Medien Sektoren | 7
syndicom | Nr. 2 | 14. Februar 2014 Buch und Medienhandel
Der GAV für OFT ist unter Dach
Lob des SBVV Der Schweizer Buchhändler- und Verleger-Verband (SBVV), der den GAV als Arbeitgeberverband mit der Gewerkschaft syndicom verantwortet, ist glücklich über das Ergebnis. Dani Landolf, Geschäftsführer SBVV: «Es freut mich sehr, dass sich die beiden Parteien über eine zeitgemässe Zusatzvereinbarung für Grossbetriebe geeinigt haben. Das ist ein gutes Signal für die Deutschschweizer Buchbranche und ein klares Zeichen dafür, dass die Orell Füssli Thalia AG auf gute Arbeitsbedingungen und qualifizierte Mitarbeitende setzt und sich zum Standort Schweiz bekennt.»
Ende Januar sind die Orell Füssli Thalia AG (OFT) und syndicom zur Einigung gelangt. Die MitarbeiterInnenvertretung bei OFT und der Buchhändlerund Verleger-Verband (SBVV) hiessen das Verhandlungsresultat gut. Damit werden rund 900 MitarbeiterInnen von OFT dem Gesamtarbeitsvertrag für den deutschsprachigen Buchhandel unterstellt. Danièle Lenzin
Alle wollten den GAV ... Im Sommer reagierte der Verwaltungsrat von OFT und erklärte sich gegenüber Personal und Medien grundsätzlich einverstanden mit einem GAV. Die Frage sei nur, wie dieser GAV ausgestaltet werde. Damit war der Weg frei für Verhandlungen. Die Paritätische Kommission aus SBVV und syndicom traf sich mit OFT, und man einigte sich auf den Vorschlag von syndicom, nicht den
GAV zu verhandeln, sondern nur die Zusatzvereinbarungen für Grossbetriebe. Diese GAV-Zusätze ermöglichen Speziallösungen im Einvernehmen mit der Personalvertretung, da die Bedürfnisse der grossen sich zum Teil von denen kleiner Buchhandlungen unterscheiden. © Bor ys Liecht i
Im März 2013 gaben Thalia Schweiz AG und Orell Füssli Buchhandels AG bekannt, dass sie zusammengehen wollten. Nicht nur die Branche, auch die rund 1000 MitarbeiterInnen beider Unternehmen waren total überrascht. Nach dem ersten Schock wurden die Angestellten aktiv. Auch syndicom wusste sofort: das gibt Arbeit – und birgt eine grosse Chance. Denn während Orell Füssli seit Jahrzehnten Mitglied des Schweizer Buchhändler- und Verleger-Verbands war und den Gesamtarbeitsvertrag einhielt, hatte sich Thalia seit Jahren gegen einen GAV gesträubt. Damit war unklar, ob sich das neue Unternehmen zur Sozialpartnerschaft bekennen würde. Diese Verunsicherung teilte der SBVV: Sollte das grösste Buchhandelsunternehmen nicht Verbandsmitglied werden, hätte dies den SBVV enorm geschwächt.
Sie haben die Verhandlungen zu Ende gebracht · Links Tristan Pfaffen, Mitglied im Branchenvorstand Buch und Medienhandel sowie Mitglied der Paritätischen Kommission SBVV/syndicom, und Danièle Lenzin, Ex-Co-Präsidentin syndicom und Ex-Mitglied der Paritätischen Kommission SBVV/syndicom. Lenzin führte die Verhandlungen im Auftrag der GL syndicom zu Ende. Mitte Dani Landolf, Geschäftsführer SBVV, rechts Barbara Valenta Lüscher, Leiterin Personal, und Michele Bomio, Geschäftsführer Orell Füssli Thalia AG.
