SoSe 21_Bruno Weitkamp

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Füchtorf Vernetzt eine architektonische Handlung im Dorfzentrum



Bachelorthesis der Architektur Bruno Weitkamp msa muenster school of architecture Betreuung durch Prof. Kazu Blumfeld Hanada AA. Dipl. August 2021



Die in der Arbeit verwendete männliche Form impliziert gleichermaßen die weibliche und dient lediglich der Lesbarkeit.


Vorwort Bewusstsein. Sich selber und sein Umfeld bewusst wahrnehmen. Für viele Menschen in unserer Gesellschaft ist dies keine Selbstverständlichkeit. Im Grunde genommen beschäftigen sich wenige mit dieser vermeitlich einfachen Aufgabe. Doch unter diesen Ausnahmebedingungen der Covid-19 Pandemie, die nun schon über ein Jahr Gesprächsthema Nummer 1 ist, werden sich immer mehr Menschen dessen bewusst. Bewusst, dass sie in einer viel zu teuren, viel zu kleinen, viel zu einsamen, viel zu städtischen Wohnung leben. Es vergrößert sich langsam eine Bewegung, die sich bereits vor 2020 geformt hat. Eine Bewegung von Menschen, die sich nach einem sozialeren, naturverbundeneren, nachhaltigeren Leben sehnen. Diese Menschen zieht es in die ländlicheren Regionen in Deutschland. Dorthin wo man beim Lüften nicht permanenten Autolärm hört, der Blick über die Landschaft schweifen kann und man die Nachbarn auch wirklich kennt. Es bleibt allerdings zweifelhaft, ob die aktuelle Entwicklung, im Anbetracht der heutigen Wohnraumausdehnung, insbesondere durch Einfamilienhaussiedlungen im ländlichen Raum, förderlich für das allgemein angestrebte Ziel einer nachhaltigeren Zukunft ist. Daher beschäftige ich mich in dieser Bachelorthesis mit der Frage, wie alternativer Wohnraum im ländlichen Raum nachhaltig gestaltet werden kann und gleichzeitig die ländlichen Qualitäten angemessen ausgeschöpft werden. Im Grunde werden die Ansätze vereinzelter Raumpioniere auf die breite Masse übertragen. Ländlichkeit ist für mich Heimat. Mir geht es so wie vielen Studenten, die aus einer rela-


tiv dünn besiedelten Gegend Deutschlands kommen. Als Kind hat man sich draußen bis zum Sonnenuntergang aufgehalten, mit Nachbarskindern im Wald gespielt oder alleine die freie Landschaft genossen. So gut wie alle Nachbarn kennt man beim Namen und man sieht sich regelmäßig bei Festen in der Nachbarschaft. Für mich war das Land nie als solches erkennbar, sondern ich fühlte mich eben als Teil davon. Allerdings waren für mich schon früh die, sich in die Landschaft einschneidenden, Einfamilienhäuser ein Dorn im Auge. Die immer gleich aussehenden, vermeindlich modernen und oft spießig gestalteten Häuser passten nicht zu meinem Bild des befreiten und naturverbundenen Leben auf dem Land. Daher beschäftige ich mich in dieser Arbeit mit dem Thema des ländlichen Raumes und habe das Ziel, alternative Wohnmöglichkeiten zu schaffen. Das Miteinander und die Gemeinschaft sind für mich Schlüsselthemen, welche die Arbeit durchweg begleiten werden.


Inhaltsverzeichnis Einleitung 10

Der ländliche Raum Definition

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Geschichte 22 Situation 28

Die ländliche Gegenwart soziale Struktur 33 gebaute Struktur 41

Das ländliche Potential Digitalisierung

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Gemeinschaft

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politische Ebene

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Handlungsmöglichkeiten gemeinschaftliche Organisation

65

gemeinschaftliches Wohnen 71 Dorfkern 78

Fazit 85


Anwendung Füchtorf

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zukünftliche Mobilität

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soziale Struktur 100 gebaute Struktur 106 leerstehender Ortskern 110 Die Strategie 116 Der Entwurf 126

Quellenverzeichnis 150 Literaturverzeichnis 154 Einzelnachweise

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Abbildungsverzeichnis 162 Anhang

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Einleitung Derzeit entwickeln viele Menschen vermehrt einen Drang nach einem neuen Lebensentwurf und einem generellen Wandel ihrer aktuellen Situation. Ob es die teure Wohnung oder das Engegefühl der Stadt ist, für viele ist das Leben abseits der Stadt eine reale Option. Allerdings beißt sich dieser Trend mit der derzeitigen Situation vieler Siedlungsräume. In vielen Regionen prägen Einfamilienhäuser das Ortsbild und die, einst gut ausgeprägte Dorfgemeinschaft, ist bei vielen Zuzüglern vergeblich zu suchen. Zudem mangelt es an Angeboten für viele potentielle Bewohner ländlicher Räume, da vornehmlich das, für Familien zugeschnittene, Einund Zweifamilienhaus, die Baugrundstücke dominiert. Ziel dieser Bachelorthesis ist es, Dörfer in Deutschland durch Zugehörigkeit, Solidarität und Gemeinschaftlichkeit zu stärken. Dadurch soll nachhaltig die Wohnqualität ländlicher Räume erhöht werden und zugleich angemessen mit dem ländlichen Raum umgegangen werden. Großes Potential steckt dabei in dem häufig auftretenden Leerstand vieler Orte. Auch Christoph Hesse, der im Zuge dieser Bachelorthesis interviewt wurde betont die Dringlichkeit, Alternativen für die Siedlungsräume zu entwickeln. „Ich glaube nicht das jeder sein Seelenheil in einem Einfamilienhaus sucht, aber es mangelt da einfach an Alternativen. Aber zwischen Geschosswohnungsbau und Einfamilienhaus gibt es ja eigentlich auch noch was, vielleicht müsste man das einfach mal besser herausschälen.“1 Diese Thesis untersucht, wie man dieses Bedürfnis nach Gemeinschaftlichkeit und dem Miteinander, welches jeder Mensch besitzt, auch in den heutigen Dorfstrukturen

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stärken kann. Denn dieses Bedürfnis ist menschlich: „Menschen wollen Teil einer nachbarlichen, räumlichen Gruppierung sein; der Kontakt zwischen Leuten innerhalb dieser Gruppierung ist eine lebenswichtige Funktion“ 2 In dieser Arbeit wird nicht zwischen suburbaner Raum und ländlicher Raum unterschieden, sondern zwischen städtischen und nicht städtischen Regionen, da die Relevanz auf der Siedlungsstruktur liegt. Außerdem wurde bewusst nicht der strukturschwache ländliche Raum, in den größtenteils neuen Bundesländern, als Handlungsort gewählt. Denn der Fokus dieser Thesis liegt nicht darauf, aussterbende oder zu verfallen drohende Gegenden aufrecht zu erhalten, sondern Orte mit viel Potential im Kern zu stärken. Dabei spielt der Kontrast von wachsenden Ortsrändern und schrumpfenden Ortsmitten eine große Rolle. Wie auch bereits in der Studie „Land mit Zukunft“ aus dem Jahr 20183 festgestellt wurde, ist dem ländlichen Raum in Zukunft nicht nur durch finanzielle Mittel zu helfen. Insbesondere Handlungen die Menschen vor Ort und diejenigen, die das Potential in den ländlichen Raum tragen, unterstützen sind gefragt. Im ersten Kapitel dieser Arbeit wird der ländliche Raum an sich beleuchtet und grundsätzliche Punkte erläutert. Dieser Teil der Arbeit, dient als Basis und Grundlagendefiniton, sodass der Rahmen, in dem sich diese Arbeit bewegt, definiert ist. Das zweite Kapitel fokussiert sich stärker auf die soziale und gebaute Struktur des Dorfes. Dabei werden heutige Defizite und Probleme dargestellt. Dieser Abschnitt dient dazu, die Muster heutiger Dörfer zu veranschaulichen und somit den Handlungsbedarf, auf

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Grundlage der sich auch bietenden Potentiale, aufzuzeigen. Darauf aufbauend zeigt das dritte Kapitel die Potentiale des ländlichen Raumes und insbesondere des Dorfes auf. Vor dem Hintergrund der fortschreitenden Digitalisierung, starker, gemeischaftlicher, Potentiale und auch Chancen in der Politik, werden effektive Stellschrauben erörtert. Im letzten Kapitel des wissenschaftlichen Teils dieser Arbeit werden Handlungsmöglichkeiten dargestellt und diese an Beispielprojekten veranschaulicht. Dabei werden die, vorab als Potentiale identifizierten, Themenbereiche in der Umsetzung analysiert. Außerdem zeigt sich in diesem Abschnitt der Thesis, welcher Bereich eines Dorfes zur Stärkung der örtlichen Gemeinschaft besonders beiträgt und somit auch der Punkt der architektonischen Handlung sein sollte. Im Kapitel der Anwendung wird ein Ort im Münsterland analysiert und die Erkenntnisse der vorherigen Kapitel angewandt. Dieses Dorf hat entsprechende Qualitäten, weist allerdings auch die üblichen Problemstellen ländlicher Orte auf und eignet sich somit sehr gut für eine stärkende, architektonische Handlung.

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Der ländliche Raum


Definition „Dieser enge Zusammenhang zwischen den in einer Definition enthaltenden normativen Vorraussetzungen und dem späteren Ergebnis muss stets sehr genau betrachtet werden. Das bedeuted jedoch auch, dass man den ländlichen Raum erst dann angemessen definieren kann, wenn sein Inhalt wirklich klar umrissen ist.“4 Der Kulturgeograf Werner Bätzing bezieht sich mit diesem Satz auf ein häufig auftretendes Problem in der Definition des ländlichen Raumes. Er zeigt auf, dass Indikatoren, die bereits Probleme beinhalten, nicht grundsätzlich den ländlichen Raum repräsentieren können. Dementsprechend sind die Zahl der Arbeitsplätze oder auch das durchschnittliche Einkommen der Bevölkerung, Kriterien bei denen er als Grundlage einer Definition, „[...]das zu Beweisende[...]“5 bereits in seiner Ausgangsposition vorausgesetzt hat. Durch das Heranziehen solcher Indikatoren kann man laut Bätzing zwar einzelne Problemsituationen definieren, allerdings nicht den ländlichen Raum in seiner Gesamtheit darstellen.6 Hieran wird die Komplexität in der Beschreibung des ländlichen Raumes deutlich. Denn auch in Fachkreisen werden unterschiedliche Quellen zur Beschreibung des ländlichen Raumes herangezogen. Insgesamt kann man allerdings festhalten, dass „[...]die Beziehung grundsätzlich nicht als Gegensatzpaar, sondern als ein spezifisches Aufeinanderbezogensein verstanden werden sollte.“7 Hierbei ist die Beziehung zwischen dem ländlichen Raum und der Stadt gemeint. Unterschiedliche Definitionen werden auch, unter anderem, vom Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung oder vom Johann Heinrich von Thünen-Institut

Der ländliche Raum

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Thünen Institut

für ländliche Räume aufgestellt. Im Folgenden fokussiere ich mich allerdings auf die Definition des Thünen-Institutes, welches eine Typisierung der verschiedenen Regionen in Deutschland erarbeitet hat.8 Diese Definition, die eine bewährte Grundlage für verschiedene Untersuchungen der Bundesinstitute ist, dient auch als Grundlage für meine Bachelorarbeit. Die Typisierung erfolgt anhand von zwei Dimensionen. Zum Einen die Dimension Ländlichkeit. Sie grenzt ländliche von nicht-ländlichen Räumen ab und unterscheidet innerhalb dieser Raumkategorie zwischen eher ländlichen und sehr ländlichen Räumen. Der Begriff Ländlichkeit wird in dieser Definitionsweise benutzt, um aufzuzeigen, dass ein Kontinuum-Modell und nicht ein Residualmodell oder Dichtonomiemodell den ländlichen Raum widerspiegeln kann.9 Dementsprechend ist die Ländlichkeit eine zusammenhängende Charakteristik einer Region und kann nicht getrennt vom Städtischen betrachtet werden. Die Kategorie Ländlichkeit soll somit dazu beitragen, das Kontinuum zwischen den Polen hochverdichtetes metropolitanes Zentrum einerseits und dünn besiedelter, peripherer Raum andererseits abzubilden. Zum anderen gibt es die Dimension der sozialökonomischen Lage. Es wird in gute oder weniger gute soziökonomische Lage unterschieden, da stark ausgeprägte Ländlichkeit nicht automatisch auch eine schlechte sozioökonomische Lage bedeutet. Durch diese beiden Dimensionen entstehen vier Typen ländlicher Räume: sehr ländlich und gute sozioökonomische Lage, sehr ländlich und schlechte sozoökonomische Lage, eher ländlich und schlechte sozioökonomische Lage, eher ländlich und gute sozioökonomsiche Lage „Demnach wird hier unter Ländlichkeit eine Kombinati-

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Der ländliche Raum


on räumlicher Merkmale in Bezug auf geringe Siedlungsdichte, lockere Wohnbebauung und eine Prägung der Landschaft durch Land und forstwirtschaftliche Flächen sowie eine geringe Einwohnerzahl im Einzugsbereich und periphere Lage zu großen Zentren verstanden.“10 Die Ländlichkeit wird nach den Indikatoren Siedlungsdichte, Anteil der land- und forstwirtschaftlichen Flächen an der Gesamtfläche, der Ein- und Zweifamilienhäuser, sozioökonomische Lage

gute sozioö. Lage

schlechte sozioö. Lage

eher ländlich

sehr ländlich

Ländlichkeit

regionales Bevölkerungspotenzial und Erreichbarkeit großer Zentren bemessen. Man erkennt, dass demnach für die Ländlichkeit nicht nur die Lage entscheidend ist, sondern auch die Bevölkerung in ihrem sozialen Gefüge. Die Siedlungsdichte und die Wohnweise, beispielsweise, prägen das Miteinander der Bewohner ländlicher Räume. Die sozialökonomische Lage wird bei der Thünen-Definition ebenfalls durch bestimmte Indikatoren bemessen. Diese sind durchschnittliche Arbeitslosenquote, durchschnittliche Bruttolöhne, Medianeinkommen, durchschnittliche kommunale Steuerkraft, durchschnittlicher Wanderungssaldo der 18- bis 29-Jährigen, Wohnungsleerstand, durchschnittliche Lebenserwartung der Frauen und Männer, durchschnittliche Schulabbrecherquote. Die

Der ländliche Raum

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Dimension der sozialökonomischen Lage zeigt ebenfalls, dass eine angemessene Definition des ländlichen Raumes nur erarbeitet werden kann, wenn die Menschen, die dort wohnen, in ihrer Vielfalt berücksichtigt werden.11 In dieser Thesis wird der ländliche Raum als Oberbegriff benutzt, der auch den suburbanen Raum mit einschließt. Die Differenzierung zwischen dem suburbanen und ländlichen Raum ist in dieser Thesis nicht relevant, da sie sich auf die Siedlungsräume basierend auf alte Dorfstrukturen fokussiert. Diese existieren in ländlichen, aber auch

Ländlichkeit

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Der ländliche Raum


in suburbanen Regionen Deutschlands. Somit geht diese Arbeit, wie auch das Thünen-Institut, von einem sehr hohen Anteil ländlicher Räume in Deutschland aus. Abseits der großen Städte unterscheiden sich somit die Regionen in ihrer Ländlichkeit. Die gebaute Struktur im ländlichen Raum ist seit jeher die Siedlung. Sie definiert einen Ort des Aufenthaltes, der nicht nur kurzfristigen sondern dauerhaften Inbenutzungname von physischem Raum. Es existieren verschiedene Siedlungsformen, die auch in ihren Maßstäben variieren.12 Das Dorf, als eine der bekanntesten Siedlungsformen, ist in seinen physischen aber auch gesellschaftlichen Strukturen sehr verworren und komplex. Die rein zahlenmäßige Definition in Deutschland unterteilt verschiedene Siedlungstypen nach der Einwohnerzahl und den Haushalten. Vom kleinen bis mäßig großem Dorf mit 20 bis 100 Hausstätten, beziehungsweise 100 bis 500 Einwohnern, bis hin zum sehr großen Dorf mit mehr als 1.000 Hausstätten und 5.000 Einwohnern. Die Übergänge der Definition von einem Großdorf zu einer Kleinstadt sind heutzutage schwimmend und werden teilweise unterschiedlich abgegrenzt. Allerdings sind die Größe und Einwohneranzahl nicht die einzigen Merkmale, die ein Dorf definiert. Darüber hinaus stehen auch heute noch die Dorfgemeinschaft, Traditionen und Vereine für ein gut funktionierendes Dorf.13 Die menschliche Gesellschaft ist geprägt durch ständige Wandlungen und Änderungen in Haltung und Sichtweise gegenüber bestimmter Themen. Das hat auch mit neuen Erkenntnissen in der Wissenschaft und sich wandelnder Lebensweisen zu tun. Daher muss man auch betonen, dass die Betrachtungsperspektive und somit auch die Definition des ländlichen Raumes vor einiger Zeit

Der ländliche Raum

Siedlungen

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noch eine andere war. Besonders entscheidend war dabei der Wandel der Gesellschaft von der Agrarwirtschaft hin zur Industrie. Dieser Wandel durch die Industrialisierung , erzeugte laut Henkel eine Teilung in das alte und das moderne Dorf.14 Die Wirtschaft des alten Dorfes war komplett auf Land- und Forstwirtschaft ausgelegt und hauptsächlich selbstversorgend organisiert. Heutzutage unterscheidet sich das moderne Dorf vom alten enorm. Gerhard Henkel beschreibt das moderne Dorf anhand eines fiktiven Ortes namens Kirchhusen. Es spiegelt die heutige Situation vieler Dorfsiedlungen wider. Bestehend aus einigen Handwerksbetrieben, einer Kirche und umliegenden historischen Gebäuden. Neubaugebiete ergänzen den Dorfrand und die meisten Bewohner pendeln zu ihrer Arbeit in andere Orte.15 Dieses Bild des modernen Dorfes ist bezeichnend für ländliche Orte und spiegelt die Realität einer Siedlungsform wider, die nach und nach Identität verliert. Es gibt verschiedene ursprüngliche Siedlungsformen, die heutzutage noch erkennbar innerhalb des modernen Dorfes existieren. Die historischen Dorfformen verraten viel über ihre Entstehung und somit auch über ihre Geschichte. Sie werden in drei Grundrisstypen eingeteilt: Die Linearsiedlung, die Platzsiedlung und die Siedlung mit flächigem Grundriss.16 Diese sind Oberbegriffe, die die grundsätzliche Anordnung der Gebäude zueinander und in der Landschaft beschreiben. Die Strukturen geben auch Aufschluss darüber, ob die entsprechende Siedlung geplant oder ungeplant entstanden ist. Platzsiedlungen beispielsweise sind grundsätzlich geplant entstanden, wohingegen Haufendörfer meist nach und nach gewachsen sind und somit keine gezielte Struktur erkennbar ist. Folgende Grafik zeigt die unterschiedlichen Dorfstrukturen und lässt erkennen, wie vielfältig sich die Siedlungs-

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Der ländliche Raum


formen, abhängig nach Region und geschichtlicher Einordnung, entstanden sind. Diese Vielfalt und Regionalität der Dörfer in Deutschland ist teilweise noch erkennbar, allerdings in Form von Rückbau und Verdichtung, durch standardisierte Gebäude, gefährdet.

Einzel- und Streusiedlung Angerdörfer

lockere Dörfer

Straßendörfer

geschlossene Dörfer

Zeilendörfer Rechteckplatzdörfer

Reihendörfer

Rundplatzdörfer

Siedlungstypen

Der ländliche Raum

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Geschichte Der ländlicher Raum und mit ihm auch die Siedlung ist, wie man schon in seiner Definition gesehen hat, eine sehr komplexe Struktur. Wenn nun ihre Geschichte betrachten würde, könnte man mit dem Thema alleine ganze Bibliotheken füllen. In diesem Kapitel liegt der Fokus größtenteils auf der Entstehung der Siedlungen und ihrem geschichtlichen Wandel.

Böckstiegel, Bauerngehöft in Westfalen

Im Grunde impliziert der Ausdruck ländlicher Raum schon seine Bedeutung. Die weite Landschaft oder auch das Land prägen grundsätzlich den ländlichen Raum. Dabei gibt es auch nicht die eine Landschaft, sondern viele verschiedene Naturräume. Diese wurden in ihrer kompletten Vielfalt bereits von unseren Vorfahren genutzt und bevölkert. Dabei haben sie sich immer den jeweiligen Bedingungen angepasst. Zu dieser Zeit bedeutete die Veränderung des Umfeldes, zugunsten der Menschen, einen enormen Aufwand zu betreiben. Dadurch blieb die Landschaft größtenteils unberührt.17

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Der ländliche Raum


Die Entwicklung verschiedenster Siedlungstypen ist mit den diversen Anforderungen und Lagefaktoren zu begründen. Die Siedlungsgeschichte begann mit der Agrarwirtschaft und mit der Sesshaftigkeit vor ungefähr 7000 Jahren und befindet sich bis heute im stetigen Wandel. Aus dem Frühmittelalter entwickelte sich um ca. 500 n. Chr. die Grundherrschaft und die feudalistische Gesellschaftsordnung. Die gegenseitige Abhängigkeit von Bauern und den Grundherren prägte die Gesellschaft zu der Zeit. Durch neue Entwicklungen der Agrartechnik und Fortschritte in der Bodenbewirtschaftung stieg die Bevölkerungszahl im Hochmittelalter. Folglich bildeten sich Dorfgemeinschaften und Siedlungen verdichteten sich. Weiler wandelten sich zu Haufendörfer und neue Siedlungen wurden geplant angelegt. Die neuen Dorfgemeinschaften bildeten selbstverwaltende Strukturen und entwickelten ein stärkeres Selbstbewusstsein gegenüber den Grundherren. Die einst festen Strukturen, in der der soziale Aufstieg so gut wie unmöglich war, begannen um 1100 n. Chr. Gegenwind zu bekommen. Nach dem enormen Bevölkerungsrückgang im Spätmittelalter, hauptsächlich verursacht durch die Pest und die Agrarkrise, bekam die frühe Neuzeit ab 1500 n. Chr. erneut einen enormen Bevölkerungszuwachs und auch die Landwirtschaft wuchs. Dieser Aufschwung äußerte sich auch durch den Bau von Rathäusern, welche ein Zeichen von einer stärker werdenden Dorfgemeinschaft waren. Die Folgen des 30 jährigen Krieges waren erhebliche Zerstörungen und eine zusammengebrochene Wirtschaft, wodurch in den folgenden Jahrzehnten ein erneuter Aufschwung in der Bevölkerung, insbesondere das Ende des Feudalismus, erfolgte. Allerdings war auch um 1800 das Landleben geprägt von Armut und harter Arbeit, welches vermutlich auch den Zusammenhalt der Familien und Dorfgemeinschaften gefördert hat.18

Der ländliche Raum

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Millet, Ährenleserinnen

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Mit der Industrialisierung, die Anfang des 19 Jahrhunderts die ursprüngliche Agrargesellschaft verdrängte, änderte sich auch die Lebensweise vieler Menschen. Elendsviertel entstanden in der Stadt, da die Infrastruktur und das Wohnungsangebot nicht für den Ansturm der Menschen vom Land ausgelegt war.19 Aus dieser wachsenden Überbevölkerung in der Stadt und die zunehmende problematische Situation, infolge des Urbanisierungsprozesses, entstanden diverse Reaktionen. Zum Einen bildeten sich, teilweise heute noch bestehende, Werkssiedlungen. Aber auch die sogenannte Gartenstadtbewegung formierte sich. Der erste Ansatz dieser Bewegung ist auf ein Traktat von dem Kulturpolitiker Sir Ebenezer Howard zurückzuführen, welcher 1902 unter dem Titel Garden Cities of tomorrow veröffentlicht wurde.20 Sein Ziel war es, die überfüllten Städte zu entlasten und den ländlichen Raum mit der Stadt zu vereinen. Dabei sollte der Boden gemeinschaftliches Eigentum sein und auch seine Wertsteigung der Allgemeinheit zugutekommen. Die Vernetzung der Gartenstädte untereinander hat

Der ländliche Raum


bei diesem Ansatz eine große Rolle gespielt, wie auch das Wohl der Gemeinschaft. Neben Ansätzen wie die Gartenstadtbewegung gab es auch die Tendenz der wohlhabenderen Menschen den Lebensmittelpunkt in Villen oder Landhäusern außerhalb der Stadt zu legen. Durch niedrigere Steuersätze außerhalb der Gemeindegrenze und das zu der Zeit schlechte Image der Stadt wurde diese Tendenz begünstigt.21 Das Bild des freistehenden Hauses mit eigenem Garten und eigener Zufahrt ist interessanterweise bis heute, in abgewandelter Form, in der Mittelschicht zu beobachten. Solche Siedlungen oder auch oftmals Teilbereiche bestehender Dorfstrukturen, die sich durch Standardisierung und monotoner Bauweise auszeichnen,

Gartenstadt nach Howard

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sind im Wesentlichen auf die Siedlungsentwicklung ab den 60er Jahren zurückzuführen. Denn ab diesem Jahrzehnt beginnt sich die Siedlungsentwicklung von der Bevölkerungsentwicklung zu entfernen und entwickelt in den folgenden Jahrzehnten eine eigene Geschwindigkeit.22 Die Ansprüche an die Wohnfläche steigen, sodass alle Räume größer werden und sich immer weniger Personen ihr Zimmer teilen müssen. In agglomerationsnahen ländlichen Räumen führt der demographische Wandel dazu, dass immer kleinere Familien immer mehr Fläche in Anspruch nehmen. Das enorme Wirtschaftswachstum begünstigt außerdem, dass auch der generelle Konsum der Menschen steigt. Hinzu kommt, dass die räumliche Arbeitsteilung die Ausbreitung der Siedlungsfläche und somit auch den beginnenden starken Flächenverbrauch fördert. Die Wohnsiedlungen, die sich im ländlichen Raum nahe den Großstädten vergrößern, entwickeln sich unkontrolliert. Bätzing bezieht sich auf ein Konzept von Thomas Sieverts, welcher diese Form als Zwischenstadt bezeichnet. Sie zeichnet sich durch eine relative hohe Dichte aus. Allerdings sind die Grundstücke vorrangig monofunktional und haben wenig Kontaktpunkte zu den Nachbarn. Dadurch gehen die ursprünglichen Qualitäten der spontanen Begegnung und des direkten persönlichen Kontaktes verloren, da die geplanten, weiter entfernten Aktivitäten der Menschen, vornehmlich bestehen. Sie haben meist kaum bis keine Verbindung zu ihrer unmittelbaren Umgebung.23 Die Zahl der Pendler hielt sich in den 50er Jahren noch in Grenzen, wodurch sich die Identifikation der Menschen noch auf die eigene Gemeinde als Arbeits- und Wohnort bezog. Ab den 60er Jahren sanken die Arbeitsmöglichkeiten vor Ort und es entstanden sogenannte „Auspendlergemeinden“, welche heutzutage die Mehrheit

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Der ländliche Raum


der Gemeinden im ländlichen Raum bilden.24 Dieser generelle Strukturwandel, der sich eben auch im Bereich des lebensmittelherstellenden Gewerbes vollzog, führte zu Schließungen kleiner Betriebe und ebnete den Weg führt große Geschäfte in den Einkaufszentren. Diese Entwicklung wurde insbesondere durch drei Faktoren hervorgerufen. Zum Einen die Bevorteilung größerer Betriebe durch verschiedenste Liberalisierungen im Wirtschaftssektor. Außerdem veränderte sich zu der Zeit das Konsumverhalten der Bürger enorm. Als dritter Faktor kamen noch viele neue Vorschriften hinzu, die für die kleinen Betriebe kaum umsetzbar waren. Teil dieser Entwicklung war auch der wachsende Ausbau an erneuerbaren Energien im ländlichen Raum. Besonders die Solarund Windenergie wird zum Ende des 20. Jahrhunderts hin ein wachsender Bereich des sekundären Wirtschaftssektors, mit dem Ziel, den ländlichen Raum ökonomisch zu stärken. Dieses Ziel sieht Bätzing allerdings nicht erfüllt, sondern der Ausbau hat Auswirkungen auf die Umwelt, die regionale Identität und den ländlichen Tourismus.25

Windpark auf dem Land

Der ländliche Raum

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Die aktuelle Situation Die Frage nach dem zukünftigen Wohnen ist in diesen Tagen besonders präsent. Tagtäglich werden neue Artikel veröffentlicht, die sich mit der Situation in den Innenstädten auseinandersetzen oder auch Menschen eine Plattform geben, die ihr Leben umkrempeln. Oft sind dies einzelne Personen und aktive Mitmenschen, die etwas für sich verändern wollen, allerdings spiegeln diese Geschichten viele reale Lebenssituationen wider. Auch für viele Menschen, die aufgrund der räumlichen Distanz das Leben in ländlicheren Regionen nie als echte Möglichkeit wahrgenommen haben, ist unter anderem, durch die plötzliche voranschreitende Digitalisierung vieler Lebensbereiche, die Chance da.

