Verständnis der Bürger für die politischen Entscheidungsprozesse in der EU wecken soll.

laborativ an neuen Entwicklungen zu arbeiten, sind Wikis. Deswegen thematisiert und bearbeitet das Konsortium CollaBaWue u.a. das Thema Wikis in der Softwareentwicklung. Darüber hinaus steht Interessenten die Plattform collaboration-bw.de zur Verfügung, auf dem digitale Wege der Zusammenarbeit aufzeigt werden.

Petra Newrly • newrly@mfg.de • 0711 – 90715-357 • www.spread-digital-literacy.eu

Matthias Holzner • holzner@mfg.de • 0711 - 90715-314 www.mfg-innovation.com übersicht der mfg-projekte << Seite 163


impressum Titel A Digital Lifestyle. Leben und Arbeiten mit Social Software. Innovationsprogramm Web 2.0 der MFG Baden-Württemberg Herausgeber Klaus Haasis und Nadia Zaboura Eine Publikation der MFG Baden-Württemberg, Innovationsagentur des Landes für IT und Medien. Gesellschafter der MFG sind das Land Baden-Württemberg und der Südwestrundfunk.

MFG Baden-Württemberg mbH Breitscheidstr. 4 70174 Stuttgart Telefon 0711 / 9 07 15-300 Telefax 0711 / 9 07 15-350 E-Mail: info@mfg.de Internet: www.mfg-innovation.de Geschäftsführung Klaus Haasis Konzeption und Redaktion Nadia Zaboura Erscheinungsjahr 2008 Schutzgebühr: 15,00 Euro Layout und Satz WAGNERWAGNER GmbH, Agentur für Kommunikation, Reutlingen Druck Druckerei Raisch GmbH + Co. KG, Reutlingen Bildmaterial www.photocase.de Seite 8: Jürgen W, Seite 28: kay_1, Seite 52: time2share, Seite 72: froodmat, Seite 94: patrik85, Seite 108: AllzweckJack Zum Innovationsprogramm Web 2.0 Das Projekt der MFG Baden-Württemberg wird aus Mitteln des Medienimpulsprogramms durch das Staatsministerium Baden-Württemberg unterstützt. ISBN 978-3-00-023671-6 Printed in Germany / Alle Rechte vorbehalten Seite 164 >> impressum


Das Phänomen Web 2.0 bringt tiefgreifende Veränderungen mit sich. In der vorliegenden Publikation der MFG BadenWürttemberg diskutieren und entwerfen Autoren aus Wissenschaft und Praxis, wie der Lebensstil und die Arbeitswelt der digitalen Zukunft aussehen werden. Zudem zeigen Erfahrungsberichte junger Start-ups, wie sich innovative Ideen zu erfolgreichen Geschäfsmodellen entwickeln lassen. mfg innovation band 02 beiträge für mehr innovation mit it und medien herausgeber: klaus haasis, nadia zaboura

ISBN 978-3-00-023671-6


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