Verhandlungsresultat im Überblick Geltungsbereich des GAV: Der Geltungsbereich wird ausgeweitet auf das Kassenpersonal, das Personal, das in der Logistik beschäftigt ist, und auf die gelernten PapeteristInnen der Papeterie-Abteilungen. Zudem werden auch die Lernenden verbindlich dem GAV unterstellt und ihre Löhne werden festgelegt. Arbeitszeit: Neu kann die wöchentliche Arbeitszeit bei der Einführung der Jahresarbeitszeit auf maximal 41 Stunden erhöht werden. Bei einer höheren Wochenarbeitszeit als den vom GAV vorgesehenen 40 Stunden wird diese durch drei zusätzliche Ferientage sowie höhere Mindestlöhne (plus 30 Franken) abgegolten. Löhne: Neben den jährlichen Lohnverhandlungen zwischen Betrieb und MAV kann neu ein Lohnbandbreiten-Modell eingeführt werden, das die kontinuierliche Lohnentwicklung sicherstellt. Wenn sich GL und MAV über die Höhe der Lohnbandbreiten einig sind, kann das Mindestgehalt im 4. Praxisjahr aufgehoben werden.
... aber nicht zum gleichen Preis syndicom wusste, welche Regelungen OFT verändern wollte. Orell Füssli hatte bereits 2012 gefordert, dass die wöchentliche Arbeitszeit verlängert und das Mindestgehalt im 4. Praxisjahr abgeschafft werde. syndicom hatte das abgelehnt, weil einerseits Orell Füssli mit einer Arbeitszeit von 38,5 Stunden den GAV (40 Stunden) nicht ausschöpfte und anderseits nur das Mindestgehalt im 4. Praxisjahr den notwendigen Lohnanstieg garantiert. Deshalb wollte Thalia dem GAV nicht beitreten: Thalia zahlte das Mindestgehalt nicht, weil es die Lohnsumme substanziell erhöht hätte.
Guter Kompromiss für ... Trotz Bedenken von syndicom, die wöchentliche Arbeitszeit zu erhöhen, die aktuell in beiden Unternehmen bei 38,5 Stunden liegt, bestand OFT auf diesem Punkt. Deshalb gibt es nun die
Orell Füssli Thalia
... die Harmonisierung Die MitarbeiterInnenvertretung (MAV) hat an ihrer ersten Sitzung die Zusatzvereinbarungen geprüft und mit der GL eine Vereinbarung unterzeichnet, dass sie auf dieser Grundlage die Diskussion über die künftigen Anstellungsbedingungen aufnehmen wird. Mit ihrer Zustimmung hat sie das Ja zum GAV von OFT ermöglicht. In den kommenden Monaten wird die KernMAV im Dialog mit der GL die Anstellungsbedingungen festlegen, und auf 1. Januar 2015 wird der GAV umgesetzt.
Danièle Lenzin, Ex-Co-Präsidentin syndicom
Kommentar hat die neue MAV ihr Ziel in kurzer Zeit erreicht: Sie hat gute Richtlinien verhandelt und ist ab Februar startklar. (dl) Schliesst Orell Füssli in Winterthur? Orell Füssli und Thalia haben fusioniert, und an den meisten Standorten ergänzen sie sich. Wo OF ist, gibt es keine Thalia – und umgekehrt. Nur in der Markt gasse in Winterthur lagen OF und Thalia in unmittelbarer Nachbarschaft. Wie die Geschäftsleitung am 14. Januar unerwartet mitteilte, will sie die «grosse» Filiale von OF auf Ende September 2014 schliessen. Begründet wird dies unter anderem mit geringer Rendite. Den 32 Angestellten sollen Stellen in anderen Filialen angeboten werden. Die MitarbeiterInnen kämpfen nun um den Erhalt «ihrer» Filiale. «Wir werden der Geschäftsleitung ein Projekt vorlegen, mit dem unsere Filiale langfristig erfolgreich weitergeführt werden kann», erläuterte Thomas Walker, Mitglied der MitarbeiterInnenvertretung. «Unser Projekt zeigt einen Weg, der zudem nicht die Thalia-Filiale tangiert. Wir wollen den schwarzen Peter nicht an unsere Kolleginnen und Kollegen abschieben.» syndicom unterstützt die BuchhändlerInnen dabei. Martin Bühler, Regionalsekretär