Pandemie

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Das Bewusstsein für die Defizite der Stadt und ihre Nachteile werden durch die aktuelle Pandemie bestärkt. Viele Menschen merken durch den Alltag im Homeoffice, dass sie sich in ihrer Wohnung nicht wohl fühlen oder auch einfach der Platz fehlt. Die auch noch im Jahr 2021 anhaltende Covid 19 Pandemie ist außerdem ein zusätzlicher Faktor zum sich ohnehin wandelnden Stadt-Land Verhältnis. Laut Daniel Dettling, dem Leiter des Zukunftsinstituts Berlin, sind Tendenzen zu einer sogenannten Glokalisierung erkennbar.26 Dieser Neologismus aus Globalität und Lokalität, birgt die Chance auf neue Möglichkeiten für den ländlichen Raum. Durch die Nutzung neuer digitaler Innovationen, kann sich der ländliche Raum in Zukunft neu aufstellen. Besonders die medizinische Versorgung und somit Patienten, sowie Ärzte profitieren von dieser Entwicklung.27 Hinzu kommt, dass die Pandemie wie ein Spiegel zu verstehen ist, welcher der Gesellschaft die aktuellen Missstände vorhält. Durch die verstärkte Konfrontation mit dem eigenen Arbeitsalltag, sehnen sich viele Menschen nach einer Veränderung. Laut einer Umfrage von Statista aus dem Jahr 2020, prä-

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ferieren 61% das Leben auf dem Dorf oder auf dem Land und nur 13% in der Stadt.28 Dieses Verlangen der Menschen ist mit Sicherheit auch auf die steigenden Kosten in der Stadt zurückzuführen. Somit ist es ein sehr gesellschaftspolitisches und emotional aufgeladenes Thema, da viele Menschen, besonders in Städten, von der Gentrifizierung betroffen sind. Die Diskussion um den erst kürzlich, vom Bundesverfassungsgericht, für unzulässig erklärten Berliner Mietendeckel, spiegelt die Brisanz der aktuellen Lage wider.

Misstände

Nicht nur in der Stadt, sondern auch abseits der Zentren, existieren viele offene Baustellen. Das beste Beispiel ist das auf 2030 verschobene Ziel den Flächenverbrauch in Deutschland auf täglich 30 ha zu reduzieren. Ursprünglich sollte im Jahr 2020 diese Grenze erreicht werden.29 Dadurch werden weiterhin ökologisch wertvolle Flächen zerstört und somit negative Umweltfolgen hervorgerufen. Dieser Flächenzuwachs ist besonders im sogenannten „Speckgürtel“ der Städte zu beobachten, denn immer Wohnbau, Industrie

Sport und

Gewerbe

Freizeitfläche

140

Verbrauch der Verkehrsfläche

Fläche

129

120

60

52 30

20

2000

2015

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2020

2030

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mehr Flächen werden dort neu ausgewiesen oder bebaut. Diese Flächen werden größtenteils für Neubaugebiete und Siedlungsräume ausgeschrieben und anschließend versiegelt. Auch wenn kein steigender Flächenverbrauch seit den Jahren 2005 und 2006 zu verzeichnen ist, müssen laut Umweltbundesamt dringend Maßnahmen getroffen werden, ebenfalls im Sinne weiterer Schadensbegrenzung und in Rücksichtnahme auf kommende Generationen, welche die Folgen des Klimawandels erleben werden.30 Lichtblicke

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Neben den vielen Baustellen und Hürden, die der ländliche Raum überwinden muss, gibt es derzeit allerdings auch einige Lichtblicke. Besonders interessant gestaltet sich das wachsende Interesse großer Teile der Bevölkerung für umweltfreundliches Handeln und respektvollem Umgang mit dem Planeten. Die Notwendigkeit, sparsam mit unseren Ressourcen umzugehen, stellt uns auch im Bereich der Architektur vor neuen Herausforderungen, die wir dringend angehen müssen. Dies zeigt sich bereits an der Neugründung von Organisationen wie „architects for future“, die seit Juli 2020 offiziell als gemeinnütziger Verein anerkannt ist.31 Dort sind, besonders in der Ortsgruppe Münsterland, viele Architekturstudenten aktiv vertreten und organisieren unter anderem Stellungnahmen zu Bebauungsplänen von ökologisch fragwürdigen Projekten. Außerdem finden, im Vergleich zu den Vorjahren, zu diesem Thema immer mehr Projekte und Vorlesungen in der Architekturlehre statt. Dieses neue Bewusstsein ist insbesondere auf die, in den vergangenen Jahren, gewachsene Fridays for Future- Bewegung zurückzuführen. Im Zuge von umweltfreundlichem Handeln stehen insbesondere die sinkende Bauqualität und der hohe Flächenverbrauch in der Kritik. Im Bereich der Baukultur gibt es einige Leuchtturmprojekte die in die-

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ser Arbeit näher betrachtet werden. Diese sind ebenfalls Lichtblicke hinsichtlich der Wahrung und Unterstützung baukultureller Qualität und somit eine entscheidende Stellschraube für die Bauweise in ländlichen Regionen.

Der ländliche Raum

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ländliche

Gegenwart

“Ich glaube, die Renaissance der Stadt neigt sich dem Ende zu! Dabei habe ich immer für die Renaissance der Stadt plädiert und gearbeitet. Ist auch alles richtig, aber man merkt jetzt, dass viele Städte sowohl preislich als auch vom Flächenpotential her an ihre Grenzen stoßen. Im Moment geht die Tendenz eindeutig in Richtung suburbaner Prozesse“32


soziale Struktur Betrachtet man die aktuelle Situation, stellt sich die Frage, welche Akteure das Umland der Städte neu für sich entdecken. Der renommierte Architekt Ulli Hellweg verweist auf das aus seiner Sicht ausgeschöpfte Potential der Stadt.33 Durch den Rückgang der Entfaltungsflächen und des Raumes der Bürger in der Stadt suchen sich immer mehr Stadtbewohner ihre eigenen. Dabei treffen sie auf die bereits bestehenden Sozialstrukturen der Dörfer. Auch wenn in dieser Arbeit nur Dörfer in Deutschland betrachtet werden, unterscheiden sich die Dörfer in ihrer sozialen Struktur sehr voneinander. Die Sozialstrukturen sind dabei als „[...]unmittelbar zwischenmenschliche Beziehungen in kleinräumigen Umweltbereichen unter einer Berücksichtigung von direkter Kommunikation und Interaktion zu verstehen.“.34 Diese zwischenmenschlichen Beziehungen und somit auch die Sozialstruktur in sich, ändern sich ständig und haben in den letzten Jahrhunderten einen extremen Wandel erfahren. Die vergangene Sozialstruktur des Dorfes war lange Zeit statisch zu interpretieren und ist an der ehemals hierarchischen Gliederung der Dorfbewohner zu erkennen. Pfarrer, Bürgermeister und Lehrer waren hoch angesehen, wohingegen Knechte, Mägde und Tagelöhner in der Hierarchie am Ende standen. Dabei war diese Ordnung entscheidend für den Lebensstandard der Bewohner und auch das Einkommen hing von der jeweiligen Position in der Hierarchie ab.35 Auch heute ist diese Struktur in schwacher Form in einigen Dörfern in Deutschland erkennbar. Pfarrer wie Bürgermeister sind meist bekannte Persönlichkeiten, die den engen Kontakt zu den Dorfbewohnern pflegen und dadurch häufig auch im ganzen Dorf Anerkennung bekommen. Allerdings hat diese Anerkennung heutzutage weniger Einfluss auf das Einkommen und den Lebensstandard. Die historisch bedingte Gesellschaftsstruktur des Dorfes

ländliche Gegenwart

Sozialstruktur

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hat sich ebenfalls, in gewissen Zügen, bis in ihre heutige Sozialstruktur übertragen. Erkennbar wird diese Charakteristik an gewissen Kontrollstrukturen in den entsprechenden Dörfern. Gewiss trifft dies nicht auf alle Dörfer im ländlichen Raum zu, allerdings ist die soziale Kontrolle ein häufig auftretendes Phänomen. Sie spiegelt sich in einer Untersuchung der 80er Jahre wider: Albert Ilien und Utz Jeggle untersuchten die Sozialstruktur eines Ortes mit dem Namen „Hausen“. Mittels Befragungen der Dorfbewohner fanden sie heraus, dass es ein festes Bild der Dorfbewohner gibt, was als „normal“ gilt: Der aus dem Dorf stammende, verheiratete, mittelalte und katholische Mann. Durch das selbsterbaute Haus, getaufte Kindern und das eigene Auto hat man zudem das „richtige Alter“ erreicht. Demnach entsteht soziale Kontrolle, durch das, vom Dorfkollektiv festgelegten normgerechte Verhalten.36 Sucht man im Internet nach der „perfekten Familie“ erscheint sofort das übliche Bild unserer Gesellschaft von einem glücklichen, heterosexuellen Ehepaar mit Kindern. Das bestätigt die Studie.

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ländliche Gegenwart


Zu Zeiten der Industriegesellschaft war es, ähnlich wie in der vorherigen Agrargesellschaft, entscheidend, in welche gesellschaftliche Struktur ein Individuum hineingeboren wurde. Es musste sich in der, durch die Geburt zugeschriebene, Struktur bewähren und eben den gegebenen Rahmenbedingungen anpassen. Somit wurde zu dieser Zeit noch der gesamte Lebensentwurf durch die vorgelebte, statische Gesellschaftsstruktur beeinflusst. Der Beginn der Dienstleistungsgesellschaft bewirkte eine Lockerung, wodurch in allen Gesellschaftsbereichen Alternativen entstehen. Diese sogenannten Lebensstilgruppen ermöglichen den Menschen eine freie Wahl von Beruf, Freundeskreis, Hobbies und Interessen. Die Entwicklung hin zu Lebensstilgruppen ist aus heutiger Sicht häufig ein Fortschritt und somit positiv konnotiert. Allerdings bleibt zu erwähnen, dass folglich die ständigen Wahlangebote und Freiheit in allen Alltagsbereichen mit der Gefahr von Überforderung der Menschen verbunden ist. Laut Werner Bätzing beeinträchtigt diese Entwicklung der Gesellschaftsstruktur, unter anderem, den sozialen Zusammenhalt und eine grundsätzliche Veränderung des Landlebens.37

ländliche Gegenwart

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aktive Akteure

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Die von Bätzing erwähnten Lebensstilgruppen sind bei den Menschen wiederzufinden, die derzeit den ländlichen Raum und dort einen alternativen Lebensstil für sich entdecken. Sie sind eine sehr heterogene Gruppe und haben unterschiedliche Gründe, sich dem ländlichem Raum zuzuwenden. Allerdings lassen sich einzelne Akteure identifizieren. So genannte hybride Lebensstile „[...]entstehen aus der Konfrontation von neuen Freiheiten, neuen Arbeitsformen und neuen Zwängen.“38 Rund um Berlin beispielsweise ist dieser Trend der neuen Lebensstile besonders spürbar. Zwei Hauptgruppen sind dort erkennbar: Zum einen links-orientierte Aktivisten, welche bewusst nach alternativen Lebensentwürfen suchen. Zum anderen großstadtgeprägte Menschen, welche nach flexiblen Arbeitsmodellen suchen sowie eine neue Lebensform zwischen Stadt und Land gestalten wollen.39 Die Akteure beider Gruppen sind meist Kreative und Akademiker, die ihre Lebensqualität verbessern wollen. Sie organisieren sich in Gruppen und suchen Brachen oder alte Industriegebäude als Standorte für ihr Handeln. Dort realisieren sie ihre Träume und verfolgen ihre Ziele einer offenen, solidarischen Gemeinschaft bei der jedes Individuum ein gleichwertiger Teil des Ganzen sei. Manche Projekte, die das Buch Ländliche Verheissung dokumentiert, haben ihren Ursprung auch noch in den 90er Jahren. Viele von diesen, sich seit Jahrzehnten engagierenden und handelnden, Menschen kann man daher auch als sogenannte aktive Akteure bezeichnen. Auch das Berlin-Institut für Bevölkerungsentwicklung spiegelt diesen Drang junger Menschen wider. Akteure wie die „Stadtflüchtigen“ oder „Unterstützer aus der Ferne“ sind sehr städtisch geprägt, engagieren sich aber trotzdem für den ländlichen Raum. Diese sind vergleichbar mit den eben genannten Raumpionieren. Allerdings gibt es auch die „Landerneuerer“ oder „Heimatverlieb-

ländliche Gegenwart


ten“, welche schon eng mit ihrem Ort verbunden sind und sich lokal einsetzten.40 Sie sind ebenfalls engagiert und wollen Orte attraktiver gestalten. Interessant wird es, wenn man nun beide Seiten betrachtet, denn beide Gruppen ähneln sich. Zum einen, die städtisch-urban geprägten Akteure, welche ihr Engagement von außerhalb einbringen. Zum anderen die lokal bereits tätigen und tief mit dem jeweiligen Ort verwurzelten Akteure, die ein hohes Maß an Bereitschaft zeigen sich zu engagieren, und sich der Kraft des Zusammenhalts und der Gemeinschaft bedienen, um gemeinsame Ziele zu verfolgen. Trotzdem birgt ein Aufeinandertreffen der beiden Gruppen auch viel Konfliktpotential, denn die unterschiedlichen Perspektiven auf den ländlichen Raum, sowie fehlende Kommunikation, erschweren die Zusammenarbeit. Dabei spielen auch die Chancen, die jede Gruppe in einen Ort sieht, bzw. die Ansprüche, die jede an einen Ort stellt, eine Rolle.

Christoph Hesse Unterholz

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„Konfliktpotential entsteht auch, wenn die Sehnsüchte und romantischen Vorstellungen der Städter vom Leben auf dem Land in einen Dogmatismus umschlagen, welcher in der Dorfrealität als befremdlich empfunden wird.“41 Um dieses Konfliktpotenzial zu vermeiden, ist ein gegenseitig offener und respektvoller Umgang mit den lokalen Akteuren unabdingbar. Genau auf diese Notwendigkeit, die Menschen vor Ort noch mehr miteinzubeziehen, macht der Architekt Christoph Hesse in dem Interview aufmerksam, das im Rahmen dieser Bachelorthesis geführt wurde. „Man sollte die Menschen vor Ort nie unterschätzen. Das machen wir sowieso nie, aber da liegt eben sehr viel Potential.“42 Dabei bezieht er sich auf seine Arbeitsweise mit den Einwohnern aus Referinghausen, einem Ort im Sauerland. Mit ihnen hat er die Open Mind Places geschaffen, welche aus neun begehbaren Architekturen bestehen, die sich entlang eines Weges in der Region befinden. Akteure wie Christoph Hesse haben ebenfalls die Intention, Menschen zusammenzubringen und Orte attraktiver zu gestalten, aber legen den Fokus nicht auf eine eigene „Lebensreform“. Diese Lust auf eine grundlegende Änderung des Lebensstils ist besonders bei den bereits erwähnten Raumpionieren zu finden. Diese sind vor allem im sozio-ökonomisch schwachen Raum in Deutschland zu finden und ihre Projekte liegen geographisch insbesondere im Osten von Deutschland. Vergessene Regionen werden dort von den Raumpionieren durch unterschiedliche Projektversuche revitalisiert.

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Existieren denn neben aktiven Akteuren auch passive? Wenn man passiv als nicht handelnd oder sich von etwas distanzieren versteht, dann ja!

passive Akteure

Neben den engagierten Akteuren gibt es eben auch jene, die nicht in den ländlichen Raum ziehen, um sich neu auszuprobieren oder einen neuen Lebensentwurf für sich zu finden. Ihre Priorität liegt im Grunde im finanzierbaren Eigenheim mit ausreichendem Platz. Hiermit wird natürlich ein sehr verallgemeinerndes Bild aufgegriffen, welches allerdings, im gesamten Kontext betrachtet, seine Berechtigung hat. Niklas Maak beschreibt dieses grundlegende Problem in seinem Buch Wohnkomplex, indem er die Missstände in der Vorstadt aufzeigt. Es herrscht seiner Meinung nach ein „Krieg der Idealbilder“, der durch überforderte Gemeinden verursacht wird. Die Menschen ärgern sich über ihre Nachbarn und nehmen solche Siedlungen als aushaltbaren Kompromiss war, statt sich wohl zu fühlen. Folglich integrieren sie sich kaum in die bestehenden sozialen Strukturen. 43 Großen Einfluss, auf die heutige Situation solcher Siedlungsräume, hat auch die Struktur des sozialen Gefüges, in denen sich viele Menschen bewegen. Das ehemalige Umfeld von Familie und dem Verein aus der näheren Umgebung hat sich in entferntere Kreise verlagert. Es gibt viel mehr Auswahlmöglichkeiten zwischen Schulen oder auch Vereinen. Auch die Digitalisierung trägt dazu bei, dass die Menschen mehr Kontakte aus unterschiedlichen Freundesgruppen haben und diese besser pflegen können. Dadurch fühlen sich viele Menschen nicht wirklich verantwortlich für ihr Umfeld oder besser gesagt: Sie verlieren die Bezüge zueinander und entwickeln womöglich kein Identitätsgefühl innerhalb ihrer Nachbarschaft. Ehemalige Schicksalsgemeinschaften sind heute ausgesuchte Beziehungen.44

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Zu der bereits beschriebene Problematik und Konfliktpotentiale zwischen Zugezogenen und Dorfbewohnern, gab es bereits in den 50er Jahren eine Studie, welche Koch aufführt. In dieser Studie wird ein englischer Vorort mit circa 5000 Einwohnern untersucht. Dieser gliedert sich in drei unterschiedliche Viertel, wobei eines zuletzt errichtet wurde. Diese drei Viertel wurden in drei Zonen geteilt, wobei das Jüngste in der dritten Zone lag. Die erste Zone galt als das lebenswerteste Viertel, wohingegen im dritten Viertel mehrheitlich zugezogene Arbeiter aus London wohnten. Sie hatten wenig Kontakt zu den anderen Zonen und fühlten sich auch nicht zugehörig. Auch untereinander existierte wenig Kontakt, wodurch auch das gesamte Sozialsystem des Viertels beeinträchtigt wurde. Die Mittelschicht, die sich die erste Zone leisten konnte, fühlte sich hingegen übergeordnet und als „Menschen von höherem Wert“. Sie fühlten sich wohl in ihrem Viertel. Norbert Elias und John L. Scotson, welche die Studie durchführten, schlossen aus der Untersuchung, dass in der dritten Zone, dem Viertel der Zugezogenen, das nötige soziale Grundgerüst aus, „[...]Gebräuche der Nachbarschaftshilfe und Rituale des sozialen Verkehrs, fehle.“45 Sie kamen außerdem zum Ergebnis, dass die Wohndauer ein ausschlaggebender Faktor ist, wie gut sich das Gemeinschaftsgefühl und der Zusammenhalt gestaltet.46 Die Ergebnisse dieser Studie spiegeln sich auch in den heutigen Beziehungen zwischen Zugezogenen und Eingesessenen wider. Die alt Eingesessenen sind meist in ihrem Umfeld etabliert und haben somit eine andere Position in dem sozialen Gefüge des Ortes.

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gebaute Struktur Bei den verschiedenen Akteuren, die ihre Zukunft außerhalb von Städten suchen, ist es fraglich ob die aktuellen Wohnmöglichkeiten und Angebote diesem Bedarf gerecht werden. Vielerorts prägen eben jene Einfamilienhaussiedlungen das Ortsbild und bilden somit die Umgebung und Existenzgrundlage für die Menschen. Treffend beschreibt es der Architekturkritiker und Journalist Niklas Maak:

Einfamilienhaus

„[…] man baut für einen Lebensentwurf, den es so gar nicht mehr gibt.“.47 Er geht dabei auf das Problem ein, dass obwohl in der heutigen Gesellschaft so viele unterschiedliche Lebensstile existieren und das klassische Bild der Familie nicht mehr einen großen Teil der Bevölkerung vertritt, noch viele Einfamilienhäuser gebaut werden und ihre Anzahl in Deutschland um circa 100.000 jährlich zunimmt.48 Auch das Institut der deutschen Wirtschaft hat die hohe Nachfrage in einem Gutachten feststellen können.49 Dies hängt sicherlich mit der aktuellen Bezahlbarkeit zusammen, aber auch mit dem Idealbild der Gesellschaft. Es existiert der Wunsch nach eigenem Garten, eigenem Parkplatz, großzügiger Wohnfläche und gleichzeitig guter Anbindung an die Nahversorgung. Dieses Idealbild wird vielfach in Werbespots beispielsweise von „Schwäbisch Hall“ inszeniert. Dieser Traum vieler Deutschen steht hingegen auch vielfach in der Kritik. Grünen-Politiker Anton Hofreiter positionierte sich, in einem Interview mit dem Spiegel, kritisch gegenüber dem Einfamilienhaus. Daraufhin reagierten die Parteien CDU, FDP und SPD und betitelten die Grünen als „Verbotspartei“.50 Anhand dieser Debatte erkennt man auch die politische Brisanz rund um das Einfamilienhaus. Die Kritik, der die Typologie Einfamilienhaus häufig ausgesetzt ist, richtet sich

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insbesondere an den verursachten Flächenverbrauch. Die erzeugte Wohnfläche aller Wohnungen in Deutschland liegt zwar bei 31%, es werden aber 41% der bebauten Fläche in Anspruch genommen.51 Nicht nur die entstehenden Einfamilienhäuser versiegeln wertvollen Boden, sondern auch die hinzukommenden Erschließungswege und Infrastrukturen, die jedes einzelne Haus mit sich bringt. Das Umweltbundesamt bestätigt, dass in den letzten sechs Jahrzehnten die Siedlungsfläche über 50% gestiegen ist.52 Nicht nur aus ökologischer Sicht ist das, heutzutage vielfach gebaute, Einfamilienhaus kritisch zu betrachten. Zudem symbolisiert das Familienhaus die Standardisierung, denn was ehemals individuelle Bauten waren, die mit lokalen Materialien gebaut wurden, sind heute vielfach kopierte und auch optimierte Versionen. Dabei wird es oftmals durch verschiedene Händler als einzigartig angepriesen und genau dem Kundenwunsch entsprechend verkauft.53 In Wahrheit sind dies nur Scheinangebote, die eine immer gleiche Bauweise verdecken. Häufig steht die Wirtschaftlichkeit eines Gebäudes über der qualitativ

Werbung Schwäbisch Hall

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hochwertigen Ausführung. Als Beispiel der kapitalorientierten Bauweise von Einfamilienhäusern ist das Unternehmen „Town and Country Houses“. Es ist mit bereits 40.000 realisierten Projekten das meistgebaute Massivhaus und wurde bereits mehrfach ausgezeichnet.54 Aber liegt das grundsätzliche Problem wirklich in der Typologie des einzelnen Einfamilienhauses?

