syndicom - die zeitung

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Telecom/Logistik  Sektoren | 5

syndicom | Nr. 6 | 9. Mai 2014 Interview

Kabel für die Überwachung Pascal Wicht öffnet einen der unscheinbaren Schränke, die am Strassenrand stehen. Darin sind Kassettenreihen mit dün­ nen farbigen Drähten zu sehen. Es sind die Telefon- und Fern­ sehleitungen, die von hier aus zu den Endkunden abzweigen: für die letzte Meile. Die Monta­ ge dieser Kassetten und Kabel ist eine weitere Aufgabe des Netz­ elektrikers. Heute ist Pascal Wicht allerdings auf der Poya­ brücke über die Saane bei Freiburg beschäftigt, die im Oktober eröffnet wird. Der Cablex-Angestellte sorgt da­ für, dass die Kabel der Überwa­ chungskameras rechtzeitig und richtig zusammengefügt wer­ den. Laut der Vorgabe hat er da­ für eine Woche Zeit, aber nach seiner Erfahrung sind zwei Wo­ chen nötig, um die Arbeit sauber auszuführen.

Dumpinganbieter abblocken Im Bereich der Kabelnetze stehen in den nächsten Jahren gewaltige Investitionen an. Für die Angestellten sind damit laut Daniel Münger, Zentralsekretär Telecom/IT, Chancen und Gefahren verbunden. syndicom strebt einen GAV für die ganze Branche an. syndicom: Die Firma Cablex baut und unterhält Kommunikationsnetze: für Telefon, Fernsehen, Internet und weitere Anwendungen. Das gilt als grosser Wachstumsmarkt. Daniel Münger: Die Swisscom

Daniel Münger:

wird in den nächsten 20 Jahren bis zu 15, 20 Milliarden Fran­ ken in den Um- und Neubau der Kommunikationsnetze in­ vestieren. Es handelt sich um das grösste Tiefbauvorhaben der Schweiz. In der gleichen Zeit wird ein ähnlich hoher Betrag in den Ausbau der Hochspannungs­ leitungen investiert.

schlagen die Vorgesetzten heu­ te aber einen angemesseneren Umgangston an als vor einigen Jahren noch. Die extremen Fäl­ le haben abgenommen, aber es besteht noch Verbesserungspo­ tenzial.

Was bedeutet das für die Angestellten? Es gibt Chancen und Gefahren. Einerseits werden neue Arbeits­ plätze geschaffen, andererseits besteht das Risiko, dass Unter­ nehmen mit Dumpingangebo­ ten und entsprechenden Löhnen auf den Markt drängen.

Seit Anfang 2013 gibt es einen GAV. Wie gut ist er denn für die ArbeitnehmerInnen? Das ist für uns ein sehr guter GAV. Er gilt als Referenz-GAV für die Branche und ist gleichwertig mit dem Swisscom-GAV.

«Unser erklärtes Ziel ist, eine allgemeinverbindliche Lösung für die Branche zu finden.»

© zvg

tig einschätzen, was man zu leis­ ten vermag.» Wicht erwähnt den Fall eines Kollegen, der oft bis um sieben Uhr am Abend arbei­ tete und hunderte von Überstun­ den anhäufte, bis er ein Burn­ out erlitt. Die Leute müssten lernen, Verantwortung gegen­ über sich selbst zu übernehmen. Sonst arbeiteten sie «comme des dingues», wie gestört, nur um ei­ nes Tages festzustellen, dass sie das Wichtigste verpasst haben: das Zusammensein mit der Frau, den Kindern. Es sei aber auch an den Vorgesetzten, die Zahl der Überstunden zu begrenzen.

Das Ziel ist ein GAV für die ganze Branche. Wie weit sind die Verhandlungen? Bei den hohen Investitionen, die anstehen, ist es das erklärte Ziel, eine allgemeinverbindliche Lö­ sung für die Branche zu finden. Wir treiben das voran. Ziel ist es, die Umsetzung im laufenden Jahr zu konkretisieren.

Diese Forderung wurde an einer der letzten Fir­ menkonferenzen erhoben. Wir haben sie an den Gesundheits­ beauftragten der Swisscom ge­ leitet. Der klärt die Frage ab. Sollte sich die Problematik be­ wahrheiten, werden wir für Ab­ hilfe sorgen.

Zu reden gibt die Abrechnung der Mittagsspesen. Neu wird eine Pauschale von 350 Franken pro Monat ausbezahlt, inklusive der Klein­ spesen wie Kurzparkgebühren. Darüber sind nicht alle Mitarbeitenden glücklich.

Der Umgangston des Cablex-Kaders scheint manchmal rüde zu sein. Stimmt das?

