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Gut trainieren ist besser
from SWISS GOLF 03-22 DE
by swissgolf.ch
Hohe Erwartungen helfen nicht immer. Mit einigen Tipps fürs bewusste Trainieren kommen Sie besser durch die Hochsaison der Turniere.
EMILIE BRUCHEZ*
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«Ich spiele seit meiner frühesten Kindheit Golf und habe meine Leidenschaft für diesen Sport im Alter von etwa fünf Jahren entdeckt. Ich verbrachte viel Zeit allein auf der Driving Range und schlug Bälle mit meinem kleinen 7er McGregor-Eisen, das ein Freund meines Vaters aus der hintersten Ecke seiner Garage geholt hatte. Es war ein
Stahlschläger, der zumindest für meine Grösse geeignet war, da es damals sehr schwierig war, Ausrüstung für kleine Kinder zu finden. Zum Glück haben sich die Dinge geändert!
Da ich aus einer sportlichen Familie stamme, wurde ich schon bald Mitglied der Golfschule. Im Winter war ich im Skiclub. Schon in jungen Jahren nahm ich an meinen ersten Skiwettkämpfen teil. Daher war ich es schon früh gewohnt, zu trainieren, um noch besser und wettbewerbsfähiger zu werden.
Ich erlebte die Freude über Podiumsplatzierungen, aber auch die Frustration über schlechte Leistungen, die Angst, mein Umfeld zu enttäuschen, oder auch die Angst, mich anzustrengen, ohne dass es sich auszahlt... Das war damals nicht immer einfach, da der Aspekt der psychischen Gesundheit oder der Umgang mit Stress, der dadurch entstehen kann, noch nicht Teil der Betreuungsprogramme war.
Als Teenager besuchte ich die Skischulklasse, und ich hatte ein grosses Trainingspensum auf den Skiern. Gleichzeitig gehörte ich zu den jungen Spielerinnen im Kader meiner Region und wurde zu den Wintergolfkursen eingeladen. Mir wurde sehr schnell klar, dass ich mein Niveau halten musste, ohne mehr als zwei Monate lang einen Ball schlagen zu können.
Ich muss sagen, dass ich es trotz allem geschafft habe, meinen Platz im Team zu behalten. Meine Lösung bestand darin, die Qualität meines Trainings immer höher zu bewerten als die Quantität. Ausserdem waren der Spassfaktor und die Lust am Wettbewerb die treibenden Kräfte. Das definiert meine heutige Unterrichtsstruktur gut: ein Trainingsplan, angepasste Übungen, ein Videofeedback nach jeder Sitzung oder pädagogische Notizbücher, um auf einer guten Grundlage zu starten oder sich selbst richtig einzuschätzen.
«TRAINIEREN IST GUT ...
GUT TRAINIEREN IST BESSER!»
Für diesen Artikel habe ich eine kleine Umfrage unter meinen Schülern durchgeführt und sie gefragt, welches Thema sie interessieren könnte. Die meisten antworteten: Mentaltraining und Stressbewältigung. Ich muss zugeben, dass ich im ersten Moment ziemlich überrascht war, denn ich hatte mit dem traditionellen «Wie man den Slice beim Drive wegbringt» gerechnet.
Mir ist bewusst, dass viele Spieler von Selbstzweifeln geplagt werden, auch die besten Profis! Der Unterschied ist jedoch, dass die Spitzenspieler einen Trainingsplan mit kurz-, mittel- und langfristigen Zielen haben und die notwendigen Mittel einsetzen, um ihre Ziele zu erreichen. Oder wie es Tiger Woods formulierte: «No one is going to give it to you. You got to earn it, and that earning it, that's part of the fun.»
Der «Zaubertrank» bleibt also Arbeit und Training. Um Selbstvertrauen zu gewinnen, kann ich Ihnen leider kein magisches Rezept geben, aber wie ich es in meiner Jugend erlebt habe, müssen Sie Ihre Trainings strukturieren, um sie produktiver zu machen, und sie vor allem auf die Situationen beziehen, die Sie auf dem Golfplatz antreffen werden. Das Buch «Jeder Schlag muss ein Ziel haben» von Pia Nilsson & Lynn Marriot kann ich Ihnen nur empfehlen.