Mangel an Alternativen

„[…] es gibt gewisse Typologien, gerade in Dorfstrukturen, da ist das Ein- oder Zweifamilienhaus eher das richtige, aber nicht in diesen Siedlungsgebieten, ich rede jetzt wirklich über Dorfstrukturen. Und es nicht immer ist das Gebäude an sich das Problem sondern die Nutzung oder Unternutzung[…]“55-Christoph Hesse Dieser Mangel an alternativen Wohnmöglichkeiten im ländlichen Raum überträgt sich auch auf das daraus entstehende Geflecht der Lebensstrukturen. Ein Überangebot von gleichen Haustypen, erzeugen eben auch immer ähnliche Nutzer, Lebensstile und somit gleiche Dorfbewohner. Laut einer Wohnungszählung aus dem Jahr 2011, waren 83% der Wohngebäude Einfamilienhäuser.56 Dieses Überangebot von Ein- und Zweifamilienhäusern wurde bereits 2006 in einer Studie prognostiziert. Allein in Nordrhein-Westfalen, so die Studie, werden zwischen 2005 bis 2025, 22% der Einfamilienhäuser leer stehen. Hervorgerufen wird dies durch Haushaltsauflösungen aus den Jahrgängen der 40er Jahre. Hinzu kommt, dass die sinkende Geburtenrate die Gruppe der potentiellen Eigenheimbesitzern schrumpfen lässt.57 Vor dem geschichtlichen Hintergrund der Siedlungen

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öffentlicher Raum

und ihren historisch, ortsabhängig gewachsenen Strukturen muss man die heutige moderne Siedlung kritisch hinterfragen. Allein das Bewahren ganzer Dorfensembles durch den Denkmalschutz zeigt, dass die Konstellation historischer Dorfstrukturen im Ganzen bedeutend für die Siedlungslandschaft in Deutschland ist.58 Im Gegensatz dazu stellen in der heutigen Zeit die Siedlungen aus den 60er und 70er Jahren, sowie die derzeitige Bauweise vieler Siedlungen, Qualitätsverluste dar, insbesondere hinsichtlich der baukulturellen Qualität, aber auch bezogen auf die Lebensqualität innerhalb der Siedlungen. Umfragen zeigen, dass 57% der Gemeinden die geringe baukulturelle Qualität ihrer Einfamilienhäuser bemängeln. Auch die Ästhetik und Vielfalt der Neubaugebiete stellen sich als Problem dar.59Vielerorts prägen hohe Zäune das Bild der Siedlungen und verhindern somit die Kommunikation der Menschen untereinander. Es scheint als wäre der Austausch in Form des „schnellen Zaungespräches“ auch nicht erwünscht. Dadurch kippt das Gleichgewicht von öffentlichem und privatem Raum in solchen Gebieten. Der private Raum dominiert und der öffentliche Raum bildet sich durch die Zufahrtsstraßen sowie gezielt angelegten Spielplätzen. Für den sich dynamisch entwickelnden und anpassenden öffentlichen Raum ist kein Platz. Die eigentlichen Potentiale des Zwischenraumes bleiben ungenutzt. Gerade dieser Zwischenraum, das Spiel zwischen öffentlicher und privater Fläche, ist entscheidend für das Leben der Menschen. Beide Polaritäten haben enormen Einfluss auf die Akzeptanz gegenüber gewisser Baudichten und somit müssen sie auch sorgfältig gestaltet sein.60 Dieses Potential des lebenswerten Zwischenraumes bleibt vielerorts ungenutzt und wird besonders durch die starke Homogenität vieler Siedlungen limitiert.

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Neubaugebiet

Diese Art von stark ausgeprägter Homogenität in der Nutzung der Häuser ist auf die Funktionstrennung des „Fordismus“ zurückzuführen. Dieser prägte, durch seinen funktionalistischen Leitgedanken, insbesondere die Siedlungen und Städte des 20. Jahrhunderts. Nutzungen wurden strikt getrennt und reine Wohngebiete entstanden. Das Auto ermöglichte die entstehende Trennung von Arbeiten und Wohnen. Folglich konnten Familien in die massenhaft entstehenden Einfamilienhaussiedlungen ziehen. Daraus entwickelte sich allerdings eine wachsende soziale Differenzierung zwischen zentrumsnahen Bewohnern und Bewohnern des städtischen Umlandes. Das Umland bot zu der Zeit bezahlbare Preise für die Mittelschicht der Bevölkerung.61 Aus den Entwicklungen des 20. Jahrhunderts entwickelte sich der ländliche Raum stetig zu einem, in großen Teilen, zersiedelten Raum. Diese Zersiedlung, welche besonders im Westen Deutschlands ausgeprägt ist, kann durch ein schweizer Messkonzept ermittelt werden. Dabei wird die urbane Durchdringung, die Ausnutzungdichte und die Komposition der Gebäude untereinander miteinander multipliziert. Je höher die drei Faktoren sind, desto

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Fordismus

Zersiedlung

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Donut-Effekt

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stärker ist der Zersiedlungsgrad.62 Diese bewährte und international anerkannte Methode wurde 2010 in Deutschland angewandt. Dabei zeigten die Ergebnisse eine besonders hohe Zersiedlung im Westen Deutschlands auf. Vor allem das Ruhrgebiet, das Bielefelder Umland und das Münsterland sind stark zersiedelt. Erkennbar ist auch, dass die Zersiedlung sich besonders in Nähe von Städten vermehrt entwickelt. Im Münsterland alleine ist laut dem Thünen-Institut über 15% der Gesamtfläche, teilweise sogar über 32%, durch Siedlungs- und Verkehrsfläche versiegelt.63 Folgen dieser Zersiedlung sind insbesondere eine großflächig verstreute Bebauung und somit ein vermehrt bebautes Landschaftsbild. Ein begleitendes Phänomen der zunehmenden Zersiedlung ist der sogenannte Donut-Effekt. Er beschreibt die zunehmenden Neubaugebiete an Ortsrändern, wodurch das Ortszentrum an Attraktivität und Qualität verliert. Die Süßspeise Donut symbolisiert diese Entwicklung und veranschaulich, dass durch zunehmenden Leerstand im Ort und wachsende Baugebiete am Rand, Dörfer im ländlichen Raum kaum eine Zukunft haben. Der Donut-Effekt erzeugt außerdem hohe Investitionskosten. Durch das Wachsen von Dörfern am Ortsrand, wird die Zersiedlung weiter vorangetrieben und es muss viel mehr Infrastruktur erstellt, sowie Instand gehalten werden. Entgegen dieser Tendenz würde eine stärkere bauliche Verdichtung, innerhalb von Ortskernen, Einsparungen für die Kommunen in vielen Bereichen erzeugen.64 Allerdings bieten kleinteilige Eigentümerverhältnisse und eigenwillige Besitzer häufig hohe Hürden für entsprechende Eingriffe. Dies ist nur eine Handlungsmöglichkeit, um den lokalen Herausforderungen der Dörfer entgegenzuwirken. Allen Handlungsmöglichkeiten liegen allerdings Potentiale zugrunde, die erkannt

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und genutzt werden müssen. Im nächsten Kapitel werden Potentiale betrachtet, welche die örtlichen Dorfgemeinschaften stärken können.

Arbeitsplätze in Aussiedlerhof

Zentralorten

Arbeitsplätze in der Region Rathaus im Zentralort

Neubaugebiet Grundschule

Versorgung mit Waren historischer Dorfkern

Discounter

weiterführende Schulen

Arbeitsplätze im Nachbardorf

Neubaugebiet

Gewerbegebiet Dorfrand

Bedeutungsverlust des Zentrums

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ländliches

Potential


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Digitalisierung Auf Grundlage der derzeitigen Situation bleibt die Frage, welche Chancen und Potentiale der ländliche Raum besitzt. Es ist offensichtlich, dass durch gezielte Handlungen und einen behutsamen Umgang der ländlichen Raum im Hinblick auf die vielen Herausforderungen in Zukunft gestärkt werden kann.

co-spaces

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Ein Potential für die Entwicklung des städtischen Umlandes ist die Digitalisierung, beziehungsweise ihre Auswirkung auf die Vernetzung des ländlichen Raumes. Das positive Resultat ist die Ermöglichung vieler verschiedener Formate und Projekte. Dabei kann die Digitalisierung sogar in mehreren Lebensbereichen die Attraktivität auf dem Land erhöhen. Die Mobilität, die medizinische Versorgung und auch der Zugang zu Bildung machen den ländlichen Raum zugänglicher und stärken seine Möglichkeiten. Bezogen auf das Wohnen im ländlichen Raum ist die Kombination mit Arbeitsräumen in Form von CoLiving oder auch CO-Working Spaces eine gute Alternative für die Zukunft. Dadurch könnten unter anderem die aktuellen enormen Pendlerstrecken reduziert werden und somit auch abgelegenere Orte für erwerbsfähige Menschen attraktiv werden. Ursprünglich ist die Form der geteilten Arbeitsplätze ein städtisches Phänomen. Im urbanen Raum bietet diese Form des Arbeitens eine hohe Heterogenität der Nutzer und einen hohen Austausch zwischen den Menschen. Besonders im ländlichen Raum ist diese Form ein attraktivitätssteigender Faktor. Das reine Kopieren der urbanen Co-Spaces ist allerdings keine Lösung, denn ländliche Regionen müssen ihre eigenen Potentiale nutzen und beispielsweise die Natur und Freiräume mit den neuen digitalen Möglichkeiten kombinieren.65Ein vorbildliches Beispiel für die Umsetzung und Vernetzung solcher innovativen Ansätze ist das Netz-

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werk Zukunftsorte. Ziel dieses Netzwerkes ist, leerstehende Gebäude und Brachflächen zu revitalisieren und somit im ländlichen Raum Ostdeutschlands neue Ansätze zu verwirklichen. Akteure vor Ort fördern „[...]neben neuen Wohnformen und Arbeitsmöglichkeiten auch zusätzliche gewerbliche, soziale und kulturelle Angebote und offene Treffpunkte, welche die vorhandenen ergänzen.“66 Außerdem wurde von diesem Netzwerk bereits eine Vision für das Jahr 2030 entwickelt in der 1000 solcher innovativen Orte in Ostdeutschland miteinander im Austausch stehen. Eine Bertelsmann-Studie zeigt, dass lokale Netzwerke entscheidend dazu beitragen, wie erfolgreich innovative Projekte sind.67 Außerdem stellten auch weitere Studien der Stiftung fest, dass auch, durch die Pandemie beflü-

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Netzwerke

Coworking

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gelt, die Möglichkeit des Homeoffice in Zukunft stärker genutzt werden wird.68 Die Nachfrage für solche Arbeits- und Wohnräume, die die digitale Vernetzung zur Grundlage haben, sind im ländlichen Raum sehr gefragt. Mehrere Netzwerke existieren bereits und werden sich in den nächsten Jahren mit steigender Digitalisierung im ländlichen Raum verfestigen. Gründe dafür hat auch das Projektteam „Zukunft der Arbeit“ der Bertelsmannstiftung festgestellt.69 Auch sie bestätigen das Potential insbesondere in der Vernetzung von Coworking Spaces im ländlichen Raum. Allerdings kommt noch hinzu, dass die Nutzer solcher Möglichkeiten vielfältiger sind als in der Stadt. Neben Freelancern und Selbständigen gibt es auch viele Angestellte aus diversen Branchen, für die solche Arbeitsräume eine gute Alternative darstellen. Außerdem hat eine solche Durchmischung verschiedener Menschen eine belebende Auswirkung auf Ortschaften, wodurch unterschiedliche Defizite dort behoben werden können. Um solche Projekte aber umsetzten zu können ist die zentrale Vorrausetzung ein Internetanschluss. Zwar sind 96% der Haushalte in Deutschland mit Internet versorgt, wodurch Deutschland im europäischen Vergleich gut abschneidet.70 Allerdings ist dafür die Breitbandversorgung im ländlichen Raum noch auf geringem Niveau im Vergleich zu der Stadt.71 Besonders in Ostdeutschland ist ein deutlicher Unterschied zu gut versorgten Städten erkennbar.

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Gemeinschaft Der Mensch ist ein soziales Wesen und braucht die Gemeinschaft um ihn herum. Der Soziologe Ferdinand Tönnies begreift dabei die Gemeinschaft als „reales, organisches Leben“, wohingegen die Gesellschaft eine „ideelle und mechanische Bildung“ ist.72 Das Bedürfnis, sich in einer Gemeinschaft wiederzufinden ist somit tief verwurzelt in unserem Wesen. Ein wesentlicher Begriff, der Siedlungen und Dörfer im ländlichen Raum heute noch prägt, ist die Dorfgemeinschaft. Sie impliziert das gesamte soziale Gefüge und das Gemeinschaftsgefühl eines Ortes. Die heutige Dorfgemeinschaft ist geprägt von ihrer Geschichte, denn die Grundzüge der früheren Dorfgemeinschaft sind heute noch zu erkennen. Das starke lokal ausgeprägte Gemeinschaftsgefühl ist durch das „Aufeinander-Angewiesen-Sein“ entstanden.73 Allerdings haben sich dadurch auch Misstrauen und Spannungen gebildet, die teilweise noch spürbar, aber keineswegs bezeichnend für alle Dörfer, sind. Der enge Zusammenhalt und das ehrenamtliche Engagement zeichnet in der heutigen Zeit viele Dörfer aus. Das kommt, laut Henkel, vielen Vereinen zugute. Besonders Schützenvereine, Jugendvereine und auch die freiwillige Feuerwehr profitieren davon, wenn die Bewohner vor Ort als Mitglieder auch mitwirken. Durch die Gemeinsamkeit in Form des Vereines und auch die häufig über Jahrzehnte weitergetragenen Traditionen, werden Menschen an den Ort gebunden, was Grundvoraussetzung ist damit der Ort oder das Dorf bestehen kann. Die Dorfbesohner sind eng verbunden mit ihrem Standort und ihrer zugehörigen Gemeinde. Besonders erkennbar ist das Zughörigkeitsgefühl vieler Dorfbewohner daran, dass infolge der kommunalen Gebietsreformen und der resultierenden Eingemeindung vieler Orte, sich vermehrt Heimatverei-

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Vereine

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Schützenfest Füchtorf

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ne gebildet haben.74 Auch viele Bürgerinitiativen zeigen, dass die Menschen vor Ort ihr Umfeld gestalten wollen und sie sich einsetzen wollen. Insgesamt gibt es in etwa 580.000 Vereine in Deutschland. Diese hohe Anzahl wird oftmals durch Einzelpersonen vor Ort getragen, welche ein hohes Maß an Heimatverbundenheit und regionaler Identität in sich haben. Viele dieser Vereine engagieren sich, meist ehrenamtlich, auch für baukulturelle Aufgaben.72% der beteiligten Kommunen geben nach einer Umfrage der Bundesstiftung Baukultur an, sich mit baukulturellen Themen zu beschäftigen. Dieses starke Engagement der Vereine ist enorm wichtig und bietet eine gute Grundlage für den Erhalt der Dorfgemeinschaft und zur Schaffung neuer Projekte.75 Vereine sind eine besondere Art von Gemeinschaft, bei der Menschen mit gleichen Interessen zusammenkommen und so, abseits familiärer Beziehungen, Gemein-

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schaftlichkeit leben können. Die Gemeinschaft sollte auch im Kontext mit den zugehörigen Individuen und ihrer Identität betrachtet werden. Als ländliches Potential ist die Identität so zu verstehen, dass sie verglichen mit der Stadtgemeinschaft deutlich intensiver ist. In ihren Grundzügen funktioniert die regionale Identität an sich, vergleichbar wie andere Identitäten auch. Sie definiert sich im Wesentlichen durch das Vergleichen und Abgrenzen von Anderem. Regionale Identität setzt sich in ihren Grundzügen aus sechs verschiedenen, aber miteinander zusammenhängenden, Faktoren zusammen. Identitätsschaffend sind vor allem Landschaft, Natur, Geschichte, Kultur, Wirtschaft und Sprache.76 Dabei ist die ständige Aufrechterhaltung, die Rekonstruktion, essentiell. Unabhängig ob kollektive Identität oder individuelle Identität ist der ständige Prozess maßgebend, wie gut sich die regionale Identität ausbildet. Abhängig von der Stärke der regionalen Identität, hat sie auch Einfluss auf die Gemeinschaft und den gesellschaftlichen Zusammenhalt einer Region. Dieser wird erreicht durch die Wahrnehmung von Gemeinsamkeiten, der Bereitschaft zur Kommunikation, sowie durch Angebote, die den Ansprüchen der Bewohner gerecht werden.77 Auch Werner Bätzing sieht in der Identität Potentiale für die Zukunftsfähigkeit ländlicher Räume. Besonders, wenn die Menschen sich nicht als reine Konsumenten verhalten, ist das kreative und auch innovative Potential der Menschen eine Chance. Auch das Bewusstsein der Menschen vor Ort für die Qualitäten des Ländlichen ist aus Bätzings Sicht Grundvorraussetzung. Das Kopieren städtischer Lebensweisen sollte nicht vorkommen, sondern es sollten im Idealfall die vorhandenen Freiräume wahrgenommen und genutzt werden.78

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Identität

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Betrachtet man die Stadt, ist dort die Gemeinschaft mehrheitlich auf eigene Beziehungen zurückzuführen. Die Personen mit denen man einen Hausflur teilt oder die gegenüber wohnen kennen viele nur selten. Aber in Dörfern existieren oft über Generationen hinweg verwurzelte Familien, die mit der dortigen Dorfgemeinschaft eng verbunden sind. Diese, in den alten Dorfstrukturen meist gut funktionierenden Nachbarschaften, werden durch die massenhaften Ergänzungen der Siedlungsflächen am Dorfrand geschwächt. Dadurch geht auch die bereits genannte regionale Identität schnell verloren, da das Ortsbild insgesamt stark verändert wird und durch diese austauschbaren Siedlungsflächen an Eigenart verliert. Sozialkapital

Nachbarschaft

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Die sozialen Netzwerke der Dörfer, das sogenannte Sozialkapital, haben einen hohen Stellenwert in der dörflichen Gemeinschaft. Gegenseitiges Vertrauen und Unterstützung in verschiedenen Bereichen des Alltags ist gerade in dünn besiedelten Gebieten essentiell. Um solche Strukturen in der Gemeinschaft zu halten oder auch zu erzeugen benötigt es architektonische Handlungen. Es müssen Räume und Orte geschaffen werden, die ein zusammenhängendes Netzwerk der menschlichen Beziehungen bilden und außerdem Anlaufstellen bieten. Anzustreben ist auch die Aktivierung der lokalen Bewohner, um sie zu Mitgestaltern zu machen.79 Eine weitere starke Form von Gemeinschaft im ländlichen Raum ist die Nachbarschaft. Sie ist die Gemeinschaft, welche sich aufgrund der räumlichen Nähe bildet. Nachbarschaft bildet sich allerdings erst, wenn noch die sozialen Faktoren „[...]gemeinsame Interessen, übereinstimmende Verhaltensnormen, Ähnlichkeiten der sozialen Lage und des Lebensstils.“80 ergänzend zur räumlichen Nähe hinzukommen. Daher ist auch der Fläche,

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welche eine Häusergruppe unmittelbar verbindet, enorme Bedeutung zuzuschreiben. Diese sollte in den Händen der Eigentümern oder Bewohnern der umliegenden Häuser liegen. Die potentielle Kraft von räumlicher Nähe zeigt sich auch an Befragungen von Herbert Gans aus dem Buch „Die Levittowner“. Ergebnis dieser Befragung war, dass die Bewohner einer gewöhnlichen Parzellenbebauung, in einem erkennbaren Muster räumlicher Gruppierungen, Kontakte aufbauen.81 Dem Ziel eine vitale Gemeinde zu erzeugen kommt auch eine gelebte Nachbarschaft zugute. Denn dort wo Menschen kommunizieren, eine gute Infrastrukturausstattung gegeben ist und öffentliche Räume von den Dorfbewohnern angenommen werden, steigt die Attraktivität des Ortes. Ein Zentrum ist dafür unerlässlich.82 Nachbarschaften kommen auch dann besonders zum tragen, wenn gegenseitige Hilfe benötigt wird. Insbesondere im Alter profitieren Menschen voneinander, wenn sie Hilfe anderer brauchen. Daher kommt auch für über 50% der 60-Jährigen eine Wohngemeinschaft in Frage. Viele, die in der Reformzeit der 70er Jahre jung und aktiv waren, sind heute im Seniorenalter. Dadurch besteht auch die grundsätzliche Akzeptanz dieser Nutzergruppe von alternativen Wohnformen.83 Das Potential der Gemeinschaft ist auch anwendbar auf den Bereich der Ökonomie. Ansätze alternativer Wirtschaftssysteme beziehen sich auf die Kraft, die aus dem Zusammenschluss von Menschen entstehen kann. Kritiker des kapitalistischen Wirtschaftssystems sehen in der Ökonomie des Gemeinsamen eine Chance auf ein Wirtschaftssystem, welches nicht mehr in das gegenwärtige kapitalistische System zurückfällt. In dieser Hinsicht ist auch der Ansatz der derzeitig angebotenen Sharingssysteme kritisch zu betrachten, da diese sich zu einem wach-

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Ökonomie

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senden Wirtschaftszweig entwickelt haben.84 Es ist bekannt, dass unendliches Wachstum schlichtweg nicht möglich ist. Daher ist es nur eine Frage der Zeit, dass Alternativen zu dem derzeitigen Wirtschaftssystem benötigt werden. Vor diesem Hintergrund ist die Kraft der Gemeinschaft nicht nur für den ländlichen Raum und seine Bewohner ein vielversprechendes Potential, sondern auch gesamtgesellschaftlich betrachtet.

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politische Ebene Enormes Potential für Dörfer im ländlichen Raum liegt auch auf politischer Ebene. Etwa bei der Ausweisung für neue Bebauungsflächen oder auch im Rahmen gewisser Fördermittel. Erst kürzlich wurde in einer Besprechung der Architects for Future Münsterland ein Gespräch mit Politikern der Partei Bündnis 90/Die Grünen geführt. Dabei ging es um ein neues Baugebiet im Osten von Münster. Mitglieder der Bezirksvertretung-Ost, wie Frau Monika Pander, haben mit den Architects for Future über die geplante Bebauung des Maikottenweges in Münster diskutiert und sich offen gegenüber nachhaltigeren Vorschlägen gezeigt. Auch eine Bürgerinitiative hat sich dort bereits gebildet. 85 Diese Interaktion zeigt, dass Kommunikation mit Entscheidungsträgern aus der Politik wichtig für die Interessensvertretung verschiedener Meinungen und Blickwinkeln aus der Bevölkerung ist. Die Kommunalpolitik hat diverse Verantwortungsbereiche. Sie ist grundsätzlich sehr bürgernah und eng mit den Bürgern vor Ort verwoben. Ihre Aufgaben unterteilen sich in freiwillige Aufgaben und Pflichtaufgaben. Dabei werden bei verpflichtenden Aufgaben der Kommune wenig Spielraum gelassen und teilweise sogar die Ausführung bestimmter Aufgaben von Bund und Land vorgeschrieben. Freiwillige Aufgaben hingegen sind der Kommune überlassen und gelten als ihr „Herzstück“.86 Besonders in kleinen Gemeinden ergeben sich durch die starke soziale Vernetzung häufig persönliche Gespräche der Bürger mit der Gemeindeverwaltung. In dieser Hinsicht unterscheiden sich die Abläufe ländlicher Gemeinden von den städtischen. Die Bürgermeister ländlicher Gemeinden engagieren sich meist ehrenamtlich für die Anliegen der Bewohner. Neben ihrem Hauptberuf sind sie, durch das Amt des Bürgermeisters, an Gemeinde-

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Kommunalpolitik

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sitzungen beteiligt und übernehmen viele kommunikative Aufgaben. In über der Hälfte der Gemeinden zählt auch die Baukultur zu ihrem Zuständigkeitsbereich. Dabei werden sie auch häufig durch Bürgerinitiativen, Vereine und auch Einzelpersönlichkeiten unterstützt. Die Potentiale, die sich aus eben jenen aktiven Akteuren ergeben, können der Baukultur zugute kommen. Nichtsdestoweniger spielen häufig engagierte Persönlichkeiten eine Rolle, welche bereit sind neue Wege zu gehen und sich innovativer Projekte annehmen. Ortsvorsteher sind in manchen Gemeinden ebenfalls an ähnlichen Projekten beteiligt und treiben diese voran. „[…] das ist jetzt kein Bürgermeister, sondern halt der Ortsvorsteher auf lokaler Ebene. Das ist jemand, den man sehr für Dinge begeistern. Also wenn man Ideen hat, fällt das meist auf fruchtbaren Boden. Und der wiederum ist durchaus, ja fast auch ein bisschen hartnäckig, um Leute zu rekrutieren und bleibt dran und das ist glaube ich, das was wirklich gut ist.“87 Im Rahmen der Verwaltungszuständigkeiten kommt es häufig zu Verlagerungen von Aufgaben der Gemeinde auf andere Institutionen. Diesen fehlen allerdings häufig die lokalen Kenntnisse, wodurch die entstehenden Gebäude und Infrastrukturen den Wünschen vieler Gemeinden nicht entsprechen. Daher ist eine offene Kommunikation der Gebietskörperschaften mit den Gemeinden ratsam.88 Förderungen

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Potentiale entstehen auch im Rahmen von Förderungen. Insbesondere die EU stellt auch für den ländlichen Raum entsprechende Unterstützungen zur Verfügung. Leader und Vital sind Programme der Förderpolitik der Europäischen Union zur Stärkung der Regionalentwick-

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lung. Sie sind durch eine Vielzahl von Themen sehr flexibel und unterstützten somit auch individuelle Lösungsansätze. Bereits mehr als 980 Projekte wurden über Leader und Vital angestoßen. Auch in Nordrhein-Westfalen sind die Förderprogramme aktiv. Die Prinzipien, wie die Unterstützung der jeweiligen Regionen funktioniert, sind klar definiert. Der „Bottom-Up-Ansatz“ lässt den Bürgern vor Ort die Freiheit in der Schwerpunktwahl, aber auch die Auswahl der zu fördernden Projekte. Eine lokale und ehrenamtlich organisierte Arbeitsgruppe bildet in dieser Strategie den Kern. Sie bringt engagierte Privatpersonen und Vertreter der Zivilgesellschaft, sowie aus Wirtschaft und Verwaltung, zusammen. Unterstützung kommt in Form von Regionalmanagern, die die Organisation übernehmen.89 Die Förderpolitik der EU hat auch Auswirkungen auf die Landwirtschaft. Dadurch, dass 50% der Direktsubventionen an nur 1% der Landwirte ausgezahlt werden, folgen Zusammenschließungen von Landwirtschaftsbetrieben. Eine geringere Anzahl an Landwirten bewirtschaften somit eine größere Fläche.90 An diesem kurzen Beispiel wird der Einfluss der EU Förderprogramme auch auf den Bodenmarkt und der Bodenpolitik deutlich. Das sehr komplexe Thema der Bodenpolitik wird im folgenden Abschnitt in kompakter Weise dargestellt. Entscheidend für Kommunen ist eine aktive Bodenpolitik. Durch diese kann beispielsweise auch das wichtige Thema Baukultur in die öffentliche Planung eingegliedert werden. Diese bodenpolitische Verantwortung muss allerdings von den Gemeinden wahrgenommen und genutzt werden. Geringe Bodenreserven und die kleinteiligen Eigentumsverhältnisse, besonders in Ortskernen, machen konkrete Handlungen allerdings schwierig. Auf politischer Ebene kann man viele Potentiale erkenn-

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Bodenpolitik

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bar und für das Wohl der Menschen vor Ort spürbar machen. Eine der wichtigsten Voraussetzung dafür ist allerdings, dass die Bewohner eines Ortes Eigeninitiative zeigen und auch etwas ändern wollen. Folgende Fragestellungen ergeben sich: Woraus entwickelt sich eine solche Motivation? Gibt es ein gemeinsames Interesse von Bewohnern ländlicher Orte? Existieren bereits grundlegende Strukturen, auf denen man aufbauen kann?