Die Regelung ist für 95 Prozent der Leute deutlich besser. Ei­ nige wenige erhalten mit der Pauschale weniger Spesen aus­ bezahlt. Für sie wird eine in­ dividuelle Lösung gesucht. Mit der Spesenpauschale haben wir eine langjährige Forderung un­ serer Mitglieder bei Cablex um­ gesetzt.

Es ist eine bauaffine Branche. Da ist der Umgangston natur­ gemäss deutlicher. In der Regel

In den Kabelschächten gibt es noch immer alte Muffen aus Blei.

Beim Spleissen entstehen giftige Bleidämpfe. Wie steht es mit der Forderung, das arbeitsmedizinisch zu untersuchen?

Wie sieht es mit dem Organisationsgrad in der Branche aus? In vielen Unternehmungen, die keinen GAV kennen, ist er noch sehr klein. Bei Cablex ist er hin­ gegen sehr gut. Ein grosser Teil der Angestellten ist bei uns or­ ganisiert.

Man sagt den Cablex-MitarbeiterInnen auch eine hohe Identifikation mit ihrer Arbeit und dem Unternehmen nach. Ja, die Identifikation ist einma­ lig gross. Der Dienstleistungsge­ danke hat trotz zeitweise miss­ lichen Verhältnissen bis heute nicht gelitten.

Interview: Peter Krebs

Protestaktion der Beschäftigten von Meiller ghp

Angestellte aus Deutschland fordern von der Post ein neues «Wunder von Bern» 40 Angestellte des deutschen Direktmarketing-Unternehmens Meiller GHP haben am 29. April vor dem Hauptsitz der Schweizerischen Post in Bern eine zweistündige Protestaktion durchgeführt. Sie fordern von der Post als Mitbesitzerin des Unternehmens mehr Geld für die über 250 Mitarbeitenden, die schon in den nächsten Wochen auf die Strasse gestellt werden.  Bruno Schmucki Die gleiche Botschaft hat die Meiller-Delegation aus Bamberg vor einer Woche schon in Wien der Österreichischen Post über­ bracht. Denn die Meiller GHP ge­ hört zu 35 Prozent der Schwei­ zerischen und zu 65 Prozent der Österreichischen Post. Das Un­ ternehmen ist auf die Herstel­ lung und den Versand von Wer­ besendungen spezialisiert und kämpft seit Jahren um Antei­ le auf einem schrumpfenden Markt.

© Bruno Schmucki

Die Gruppe von rund 40 MeillerBeschäftigten ist in der Nacht mit dem Bus vom bayerischen Bamberg nach Bern gereist. Dort soll in den nächsten Wochen ein ganzes Werk stillgelegt werden, und über 250 Menschen verlie­ ren ihren Job. Die Forderung, welche die Angestellten den Ver­ antwortlichen der Schweizeri­ sche Post persönlich überbrin­ gen wollen, ist konkret: Für die Entlassenen muss gleich viel Geld für einen anständigen So­ zialplan zur Verfügung gestellt wie bei einer ähnlichen Restruk­ turierung im Jahr 2011. Nicht zu­ frieden sind sie mit den zwei­ einhalb Monatslöhnen, die im Rahmen des laufenden Restruk­ turierungsverfahrens vorgese­ hen sind.

Post will Verant­w ortung wahrnehmen

Transpis in ungewohnter Optik ∙ Eine lange Reise nahmen diese Leute auf sich.

Ganz vergebens sind die Meil­ ler-Leute nicht nach Bern ge­ reist. Post-Personalchef und Konzernleitungsmitglied YvesAndré Jeandupeux empfing die

Protestgruppe und erklärte, die Post müsse zuerst den Sanie­ rungsplan abwarten, den ein Sachwalter zusammen mit dem Meiller-GHP-Geschäftsführer aus-

arbeitet. «Wir werden unsere Verantwortung als Minderheits­ aktionärin innerhalb des Sanie­ rungsplans wahrnehmen», ver­ sprach Jeandupeux.

Jörg Radtke, der stellvertretende Vorsitzende des Betriebsrats von Meiller, der mit der Delegation angereist war, meinte: «Für die Betroffenen sieht es düster aus.» Wenn die Standortschliessung schon unumgänglich sei, dann müsse diese wenigstens zu fai­ ren Konditionen erfolgen. Die Gewerkschaft syndicom un­ terstützte die deutschen Kolle­ gInnen organisatorisch bei der Durchführung der Protestakti­ on vor dem Berner Hauptsitz der Post. Denn die Forderung nach anständigen Sozialplänen bei Restrukturierungen und Stel­ lenabbau ist ein gemeinsames Anliegen. Und es ist wichtig, dass die Verantwortlichen bei der Post diese Botschaft immer wieder hören.


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