© Margareta Sommer
Neue Personalvertretung startklar Bereits im letzten Frühsommer trafen sich die drei Personalkommissionen von Thalia und die MitarbeiterInnenvertretung (MAV) Orell Füssli zum ersten Mal. Sie bildeten einen gemeinsamen Ausschuss, um die Interessen der MitarbeiterInnen beider Unternehmen zu bündeln. Der Ausschuss verhandelte in der Folge mit der Geschäftsleitung Orell Füssli Thalia die neuen Richtlinien für die Mitwirkung. Die Verhandlungen verliefen gut, auf der Grundlage der Richtlinien für die MAV Orell Füssli. Kernstück der neu entwickelten Richtlinien: Die MitarbeiterInnenvertretung ist zweistufig aufgebaut. Sie besteht aus 24 StandortvertreterInnen, die jeweils eine oder mehrere Filialen vertreten. Aus diesen StandortvertreterInnen wird die fünfköpfige Kern-MAV gewählt. Die Mitglieder der Kern-MAV haben je 2 Prozent ihrer Arbeitszeit für die Aufgaben der MAV zur Verfügung und sind die Ansprechgruppe der Geschäftsleitung. Nachdem die Mitglieder des Ausschusses in den letzten Monaten die Thalia-Filialen besucht und die Aufgaben und Kompetenzen der neuen MAV vorgestellt haben, konnten im Dezember die Wahlen eingeleitet werden. Am 31. Januar fand die erste Vollversammlung statt, die auch die fünfköpfige Kern-MAV gewählt hat. Damit
Möglichkeit, die Wochenarbeitszeit bis auf maximal 41 Stunden zu erhöhen. Im Gegenzug erhalten die Beschäftigten drei zusätzliche Ferientage und eine Erhöhung der Mindestgehälter (s. Kasten Mitte). Das Mindestgehalt im 4. Praxisjahr kann aufgehoben werden, wenn ein Lohnbandbreitenmodell eingeführt wird. Zudem enthält das Verhandlungsresultat wichtige Ausweitungen des Geltungsbereichs, die auch Gruppen erfassen, die vorher keine Mindestlöhne kannten und – wie die Lernenden – nur unverbindlich oder gar nicht geschützt waren.
Gesamtarbeitsvertrag entscheidend gestärkt
Mit dem GAV für das neue Buchhandelsunternehmen Orell Füssli Thalia AG endet für syndicom ein längeres Seilziehen mit Erfolg. Bereits die Vorgängerorganisation comedia versuchte zusammen mit den Personalkommissionen die Thalia Schweiz AG für den GAV zu gewinnen, vergeblich. Mit der Fusion hat sich nun die Personalpolitik von Orell Füssli durchgesetzt. Damit werden sich die Anstellungsbedingungen der rund 600 ehemaligen Thalia-Angestellten – endlich - verbessern. Mit der Unterstellung von OFT wird der Gesamtarbeitsvertrag des deutschsprachigen Buchhandels auch als Ganzes gestärkt. Neben OFT und dem zweitgrössten Buchhandelsunternehmen Lüthy Balmer Stocker in Solothurn sind auch die meisten kleinen Buchhandlungen Mitglied des Schweizer Buchhändler- und Verleger-Verbands. Damit gilt der Gesamtarbeitsvertrag jetzt mit wenigen Ausnahmen für alle Buchhandelsangestellten. Das ist auch dringend notwendig: Die Digitalisierung – Online-Buchhandel und E-Book – verändert die Branche grundlegend. Umso wichtiger sind Mindestlöhne und verbindliche Anstellungsbedingungen. Nur so kann verhindert werden, dass der Konkurrenzkampf auf dem Rücken der Angestellten ausgetragen wird. Danièle Lenzin