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Handlungsmöglichkeiten


gemeinschaftliche Organisation Die Umsetzung der sich ergebenden Potentiale durch die Digitalisierung, des ländlichen Gemeinschaftsgefühls und auch auf politischer Ebene ist bedeutend für die Entwicklung des ländlichen Raumes. Dafür benötigt es eine gute Zusammenarbeit aller Beteiligten sowie eine funktionierende Kommunikation. Denn nur im engen Austausch miteinander und dem offenen Gespräch können Handlungen vorgenommen werden, die der Allgemeinheit zugute kommen. Doch wie kann die Kommunikation angewandt werden, sodass die Dorfgemeinschaft in ihrer zunehmenden Diversität und Heterogenität berücksichtigt wird? Wie kann gute Kooperation aussehen? Da der Drang hin zu einer neuen Arbeits- und Wohnform auf dem Land derzeit stark spürbar ist und sich die Verhältnisse zwischen ländlichem und städtischem Raum nachhaltig verändern, beschäftigen sich viele unterschiedliche Büros mit Handlungsmöglichkeiten. Unter anderem nonconform, welches sich als eine selbstgeführte Organisation versteht und durch nachhaltig wirksame architektonische Handlungen nach eigenen Angaben „feine Räume“ schafft.91 Ihr Motto lautet „miteinander weiter denken“ und im Fokus stehen besonders die Beteiligungen verschiedener Akteure. Sie nutzen die Kommunikation auf besondere Art und Weise, da sie nicht ausschließlich als Planer handeln, sondern eng mit den Beteiligten in Kontakt stehen. Das erreichen sie durch sogenannte Ideenwerkstätten, welche offen für alle Interessenten sind und wo die Basis zur konkreten Umsetzung eines Projektes erarbeitet wird. Dabei agieren diese Kommunikationswerkstätten vor Ort, wodurch ein besonderes Verständnis vom Kontext und der Umgebung aufgebaut wird.

nonconform

Durch solche Kommunikationsformen und Bürgerbetei-

Handlungsmöglichkeiten

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ligungen kann die architektonische Handlung enorme Qualität gewinnen und auf viel Akzeptanz stoßen. Das liegt besonders daran, dass die Akteure durch ihren eigenen Beitrag eine emotionale Verbindung zu dem Projekt entwickeln und sich als Teil davon begreifen. „Es muss eigentlich immer irgendwie so eine Art gemeinschaftliche Vision oder Überzeugung herrschen, um Dinge umzusetzen.“92 Kommunikation

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Diese gemeinschaftliche Vision, die Hesse hier erwähnt, bezieht sich auf die Beziehung und die Vorstellung der unterschiedlichen Akteure. Um ein erfolgreiches Projekt realisieren zu können, ist, laut Aussage Hesses, ebenfalls der Umgang und die Kommunikation untereinander entscheidend. Dabei können schon kleine kreative Ideen einen impulsiven Effekt haben und die Beteiligten so besser miteinbeziehen. Interessant wird es, wenn Experten eines bestimmten Gebietes und Laien aufeinandertreffen. In solchen Situationen kommt gute Kommunikation besonders zum Tragen, denn die spezifischen Kenntnisse einer Person und ihre Kommunikationsfähigkeit sind entscheidend für das Verständnis untereinander. Dabei spielt die gemeinsame Wissensgrundlage, also der common ground, eine große Rolle, da diese individuellen Wissensstände ausgeglichen werden müssen. Sich in seinen Gegenüber hineinversetzen zu können ist dabei von besonderer Bedeutung.93 Bezogen auf die Dorfgemeinschaft und die aus der Stadt kommenden Zuzügler bedeutet dies, dass der gegenseitige Respekt und die Empathie den Verlauf der Kommunikation beeinflusst. Wovon auch der Erfolg einer architektonischen Handlung, zur Stärkung der dörflichen Gemeinschaft, abhängt. Die passende Kommunikation ist außerdem ein erster

Handlungsmöglichkeiten


und grundlegender Schritt hin zu handelnden Prozessen wie Kooperationen. Sie sind wichtig für gemeinsame Arbeitsprozesse zwischen den Bürgern, aber auch zwischen den Kommunen und anderen Institutionen. Unter anderem ist die interkommunale Kooperation eine Grundvorraussetzung für erfolgreiche Dorferneuerungsprozesse. Doch diese stellt in ihrer Umsetzung häufig eine Herausforderung für die Beteiligten dar.94 Die gemeindeübergreifende Zusammenarbeit ist insbesondere selten bei konkreten Bauprojekten gegeben. Gründe dafür sind unter anderem, dass der Fokus oft auf den eigenen Vorteil eines Beschlusses gelegt wird, die sogenannte „Kirchturmpolitik“. Überwindet man diese Hürde kann die interkommunale Kooperation viele Probleme lösen. Gründe für Gemeinden, sich mit anderen zusammenzuschließen, sind zum einen die finanziell schlechte Lage. Teilweise strukturbedingte Herausforderungen können durch eine Kooperation angegangen und dadurch drohende Schließungen von gemeinschaftlichen Angeboten, wie Bibliotheken oder Musikschulen, vermieden werden. Des Weiteren können durch Kooperationen der Gemeinden, Planungsverbände aufgebaut werden, die den Folgen der Suburbanisierung des ländlichen Raumes entgegenwirken. Außerdem kann die Wirtschaftlichkeit einer Gemeinde durch die interkommunale Zusammenarbeit verbessert werden. Das heißt Ressourcen können effektiver genutzt werden und kleine bzw. teurere Organisationsstrukturen können so zusammengelegt werden.95 Kooperationen der Gemeinden untereinander sind eine gute Handlungsmöglichkeit, um sowohl Qualität der Projekte für die Menschen zu gewährleisten als auch die Kooperation unter den Bürgern zu fördern. Demnach haben Bürgerbeteiligungen wie die des Büros „nonconform“ großes Potential, Menschen zu motivieren und gute Projekte zu initiie-

Handlungsmöglichkeiten

Kooperation

Kollaboration

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Kollaboration

ren. Durch im Vorfeld definierte Stufen der Beteiligung, aufbauend von der Informationsebene, Beratung und schließlich Mitentscheidung ist das Ziel der Beteiligung klar kommuniziert. Dadurch kann Missverständnissen vorgebeugt werden.96 Neben Handlungen wie Zukunftswerkstätten, können auch Befragungen, Stärken-Schwächen-Sammlungen oder auch konkret im Dialog, Projekte erarbeitet werden. Diese unterschiedlichen Partizipationsmöglichkeiten für die Bürger bieten ein breites Spektrum an Handlungspunkten. Man spricht bei der Partizipation auch vom kollaborativen Arbeiten. Die Kollaboration, sprich also das gemeinsame Arbeiten, ist losgelöst von jeglichen hierarchischen Arbeitsstrukturen. Kollaborationen zeichnen sich also durch die Gleichstellung aller Beteiligten und die Aufgabenverteilung auf alle Beteiligten aus. Wobei, zumindest in der Theorie, hohe Transparenz und gemeinsame Überzeugung, die Motivation sowie die Identifikation mit dem jeweiligen Projekt steigert.97 Diese Charakteristika treffen auf die Bürgerbeteiligungen zu und können somit ein geschicktes Handlungstool einer Gemeinde sein.

nonconform

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Handlungsmöglichkeiten


Im Sinne einer effektiven Selbstorganisation, existieren bereits Modelle, welche die Abstimmung und das Zusammenarbeiten von Gruppen erleichtern sollen. Anhand eines Leitfadens ist unter anderem die Soziokratie 3.0 (S3) eine Möglichkeit, Organisationsstrukturen zu verbessern. S3 ist als soziale Technologie anzusehen und kann die Teams in Bereichen wie Agilität, Partizipation, Performanz und Innovation stärken. Dabei ist sie besonders gut bei bestehenden Strukturen anzuwenden, bei Neugründungen dagegen ist sie nicht geeignet. Sie zeichnet sich durch die Anwendung des Konsent-Prinzips aus. Dieses Prinzip funktioniert progressiv und setzt einen Konsens voraus. Das bedeutet, dass Abstimmungen durch „keinen schwerwiegenden Einwand“ entschieden werden. Das gemeinsame Ziel zu erreichen steht dabei im Vordergrund und ist auch das zusammenhaltende Band der Gruppe.98 Die Soziokratie 3.0 wird auch bei den Raumpionieren des Berliner Umlandes angewandt. Dabei sind auch digitale Tools ein großer Faktor, und durch transparente Absprachen, abgesteckte Ziele und definierte Verhältnisstrukturen der Beteiligten untereinander wird die Projektorganisation dort effektiv. Das Projekt „Wukania“ am großen Wukensee wurde in dieser Form strukturiert. Auch das Beispiel vom Projekthof in Biesenthal zeigt, wie ein Projekt, das durch eine Stiftung unterstützt wird, für Investoren ungreifbar bleibt. Die Gemeinschaft steht dort an erster Stelle und, im Falle eine Niederlage des Projektes, würde die Gemeinschaft, nicht aber das Konzept, scheitern.99

Handlungsmöglichkeiten

Soziokratie 3.0

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Handlungsmöglichkeiten


gemeinschaftliches Wohnen Die Potentiale der Gemeinschaft, die Kraft der Summe, kommt gut für alternative Wohnformen in Frage. Ökologische, wirtschaftliche und insbesondere soziale Themen können durch Gemeinschaften beeinflusst werden. Die gemeinschaftlichen Vorteile für die Beteiligten kann insbesondere in dem privatesten Bereich des Menschen, dem Wohnen, angesetzt werden. Eine klare Bezeichnung für den Begriff gemeinschaftliches Wohnen existiert allerdings nicht. Grundsätzlich haben alle Projekte die Gemeinsamkeit, dass die Haushalte separat voneinander ausgebildet sind. Jedoch werden bestimmte Bereiche des Alltags gemeinschaftlich gelebt und es gibt unterschiedliche Methoden und Projektansätze im Rahmen gemeinschaftlicher Wohnformen.100Unterschiedliche Konstellationen existieren, da die Projekte sich ihrer Rechtsform, der Bewohnerstruktur, der Entstehung, der Gestaltung und der Größe voneinander unterscheiden. Unabhängig von der Rechtsform und Organisation, bietet das Bauen als Gemeinschaft enorme Vorteile. Erhöhte Kostentransparenz und reduzierte Baukosten sind positive Aspekte, allerdings gibt es dagegen keine Kostensicherheit.101 Diese drei Formen des gemeinschaftlichen Bauens muss man noch in bestimmten Punkten voneinander unterscheiden. Baugruppen entstehen meist durch mehrere Privatpersonen, die Realeigentum im Rahmen der Gemeinschaft erwerben. Dabei werden später meist Reihenhäuser als Typologie realisiert. Im Gegensatz dazu bauen Baugemeinschaften meist Projekte im Geschosswohnungsbau. Eine weitere Möglichkeit gemeinschaftlich zu wohnen ist die Genossenschaft. Diese Rechtsform als eingetragene Genossenschaft (eG) ist langfristig angelegt und unterscheidet sich somit von Baugemeinschaften und auch Baugruppen. Diese sind meist als GbR angelegt, die in der Regel nur bis zur Fertigstellung laufen.102

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Methoden

Genossenschaft

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Kalkbreite

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Im Bezug auf das Wohnen ist der genossenschaftlich organisierte Ansatz im 19. Jahrhundert entstanden. Damals reagierten so die Menschen auf die strukturellen Umbrüche der Gesellschaft und auf die akute Wohnungsnot. Einige sind bis heute existent und die damaligen Merkmale sind bis in die Gegenwart geblieben. Diese Merkmale und Regelungen sind im Genossenschaftsgesetz festgeschrieben. Die Genossenschaften funktionieren in sich als Kollektivkonstrukt, in dem Mitglieder als Nutzer wie auch als Eigentümer des Projektes fungieren. Dabei hat jedes Mitglied sogenanntes Nutzungseigentum. Es ist also kein Eigentum des entsprechenden Objektes, sondern das Recht auf Nutzung durch die Mitgliedschaft. Durch das, nicht auf die Gewinnmaximierung eines Einzelnen, abzielende System der Genossenschaften entstehen auch Kollateraleffekte. Wohnungsmärkte in der Stadt aber auch auf dem Land können so beispielsweise stabilisiert werden.103 Die Spekulation und auch Profiterwartungen werden durch den gemeinnützigen Ansatz von Genossenschaften nicht hervorgerufen. Stattdessen ist das Ziel vieler neu gegründeten Genossenschaften erschwinglichen Wohnraum zu erzeugen. Vorbildliche Bauten, die den Erfolg solcher Projekte zeigen, sind unter anderem die „Kalkbreite“ in Zürich und „Spreefeld“ in Berlin. Beides sind Geschosswohnungsbauten bei denen die Trägerschaft eine Genossenschaft ist und die besonders in der Planungsphase partizipatorisch organisiert wurden.104 Die Kalkbreite zeichnet sich durch eine starke soziale Mischung und einer hohen Generationsdiversität aus. In der Mitte des quartierartigen Gebäudes befindet sich eine Gemeinschaftsfläche, die in ihrer Funktion einem Dorfplatz ähnelt. Durch ihre innovative Raumgestaltung und für die Gesellschaft Mehrwert erzeugende Gestaltung gilt die Kalkbreite bereits heute als Vorbild für Genossenschaftsprojekte.

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Kalkbreite

In der Vergangenheit haben Konzepte wie das „Kollektivhuset“ von 1935 die Ansätze aus dem 19. Jahrhundert aufgegriffen. Mit 50 Kleinwohnungen, einer gemeinschaftlichen Küche, einer Wäscherei, Reparaturräume und einem Hort für Kinder war das Gebäude so konzipiert, um den Bewohnern das Leben einfacher zu gestalten. Lästige Arbeit sollte durch das Wohnkonzept wegfallen, wodurch die Menschen sich auf ihr Leben fokussieren konnten. Das konzeptionelle Experiment scheiterte allerdings in Schweden, da sozusagen ein „ideologischer Reformdruck“105 Am Beispiel des Kollektivhauses aus Stockholm zeigt sich, dass auch der Zweck, das Wohl der Gemeinschaft in den Vordergrund zu stellen seine Schattenseiten haben kann. Es ist wichtig darauf zu achten, dass das Individuum in der Gemeinschaft nicht vergessen wird und keine Zwänge entstehen. Das Bedürfnis gemeinschaftlicher zu Wohnen und gemeinschaftlich Projekte zu realisieren war auch in den 90er Jahren in Deutschland existent. Insbesondere durch das Ende des Kalten Krieges und dem Mauerfall beka-

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Kollektivhaus

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men Baugruppen einen starken Aufschwung. Die großflächigen Militärareale, wie in Tübingen, wurden frei und auch in Freiburg entstanden zu der Zeit Pionierprojekte wie das „Quartier Vauban“. Zu der Zeit war die studentische „Instandbesetzerszene“ stark und sehr aktiv vertreten, wodurch solche Projekte entstanden sind.106 Das Quartier Vauban zeigt eine offene Gestaltung des Zwischenraumes und durch Laubengänge, kommunikative Schwellenbereiche. Diese stufen öffentlichen und privaten Raum fein ab und schaffen, in Zusammenhang mit viel Begrünung eine lebendige Umgebung.

Quartier Vauban

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Handlungsmöglichkeiten


Die Pionierarbeiten von damals werden heutzutage in Japan geleistet. Dort werden jüngst Konzepte für gemeinschaftliche Wohnformen besonders durch Architekten wie Riken Yamamoto angetrieben. Sie stellen Gegenmodelle zu der aktuellen Wohnsituation auf. Yamamoto entwickelte 2012 das community area model. Er zeigt dadurch einen architektonischen Ansatz, welcher das Arbeiten und Wohnen zusammen denkt und so die Komplexität einer Stadt in einer Struktur vereint. Jeder Raum kann mit unterschiedlichen Nutzungen belegt werden. Durch ein solches Modell stellt Yamamoto das Einfamilienhaus in Frage und setzt die Kraft und Vitalität an erster Stelle.107 Nicht nur Yamamoto schlägt neue Wohnformen im Sinne der Gemeinschaftlichkeit vor. Auch das bereits gebaute Moriyama house des Architekten Ryue Nishizawa stellt die herkömmlichen Wohnstrukturen in Frage. Dabei stehen sowohl die eigene, und in gewisser Form, private Rückzugsräume im Mittelpunkt, als auch die Kommunikationszone im „Dazwischen“. Dieser Zwischenraum zieht sich über das ganze Grundstück des Gebäudes, da es aus zehn unterschiedlich hohen Boxen besteht. In dem höchsten Wohnkubus lebt der Bauherr Moriyama. Die anderen sind Mietwohnungen. Die unterschiedlichen Nutzer wohnen auf engem Raum zusammen, haben aber eine eigene Küchenzeile und ein Bad.108 Dadurch, dass die einzelnen Räume bei diesem Projekt getrennt voneinander stehen und nicht übereinander, Wand an Wand, schafft dies neue Zwischenräume und somit Kommunikationsfläche. Herkömmliche Flure sind hier als offenes Labyrinth im Außenraum erlebbar. Die enge Positionierung der Kuben zueinander und die dadurch resultierende Dichte fördert das Gemeinschaftliche des Moriyama house. Durch die geschickte Anordnung der Kuben und deren

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Wohnmodelle Japan

Moriyama house

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Fassadenflächen zueinander entsteht, trotz der Nähe, eine gut funktionierende Wohnsituation, welche auch unterschiedliche Raumsituationen bietet. Die Bewohner haben somit ein hohes Maß an Flexibilität in der Nutzung der Räume. Niklas Maak beschreibt in seinem Buch Wohnkomplexe, wie dieser Ansatz des neuen Wohnens die Struktur der dörflichen Gemeinschaft aufgreifen. Die häufig resultierende soziale Enge und Kontrolle wird allerdings entkräftigt.109 Vorteilhaft scheint die hohe Dichte und physische Enge der Kuben zueinander. Die Zwischenräume die dadurch entstehen bekommen dadurch eine besondere Relevanz zu dem Innenraum. Die Vegetation zwischen den Baukörpern unterstützt diese Wirkung und schafft eine Verbindung der unterschiedlichen Wohnräume. Das Moriyama house wirkt, durch seine kleinteilige Struktur, leicht und schafft eine befreite Atmosphäre. Durch diese geschaffene Welt, in der öffentlicher und privater Raum ineinanderfließen, entsteht eine neue Raumerfahrung eines bewohnbaren Hauses.

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Handlungsmöglichkeiten

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Dorfkern Dörfer und Siedlungen im ländlichen Raum sind zunehmend bedroht von leerstehenden Zentren und einem zugleich wachsenden Dorfrand.

soziale Dorfentwicklung

Dem entscheidend entgegenwirken kann der Ansatz der sozialen Dorfentwicklung und somit zur Verbesserung und nachhaltigen Entwicklung von Dörfern beitragen. Ziel ist es, die zwischenmenschlichen Beziehungen zu stärken und somit die Lebensqualität aller Akteure zu verbessern.110 Die Arbeitsgemeinschaft nachhaltige Landentwicklung hat dabei verschiedene Punkte in ihr Blickfeld genommen. Neben Bildung, Kultur und Versorgung sind besonders die Themen Wohnen, Arbeiten und das Gemeinschaftsleben entscheidende Stellschrauben. Wesentliche Vorraussetzungen sind der barrierefreie Zugang für alle Generationen, Begegnungsräume und bedarfsgerechte Wohnformen für die Menschen. Für diese und weitere Anforderungen bieten sich insbesondere bestehende Strukturen an, die revitalisiert werden und so die ortsgebundene Identität bewahren und gleichzeitig eine neue Dynamik am Ort entstehen lassen. Dadurch werden Leerstände im Ortskern behoben und die Aktivitäten im Kern gebündelt. Die Arbeitsgemeinschaft hat aufgrund der vielen Handlungspunkte ein Programm zur sozialen Stadt aufgestellt, in dem die verschiedenen Handlungsfelder anhand ihrer Ziele, den Zielgruppen und ihrer Bedeutung aufgelistet sind. Dabei steht insbesondere das Wohnen in Zusammenhang mit dem Wohnumfeld an oberster Stelle, da es alle Zielgruppen betrifft und eine hohe Bedeutung materiell, sowie inhaltlich hat.111 Im Sinne einer guten und angemessenen Nachverdichtung in Ortskernen sollten die neu entstehenden Bauten, gleichwohl ob Bestand oder Neubau, Vorteile für die Bürger schaffen. Bezahlbarer Wohnraum, Einkaufsmög-

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lichkeiten und gemeinschaftsorientierte Nutzungen steigern die Lebensqualität im Zentrum. Zudem sollten, mit den neu entstehenden Funktionen, die Freiraumqualitäten ebenfalls beachtet und angepasst werden. Dabei spielt der öffentliche Raum eine große Rolle.112 Die Kraft des öffentlichen Raumes im Zusammenhang mit privaten Rückzugsräumen spiegelt sich an vielen Beispielprojekten wider. Limmatwest oder auch die Genossenschaft Dreieck in Zürich zeigen deutlich, dass der Zwischenraum und insbesondere der Fassadenraum gute Möglichkeiten bietet, den Übergang zwischen öffentlichem und privatem Raum lebenswert zu gestalten. Durch architektonische Elemente wie dem Laubengang können Außenflächen mit Blickbezügen gestaltet und somit die gemeinschaftliche Interaktion gefördert werden.

öffentlicher Raum

Diese beiden urbanen Projekte aus Zürich sind Beispiele für dichte Wohngebiete. Allerdings beeinflussen, auch in dünn besiedelte Gegenden, der öffentliche Raum und somit auch die Schwellenbereiche die Lebensqualitäten der Bewohner. Insbesondere im Zentrum ist ein angemesse-

Limmatwest

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ner Wechsel privater und öffentlicher Bereiche von hoher Bedeutung. Diese fehlen ja zumeist in Siedlungsräumen am Dorfrand, jedoch bieten die leerstehenden Bestandsbauten im Dorfkern das nötige Potential.

Eigentümer

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Im Umgang mit der alten Bausubstanz im Dorfkern ist eine entsprechende Rücksicht entscheidend. Die ehemals landwirtschaftlich genutzten Gebäude sollten so gut wie möglich erhalten bleiben, jedoch müssen sich auch die neu integrierten Funktionen praktikabel miteinbeziehen. Der Fokus bei einer solchen Intervention im Dorfkern hat zum Ziel, dem Donut Effekt entgegen zu wirken und stattdessen die identitätsstiftende Mitte neu aufzustellen.113 Die Probleme, die durch kleinteilige Eigentümerverhältnisse entstehen, erfordern meist viel Geld und Geduld. Um die, meist älteren, Eigentümer jedoch von einer Umnutzung zu überzeugen, ist eine gute Beratung und Unterstützung unerlässlich. Eine, erst kürzlich beschlossene und voraussichtlich in diesem Sommer in Kraft tretende Novelle der Landesbauordnung NRW sieht zudem neue Rechte für Gemeinden gegenüber Eigentümern vor. Konkret ist vorgesehen, Eigentümer zum Abbruch leerstehender Gebäude verpflichten zu können und so dem Verfall im Dorfkern entgegenzuwirken.114 Das Potential auf politischer Ebene kann in Form von einer Bodenvorratspolitik, besonders im Dorfkern, genutzt werden. Durch solche politische Maßnahmen kann den drohenden Problemen vorsorglich entgegengetreten werden. Durch das Vorkaufsrecht der Gemeinden gibt es die Option, strategisch entscheidende Flächen zu sichern und dadurch den Erwerb von privatem Eigentum an entscheidenden Stellen zu verhindern. Eine weitere Handlungsmöglichkeit ist die Vergabe nach Nutzungskonzept und nicht die rein finanziell orientierte Vergabe. Dadurch hat die Kommune, mittels aufgestellter Vorgaben, Zugriff auf

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die Entwicklung des jeweiligen Ortes.115 Architekten wie Peter Haimerl, zeigen wie es gehen kann. In Blaibach entstand 2014 das Konzerthaus am Dorfplatz in Blaibach. Der, der Hanglage entsprechend liegende, Solitär aus Beton passt sich mit seiner Granitfassade an die örtliche Steinhauertradition an. Realisiert wurde der Bau um die historische Ortsmitte von Blaibach wieder zu beleben, da ab der Jahrtausendwende der Wirtschaftszweig Tourismus zurück ging. Aufgrund dieser Entwicklung waren Handlungen notwendig. Blaibach konnte das Förderprogramm Ort schafft Mitte für sich gewinnen, wobei die aktiven und egagierten Bürger, mit ihren innovativen Projektideen, entscheidend dazu beigetragen haben. Haimerl brachte dabei die verschiedenen Akteure zusammen und trotz gewissen Kontroversen konnte das Projekt durchgeführt werden. Dabei erwarb die Stadt Bauflächen im Zentrum und durch Spenden, aktive Mithilfe der Bürger, sowie schneller Durchführung wurden in kurzer Zeit Bauergebnisse sichtbar. In Zusammenhang mit einem neuen Bürgerhaus ist dieses Projekt ein gutes Beispiel für eine Revitalisierung des Ortszentrums.116

Konzerthaus Blaibach

Handlungsmöglichkeiten

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Dorfcafe Buntes Sofa

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Weitere Vorbilder für gute Innenentwicklung im Dorfzentrum sind in den letzten Jahren entstanden. Unter Anderem in dem Ort Ardey in Nordrhein-Westfalen. Dort entwickelte die seit der Jahrtausendwende bestehende Förderverein Dorfgemeinschaft Ardey. Dieser hat sich zum Ziel gemacht den Sozialraum des Ortes nachhaltig zu stärken und Orte der Begegnung zu schaffen. Dabei wollen sie möglichst alle Bewohner gleichermaßen erreichen und sozialen Zusammenhalt schaffen. Das Engagement von vielen Akteuren in den letzten 20 Jahren ermöglicht den Betrieb eines Dorfcafes, einer Nachbarschaftshilfe, sowie die Schaffung eines integrativen Spielplatzes. Über 70 der aktiven Akteure ermöglichen dem Förderverein eine mobilisierende Wirkung auf die Dorfbewohner und helfen die unterschiedlichen Generationen zu erreichen. Das Dorfcafe Buntes Sofa, welches 2016 angefangen wurde zu erbauen, dient als Ort für Gespräche, lokale Kultur und Kunst. Dieser neue gesellschaftliche Treffpunkt ist barrierefrei und bietet Lebensmittelangebote aus regionaler Produktion an.(vgl. buntes-sofa.de)117 Das soziale Projekt dient somit der Stärkung der Dorfmitte von Ardey und bietet Mehrwert für alle Generationen. Das Bunte Sofa ist das sogenannte „Herzstück“ des Projektes der Unnaer Kreis- Baugesellschaft mbH: Der Bürgertreff Neue Mitte Ardey. Dieser wurde durch Leader-Fördermittel finanziert bietet Platz für unterschiedliche Angebote. Unterschiedlichste Vorträge, Vorleseevents und Musikabende finden dort statt und bereichern die Dorfmitte.118 Projekte dieser Art zeigen, wie viel Einfluss die Neugestaltung von Dorfzentren hat. Durch neue Knotenpunkte im Ort werden Akivitäten wieder in den Ort integriert und Begegnungsräume, wie in Ardey, geschaffen. Besonders im Hinblick auf die noch im Jahr 2014 stark wachsenden

Handlungsmöglichkeiten


und hinzukommenden Neubaugebiete.119 Das Bunte Sofa schafft einen identitätsstiftenden Ort, besonders durch die Wahl des Cafenamens und das Logo. Ein Sofa suggeriert etwas heimatliches und ist ein Objekt, welches jeder kennt und wozu jeder Dorfbewohner eine Relation hat. Durch solche geschickten Maßnahmen, gelingt es, die Menschen vor Ort zu erreichen und gut genutzte, gemeinschaftliche Räume zu schaffen.