Schmaler Grat
Auf begleiteten Golfrunden stelle ich immer wieder fest, dass die Erwartungen der Spieler im Vergleich zu ihren tatsächlichen Fähigkeiten sehr hoch sind. Dies geschieht aus Mangel an Strategie oder weil sie den perfekten Schlag versuchen wollen.
Diese Feststellung mag etwas hart klingen, aber wenn man den emotionalen Fahrstuhl und die Achterbahnfahrt der Emotionen eindämmen will, muss man über den nächsten Schlag nachdenken, denn die Grenze zwischen einem perfekten und einem katastrophalen Schlag ist schmal. Der grosse Jack Nicklaus hat diese Strategie während seiner gesamten Karriere angewandt. Die Suche nach dem perfekten Schlag, der sich in einen katastrophalen Schlag verwandeln kann, ist eine «Alles oder nichts»-Strategie. Das bedeutet nicht, dass Sie immer auf Nummer sicher gehen sollten, aber ich halte es für sinnvoll, wenn Sie Ihre Fähigkeiten hinterfragen. Haben Sie diesen Schlag schon einmal im Training oder im Unterricht mit Ihrem Golflehrer versucht?
SICH SELBER BEWERTEN
Die nächste Frage, die sich aufdrängt: Haben Sie sich selbst schon in allen wichtigen Spielbereichen bewertet? Putten, Chippen, Bunker, Eisenschläge, Driver. Kennen Sie Ihre Stärken und Schwächen? Führen Sie Statistiken über Ihr Spiel? Haben Sie eine Aufwärmroutine? Sind Ihre Trainingseinheiten abwechslungsreich genug? All diese Fragen sollten Sie sich stellen, um dann mit Ihrem Pro einen Plan zu erstellen, der auf Ihre Bedürfnisse und Ziele zugeschnitten ist.
Wie oft haben Sie schon einen Spieler begrüsst und ihn gefragt, wie es ihm geht. Er oder sie hat dann spontan gesagt: «Ich kann nicht mehr spielen» oder «Ich höre mit dem Golfspielen auf», statt die Frage zu beantworten. Das ist schon ziemlich lustig, wenn man darüber nachdenkt. «Beim Golf kommt es nicht auf die Qualität der guten Schläge an, sondern auf die Qualität der schlechten Schläge», sagte Sir Nick Faldo, der Gewinner von sechs Majors. In meinen 30 Jahren als Golferin und mit der langen Erfahrung als Golflehrerin habe ich viel über mich selbst und die Menschen gelernt, über ihre Fähigkeiten, mit Emotionen umzugehen und Misserfolge zu akzeptieren. Wir sind alle verschieden und müssen Lösungen für unsere Probleme finden, aber eine Sache scheint mir grundlegend zu sein: Unser Geist kann wie ein Muskel trainiert werden, und er muss täglich trainiert werden. Positiv bleiben, geduldig sein und immer versuchen, das Beste zu geben, indem man sich seines Niveaus und seiner Ziele bewusst ist. Ich habe immer noch Freude daran, mich in diesem Spiel zu verbessern, welches mich in seinen Bann zieht und das ich liebe. Es hat mich Bescheidenheit, Hartnäckigkeit, Kreativität, Fairplay und tausend andere Werte gelehrt, die mich zu dem gemacht haben, was ich bin. Geben Sie sich selbst die Mittel, um der Golfer zu werden, der Sie sein möchten, und lassen Sie sich von Ihrem Lehrer und anderen kompetenten Personen begleiten. Vermeiden Sie es, auf die – wenn auch wohlmeinenden –Ratschläge Ihrer Golffreunde zu hören, die alle glauben, die Lösung oder den richtigen Tipp für Ihre schlechten Schläge zu haben. •

Konkrete Tipps
1. Bilanzieren Sie Ihre Fähigkeiten in allen Spielbereichen.
2. Definieren Sie Ihre Stärken und Schwächen.
3. Definieren Sie eine Trainings strategie: Qualität versus Quantität.
4. Jeder Schlag muss ein Trainingsziel haben, um Sinn zu machen.
5. Legen Sie Routinen fest, um sich unter Stress zu beruhigen.
6. Spielen Sie mit einem positiven Mindset. Golf ist nur ein Spiel.