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Fazit Folgende Schlussfolgerungen lassen sich nun aus den bisher gewonnen Erkenntnissen schließen: Die derzeitige Situation vieler Dörfer im ländlichen Raum entwickelt sich in eine wachsende Abhängigkeit der prosperierenden Städte. Viele Dorfstrukturen sind eine Mischung aus historischem Kern, Siedlungsbauten der 50er bis 70er Jahre und Neubaugebieten am Rand. In dieser gebauten Struktur leben Bewohner, von denen einige in andere Städte pendeln und die dortige Dorfgemeinschaft nur passiv leben. Allerdings gibt es auch engagierte, aktive Akteure vor Ort, die sich in Vereinen, Institutionen oder Gremien zusammenfinden und sich für eine gute Zukunft ihres Ortes einsetzten. Dieses Potential der sozialen Nähe der Menschen untereinander und ihren hohen Bereitschaftswillen, hervorgerufen durch die lokale Identität, gilt es für eine gute Entwicklung ländlicher Räume zu nutzen. Durch die verstärkte Digitalisierung vieler Lebensbereiche werden zunehmend Potentiale offengelegt, die dem ländlichen Raum aufgrund der Weitläufigkeit verwährt blieben. Folglich werden Orte abseits der Stadt für viele interessanter, welche den Nachteilen der Stadt entkommen wollen. Die steigenden Mietpreise, soziale Vereinsamung in der städtischen Anonymität und der Verlust von eigenem Freiraum sind solche Gründe. Allerdings sind die persönlichen Gründe vieler genauso unterschiedlich und divers wie die Menschen und ihre Vorstellungen. In vielen Haushalten trifft das klassische Bild der Familie, mit zwei heterogenen Eltern und ihren Kindern, nicht mehr zu. Diese unterschiedlichen Familienmodelle spiegeln sich nicht in der gebauten Praxis wider. Besonders gut zu erkennen ist dies an den vielen Neubaugebieten und ihren Einfamilienhäusern. In diesem Zuge wird es in Zukunft entscheidend sein, wie die derzeitige Dorfgemeinschaft nachhaltig zu stärken ist.

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Das Gespräch mit dem Architekten Christoph Hesse hat gezeigt, dass die Bewohner von Orten das eigene Potential zum Teil zwar kennen, allerdings eine Betrachtung von außen und die darauf folgende Kommunikation der Beobachtung, neue Blickwinkel auf den Ort geben. Der Schlüssel zu einem lebenswerten Umfeld im ländlichen Raum ist die gut funktionierende Gemeinschaft und Nachbarschaft. Diese kann insbesondere durch die identitätsstiftenden Zentren der Dörfer gefördert werden. Da diese derzeit an Stärke verlieren und somit auch an Relevanz für die Bewohner gilt es, diesem eine neue Qualität zu verleihen. Diese Qualität sollte gleichermaßen den Dorfbewohnern, aber auch den Zuzüglern, zugutekommen und somit einer neuen Dorfgemeinschaft dienen. Folglich bietet sich der Dorfkern an, Co-Spaces und weitere digitale Nutzungen anzubieten, aber auch den lokalen Bürgern Raum zu geben. Dieser kann in Form von Regionalläden, Seniorenangeboten und örtlichen Kulturangeboten ausgebildet werden. Elementar ist dabei, dass die Bürger vor Ort, mit ihren Kentnissen und Erfahrungen, in Planungsprozesse eingebunden werden und somit ein hoher Austausch, der verschiedenen Blickwinkel auf die Potentiale des Dorfes, entsteht. Kommunikation ist dabei der Schlüssel zu einer gut funktionierenden Kooperation. Referenzprojekte, wie das Moriyama House zeigen, dass durch gut funktionierende Zwischenräume und einer hohen Dichte, hohe nachbarschaftliche Qualitäten erzeugt werden können.

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Anwendung

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Füchtorf Die im wissenschaftlichen Teil dargestellten Problemstellungen, nutzbaren Potentiale und resultierende Handlungsmöglichkeiten werden nun an einem ausgewählten Dorf dargestellt. Das sich im Münsterland befindende Füchtorf stellt dabei, durch verschiedene Ausgangsvorraussetzungen, ein ideales Beispiel für das Entwicklungspotential ländlicher Orte. Zu Beginn dieses Kapitels werden die Lage im ländlichen Raum sowie die zukünftigen Entwicklungen der Region dargestellt. Darauf aufbauend wird die soziale, wie auch die gebaute Dorfstruktur erörtert. Auf Basis der bereits erarbeiteten Erkenntnisse werden die Situation und die Potentiale Füchtorfs analysiert. Daraus entstehen gewisse Handlungsmöglichketen und letzlich der architektonische Entwurf. Dieser ist als Handlungsvorschlag zu sehen, der sich aus den wissenschaftlichen Grundlagen schließen lässt. Der Entwurf ist auf den Ort zugeschnitten. Die Herangehensweise wie auch die angewendete Strategie sind allerdings auf vergleichbare Orte anwendbar. In ganz Deutschland existieren ebenfalls Orte mit den gleichen Herausforderungen, aber eben auch mit vergleichbaren Potentialen, die erkannt und genutzt werden müssen. Dabei ist es notwendig mit den Dorfbewohnern vor Ort zu sprechen und offen zu kommunizieren. Füchtorf befindet sich genau im Mittelpunkt der Städte Osnabrück, Bielefeld und Münster. Die Entfernung zu jeder Stadt beträgt circa 30km. Durch diese besondere Lage liegt Füchtorf optimal in erreichbarer Nähe von drei Großstädten und bietet somit auch Arbeitsmöglichkeiten in unterschiedlichen urbanen Zonen. Füchtorf ist ein Ortsteil der Stadt Sassenberg und befindet sich im Kreis Warendorf in Nordrhein-Westfalen. Auch Füchtorf wurde im Zuge der großflächigen Gebietsre-

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form, Ende der 60er Jahre, in die Stadt Sassenberg eingegliedert. Die Region ist geprägt durch eine relativ hohe Zersiedlungsrate und einen starken landwirtschaftlich geprägtem Wirtschaftszweig. Die Landwirtschaft ist geschichtlich bedingt, denn Füchtorf war Bauernland. Vor ungefähr 3000 Jahren siedelten, vom Teutoburger Wald kommend, menschen in die Region. Durch die sumpfige Landschaft hatten sie Schutz vor Feinden. Der Name Füchtorf, setzt sich aus alter Schreibweise zusammen, und beschreibt eine Ansiedlung von Höfen zwischen Fichten.120 Besonders der Spargelanbau zeichnet das Dorf aus. Daher gilt Füchtorf auch als „Spargeldorf“. Nach der Thünen-Typisierung, liegt es durch die Lage im Kreis Warendorf in einer eher ländlichen Region Deutschlands mit guter sozioökoomischer Lage. Entsprechende Indikatoren, die diese Kategorisierung bilden, sind unter anderem die Zahl der Ein- und ZweifamiOsnabrück

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lienhäuser, das regionale Bevölkerungspotential und die lan- und forstwirtschaftlich genutzten Flächen. Besonders diese drei Indikatoren sind in der Region um Füchtorf zu verzeichnen.

Kreis Warendorf

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zukünftliche Mobilität Im Rahmen des Kooperationsprojektes „Mobiles Münsterland“ wird das Münsterland zu einem Reallabor. Dabei sind die Ziele dieses Projektes, welches auch vom NRW Verkehrsministerium unterstützt wird, klar definiert. Die Mobilität im ländlichen Raum soll vereinfacht werden. Außerdem geht es um die Sicherung der Daseinsvorsorge, sowie die Steigerung der Lebensqualität auf dem Land. Dafür werden derzeit und in Zukunft unterschiedliche Mobilitätsprojekte ausprobiert. Das Konzept „Mobiles Münsterland“ sieht dabei vor, sich den wandelnden Lebensstrukturen anzupassen und durch Digitalisierung, Problemen wie dem demographischen Wandel entgegenzuwirken. Der ÖPNV spielt in dem Konzept eine große Rolle, ebenso wie individuelle Mobilitätsangebote.121 Der ÖPNV wird dabei mit verschiedenen Zubringersystemen verbunden. Diese Angebote in Form von Bike- und Carsharing, Bürgerbussen, sowie Mitnahmeangeboten, werden in einem Mobilpunkt (MP) gebündelt. Dadurch wird eine Schnittstelle zwischen individuellem und öffentlichem Verkehr geschaffen. „Mobiles Münsterland“ sieht sich als Antreiber, Plattform, Denklabor und eben auch als Reallabor in der Praxis. Teil dieses Reallabors ist auch das Projekt „S-Bahn Münsterland“. Es soll Münster und das Umland besser vernetzen und in einem 30-Minuten-Takt fahren. Dadurch soll der hohe Pendlerverkehr verringert und die Anbindung von Dörfern im Münsterland verbessert werden.122Täglich pendeln über 100.000 Erwerbstätige aus dem Umland nach Münster. Im Gegenzug gibt es nur wenige Auspendler, die wiederum, mit durchschnittlich 34,3 km, die längste Strecke zurückgelegt haben.123Diese Daten aus dem Jahr 2019 zeigen, wie gleichermaßen, Stadt und Land die tägliche Umgebung vieler Menschen ist. Daher ist es auch wichtig beide Regionen zu fördern und lebenswert zu gestalten.

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Eine stärkere Verbindung zu dem städtischen Bezugspunkt Münster, ist für Füchtorf eine Chance, birgt allerdings auch Herausforderungen. Insbesondere die Entwicklung hin zu einer „Schlafstadt“ kann für einen Ort wie Füchtorf negative Folgen haben. Die Dorfgemeinschaft würde dort, durch so eine Entwicklung, besonders leiden. Ein wichtiger Faktor ist daher, dass die Menschen nicht nur aufgrund von billigeren Bodenpreisen oder anderen Konsumgründen in das Umland ziehen. Durch eine schnelle Verbindung vom Umland in die Stadt sind folglich Handlungen notwendig, die einer solchen negativen Entwicklung vorbeugen.

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soziale Dorfstruktur Entscheidend für eine gute Dorfentwicklung und funktionierende Handlungen sind die Menschen vor Ort. Daher sind eine gute Dorfgemeinschaft, ein reges Vereinsleben und engagierte Bürger Grundvorraussetzung. All dies ist in Füchtorf vertreten. Besonders die Vereinsstruktur und ihr Engagement zeichnen die Gemeinschaft dort aus. Die Vereine sind durch die Arbeitsgemeinschaft Füchtorfer Vereine in engem Austausch miteinander. Eine effektive Zusammenarbeit ist so gegeben. Das Motto der Arbeitsgemeinschaft ist „Einigkeit macht stark!“, sodass eben die Kraft in der Gemeinschaft und dem Zusammenhalt liegt. Eine festgelegte Satzung aus dem Jahr 1994 legt unter anderem die Ziele dieser Arbeitsgemeinschaft fest. Ein erklärtes Ziel ist, Organisationen von Veranstaltungen und Projekten zu übernehmen und auch das Vereinsleben zu fördern. Außerdem stehen die Koordination der Vereine wie auch das Stärken der Gemeinschaft im Mittelpunkt. Durch Ansässigkeit im Ort kann man der Arbeitsgemeinschaft beitreten und sich so mit einbringen. Der Vorstand bildet den Kopf der Arbeitsgemeinschaft. Insgesamt zählen circa 30 Vereine unter anderem der Heimatverein Füchtorfs. Dieser wurde durch Einzelpersönlichkeiten 1953 gegründet wurde. Zu der Zeit wurden durch seine Gründung ebenfalls Naturschutzgebiete eingerichtet. Auch heute zeigt sich der Heimatverein aktiv und gestaltet bestimmte Ecken in Füchtorf. Das Heimathaus befindet sich in unmittelbarer nähe zum Ortskern und der Kirche in Füchtorf. Das zugehörige Heimathaus befindet sich in zentraler Lage. Identitätsstiftend sind neben den Vereinen auch sichtbare Elemente im Ort. Eine Flagge, entworfen von dem münsteraner Architekten und Designer Dieter Sieger ist mehrfach im Ort wiederzufinden. Sie stellt unterschiedliche Motive Füchtorfs dar. Landschaftliche, aber auch gebaute Merkmale werden darauf

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in abstrakter Darstellung abgebildet. Durch die Arbeitsgemeinschaft wurde die Umsetzung der Fahne als identitätsschaffendes Element initiiert. Aufgrund des starken Vereinslebens und der daraus entstehenden Dorfgemeinschaft, wurde Füchtorf mehrfach ausgezeichnet. In dem Wettbewerb „Unser Dorf hat Zukunft“ gewann es auf Länderebene die Goldmedallie 2012 und belegte im Bundeswettbewerb den zweiten Platz. Solche Wettbewerbe können motivationsfördernd wirken, denn diese Auszeichnungen belohnen harte Arbeit und ein gutes Engagement.

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Der Tie ist seit Jahrzehnten der Mittelpunkt von Füchtorf. Als altsächsischer Ortsmittelpunkt liegt er im Zentrum des Ortes und hat das Potential eines Dreh und Angelpunktes. Der Vereinsbaum, der die Füchtorfer Vereine repräsentiert, wirkt identitätsstiftend und auch der Tie selber ist häufig Veranstaltungsort von örtlichen Festen. An dem Vereinsbaum ist das aktive Vereinsleben Füchtorf erkennbar und sowohl die Arbeitsgemeinschaft, als auch andere Vereine des Ortes kümmern sich um den Tie.

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gebaute Dorfstruktur Die Bebauung in Füchtorf reicht von historischen Dorfelementen bis hin zu wachsenden Neubaugebieten am Dorfrand. Im Zentrum befindet sich der Tie. Dies ist ein historisch bedingte Bezeichnung, denn schon im Mittelalter existierten sie als Begegnungs und Gerichtsort. Diese Bezeichnung ist vor allem im nordwestdeutschen Raum zu finden. Durch seine geschichtliche Bedeutung für die Allgemeinheit befindet er sich bis heute im Zentrum. An den Tie grenzt eine Kreisstraße, die Füchtorf in nord-süd Richtung durchquert. Von Westen nach Osten laufend kreuzt eine weitere Straße am Tie. Durch diese infrastrukturelle Konstellation, wirkt der Tie bis heute als zentraler Ort. Unweit nördlich gelegen befindet sich die Kirche Füchtorfs. Sportstätten sowie auch die Grundschule befinden sich im Norden. Dort hat unter anderem der SC Füchtorf sein Sportheim und zwei Fußballplätze. In den östlichen und nördlichen Randgebieten Füchtorfs, jenseits der Wohnbebauung, liegen Gewerbeflächen und Produktionsorte. Der größte Produktionsort ist die westfälische Fleischwarenfabrik Stockmeyer und zu den Beschäftigten zählen auch Füchtorfer Bewohner. Ähnlich wie es Henkel beschreibt, ist auch Füchtorf baulich strukturiert. Das Dorf Kirchhusen, welches er beschreibt, ist fiktiv. Es spiegelt allerdings die häufig anzutreffende Dorfsituation in Deutschland wieder. Auch Füchtorf hat einen klar erkennbaren historischen Kern und wird durch mehrheitlich Wohnsiedlungen ab der 50er ergänzt. Die Neubaugebiete sind am Ortsrand wiederzufinden. Im Gegensatz zum historischen Ortskern, reihen sich hier die Ein- und Zweifamilienhäuser aneinander und zeigen somit das altbekannte Bild eines heutigen Dorfes. Die lokale Landwirtschaft wird im großen und ganzen durch Aussiedlerhöfe betrieben. Durch das Dorf verteilt sind zudem unterschiedlichste Kleinbetriebe wie Tischler, Kfz-Mechaniker und Wei-

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tere. Vergleichbar mit dem Ort Kirchhusen, den Gerhard Henkel in seinem Buch beschreibt, ist eben auch Füchtorf in den 60er Jahren eingemeindet worden und besitzt somit auch kein eigenes Rathaus. Dieser Identitätsverlust ist heute kaum spürbar, ist allerdings für viele Gemeinden realität gewesen.Anhand dieser vielen Parallelen des fiktiven mit dem existierenden Ort zeigt sich, dass es diese Entwicklung in vielen Dörfern gegeben hat. Daraus lässt sich schließen, dass die in Füchtorf vorgefundene Situation in anderen Dörfern im ländlichen Raum vorzufinden ist. Gewerbe

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leerstehender Ortskern In direkter Nähe zum Tie befinden sich derzeit leerstehende Bauten, die im ganzen Dorf für Unverständnis und Kopfschütteln sorgen. Vier Gebäude sind dort über ein ganzes Jahrzehnt unbenutzt und werden folglich auch nicht gepflegt. Allerdings haben sie, durch ihre zentrale Lage und baukulturelle Qualität, auch das Potential den Dorfkern wieder lebenswert zu gestalten. Die vier Gebäude unterscheiden sich auch untereinander in Bauweise und Typologie. Der alte Gasthof „Zur Linde“ war ehemals ein gut besuchter Ort und prägt den Ortskern durch seine denkmalgeschützte Fassade. Zur Linde zählt außerdem eine Kegelbahn im hinteren Gebäudeteil.

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Das Gebäude gegenüber am Tie 10 zeichnet sich durch eine Backsteinfassade und einen, zum Zentrum ausgerichteten Balkon, aus. Die Fassaden beider Gebäude sind mit Segmentbogenfenstern ausgestattet. Ebenso leer steht die Scheune gegenüber von der „Linde“. Sie ist sehr nah an der Kreisstraße positioniert und flankiert diese mit dem ehemaligen Pferdestall, welcher an den Gasthof grenzt.

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„Zur Linde“


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Die Strategie Die Kommunikation und ein reger Austausch mit allen Beteiligten ist grundlegend für jeden gelingenden Prozess. Im Falle dieser Thesis wurde ein Ideentreff veranstaltet mit dem Ziel, unterschiedliche Perspektiven und Erfahrungen auszutauschen und voneinander zu lernen. Dieser Austausch in Form eines offenen Diskurses fand am 09.07.2021 statt und zählte circa 23 Teilnehmer. Das Treffen wurde durch eigens erstellte und verteilte Flyer, aber auch durch einen Zeitungsartikel in der Lokalzeitung „Die Glocke“ kommuniziert. Entscheidend dazu beigetragen hat der stellvertretende Bürgermeister Dirk Schöne. Dabei standen insbesondere die Problemstellung des Leerstandes im Fokus. Auch über die infrastrukturelle Situation wurde gesprochen. Ziel war es herauszufinden, welche Nutzungen und Angebote im Dorfkern in Füchtorf fehlen. Diese sollten dann möglichst durch die leerstehenden Gebäude kompensiert werden, sodass der Dorfkern wieder an Attraktivität gewinnt. Die Mehrheit der Beteiligten sind mit dem Dorf eng verbundene Bürger und die meisten haben auch ihren Wohnort in Füchtorf. Aus dem offenen Gespräch kamen Vorschläge und Ideen zur Gründung einer Genossenschaft um den Dorfkern wieder den Bewohnern zu überlassen. Außerdem wurde auch über die Kreisstraße diskutiert, die für Lastkraftwagen und auch andere, zum Teil auch landwirtschaftliche, Vehikel eine wichtige Verbindungsstrecke ist. Allerdings durchschneidet sie die Ortsmitte und bringt somit den Verkehr mitten in den eigentlich attraktiven Ortskern. Dazu kommt das Problem der schlechten Anbindung an den öffentlichen Nahverkehr. Dies ist besonders für Senioren und ältere Bürger eine große Hürde. Eine gute Anbindung ist somit für Orte wie Füchtorf von hoher Relevanz. Aus dem Ideentreff wurde im Zuge dieser Thesis eine

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Strategie entwickelt, welche als Grundsatz die Vernetzung des Dorfkerns vorsieht. Diese Vernetzung unterschiedlicher Funktionen kann zum einen digital sein, aber soll vor allem physisch funktionieren. Die digitale Vernetzung kann mittels eines öffentlichen Kalenders organisiert werden. Dadurch hat jeder einen schnellen Zugriff und Überblick über die verschiedenen Angebote. Insbesondere liegt aber der Fokus auf den Kern als neuen belebten und tagtäglich genutzten Treffpunkt der Menschen. Durch unterschiedlichste Angebote, die in den verschiednen Typologien der Gebäude rund um den Tie unter gebracht werden können, entsteht somit ein aktives, belebtes Zentrum. Dabei werden die bereits bestehenden und funktionierenden Nutzungen mit in die Vernetzung eingebunden. Dazu gehören die Gaststätte am Vereinsbaum, die Apotheke und der Bäcker.

Ideentreff am Tie offener Diskurs mit allen Generationen! Alternativen zu dem Leerstand im Ort sind gefragt! Welche Nutzungen fehlen vor Ort? Welche architektonischen Handlungen kann man vornehmen? Freitag den 09.07.2021 Beginn: 18 Uhr am Tie in Füchtorf

bei Fragen: Bruno Weitkamp

tel. 015750158816

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Haus der Kultur

Apotheke

Gaststätte

Produktion Co-Spaces und Regionalmarkt

Wohnungen

gemeinschaftliches Wohnen

118

Bäckerei


119


120


121


Die Strategie basiert auf einer genossenschaftlichen Handlungsgruppe, die in enger Kommunikation mit Planern, Architekten und der Kommunalpolitik steht. Teil dieser Handlungsgruppe sind engagierte Bewohner vor Ort. Sie bringen sich in Planungsprozesse ein, aber helfen auch aktiv bei der Umsetzung und insbesondere bei der Pflege des vernetzten Dorfkerns. Zusätzlich zu der Genossenschaft ist eine weiter Stärke das Gegenspiel der Nutzungen Einkaufsmöglichkeit, Aufenthalt, Arbeit, Freizeit und eben Wohnen auf dem noch unbebauten Grundstück. Durch nicht nacheinander, sondern zeitgleich entstehende Funktionen wird das Zentrum am Tie nachhaltig belebt und die Gefahr von erneuten Schließungen wird minimiert. Die Vernetzung und somit auch das neue Dorfzentrum lebt im Rahmen dieser Strategie von dem Engagement der Bürger, die sich größtenteils ehrenamtlich einbringen. Neu in den Bestand integierte Nutzungen werden hauptsätzlich von Ortsansässigen betrieben. Die Produktion, beispielsweise in Form einer Brauerei, wird durch Füchtorfer betrieben, die dadurch die bereits bestehende Gaststätte mit eigenem Füchtorfer Bier beliefern. Im Gegenzug bietet die Gaststätte bei Brauereibesuchen Vergünstigungen an. Dies ist nur ein Beispiel, wie die Nutzungen sich gegenseitig unterstützen können. Auch die ehrenamtliche Arbeit im Regionalmarkt kann in anderen Nutzungen Vergünstigungen oder Angebote bewirken. Grundvorraussetzung ist es, die Eigentümerin von dem Konzept zu überzeugen.

122


Leerstand

Architekten und Planer entwickeln

komm

unizie

ren

genossenschaftliche

eren

kommunizi

Kommunalpolitik

Handlungsgruppe architektonische Handlungen

infrastrukturelle bilden

entwickeln

Handlungen

Dorfbewohner

bewirken

nutzen

bewirken

vitaler Dorfkern

123


Produktion Brauerei

Kultur

Verkostung

Events

Wohnen

Kegelbahn Verein

Auftritte

Coworking Public Home Office

Markt Treffpunkt Regionales

124


„Wichtig ist, dass die Dinge miteinander vernetzt sind. Nicht nur im Sinne von Vernetzt sein, sondern wenn es dann noch eben diese Art moralische, ethische, Zwischenmenschliche Art der Verbindung bekommt, ich glaube das ist entscheidend.“ - Christoph Hesse

125


Der Entwurf Ziel des Entwurfes ist es Alternativen an Wohnmöglichkeiten im ländlichen Raum zu schaffen. Dabei ist er nicht als Gegenentwurf zu dem vielfach gebauten Einfamilienhaus zu deuten, sondern als Ansatz neu gedachte und nicht den Normen entsprechende Wohnräume zu schaffen. Der konzeptionelle Ansatz basiert auf den Eindrücken und erarbeiteten Erkenntnissen über das Dorf. Insbesondere die Behutsamkeit prägt den Ansatz des Projektes. Zum einen der behutsame Umgang mit den Menschen vor Ort. Die offene Kommunikation und der Austausch von Meinungen begleiteten dieses Projekt. Außerdem ist der behutsame Umgang mit dem Bestand ein wichtiger Teil. Das drückt sich durch den geringen Eingriff in die Bestandsscheune aus. Statt eines Rückbaus, wird die Scheune durch eine innere Schale aus Holz ergänzt. Auch mit der Baufläche wird behutsam umgegangen. Durch Schraub-Pfahl-Fundamente wird keine weitere Fläche für die neuen Wohnungen versiegelt und der Bau kann schnell verlaufen. Dadurch befinden sich die Neubauten des Ensembles auf einem 40 cm hohen Plateau. Dieses zieht sich auch in die bestehende Scheune hinein und verbindet so die alten und neuen Baukörper miteinander. Insgesamt drückt sich das neue Gebäudeensemble durch eine niedrige aber dichte Struktur aus. Die symetrischen Einheiten innerhalb eines Baukörpers lassen sich zusammenschließen oder abschotten, wodurch eine Vielfalt an Wohnangeboten erzeugt wird. Die einzelnen Einheiten zeichnen sich durch eine geringe Fläche aus. Die Laubengänge, welche die Baukörper an den Längsseiten flankieren, schaffen Schwellenbereiche, öffentlicher und privater Räume. Sie dienen der Kommunikation und erzeugen Vitalität innerhalb des Ensembles. Dabei unterscheiden sich die nach Innen orientireten Laubengänge durch eine zusätzliche Fassadenschicht. Diese er-

126


möglicht eine erweiterung des Wohnraumes zu kälteren Jahreszeiten, kann allerdings auch im Sommer offen genutzt werden. Die Erschließung der Wohnungen verläuft hauptsächlich über die Seite des offenen Laubengangbereiches. Die Wohnungen bieten Platz für unterschielichste Nutzergruppen. Ob es der zurückkehrende Student, Senioren-WGs oder auch die alleinerziehende Mutter ist. Alle können von der gemeinschaftsorientierten Wohnweise profitiren und sich gegenseitig unterstützen. Besonders wenn man an das Wohnen und Leben nach der Coronapandemie denkt, kann dieser Ansatz dem Gemeinwohl dienen.

GSEducationalVersion

127


GSEducationalVersion

128

Schwarzplan

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5

10

20

40

Lageplan

129


1

2

3

2

Die diversen Nutzergruppen schaffen eine ge sunde Heterogenität innerhalb des Gebäudeen sembles. In jedem Baukörper gibt es Platz für Singlewohnungen(1), Doppelwohnungen(2) auf einem Geschoss und Geschosswohnungen(3), die über beide Geschosse laufen und sich erweitern lassen. Durch diese soziale Mischung sind direkt unterschiedliche Nutzergruppen im vernetzten Ortskern vertreten.

GSEducationalVersion

Die Baukörper schaffen verschiedene Zwischenräume, die ihre eigenen Qualitäten haben. Durch das, auf Sitzhöhe, angehobene Plateau entstehen außerdem zwei Zwischenraumsituationen. Die Zwischenräume auf dem Plateau dienen als direkte Kommunikationsflächen zwischen den Wohnungen. Die, auf den Grünflächen entstehenden Zwischenräume werden hauptsächlich zum Anbau und als Aktivitätenplätze genutzt.

Geschoss Doppel Single

GSEducationalVersion

130

Nutzung


GSEducationalVersion

Baukörper

131


Version

A 0.00

+0.40 B

A

2.5

132

5

10

Grundriss


BB

EG

133


A

B

A

2.5

134

5

10

Grundriss


BB

OG

135


136

Zwischenräume


ion ers alV tion uca Ed GS

nalVersion

1.25

2.5

5

Grundriss

137


138

Schnitt


AA

139


ucationalVersion

9.15

6.00

3.20

0.40

1.25

140

2.5

5

Schnitt


BB

141


1.25

2.5

5

1.25

2.5

5

West

ucationalVersion

ucationalVersion

142

Ansicht


Die Scheune wird mittels eines Plateaus und ihrer Position in das Gebäudeensemble integriert. Die erzeugten Räume zwischen den einzelnen Baukörpern bieten Entfaltungsfläche und öffentlichen Raum, der nicht der komerziellen Nutzung dient. Der öffentliche Raum am Tie wird durch einen großzügigen Abstand, der Neubauten zur Scheune, mit in den Regionalmarkt und auch in das Gebäudeensemble selber hineingezogen. Die in Stahlskelettbauweise errichteten neuen Baukörper, heben sich bewusst von der Umgebung ab. Diese Wirkung wird auch durch das Plateau erzeugt, welches als eine leichte Schwelle des öffentlichen Raumes zu verstehen ist. Durch das Satteldach mit versetztem Giebel passt er sich der örtlichen Umgebung in Füchtorf an, erzeugt allerdings trotzdem ein neues Erscheinungsbild. Die Außenwandschotten dienen auch als Kommunikationsfläche und bieten die Qualität für Bekanntmachungen, kleine Austellungen oder einfach als kreative Fläche für die Bewohner. Die skulpturale Treppe bietet unter ihr Platz für Gartengeräte, Möbel oder andere Dinge, die sich die Bewohner teilen.

Nord

143


144


145


146


147


148


149


Quellenverzeichnis 1

Hesse, Christoph aus: selbstgeführtem Interview

2

Alexander, Christopher/Ishikawa, Sara/Silverstein, Murray/ Jacobson, Max/King, Ingrid F./Angel, Shlomo (1995) S.213

150

3

vgl. Sütterlin,Sabine/Slupina,Manuel(2018), S.36-37

4

Bätzing, Werner (2020) S. 16

5

ebd.

6

vgl. ebd.

7

Bätzing, Werner (2020) S.219

8

vgl. Küpper, Patrick (2016)

9

vgl. ebd. (2016) S.3

10

vgl. ebd. (2016) S.4

11

vgl. ebd. (2016) S.3-23.

12

vgl. Küpper, Patrick, bpb stand:29.05.21

13

ebd.

14

vgl. Henkel, Gerhard (2020)

15

vgl. ebd. (2020) S.341

16

vgl. ebd. (2020) S.219

17

vgl. ebd. (2020) S.212.

18

vgl. ebd. (2020) S.14-32

19

vgl. Bergmann, Lukas wdr stand:15.06.21

20

vgl. Pehnt, Wolfgang (2006) S.48-49

21

vgl. Pehnt, Wolfgang (2006) S.38

22

vgl.Bätzing, Wolfgang (2020) S.191-197

23

vgl. ebd. (2020) S.195

24

vgl. ebd. (2020) S.179

25

vgl. ebd. (2020) S.177-178

26

vgl. Dettling, Daniel ggdigital stand:17.07.21

27

ebd.

28

vgl. Erhardt, Christian kommunal stand:08.08.21

29

vgl. Umweltbundesamt stand:05.06.21

30

ebd.

31

vgl. architects4future (stand: 07.07.21)

32

Kammerbauer, Mark baumeister stand:06.07.21

33

ebd.

34

vgl. Koch, Stefanie (2012)S.27


35

vgl. Koch, Stefanie (2012) S.28

36

vgl. Koch,Stefanie (2012) S.29

37

vgl. Bätzing, Werner (2020) S.207-208

38

vgl. Burke, Mathias/Harmel,Eleonore/Jank,Leon/Kerkhoff,Sa

39

vgl. Burke, Mathias/Harmel,Eleonore/Jank,Leon/Kerkhoff,Sa

40

vgl. Dähner,Susanne/Reibstein,Lena/Amberger,Julia/Sütter

41

Burke, Mathias/Harmel,Eleonore/Jank,Leon/Kerkhoff,Sa

42

Hesse, Christoph: aus selbstgeführtem Interview

43

vgl. Maak, Niklas (2018) S.64

44

vgl. WDR: Wie Nachbarschaft funktionieren kann,15:00-16:00

beth (2019) S.88

beth (2019) S.82

lin,Sabine/Slupina,Manuel/Hinz,Catherina (2019) S.7

beth (2019) S.116

45

Koch,Stefanie (2012)S.31

46

vgl. ebd. S.32

47

Maak,Niklas (2018) S17

48

Statistisches Bundesamt (2021)

49

vgl. Oberst,Christian/Voigtländer,Michael(2021)S.43

50

vgl. Wiedemeyer, Patricia zdf stand: 19.07.21

51

vgl. Bartoschek, Dominik swr stand: 19.07.21

52

vgl. Umweltbundesamt stand:19.07.21

53

vgl. Maak,Niklas (2018) S.69

54

vgl. town and country stand: 19.07.21

55

Hesse, Christoph aus selbstgeführtem Interview

56

vgl. Nagel, Reiner (Hrsg.) Baukulturbericht 16/17 S.48

57

vgl. ebd. S.39

58

vgl. Henkel, Gerhard (2020) S.224

59

vgl. Nagel, Reiner (Hrsg.) Baukulturbericht 16/17 S.69

60

vgl. Juppien,Angelika/Zemp,Richard (2019) S.6-7

61

vgl. Häussermann, Hartmut bpb stand: 01.07.21

62

vgl. Schwarzak,Marco/Behnisch,Martin/Meinel,Gotthard(2014)

63

vgl. Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft

S.214

(2020) S.33

151


64

vgl. Nagel, Reiner (Hrsg.) Baukulturbericht 16/17 S.61

65

vgl. Dähner,Susanne/Reibstein,Lena/Amberger,Julia/Sütter

66

Netzwerk Zukunftsorte stand: 14.06.21

lin,Sabine/Slupina,Manuel/Hinz,Catherina (2019) S.6-8

67

vgl. Bähr,Ulrich/Biemann,Juli/Lietzau,Jule/Hentschel, Philipp(2020) S.8

68

vgl. ebd. S.16

69

vgl.Schmied, Alexandra zukunft der arbeit, stand: 14.06.21

70

vgl. Eurostat, stand: 14.06.21

71

vgl. Landatlas, stand: 11.06.21

72

vgl. Tönnies, Ferdinand (2012) S.12

73

vgl. Henkel, Gerhard (2020) S.150

74

vgl. ebd. S.152

75

vgl. Nagel, Reiner (Hrsg.) Baukulturbericht 16/17 S.55

76

vgl. Pfeffer-Hoffmann,Christian (2011) S.13-14

77

ebd.

78

vgl. Bätzing, Werner (2020) S.233

79

vgl.Arge Landentwicklung (2016) S:14-15

80

vgl. Siebel,Walter/Dreiwes,Marvin(Hrsg.) stand: 09.07.21

81

vgl. Alexander, Christopher/Ishikawa, Sara/Silverstein, Murray/ Jacobson, Max/King, Ingrid F./Angel, Shlomo (1995) S.212-213

82

vgl. Nagel, Reiner (Hrsg.) Baukulturbericht 16/17 S.62

83

vgl. Peter,Theo/Gunßer,Christoph(2010) S.11

84

vgl. Burke, Mathias/Harmel,Eleonore/Jank,Leon/Kerkhoff,Sa beth (2019) S.110

152

85

vgl. Bürgerinitiative Maikottenweg stand: 13.06.21

86

vgl. Friedrich-Ebert-Stiftung (2009) S.10

87

Hesse,Christoph aus: selbstgeführtem Interview

88

vgl. Nagel, Reiner (Hrsg.) Baukulturbericht 16/17 S.50-52

89

vgl. umwelt.nrw: Leader, stand: 23.07

90

vgl. Nagel, Reiner (Hrsg.) Baukulturbericht 16/17 S.24

91

vgl. nonconform: eine Reise in die Zukunft, stand: 09.07.21

92

Hesse, Christoph aus: selbstgeführtem Interview

93

vgl.. Stangl,Werner stand:08.08.21

94

vgl. Nagel, Reiner (Hrsg.) Baukulturbericht 16/17 S.116


95

vgl. Frick,Hans-Jörg/Hokkeler,Michael (2008) S.19-20

96

vgl. Schmettow,Petra/Isermann,Dagmar (2016) S.7

97

vgl. Baumann,Oliver/Dörner,Jördis/Mieves, Kirsten

98

vgl. Rüther,Christian: Konsent stand:24.07.21

99

vgl. Burke, Mathias/Harmel,Eleonore/Jank,Leon/Kerkhoff,Sa

100

vgl. Müther,Anna-Maria (2015)

101

vgl. Peter,Theo/Gunßer,Christoph(2010) S.21

102

ebd.

103

vgl. Theurl,Theresa: Genossenschaften und Wohneigentum

104

Dömer,Klaus/Drexler,Hans/Schultz-Granberg,Joachim(2017)

105

Maak,Niklas (2018) S.184

106

vgl. Peter,Theo/Gunßer,Christoph(2010) S.8

107

vgl. Maak,Niklas (2018) S.176-177

108

vgl. ebd. S.188-190

109

ebd.

stand:24.07.21

beth (2019) S.112 S.17

stand:26.07.21

S.39-40

110

vgl.Arge Landentwicklung (2016) S:12

111

vgl. ebd. S.30

112

vgl.Nagel,Reiner(2019) S. 112

113

vgl. Henkel, Gerhard (2020) S.267

114

vgl. recht.nrw.de stand:08.08.21

115

vgl.Nagel,Reiner(2019) S. 91

116

vgl. Nagel, Reiner (Hrsg.) Baukulturbericht 16/17 S.82-83

117

vgl. Buntes Sofa stand: 05.08.21

118

vgl.Arge Landentwicklung (2016) S:67

119

vgl.Soester Anzeige(2014), stand:08.08.21

120

vgl. Heimatverein, stand:12.08.21

121

vgl. Mobiles Münsterland, stand:04.08.21

122

vgl. Hölscher, Thomas:Alles Münster, stand: 05.08.21

123

vgl. Landesbetrieb IT.nrw, stand:06.08.21

153


Literaturverzeichnis Alexander, Christopher/Ishikawa, Sara/Silverstein, Murray/ Jacobson, Max/King, Ingrid F./Angel, Shlomo (1995) Eine Mustersprache: Städte-Gebäude-Konstruktion, Wien:Löcker VerlagGesmbH

Bähr,Ulrich/Biemann,Juli/Lietzau,Jule/Hentschel,Philipp (2020) Coworking im ländlichen Raum:Menschen-Modelle-Trends, Gütersloh: Bertelsmann Stiftung

Bätzing, Werner (2020) Das Landleben: Geschichte und Zukunft einer gefährdeten Lebensform, München: C.H.Beck

Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (2020) Ländliche Regionen verstehen: Fakten und Hintergründe zum Leben und Arbeiten in ländlichen Regionen, Berlin:BMEL

Burke, Mathias/Harmel,Eleonore/Jank,Leon/Kerkhoff,Sa beth (2019) Ländlicher Verheissung: Arbeits- und Lebensprojekte rund um Berlin, Berlin: Ruby Press

Dähner,Susanne/Reibstein,Lena/Amberger,Julia/Sütter lin,Sabine/Slupina,Manuel/Hinz,Catherina (2019) Digital aufs Land: Wie kreative Menschen das Leben in Dörfern und Kleinstädten neu gestalten, Berlin-Institut für Bevölkerung und Entwicklung/ Wüstenrot-Stiftung

Dömer,Klaus/Drexler,Hans/Schultz-Granberg,Joachim(2017) Bezahlbar gut wohnen: Strategien für erschwinglichen Wohnraum, Berlin: Jovis Verlag

Frick,Hans-Jörg/Hokkeler,Michael (2008) Interkommunale Zusammenarbeit-Handreichung für die Kommunalpolitik, Bonn: Friedrich-Ebert Stiftung/ Kommunal Akademie

Friedrich-Ebert-Stiftung (2009) Kommunalpolitik verstehen-Für junges Politikverständnis, Berlin:Forum Politik und Gesellschaft

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Henkel, Gerhard (2020) Das Dorf: Landleben in Deutschland gestern und heute, Darmstadt: WBG

Juppien,Angelika/Zemp,Richard (2019) Vokabular des Zwischenraums: Gestaltungsmögichkeiten von Rückzug und Interaktion in dichten Wohngebieten, Zürich: IAR/CCTP

Koch,Stefanie (2012) Nachhaltige Dorfentwicklung: Zukunft-Identität-Tradition in nordhessischen Dörfern, Kassel

Küpper, Patrick (2016) Thünen Working Paper 68: Abgrenzung und Typisierung ländlicher Räume, Braunschweig: Johann Heinrich von Thünen-Institut

Maak, Niklas (2018) Wohnkomplex: Warum wir andere Häuser brauchen, München: Carl Hanser Verlag

Müther,Anna-Maria (2015) Neues Wohnen-Gemeinschaftliche Wohnformen bei Genossenschaften, Bonn: Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung

Nagel, Reiner (Hrsg.) Baukulturbericht 16/17: Stadt und Land, Potsdam: Bundesstiftung Baukultur

Nagel,Reiner (2019) Besser bauen in der Mitte: Ein Handbuch zur Innenentwicklung, Potsdam: Bundesstiftung Baukultur

Oberst,Christian/Voigtländer,Michael(2021)IW-Gutachten:Haus oder WOhnung? Stadt oder Land?, Köln: Institut der deutschen Wirtschaft

Pehnt, Wolfgang (2006) Deutsche Architektur seit 1900, Ludwigsburg: Wüstenrot Stiftung

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Peter,Theo/Gunßer,Christoph (2010) Miteinander bauen, München: Deutsche Verlags-Anstalt

Pfeffer-Hoffmann, Christian (Hrsg.)/Hendricks, Wilfried (Hrsg) (2011) Generationenübergreifende Entwicklung gesellschaftlicher Perspektiven in der Niederlausitz. Ergebnisse des Projektes Anstoß, Freiburg: Centaurus Sütterlin,Sabine/Slupina,Manuel(2018) Land mit Zukunft:Neue Ideen vom runden Tisch, Berlin: Berlin-Institut für Bevölkerung und Entwicklung

Schmettow,Petra/Isermann,Dagmar (2016) (Neu)Land gestalten, Methoden und Praxisbeispiele für Bürgerbeteiligung in kleinen Städten und Gemeinden, Stuttgart: Initiative Allianz für Beteiligung e.V.

Schwarzak, Marco; Behnisch, Martin; Meinel, Gotthard(2014): Zersiedelung in Deutschland – erste Ergebnisse nach Schweizer Messkonzept. In: Gotthard Meinel, Ulrich Schumacher, Martin Behnisch (Hrsg.): Flächennutzungs-monitoring VI. Innenentwicklung – Prognose – Daten-schutz. Berlin: Rhombos-Verlag, 2014, (IÖR-Schriften; 65),

Tönnies, Ferdinand (2012) Studien zur Gemeinschaft und Gesellschaft, Wiesbaden: Springer VS

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Einzelnachweise Architects4Future: Über uns, https://www.architects4future.de/uber-uns, stand: 07.07.21

Arge Landentwicklung (2016) Strategiepapier soziale Dorfentwicklung, Schriftreihe Heft 27, Magdeburg: Bund-Länder-Arbeitsgemeinschaft Nachhaltige Landentwicklung

Bartoschek, Dominik: Diskussion um Wohnungsnot-Verbraucht ein Einfamilienhaus zu viel Wohnraum?, https://www.swr.de/swraktuell/gruene-einfamilienhaus-hofreiter-wohnraum-fakten-100.html, stand: 19.07.21 (SWR, 15.2.2021)

Baumann,Oliver/Dörner,Jördis/Mieves, Kirsten: Gemeinsam arbeiten – gemeinsam mehr wissen? https://www.bpb.de/lernen/digitale-bildung/werkstatt/210491/gemeinsam-arbeiten-gemeinsam-mehr-wissen stand:24.07.21 (Bundeszentrale für politische Bildung,03.08.2015)

Bergmann, Lukas: Urbanisierung in Deutschland, https://www.planet-wissen.de/gesellschaft/wirtschaft/industrialisierung_in_deutschland/industrialisierung-deutschland-urbanisierung-100.html, stand:15.06.21 (WDR Planet Wissen, 18.03.2020)

Buntes Sofa, https://www.buntes-sofa.de/, stand: 05.08.21

Bürgerinitiative Maikottenweg: Stadtteilentwicklung mit Augenmaß!, https:// bi-maikottenweg.de/, stand: 13.06.21

Dettling, Daniel: Corona verstärkt die Landlust, https://gg-digital. de/2020/11/einwurf/index.html, stand:17.07.21 (ggdigital, 11.2020)

Erhardt, Christian: Massenflucht aufs Dorf?, https://kommunal.de/massenflucht-aufs-dorf, stand:08.08.21 (Kommunal, 10.02.2020)

Eurostat: Haushalte - Internet-Zugangsdichte, https://ec.europa.eu/eurostat/databrowser/view/ISOC_CI_IN_H__custom_532361/bookmark/

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table?lang=de&bookmarkId=c42dd45e-48d4-470b-bfe6-45c0b35908ec, stand: 14.06.21 (Eurostat Databrowser, Januar 2021)

Häussermann, Hartmut: Die fordistische Stadt, https://www.bpb.de/politik/ grundfragen/deutsche-verhaeltnisse-eine-sozialkunde/138639/die-fordistische-stadt, stand: 01.07.21 (Bundeszentrale für politische Bildung, 31.5.2012)

Heimatverein Füchtorf: Chronologie, http://www.heimatverein-fuechtorf. de/de/fuechtorf/chronologie/, stand: 14.07.21 Hölscher, Thomas:Alles Münster, https://www.allesmuenster.de/s-bahnmuensterland-fuer-zukunftsfaehige-mobilitaet/vom: 02.12.19, stand: 05.08.21

Kammerbauer, Mark: “Die Renaissnce der Stadt neigt sich dem Ende zu!”, https://www.baumeister.de/interview-uli-hellweg/, stand:06.07.21 (Baumeister, 19.01.2021)

Küpper, Patrick: Was sind eigentlich ländliche Räume?, https://www.bpb.de/ izpb/laendliche-raeume-343/312687/was-sind-eigentlich-laendliche-raeume, stand:29.05.21 (Bundeszentrale für politishe Bildung, 10.7.2020)

Landatlas: Breitbandversorgung der Haushalte, https://www.landatlas.de/ versorgung/breitband.html, stand: 11.06.21 (Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft, 2016)

Landesbetrieb IT.nrw, https://www.it.nrw/pendlerstatistik-nrw-48-millionen-erwerbstaetige-pendeln-zur-arbeit-eine-andere-gemeinde-101287 stand:06.08.21

159


Mobiles Münsterland: EIN REALLABOR FÜR MOBILITÄT IM LÄNDLICHEN RAUM, https://www.muensterland.com/wirtschaft/service/projekte/mobilitaet/, stand:04.08.21

Netzwerk Zukunftsorte: Selbstdefinition, https://zukunftsorte.land/selbstdefinition, stand: 14.06.21

nonconform: eine Reise in die Zukunft, https://www.nonconform.at/reisein-die-zukunft/, stand: 09.07.21

recht.nrw.de: Gesetz- und Verordnungsblatt Nr.48, https://recht.nrw.de/lmi/ owa/br_vbl_detail_text?anw_nr=6&vd_id=19609&sg=0, stand:08.08.21 (Ministerium des Inneren des Landes Nordrhein-Westfalen, 1.7.2021)

Rüther,Christian: Konsent, https://www.soziokratie.org/elemente/konsent/ stand:24.07.21

Schmied, Alexandra: Coworking Spaces im ländlichen Raum, https://www. zukunftderarbeit.de/2020/11/19/coworking-spaces-im-laendlichen-raum/ , stand: 14.06.21 (Bertelsmann Stiftung:Zukunft der Arbeit, 19.11.2020)

Siebel,Walter/Dreiwes,Marvin(Hrsg.): Schwerpunktbeitrag: Nachbarschaft, https://philosophie-indebate.de/3038/schwerpunktbeitrag-nachbarschaft/ stand: 09.07.21, (Philosophie inDebate, 27. Februar . Stichwort: ‚Common Ground – Grounding – Online Lexikon für Psychologie und Pädagogik‘. Online Lexikon für Psychologie und Pädagogik. WWW: https://lexikon.stangl. eu/15854/common-ground-grounding stand. 08.08.21

Soester Anzeige: Bauboom am Ardey in Soest reißt nicht ab: Neuer Rekord https://www.soester-anzeiger.de/lokales/soest/bauboom-ardey-soestreisst-nicht-neuer-rekord-3296935.html, stand:08.08.21

Theurl,Theresa: Genossenschaften und Wohneigentum, https://www.bpb. de/apuz/316460/genossenschaften-und-wohneigentum stand:26.07.21 (Bundeszentrale für politische Bildung,02.10.2020)

160


Town and Country: Das sichere Massivhaus, https://www.hausausstellung. de/, stand: 19.07.21

Umweltbundesamt: Flächensparen – Böden und Landschaften erhalten https://www.umweltbundesamt.de/themen/boden-landwirtschaft/ flaechensparen-boeden-landschaften-erhalten#flachenverbrauch-indeutschland-und-strategien-zum-flachensparen, stand:05.06.21 (Umweltbundesamt, 24.02.2020)

umwelt.nrw: Leader, https://www.umwelt.nrw.de/landwirtschaft/laendliche-raeume/strukturentwicklung/leader, stand: 23.07 (Ministerium für Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz des Landes Nordrhein-Westfalen)

WDR: Wie Nachbarschaft funktionieren kann, https://www.planet-wissen. de/video-wie-nachbarschaft-funktionieren-kann-100.html, stand: 08.08.21 (WDR,Planet Wissen, 04.06.2019)

Wiedemeyer, Patricia: Kommentar zur Einfamilienhaus-Debatte -Die Grünen und das Eigenheim, https://www.zdf.de/nachrichten/politik/ gruene-einfamilienhaus-hofreiter-kommentar-100.html, stand: 19.07.21 (ZDF, 16.02.2021)

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Abbildungsverzeichnis S.17

Grafik erstellt nach: Küpper, Patrick (2016) Thünen Working Paper 68: Abgrenzung und Typisierung ländlicher Räume, Braunschweig: Johann Heinrich von Thünen-Institut, S.4

S.18

Grafik erstellt nach: Küpper, Patrick (2016) Thünen Working Paper 68: Abgrenzung und Typisierung ländlicher Räume, Braunschweig: Johann Heinrich von Thünen-Institut, S.26

S.21

Grafik erstellt nach: Henkel, Gerhard (2020) Das Dorf: Lan dleben in Deutschland gestern und heute, Darmstadt: WBG, S.219

S.22

Kunsthandel Henneken: Peter August Böckstiegel, https:// www.google.com/url?sa=i&url=https%3A%2F%2Fwww kunsthandel-henneken.de%2FBoeckstiegel-8&psig=AOvVaw 3mv1BogUe-RZOqJGELLori&ust=1628586680814000&sour ce=images&cd=vfe&ved=0CAgQjRxqFwoTCOjaqqnMo_IC FQAAAAAdAAAAABAJ, stand: 08.08.21

S.24

Millet, Die Ährenleserinnen http://www.zeno.org/Bild post karten/M/Stengel+Gem%C3%A4lderepros/Paris,+Louvre/ Millet,+Die+%C3%84hrenleserinnen, stand: 05.08.21

S.25

https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Garden_City_Con cept_by_Howard.jpg, stand: 07.08.21

S.27

https://amp.ksta.de/image/37907034/max/1920/1080/41884 2cf3d1293a2153b5c69b20aaff7/jd/windpark-koenigshoven. jpg, stand: 09.08.21

S.29

Grafik Flächenverbrauch, Umweltbundesamt: Werte aus Sta tistisches Bundesamt 2021, https://www.umweltbundesamt. de/themen/boden-landwirtschaft/flaechensparen-boedenlandschaften-erhalten#flachenverbrauch-in-deutschlandund-strategien-zum-flachensparen, stand: 03.08.21

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S.31

Foto: Lia Reimann, Demonstration A4F 2021

S.34

schreiben.net, https://www.google.com/ url?sa=i&url=https%3A%2F%2Fwww.schreiben.

net%2Fartikel%2Ffamilie-sprueche-1931%2F&psig=AOv Vaw0XZnhojyTIo1AkIwtEuEJe&ust=1628585814225000&sour ce=images&cd=vfe&ved=0CAgQjRxqFwoTCOCEi4rJo_IC FQAAAAAdAAAAABAU, stand: 05.08.21

S.35

Kreativorte Brandenburg, https://www.kreativorte-branden burg.de/mitmachen/ stand: 08.08.21

S.37

Christoph Hesse, Unterholz, https://www.christophhesse.eu/ portfolio/unterholz-2/ stand: 05.07.21

S.42

Horizont: Schwäbisch Hall feiert seine Heimatexper

ten, https://www.google.com/url?sa=i&url=https%3A%2F%2Fwww. horizont.net%2Fagenturen%2Fnachrichten%2FOgilvy-FrankfurtSchwaebisch-Hall-feiert-seine-Heimatexperten-164469&psig=AOvVaw0VFTEfNJEaVZ9o6Lc3hC0c&ust=1628591493316000&source=images&cd=vfe&ved=0CAgQjRxqFwoTCJCL253eo_ICFQAAAAAdAAAAABAD, stand: 07.07.21

S.45

Tagesspiegel:Flächenverbrauch, Klimabilanz, Anbindung

https://www.google.com/url?sa=i&url=https%3A%2F%2Fwww.tagesspiegel.de%2Fpolitik%2Fflaechenverbrauch-klimabilanz-anbindungdas-einfamilienhaus-im-faktencheck%2F26918402.html&psig=AOvVaw0oP0T3O0EGEUq4ZhWlh-PO&ust=1628608232227000&source=images&cd=vfe&ved=0CAgQjRxqFwoTCPjU-MycpPICFQAAAAAdAAAAABA-, stand: 08.08.21

S.47

Grafik erstellt nach: Henkel, Gerhard (2020) Das Dorf: Lan dleben in Deutschland gestern und heute, Darmstadt:

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WBG,S.265

S.51

Coworking in ländlichen Räume-Sachsen, https://www.

google.com/url?sa=i&url=https%3A%2F%2Fwww.laendlicher-raum. sachsen.de%2Fcoworking-in-landlichen-raumen-am-07-und-08-112019-in-thallwitz-7407.html&psig=AOvVaw2rLFfQwr3xJUHNIXUaI_1I&ust=1628591861378000&source=images&cd=vfe&ved=0CAgQjRxqFwoTCJj17dLfo_ICFQAAAAAdAAAAABAb, stand: 20.07.21

S.54

Westfälische Nachrichten: Schützenfest in Füch-

torf https://www.google.com/url?sa=i&url=https%3A%2F%2Fwww. wn.de%2Fgalleries%2F923356%2Fschutzenfest-fuchtorf&psig=AOvVaw1vEx3M4IFUOnd1FWTmCXQR&ust=1628611777926000&source=images&cd=vfe&ved=0CAgQjRxqFwoTCJD43O-ppPICFQAAAAAdAAAAABAm, stand:09.08.21

S.68

The Property Post-Ein Dorf für alle in Pressbaum,

https://www.google.com/url?sa=i&url=https%3A%2F%2Fwww. the-property-post.de%2Fgastbeitraege%2Fbest-practice%2Feindorf-fuer-alle-pressbaum&psig=AOvVaw008ZEYIN1Pn0NzPoWEE3q&ust=1628600726374000&source=images&cd=vfe&ved=0CAgQjRxqFwoTCJiBuNOApPICFQAAAAAdAAAAABAD, stand:09.08.21

S:70

Wandelwoche-Wohn und Gemeinschaftsprojek-

te https://www.google.com/url?sa=i&url=https%3A%2F%2Fbbb. wandelwoche.org%2Fwohn-und-gemeinschaftsprojekte-neuigkeiten-aus-brandenburg%2F&psig=AOvVaw0sBzAgaXeeJP34MLwhmAwF&ust=1628595356917000&source=images&cd=vfe&ved=0CAgQjRxqFwoTCKjM8NPso_ICFQAAAAAdAAAAABAf, stand:09.08.21

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S.70

Wandelwoche: Ökolea, https://bbb.wandelwoche.org/veran-

staltung/besuch-der-kommune-oekolea/, stand: 10.08.21

S.73

Archidaily: Kalkbreite, https://www.google.com/

url?sa=i&url=https%3A%2F%2Fwww.archdaily.com%2F903384%2Fkalkbreite-muller-sigrist-architekten&psig=AOvVaw3ViGgpEdJYZ9vJDlWPf Nq5&ust=1628673341089000&source=images&cd=vfe&ved=0CAgQjRxqFwoTCIDK0pKPpvICFQAAAAAdAAAAABAD, stand: 10.08.21

S.74

Quartier Vauban, Freiburg https://www.google.

com/url?sa=i&url=https%3A%2F%2Fen.wikipedia.org%2Fwiki%2FVauban%2C_Freiburg&psig=AOvVaw2R0r-02pvYw1zo0FxnEOe7&ust=1628625139492000&source=images&cd=vfe&ved=0CAgQjRxqFwoTCPjE6srbpPICFQAAAAAdAAAAABAD, stand: 09.09.21

S.76

When in Tokyo-Moriyama House ,https://www.

google.com/url?sa=i&url=https%3A%2F%2Fwhenin.tokyo%2FMoriyama-House-Kamata&psig=AOvVaw0WpPdXiYlw3G08-214sP9S&ust=1628597737902000&source=images&cd=vfe&ved=0CAgQjRxqFwoTCMCBmMH1o_ICFQAAAAAdAAAAABAm, stand:05.08.21

S.77

NZZ-Gemeinnutz geht vor Eigennutz, https://www.google.

com/url?sa=i&url=https%3A%2F%2Fwww.nzz.ch%2Ffeuilleton%2Fkollektive-wohnformen-gemeinnutz-geht-vor-eigennutz-ld.1300696&psig=AOvVaw0WpPdXiYlw3G08-214sP9S&ust=1628597737902000&source=images&cd=vfe&ved=0CAgQjRxqFwoTCMCBmMH1o_ICFQAAAAAdAAAAABAg, stand:04.08.21

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S.79

ATP Architekten Ingenieure-Limmatwest https://www.

google.com/url?sa=i&url=https%3A%2F%2Fwww.atp.ag%2FIntegralnoprojektiranje%2Fprojekti%2Fapi%3Fno_cache%3D1%26tx_transporteratpprojects_projectviewer%255Baction%255D%3Dshow%26tx_transporteratpprojects_projectviewer%255BL%255D%3D3%26tx_transporteratpprojects_projectviewer%255Bproject%255D%3D426%26type%3D99992%26cHash%3D2df7902528e6c35775e80ab20bdb2f94&psig=AOvVaw0pd0Sg4w5DCRWGQyq12zTA&u st=1628599110589000&source=images&cd=vfe&ved=0CAgQjRxqFwoTCNDDxc76o_ICFQAAAAAdAAAAABAJ, stand:03.08.21

S.81

Netzwerk Südbaden-Stadtplaner Peter Haimerl in Freiburg zu Gast

https://www.google.com/url?sa=i&url=https%3A%2F%2Fwww. netzwerk-suedbaden.de%2Fstadtplaner-peter-haimerl-in-freiburg-zu-gast%2F&psig=AOvVaw02SQ4i2Uox-OgEXtfyBoQp&ust=1628598852033000&source=images&cd=vfe&ved=0CAgQjRxqFwoTCIiXqdT5o_ICFQAAAAAdAAAAABAV, stand: 26.07.21

S.83

Lokalkompass:Gemeinsam mit Abstand, https://www.

google.com/url?sa=i&url=https%3A%2F%2Fwww.lokalkompass. de%2Ffroendenberg%2Fc-kultur%2Fdorfcaf-buntes-sofa-oeffnetwieder-seine-tueren_a1591907&psig=AOvVaw1o2_gjLxVPcyae0KNHZhz&ust=1628676393334000&source=images&cd=vfe&ved=0CAgQjRxqFwoTCPiQ5cCapvICFQAAAAAdAAAAABAQ stand: 10.08.21

Alle Abbildungen die in diesem Verzeichnis nicht aufgeführt werden, wurden eigenhändig erstellt. Sämtliche Bildrechte verbleiben bei den Verfassern.

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Redaktion Sassenberg: Michèle Waßmann (-mi-) Tel: 0 25 81 / 93 48 72 Fax: 0 25 81 / 93 48 79 E-Mail: redaktion.war@wn.de wn.de

Student Bruno Weitkamp sieht viel Potenzial

Laura Brinkmann. Mit dieser Meinung stand sie nicht alleine da. Das Gebrasa-Blasorchester stellte für das ausgefallene Schützenfestwochenende ein

Dennoch liegt der Ortskern am „Tie“ brach. Die Gebäude stehen teilweise seit mehreren Jahren leer und vermodern. Im Rahmen seiner Bachelorarbeit möchte Bruno Weitkamp einen theoretischen Ansatz geben, um genau diesen zentralen Platz architektonisch aufzuwerten und wieder mit Leben zu füllen. „Was maße ich mir eigentlich an, am Schreibtisch Ideen zu entwickeln?“, meinte der 22-Jährige und suchte daher Füchtorf auf. Durch Zufall geriet er direkt an CDU-Politiker

-rele- Füchtorf. Genau zwi- Dirk Schöne, der ihm half schen Osnabrück, Bielefeld eine offene Gesprächsrunde und Münster sitzt das Spar- zu organisieren. Die Füchgeldorf Füchtorf. Für Arbeit- torfer waren dazu eingelanehmer somit der ideale den, mit dem ArchitekturPunkt zum Pendeln. Gleich- studenten ins Gespräch zu zeitig ein sehr aktives Ver- kommen und ihm Ideen und einsleben, was dazu einlädt, Anregungen mit auf den sich in der Gemeinschaft zu Weg zu geben. Die rund 20 engagieren und dafür sorgt, Anwohner nutzten aber dass man schnell im Dorf in- auch die Chance, um sich ettegriert ist. was Luft zu machen. Denn gerade das alte Gasthaus »Ich kenne die „Zur Linde“ verwildert immer mehr. Mehrere Linde noch offen. Ansätze verfolgten die Das jetzt so zu Füchtorfer bereits, scheisehen. Da blutet terten aber immer an der Besitzerin. „Ob die wohl das Herz.« neben so etwas wohnen Sandra Niemerg möchte?“ war die große Frage. Weitkamp bezieht nicht nur das ehemalige Gasthaus in seine Überlegungen ein, sondern auch die gegenüberliegende Scheune und das Gebäude am Tie 10. Während er sich Gedanken über ein Co-Working-Space gemacht hat, winken da die Anwohner ab. „Ich glaube das wäre nichts für Füchtorf“, meint Denise Freiwald. Bezahlbaren Wohnraum fänd sie insbesondere wichtig. „Es gibt unglaublich viele Einfamilienhäuser und große Wohnungen. Aber nichts für Singles

Mitten in der Corona Pandemie übernahm er den Taktstock beim Orchester. Simon Meats, seines Zeichens selber Posaunist.

und Studenten“, so Freiwald. Die Studentin möchte, ähnlich wie viele Altergenossen, im Dorf leben bleiben. „Ich finde das wundervoll. Leider denken viele einfach, dass es immer so war und man nichts machen muss“, bedauert die 23-Jährige. Was

die junge Generation besonders vermisst, ist ein Biergarten, denn um was zu unternehmen, müsse immer jemand fahren. Etwas, was auch Sandra Niemerg versteht. „Ich kenne die Linde noch offen. Gerade Karneval war da was los. Das

Den Füchtorfer Ortskern aufwerten

Dreizehn Werke präsentierte das Orchester insgesamt. Größtenteils die Lieblingsstücke aus den letzten Jahren. „Wir sind sehr ausgeglichen besetzt und konn-

eie Plätze im Baby-Kursus

Foto: Musikschule

Auch Lotta macht gerne Musik. fen und vertieft werden können. Eingesetzt werden kindgerechte Materialien wie Klanghölzer oder Rasseln. Die Kurse finden im Musikschulraum der Johannesschule statt. Im Babykurs freitags um 9.50 Uhr gibt es noch freie Plätze. Der Kurs findet einmal wöchentlich für 45 Minuten statt. Die Unterrichtsgebühr beträgt 24 Euro monatlich, einkommensschwache Familien können auf Antrag von der Kursgebühr befreit werden. Infos und Anmeldung bei Kursleiterin Christiane Brenne, ' 01 60/97 72 34 25 oder christiane.brenne@schulefuermusik-waf.de.

direkten Besucher Spaß an der Musik hatten. Am Zaun blieben die Radfahrer stehen und auch die Gäste der Eisdiele ließen sich von der Musik einfangen.

Bruno Weitkamp (oben links) möchte im Rahmen seiner Bachelorarbeit Input von den Füchtorfern zur Wiederbelebung des Stadtkerns haben. Das kleinere Foto zeigt den verfallenen Gasthof Foto: Rebecca Lek „Zur Linde“.

alles jetzt so zu sehen. Da blutet das Herz.“ Mit neuem Input kann Weitkamp nun weitere Überlegungen für die Bachelorarbeit anstellen. Die Dorfbewohner hoffen vor allem darauf, dass aus dem theoretischen Ansatz auch etwas in die Tat umgesetzt wird.

Westfälische Nachrichten vom 12.07.2021

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Ein toller Anfang mit viel Musik

ssenberg. „Kein Kind ist zu ng, um sich an Musik zu reuen und erste musikalihe Erfahrungen zu maen“, betont die Schule für usik im Kreis Warendorf d bietet für jede Altersstueinen passenden Kursus . In allen Unterrichtsangeten steht die Freude am meinsamen Musizieren d die Förderung der kindhen Kreativität, des musilischen Ausdrucksvermöns und des Interesses an rschiedensten Arten von usik im Vordergrund. uch werden die emotionan, kognitiven und motorihen Fähigkeiten gefördert, ntasie und Wahrnehmung erden angeregt, Lernbereithaft und Sozialverhalten der Gruppe gestärkt. Schon Kleinkinder ab 0 hren (die Kleinsten sind ca sieben Monate alt) könn in den Eltern-Kind-Kurn mit Mama, Papa oder ner anderen Bezugsperson n den vielen positiven Efkten profitieren. In den usikstunden wird ein gros Repertoire an Knierein, Fingerspielen, Bewengs-, Schlaf- und Tierliern sowie Tänzen vermitt, die zu Hause aufgegrif-

Anhang


9.7.2021

Die Glocke online - Tageszeitung in den Kreisen Warendorf und Gütersloh

Student stellt Füchtorfs Zukunftsfrage Füchtorf (bemi) - Wie kann sich Füchtorf für die Zukunft aufstellen und Leerstände wie im Dorfkern beheben? Mit dieser Frage beschäftigt sich der Student Bruno Weitkamp im Rahmen seiner Bachelorarbeit. Am Freitagabend (18 Uhr) möchte er diese Frage mit Bürgern am Tie diskutieren. Auf die Frage, warum sich Bruno Weitkamp ausgerechnet Füchtorf für seine Bachelorarbeit ausgesucht hat, antwortet der 22-jährige Student: „Das Potenzial im Ort ist groß.“ Doch eine Frage beschäftigt nicht nur ihn während seiner Abschlussarbeit, sondern auch wahrscheinlich viele Füchtorfer: „Wie kann sich der Ort für die Zukunft aufstellen?“ Das Potenzial in Füchtorf ist da, die Gemeinschaft stark Um diese Frage zu diskutieren, lädt Weitkamp für den heutigen Freitag ab 18 Uhr zum Tie ein. „Im Rahmen meiner Bachelorthesis beschäftige ich mich mit Siedlungen im ländlichen Raum und habe mir als Standort Füchtorf ausgesucht.“ Warum? „Dort ist die Dorfgemeinschaft durch viele aktive Akteure sehr stark vertreten, welches ich als Potenzial sehe, um den Leerstand im Dorfkern für die Allgemeinheit Füchtorfs zugänglich zu machen.“ Ins Auge gefasst hat der 22-Jährige unter anderem die ehemalige Gaststätte „Zur Linde“. Gerade im Zentrum sollte „in der Theorie“ ein stark vernetzter und belebter Dorfkern entstehen, der auch potenzielle Zuzügler aus den Städten Münster, Osnabrück und Bielefeld mit einbezieht, erklärt der Architekturstudent. Genau um mögliche Lösungen für einen belebten Dorfkern anzusprechen, möchte der gebürtige Ostwestfale mit der Bürgerschaft in den Dialog treten. „Es soll ein lockeres Gespräch werden, das zum Nachdenken anregt“ „Es soll ein lockeres Gespräch werden, zu dem alle Generationen eingeladen sind und das zum Nachdenken anregen soll“, erläutert der Student, der in dem ein oder anderen Lokal in Füchtorf Flyer für das Treffen am Freitagabend verteilt hat und den CDU-Politiker Dirk Schöne vor der Pommesbude traf. „Er hat mir einiges über den Ort erzählt“, fand Weitkamp die Gespräche mit Schöne und anderen Füchtorferinnen und Füchtorfern sehr aufschlussreich. Unter anderem hatte Weitkamp sich mit Anwohnern über das Neubaugebiet im Süden des Ortes ausgetauscht. Ein klassisches Beispiel dafür, wie ländlich geprägte Orte wachsen können, wenn in Großstädten der Platz eng wird. „Unter anderem stelle ich mir die Frage, was passiert, wenn die

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Die Glocke online - Tageszeitung in den Kreisen Warendorf und Gütersloh

Mobilität zwischen Stadt und Land wächst“, sagt der Student. Auch die Themen Nachverdichtung im Ortskern, mobiles Arbeiten und die Verbindung zu Städten spielen in seiner Arbeit eine Rolle. Fragen, die meist die Bürger besser beantworten können als er. Was sich Weitkamp von dem Treff erhofft? „Dass sich viele Menschen darüber Gedanken machen, wie sich ihr Ort entwickeln soll.“ Und ganz nebenbei wäre eine gute Note in der Bachelorarbeit auch nicht verkehrt.

Lokalzeitung-Die Glocke

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Interview mit Christoph Hesse [...] BW:Sie sehen jetzt hier das Unterholz Projekt von Ihnen, was ja auch zu den neun Projekten von den „Open Mind Places“ gehört, und habe das konfrontiert oder beziehungsweise in Verbindung gesetzt mit den Begriff Dorfgemeinschaft.[...] Wie wichtig war da die Kommunikation zwischen Ihnen und den Dorfbewohnern aber auch untereinander? Wie ist Projekt zustande gekommen beziehungsweise wie ist das abgelaufen? CH: Ja, das Thema Kommunikation ist da schon extrem wichtig. Kommunikation geht sofort einher mit Identifikation beziehungsweise die Leute zu Mitautoren zu machen. Das man sie quasi nicht nur als Mitarbeiter rekrutiert oder motiviert, sondern auch wirklich als Mitgestalter. Das ist glaube ich sehr wichtig. Zustande gekommen ist das eigentlich, indem man die Leute anspricht, überzeugt da mitzumachen, motiviert. Das mache ich übrigens auch nicht alleine, sondern da gibt es meistens ein, zwei, drei Menschen die da eine Art Initialzündung darstellen. In unserem Ort hat es auch viel mit dem sogenannten Ortsvorsteher zu tun, das ist jetzt kein Bürgermeister, sonder halt der Ortsvorsteher auf lokaler Ebene. Das ist jemand, den man sehr für Dinge begeistern. Also wenn man Ideen hat, fällt das meist auf fruchtbaren Boden. Und der wiederum ist durchaus, ja fast auch ein bisschen hartnäckig um Leute zu rekrutieren und bleibt dran und das ist glaube ich das was wirklich gut ist. Aber vom Prinzip ist es so, dass wenns im überschaubaren Rahmen ist, also wir reden jetzt über zwei, drei, vier Samstag Morgen oder vielleicht auch mal ein bisschen länger, kann man da ne Truppe von 5,6,7 Leuten ganz gut motivieren mitzumachen. Es müssen ja auch nicht immer die gleichen sein, weil oftmals hat man ja auch am Wochenende was anderes vor oder man repariert irgendwie gerade was. Damals war das so, dass die Hälf-

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te wieder was anderes machen musste, irgendwie Fenster bei der Schützenhalle oder so austauschen. Aber ja das ist bei einer Größe von, ich würde mal schätzen, bis zu 1.000 Menschen, das ist mein Gefühl, das ist ein Bauchgefühl, ist es durchaus schneller machbarer die Gemeinschaft zu unterstützen durch Einzelpersonen als vielleicht in etwas größeren Gemeinden oder sogar Städten. Da ist es eher vielleicht auf Nachbarschaftsebene, wo man die Leute versuchen müsste zu überzeugen. BW: Ok, also ist es auch so ein bisschen eine Strategie gewesen? Ich komme beispielsweise auf der Nähe Bielefeld und in Münster studiere ich. Im Grunde genommen höre ich das jetzt zum ersten Mal, dass es einen Ortsvorsteher gibt. Der, so wirkt es jetzt […], ein bisschen flexibler ist als der Bürgermeister und bisschen nahbarer vielleicht auch. CH: Auf jeden Fall, unser Ortsvorsteher zum Beispiel der ist auch gar nicht im „Stadtrat“, der hat da gar keine Lust zu. Der ist natürlich mit dem Bürgermeister in der Kleinstadt, die da im Grunde diese Dörfer beinhaltet gut vernetzt. Aber so ein Bürgermeister, der kommt da gar nicht zu. Der kommt zur Eröffnung und freut sich und bringt auch mal ein Kasten Bier vorbei. Aber ja das ist eigentlich dieser Ortskümmerer, der da natürlich auch ein gewisses Mandat zu hat das zu steuern, ist da viel viel näher an den Prozessen und an den Menschen dran. BW: Ja, sie erwähnen gerade auch dieses Thema Vernetzung. Also viel bessere Kommunikation untereinander, weil als normaler Bürger in einer Gemeinschaft hat man vielleicht auch gar nicht den Zugang zum Bürgermeister oder zu diesen Treffen und dann ist diese Zwischenebene des Ortsvorstehers ganz Sinnvoll. CH: Absolut, ja. BW: […]Was ich noch im Hinterkopf hatte, bei dem Gespräch mit der Architekturgalerie in Berlin letztes Jahr,

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Ich hatte mir im Vorfeld ein Interview mit Ihnen angeguckt, haben sie gesagt, dass sie ihre Aufgabe als Kommunikationsspritze sehen. Also einfach etwas zu initiieren und das dann als Selbstläufer zu machen. Ihr Vorteil, bei ihrem Projekt war auch, dass sie der Sohn von sind. Wie spielt das mit rein oder gibt es da auch noch andere Möglichkeiten? Wenn ich zum Beispiel ein Projekt bei Ihnen in Referinghausen machen würde, hätte ich wahrscheinlich Schwierigkeiten oder nicht den Zugang dazu. Also im Grunde genommen ist es ja schon eine Art von Gemeinschaftsvorteil oder Integrität in der Gemeinschaft. Ortsvorstehers ganz Sinnvoll. CH: Ja klar, das kann ich nicht abstreiten. Das ist jetzt aber auch nicht so, dass das Dorf nur aus fünf Häuser besteht. Es gib da zig Leute da hat man halt weniger Kontakt zu oder Leute die kritischer sind als andere. Aber das Gegenteil von dem wie es jetzt war, würde es auch funktionieren. Ich habe da jetzt ein Projekt am Edersee das nennt sich „Ways of life“, da mache ich mit Freunden von mir zusammen 20 Häuser. Da hatte ich jetzt zu dem Ort in dem Sinne jetzt kein Kontakt, das macht man dann eher über die klassische Kommunikation, in Form von Bürgerbeteiligung, Ausstellung und Infoabende oder individuelle Fragen beantworten. Ich glaube das geht schon. Aber wenn die Menschen merken, dass ist irgendwie spannend und das hat was, da ist einen Mehrwert für einen persönlich und auch für die Gemeinschaft, dann kann man die Leute auch gut überzeugen, auch wenn man da nicht aufgewachsen ist. Das darf nur nicht so rüberkommen: „so ich habe das so eine Idee oder Vision und komme da als Architekt daher und möchte euch gerne da so ein paar Aliens oder Ufos landen lassen.“ Das funktioniert so nicht, also es muss schon immer eine Art gemeinschaftliche Vision oder Überzeugung herrschen, um Dinge umzusetzen.

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BW: Ja. Also nicht so als belehrend dahin kommen sondern eingehend auf bestehende Strukturen, die sich mit dem Ort auseinandersetzen. CH: Absolut. Ich möchte auch noch ein Beispiel geben und zwar war das für mich ein Aha-Erlebnis. Es gab vor 10 Jahren gab es so eine Art Architektenwettbewerb in unserem Dorf. Da war ich gar nicht dabei, ich habe Mitarbeiter dahin geschickt. Das war glaube ich auch mehr an Absolventen gerichtet und das war auch wirklich toll und es sind auch tolle Sachen entstanden. Also eher konzeptioneller Art und Weise und das ein oder andere wurde vielleicht auch dadurch angestoßen. Aber das ist jetzt auch gar nicht der Punkt, jetzt kam es halt dazu, naja was machet man zehn Jahre später. Macht man wieder so eine Art Workshop, lädt man Leute von außerhalb ein. lädt man Künstler ein und so weiter. Das entsteht auch in Zusammenhang ,mit der Architektenkammer NRW und Non-Conform, das ist ein tolles Strategie Büro in Österreich und mittlerweile auch in Deutschland. Und an diesem Karfreitag hatte sich dann der Ortsvorsteher darum gekümmert eine relativ gute repräsentative Gruppe aus dem Dorf einzuladen, als jung, alt, männlich, weiblich und so weiter. Und wir hatten einfach die Diskussion geführt. Auf der Agenda waren Themenbeispiele, wie über das Thema Energie zu sprechen, also Nahwärme, Solar und so weiter. Das zweite Thema war Umbauen, Weiterbauen, das dritte Thema war Kommunikation und das vierte Thema war Infrastruktur und Gastronomie. Und was ich total spannend fand war, dass aus der Gruppe heraus in einem relativ ähnlich Tenor kam: „Wir fühlen uns eigentlich sehr wohl hier, es gibt hier total viel zu machen und wir haben hier auch unsere kleinen Highlights, wie die Open Mind Places. Aber was uns eigentlich interessiert, ist gar nicht das Projekt XY was als nächstes kommt, sondern wie können wir das eigentlich mal kom-

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munizieren? Nach innen und nach außen.“ Und das finde ich super spannend. Das wurde dann eine Art Kommunikator und der Name dafür kam dann auch, ich habe gesagt warum nennen wir das nicht einfach „das Referinghaus“. Und dann fingen die sofort an, das kann man klein und groß schreiben und wo können wir das hinsetzten. Also da gibt es so einen kleinen Bachlauf und so ein nachgebauter Wagon, weil da früher mal ne Eisenbahn durchfuhr. Und das ist so der Zentrale Ort und da kann man das Hinbauen. Das finde ich sehr spannend, dass das eben diese Initiative, diese Erkenntnis, möglicherweise habe ich den das, ich will jetzt nicht sagen in den Mund gelegt, aber ich habe sie dahin getriggert, aber die Erkenntnis von den kam von innen und dadurch dann auch die Motivation. BW: Ok. Weil man sich selber in dem Projekt wiedersieht und es nicht von einem anderen ist sondern es kommt von einem selber. CH: Absolut. Ich bin dann so eine Art Impulsgeber, der dann derjenige ist der das dann alles entwirft und so weiter. Aber ich merke jetzt schon das es mir wahrscheinlich ohne weiteres gelingen wird für das„Referinghaus“, dass wir dann schon vorher vorbereiten und dann vielleicht in einer 24 Stunden Aktion im September aufbauen, Leute gewinnen. Und da war auch eine junge Ärztin bei, die sagte dann am Tag später zum Ortsvorsteher, dass es nicht immer Leute von außen braucht, als wir schon auch Wissens was für uns richtig und gut ist und so weiter. Das Eine schließt das Andere nicht aus, aber es ist auf jeden Fall Mischung daraus. Das fande ich sehr spannend. Jetzt würde man klassischer Weise sagen, man sollte die Leute von vor Ort nie unterschätzen, das machen wir sowieso nie, aber da liegt schon sehr viel Potential, was man heben kann. Aber es ist kein Selbstläufer, also es braucht schon jemand, der das antreibt und sich darein schmeißt.

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Das mache ich gerne, aber das ist schon sehr intensiv. Das ist ja auch nicht gradlinig, es gibt dann auch Leute die sagen:ich würde das jetzt aber mal anders mach, das sieht komisch aus, mach das mal so. Da schluckt man auch erstmal und die Kritik ist auch manchmal direkt. Aber das ist ja auch ein normaler Prozess, meistens wird es ja auch besser muss ich ganz ehrlich sagen. BW: Ja, weil man dann einfach mehr Vertrauen gewinnt oder sich besser kennt untereinander. CH: Ja oder weil es einsah ein normaler Entwursprozess ist. Wir entwerfen ja auch mal Sachen so oder so und anders. Die Stimmen können da durchaus auch mal von außen mal kommen. BW: Genau, ich mache mal eine Folie weiter. Ein ähnliches Projekt, „Oberholz“ und Kontext. Da fand ich spannend, wie schaffen sie durch das Oberholz einen neuen Blickwinkel beziehungsweise schaffen einen Ort, den es vorher vielleicht schonmal gab, aber betonen das durch den Blickwinkel auf Referinghausen. Da wer meine Frage, wie wichtig ist der neue Blickwinkel. Ich meine, das sie bei dem Vortrag bei uns an der Uni gesagt haben, dass man auch mal einen Perspektivwechsel haben muss um Sachen zu verstehen im Kontext. Wie wichtig ist das an diesem Projekt, einen neuen Blick auf Referinghausen zu bekommen.[…] Vielleicht auch in Verbindung mit dem Material, was Bauchglaube ich von vor Ort kommt und eigentlich für Fachwerkhäuser benutzt wird. CH: Ja genau. Ja diese Intensivierung von Orten, ist sehr sehr wichtig für uns. Weil es ist schon ein Unterschied, ob da jetzt einfach nur eine Sitzbank steht oder eben dieses Gebäude. Also es hat ja auch eine räumliche Qualität, es macht etwas mit einem, es konzentriert auf etwas. Wenns dann den Blick und die Perspektive auf etwas wirft oder in Zusammenhangbringt. Hat das auf jeden Fall eine sehr veränderte Wirkung. Das muss nicht bei jedem die glei-

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che sein, aber ich bin schon davon überzeugt, dass diese Art Perspektivwechsel, eine andere Sichtweise einzunehmen der erste Schritt zu einer Veränderung ist oder ein Impuls ist um etwas zu machen. Es gibt auch andere Orte, zum Beispiel „der Pflug“, wo Menschen sagen, ach Gott hier habe ich ja noch nie so intensiv gestanden oder den Blick auf den Ort genossen. Ja das ist so banal, aber total wichtig aus Dingen rauszukommen und von außen drauf zuschauen, im übertragenen Sinne. Das ist etwas was viel zu selten gemacht wird, weil man wahrscheinlich auf Grund des Stresses im Lebensalter gar nicht so dazu kommt. BW: […] Braucht es manchmal mehr als nur ein Objekt, sondern so eine Art Vernetzungsstrategie? […] Braucht es vielleicht noch eine dritte Ebene mit etwas digitalem, zum Beispiel eine Übergeordnete Vernetzung? CH: Ja das ist schon etwas, was ein Ort nochmal intensivieren kann. Nicht nur der Ort an sich, die Materialist, Licht, Schatten, Sonne und so weiter. Sondern auch noch eine inhaltliche Komponente, die auch oftmals dann vielleicht mit der Zukunft und auch der Vergangenheit zutun hat. Beim Pflug ist das zum Beispiel so, dass wir da ein QR-Code angebracht haben, wo man sich mit den digitalen Heimatsstudien vernetzen kann, um Zeugnisse der Vergangenheit anzuschauen. Das ist auf jeden Fall wichtig. Und ich glaube auch, dass die Vernetzung der untereinander mehr ist als die Summe der Einzelteile. Es gibt ja auch ein Projekt Sauerland Seelenorte, wo das ja auch mitschwingt oder andockt. Ich war mal an einem Seelenort und dann haben wir aufs dem Internet den Text dazu zu dem Ort vorgelesen und das macht das auch nochmal wesentlich intensiver und tiefer die Erfahrung zu diesem Ort. Wir sind das ja nicht so richtig gewohnt, nach dem Motto ja jetzt sitze hier und was ist denn hier so besonders. Die Leute werden sofort nervös und müssen

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mal wieder ganz kurz ihr Handy checken und so weiter. Das ist etwas, was nicht so Alltäglich ist, sich mit einem Ort zu beschäftigen den wirken zu lassen und vielleicht auch mal die Gedanken schweifen zu lassen oder sich Gedanken zu machen. […] Aber was total spannend ist und was ich jetzt auch glaube ich anfangen werde, das hatte auch meine Frau angestoßen, also auch eine Perspektive von außen. Das Thema Kommunikation und Austausch an diesen Orten, ist mir schon wirklich total wichtig . Man führt da die krassesten Gespräche, also da müssten man eigentlich eine eigene Publikation draus machen. Es geht natürlich immer viel über die Veränderung der Landschaft, Umweltschutz, soziologische Themen oder politische. […] Aber diese verschiedensten Ebenen, Sichtweisen sozusagen, auf die man da trifft, das ist schon sehr spannend. Das ist eigentlich die Hauptaufgabe von diesen Orten. Nicht nur für sich dahin zugeht und eine andere Perspektive einzunehmen, sondern eben mit anderen Menschen ins Gespräch zukommen.Und das möglichst milieuübergreifend. Jetzt ist das milieuübergreifende in so einem Ort eh schneller und leichter zu erreichen als in der Stadt, weil da einfach auf Grund der Kleinteiligkeit alle Leute irgendwie eh immer miteinander sprechen. Egal ob man jetzt Geld hat oder weniger Geld hat, ob man jetzt Abitur hat oder kein Abitur hat. Ja jetzt zur nächsten Folie, Bewusstsein erzeugen habe ich darunter gepackt. BW: […] Sie haben mal in einem Gespräch erwähnt, dass sie gerade dieses gemeinschaftlich Arbeiten, diese familiäre, nachbarschaftlich Form von Zusammenarbeit sehr interessant finden. Was bis zu einem Rahmen geht, aber auch diese Übertragbarkeit auf andere Flächen. […] Wie kann man solche Ansätze, also diese Form von gemeinschaftlichen, nachbarschaftlichen Zusammenarbeiten auf solche Siedlungsräume, wo es nur noch ein nebeneinan-

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der Wohnen und nicht ein miteinander Wohnen ist, übertragen? CH: Ja, das ist auf jeden Fall eine sehr, sehr spannende Frage. Aber da kommen ja auch wieder solche Dinge wie Diversität rein, da fehlt ja einfach die Heterogenität und die Diversität in solchen Siedlungsstrukturen. Es gibt da ja sicherlich irgendwo, man siehts oben rechts wahrscheinlich, den ursprünglichen Siedlungskern von Laer. Der sicherlich auch sehr schön sein wird. Und dann gibt es diese naja Art Suburbs kann man sie jetzt wahrscheinlich noch nicht nennen, diese Siedlungsstrukturen. Da fragt man sich, waren damals die Stadtbauämter nicht mit besonders talentierten Leuten besetzen oder ist das einfach so ein Element, was sich durch die ganze Republik von oben durch Flächennutzungspläne so durchgereicht hat, keine Ahnung. Oder sind es vielleicht Monitore Aspekte, die da mit reinfließen? So nach dem Motto, naja siehts ja da, das war ein Acker vorher. Der Bauer wurde dafür entschädigt beziehungsweise das Land wurde abgekauft, dann wurde es entschlossen und möglichst einheitlich bebaut mit 800 m2 Grundstücken, Erschließungsstraße links, rechts. Da fehlt einfach Städtebauliche Qualität, das ist ja völlig logisch. Und ich glaube das könnte man, das hätte man damals anders machen können. Da müssen ja keine Subzentren entstehen in dem Sinne oder gleichberechtigte Zentren zum Ortskern oder Stadtteil. Aber es braucht wesentlich mehr öffentliche Fläche in diesen privaten Siedlungsstrukturen. Also das ist etwas, wo ich heute noch erschrocken bin, wenn ich manche Siedlungsstrukturen sehe die entstehen, wie banal die sind. Wo man auch wirklich das Gefühl hat, dass das jeweilige Rathaus oder die Gemeinde oder die Kleinstadt oder Stadt das wirklich auch ein Stückweit unter finanziellen Aspekten sieht. Nach dem Motto so und so verdienen wir damit, damit wir uns den oder den Rathausumbau leisten können,

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das ist eigentlich nicht gut. BW: Ja, definitiv. Monitäre Aspekte spielen da mit Sicherheit rein. Es ging ja auch in den 60er, 70er Jahren, wo diese Siedlungsstrukturelleentwicklung und Bevölkerungsentwicklung eine extreme Dynamik bekommen hat, oft darum Leute an Orte zu binden, weil sie ja auch Arbeitskräfte sind. Man hat im doppelten Sinne damit Geld verdient. Die Frage ist, macht es in Zukunft Sinn neue mögliche Dorfstrukturen aufzuzeigen und somit einen neuen Dorfaspekt zu beleben? Ich finde es umso interessanter in einer bestehenden Siedlungsstruktur Möglichkeiten aufzuzeigen, die Qualitäten zu verbessern. CH: Absolut, weil wir werden ja diese Art von Entwicklungswellen so wahrscheinlich nicht mehr haben. Naja, man weiß ja nicht so genau, weil im Moment gibt es ja schon die Tendenz zurück aufs Land und so spannen. BW: Ja genau das finde ich eigentlich so interessant , damit man das unterbindet. Nicht dass das jetzt noch weitergeht, weil das Bewusstsein von dem Menschen, auch in der Politik sind teilweise, wissen ja im Grunde genommen das es eine falsche Entwicklung ist noch mehr Fläche zu versiegeln. Gerade in Hinblick auf die Pandemien, dass die Lust auf das Land größer geworden ist. Man sieht das ja auch rundum Berlin, an den peripheren Zonen. Im Grunde genommen kann man das ja schon unterbinden, das man nicht noch mehr freie Fläche zu CH: Aber das ist wirklich eine extrem wichtige Aufgabe. Da muss man sich wirklich mit dem Bergriff „Dichte“ intensiv auseinandersetzten und auch nah an den Wünschen und Bedürfnissen der Menschen sein. Ich glaube nicht das jeder sein Seelenheil in einem Einfamilienhaus sucht, aber es mangelt da einfach an Alternativen. Aber zwischen Geschosswohnungsbau und Einfamilien-

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haus gibt es ja eigentlich auch noch was, vielleicht müsste man das einfach mal besser herausschälen.[…] Das ist wirklich eine total gute und wichtige Aufgabe sich damit zu beschäftigen. Also was ist es für eine Gestalt und was hat es für eine Dichte und ab wann kippt die Dichte, wo sie dann gar nicht mehr in eine Dorfstruktur oder in eine Kleinstadtstruktur reinpasst. Oder was macht man mit so einem 70er Jahre Siedlungsgebiet, wo bringt man vielleicht mal eine Lücke rein und bring Öffentlichkeit rein? Es muss nicht immer sofort ein neues Quatierszentrum oder Gemeindezentrum sein, das muss ja auch alles erstmal bezahlt sein. Aber auf jeden Fall brauchst Öffentliche Räume, das ist total wichtig. Damit man nicht jedes mal sich ins Auto zu setzten um an irgendeinen Ort zu fahren, der dann irgendwie öffentlich ist. Das muss, glaube ich, wirklich auf einer Quatiersebene muss da Platz gesprengt werden. BW: Ich bin bei den Architects for Future Münsterland und da haben wir am Montag ein Gespräch mit den Grünen gehabt, über eine neu ausgeschriebene Fläche in Münster Ost. In dem Gespräch ging es auch viel darum, dass der Münsteraner oft noch den Wunsch nach einem Einfamilienhaus hat. Das Trifft ja wieder den Nerv des Bewusstseins, dass viele Leute sich nicht bewusst sind, dass das umweltschädlich ist und sich nicht damit beschäftigen wollen. Und wie kriegt man das vielleicht hin? Wie kann man bei solchen Menschen das Bewusstsein erhöhen oder erzeugen. CH: Ja, wahrscheinlich ist das wieder eine Sache des Perspektivwandels und das kriegt man ja hin wenn man sich mal ein bisschen von den Dingen entfernt und andere Möglichkeiten sieht. Ich kann da nur empfehlen einen andern Vorschlag zu machen, wie es anders gehen könnte. Aber auf eine Schlaue Art und Weise, also es kann nicht jetzt der Turm oder das Zehnfamilienhaus die

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Lösung sein. Weil es gibt gewisse Typologien, gerade in Dorfstrukturen, da ist das Ein- oder Zweifamilienhaus eher das richtige, aber nicht in diesen Siedlungsgebieten, ich rede jetzt wirklich über Dorfstrukturen. Und es nicht immer ist das Gebäude an sich das Problem sondern die Nutzung oder Unternutzung, das heißt wenn ich ein Einfamilienhaus baue und mehr oder weniger da nur schlafe, verbringt man da nur relativ wenig Zeit. Bei dem Projekt was wir am Edersee machen, da dürfen wir gar nicht größer bauen, das ist auch gar nicht das Ziel, als kleine 117m2 große Gebäude. Der Witz besteht darin, dass die Gebäude andere Funktion beinhalten. Also jedes Gebäude bekommt noch eine weitere Funktion. Sagen wir mal Seminargebäude, Therapieraum, Showcase für Energieeffizient,… Also das ist glaube ich etwas, also man muss mehr Funktionen in die Einfamilienhausstrukturen bringen. In andere Ländern und Kulturen ist das gegeben. Ich habe mal ein Projekt im Vietnam gemacht, da gibt es das sogenannte Shophouse. Die Shophousetypologie, wo im vorderen Beriech immer etwas war was verkauft wurde. Aber auf jeden Fall war eis immer sehr Kommunikativ. Vielleicht müsste man mal in Kultur hineinschauen und zu überlegen, was man noch reinbringen. Das ist jetzt vielleicht sehr banal, zunächst erstmal das Homeoffice, was ja auch funktioniert. Ein Teil wird ja auch nach der Coronakrise davon übrig bleiben. Aber was könnte darüber hinaus zur Legitimation dieser Art von Bauform führen? Das haben wir jetzt einerseits über die Programmatik oder die Funktionen besprochen, aber auch über das Thema Ökologie. Also das ist ja nichts Neues, das in Berlin teilweise mehr Biodiversität herrscht als in Brandenburg, in der Landschaft. Das kann ja auch etwas sein, was eine neu Form von Urbanität oder Wohnen ausmacht.Das ist also ein ganz ganz wesentlicher As-

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pekt. Denn die Agrarreform, das ist ja auch ein ganz dickes Brett, stößt da an Grenzen, weil die Bevölkerung ja irgendwie ernährt werden muss. Ein anderes Thema ist, dass vor zwei Jahren wurde noch gerufen wir müssen in Holzbauweise bauen müssen und heute geht uns das Holz aus oder es ist nicht mehr bezahlbar. Also da muss man halt auch immer schauen, nach dem Motto, das hat jetzt auch andere Gründe, aber es soll immer Biodivärser sein. Aber aus irgendeiner rüpeligen Buche kann ich mir halt kein First zimmern. Also das sind immer so Dinge die muss man abwägen, aber je mehr man vereinen kann in einem bestimmten Kompromissbereich. BW: […]Ich habe noch eine Frage, beziehungsweise drei Begriffe die sie mal erwähnt haben. Aus Entfremdung wird Vernetzung und aus Vernetzung wird Verbundenheit. Sie benutzen das ja oft im Kontext auf kleine dörfliche Strukturen, aber kann man das vielleicht auch im Kontext von Siedlungsstrukturen anwenden oder reininterpretieren? CH: Ja, dass ist natürlich auf jeden Fall meine Hoffnungen. Ich habe es so noch nicht ausprobiert, aber ich glaube schon das da irgendwas ist. So eine Art Schnittmenge, so eine Art gemeinsames Interessensgebiet, ein common ground, den man da finden muss. Den muss man da auch wirklich suchen und finden, aus den Leuten heraus, weil sonst ist es nur so eine Idee, die kann man wegen mir bauen, aber es wird nicht angenommen. Aber ich kann mir schon vorstellen, weil das Thema Identifikation, Identität bedeutet ja nichts anderes als die Summe von gewissen Eigentümlichkeiten. Jeder Mensch, jede Gruppe behauptet ja von sich irgendwie Eigentümlich zu sein. Was ja auch Urmenschlich ist und das zu finden. Und da hoffe ich auch darauf das jede Gemeinde, jede Siedlung etwas anderes ist. Das ist die Herausforderung. Das dann zu destillieren um daraus ein Thema zu machen, dann ist

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es auf jeden Fall übertragbar. Ob es dann irgendwo nochmal so Open Mind Places sind weiß ich gar nicht oder ob es etwas anderes ist. Auf jeden Fall hat es mit öffentlichen Raum zu tun, das ist ganz wichtig. Das hat etwas mit dem zusammenbringen von verschiedenen Milieus zu tun und es hat auch viel mit Ökologie zu tun. BW: Ja im Grunde genommen auch eine gute Frage, weil ja die Struktur oder die Bezugsperson unterschiedlich sind. Eine Familie die da wohnt hat ein Kind, das dort Fußball spielt und in einer anderen Stadt zur Schule geht, aber überhaupt nichts zu tun hat mit den Leuten, die im Umfeld wohnen. In der Vergangenheit war das ja ganz anders, weil man ja mehr gemeinsame Strukturen hatte, wie zum Beispiel zur Kirche oder zum Schützenverein gegangen ist. CH: Ja, das ist so. Eigentlich hätte man da am Anfang schon mehr Qualität auf den Städtebau legen müssen, aber es ist nun mal so. Und jetzt ist wirklich die Frage, was kann man da ändern. Das ist eine total spannende Frage. Man darf nicht unterschätzen, wie wichtig Spielplätze für diese Strukturen sind. Aber es gibt da sicherlich einiges anderes. Ich sehe da auch noch andere Siedlungsstrukturen unten links zum Beispiel, da scheinen so paar Zeilenhäuser zu sein. Man sieht da schon sehr, ich sag mal generell den Langen Arm von der Moderne, Le Corbusier und so weiter. Das hat sich schon echt sehr stark in den Leitlinien der Republik oder in Europa und darüber hinaus niedergeschlagen. Das ist sicherlich keine gute Entwicklung. Aber solche Strukturen zu ändern, also ein Flächennutzungsplan zu ändern, ein B-Plan zu ändern, und die Grundlagen und Gesetze. Das ist unglaublich schwierig. Das ist fast eine politische Aufgabe, muss aber dringend gemacht werden. Da führt eigentlich so eine Einfamilienhausdebatte wie vom Hofreiter letztens angestoßen. Das ist zwar dann weitläufig dann verständlich,

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aber es geht ein bisschen an dem Thema vorbei. Das ist komplexer das Thema, man sollte eigentlich, ja wie wollen wir eigentlich zusammenleben. Das ist auch das diesjährige Motto der Biennale, aber auch da ist mir letzte Woche aufgefallen, dass da leider der Praxisbezug fehlt. Das ist alles sehr sehr theoretisch rübergebracht. BW: […]Gerade auch wo sie das mit dem Hofreiter erwähnen, der hat ja auch extreme Kritik dafür bekommen. Ich glaube, das ist auch der falsche Weg, ein Verbot dafür aufzuzeigen, sondern vielleicht eher eine Alternative. Niklas Maak hat das ja auch angesprochen, dass das Einfamilienhaus gar nicht mehr Zeitgemäß ist. Wie kann man da mit demBestand umgehen und anderes interpretieren? CH: Ja, indem man vielleicht ganz pragmatisch einfach mal Zäune einreißt. Zum Beispiel, ich wohne auch in der Dachgeschosswohnung von einem 70er Jahre Haus mit einer Mehrgenerationfamilie. [...]Und dieses Zusammenbringen ist total wichtig. Da spielt fast die Hülle des Gebäudes eine untergeordnete Rolle, der Außenraum ist eigentlich das entscheidende, auch für die kreative Entwicklung. Mehr den je vielleicht. BW: Ich fand das Bild immer ganz interessant, vom „nine to five Job“, dann kommen die Erwachsenen nach Hause und setzten sich vor den Fernseher und essen noch zu Abend. Aber eigentlich sitzen hinter ihrer Lochfassade, verstecken sich eigentlich nach ihrem Arbeitsalltag. So kommt mir das manchmal vor, dieser Lebensentwurf. Hat das nicht auch viel mit der Hülle zu tun? Das sie Fenster manchmal ziemlich klein sind? CH: Ja, das kommt dann ja auch manchmal auf den Entwurf an. Aber ich würde es gar nicht so formal sehen oder fast so Metaphorisch. Ich glaube es ist diverser, also es gibt so unterschiedliche Lebensformen wo auch Großeltern mit im Haus leben, WGs oder was auch immer. Ich glaube das abzubilden ist das spannende.

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Wichtig ist, dass die Dinge miteinander vernetzt sind. Nicht nur im Sinne von Vernetzt sein, sondern wenn es dann noch eben diese Art moralische, ethische, Zwischenmenschliche Art der Verbindung bekommt, ich glaube das ist entscheidend. Das Verbindende in der Gesellschaft, das kann im Niveau von den Kindern sein, weil die miteinander spielen, das kann auf dem Niveau von den Erwachsenen sein, weil die sich austauschen und ergänzen. Ich glaube das hat ja auch eine sehr soziologische Komponente. Das darein zu bringen, das ist das Entscheidende aus meiner Sicht, das man nicht so aneinander vorbei lebt. Was man ja auch in einer Familie durchaus sehen kann. Das erlebt man ja leider sehr häufig, auch bei jungen Erwachsenen. Auch bei Jungs die viel zu viel Zeit an der Playstation verbringen. Früher gab es das Problem ja nicht, da musste man die Leute reinholen und heute eher rausholen. [...]

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