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Wir sind Teil des Ganzen
from SWISS GOLF 03-22 DE
by swissgolf.ch
Mit dem Erhalt und der Förderung der Biodiversität punktet Golf in Sachen Nachhaltigkeit. Wie wertvoll Blumen- und Magerwiesen sind und vieles mehr erklärt die studierte Agronomin Alicia Moulin, Manager Nachhaltigkeit bei Swiss Golf.
INTERVIEW: MIRJAM FASSOLD
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Frau Moulin, warum ist der Erhalt der Biodiversität für uns Menschen so wichtig?
Alicia Moulin: Diese Frage gefällt mir nicht, denn die Natur – sprich die Biodiversität – ist das Fundament für das Leben auf unserer Erde. Der Mensch ist ein Teil der Natur und somit auch ein Teil der Biodiversität, es ist also in unserem ureigensten Interesse, eine hohe Vielfalt an Lebensräumen zu haben, um den Fortbestand möglichst vieler Arten zu sichern. Ich nenne an dieser Stelle gerne das Stichwort «Resilienz» – je höher die Biodiversität, umso besser stehen die Chancen, sich von einem Zwischenfall zu erholen. Vielfalt steht in der Natur für Sicherheit.
Welche Folgen hat der Rückgang der Biodiversität für uns Menschen?
Verschwinden massenhaft Lebensräume und Arten, gerät das ganze «System Erde» aus der Balance, es wird fragiler. Wichtige Ökosystemdienstleistungen wie zum Beispiel die Bestäubung von Obstbäumen durch Insekten oder auch der Puffereffekt der Wälder für das Klima sind dann nicht mehr gewährleistet.
Golfplätze schneiden in Sachen Biodiversität um etwa 60 Prozent besser ab als Landwirtschaftsflächen. Warum ist das so?
Das Schlüsselwort lautet «Struktur». Eine Landschaft mit viel Struktur ist komplex und bietet viele Lebensräume für unterschiedlichste Arten. Kurz gesagt: Das ist hohe Biodiversität! Ertragsorientierte Landwirtschaftsflächen aber enthalten wenig Strukturen –diese Flächen müssen möglichst effizient bewirtschaftet werden. Dabei stören Hecken, Moose und Bäume. Golf- und landwirtschaftliche Flächen lassen sich meiner Meinung nach aber nicht so einfach vergleichen, erfüllen sie doch sehr unterschiedliche Aufgaben. Wir sind uns bestimmt einig, dass die Grundversorgung mit Nahrung entsprechend gewichtet werden muss. Darum ist es auch aus Biodiversitätssicht sinnvoller, die beiden unterschiedlichen Landnutzungsformen als Ergänzung zu sehen und zu versuchen, durch Vernetzung der Lebensräume das Beste aus dieser «Nachbarschaft» von Landwirtschaft und Golfanlage zu schöpfen.
Die Förderung der Biodiversität durch die Schaffung und Vernetzung ökologischer Lebensräume zählt zu den Top 4 der ökoeffizientesten Massnahmen im Golfsport. Wird dies durch Swiss Golf nun gezielt gefördert?
Wir sind dabei, eine Arbeitsgruppe zu gründen, die einen entsprechenden Aktionsplan ausarbeiten wird, der bis 2030 umgesetzt werden soll. Im Sommer startet die Pilotphase eines Projekts, das wir gemeinsam mit IP-Suisse und der Vogelwarte Sempach durchführen und bei dem es darum geht, die Biodiversität auf Golfanlangen anhand eines Punktesystems zu messen. Weiter unterstützen wir den WWF Schweiz beim Projekt «Natur verbindet». So sollen mit verschiedenen Golfanlagen Charity-Turniere zugunsten des Projekts organisiert und verschiedene Biodiversitätsmassnahmen unterstützt werden. Das erste Turnier findet am 4. September in Meggen statt.
Verraten Sie uns Ihre Lieblingsblume?
In Schweizer Blumenwiesen sind alle Arten von Orchideen stets ein Highlight. Orchideen gibt es in unzähligen Farben und Formen, unterteilt in über 70 verschiedene Arten. Die gesamte Orchideen-Familie ist durch eine Bundesverordnung geschützt. Das heisst, man darf sie nur draussen in der Natur bewundern, aber nicht mit nach Hause nehmen und in eine Vase stellen. Besonders lustig finde ich die Bocks-Riemenzunge, man erkennt sie ganz einfach an ihrem Geruch – sie riecht wie ein Ziegenbock. (lacht)
Viele Golferinnen und Golfer haben zu Hause einen Garten. Wie können sie im Kleinen die Biodiversität fördern?
So, wie es die Greenkeeper auf dem Golfplatz machen. Grundsätzlich sind wir Schweizer zu sauber, wir räumen und schneiden permanent alles weg. Dabei kann man auch im eigenen Garten eine Blumenwiese ansäen, die ein- oder zweimal im Jahr gemäht wird. Wichtig ist allerdings die Wahl von einheimischen und standortgerechten Blumen- und Gräserarten. Ich plädiere für hohes Rough statt manikürter Greens in den Vorgärten!
EINE WELT, 17 GEMEINSAME ZIELE
Die 17 Sustainable Development Goals (kurz: SDG) der UNO sind auch unter dem Namen «Agenda 2030» bekannt. Nachhaltige Entwicklung weltweit orientiert sich an den 17 SDGs; diese sind zentraler Bestandteil der Strategie von Swiss Golf. Das Swiss Golf Magazin stellt die einzelnen UNO-Nachhaltigkeitsziele anhand praktischer Beispiele vor.
ZIEL 3: GESUNDHEIT UND WOHLERGEHEN
Passend zum Beitrag «Wir sind Teil des Ganzen» präsentieren wir in dieser Ausgabe das Nachhaltigkeitsziel Nummer 3, «Gesundheit und Wohlergehen». Die führende Umweltpsychologin Jenny Roe von der Universität Virginia (USA), erklärt, dass das Umfeld von Golfplätzen über viele wichtige Merkmale der Natur verfüge – inklusive Wasser, Biodiversität, räumliche Vielfalt und Licht –, die helfen würden, Stress zu reduzieren und die Ruhe zu fördern. Weil der Sport im Freien stattfinde, ermögliche Golf Entspannung und Stressabbau. Der Bund schreibt auf seiner Website dazu, dass damit «ein gesundes Leben für alle Menschen jeden Alters gewährleistet und ihr Wohlergehen gefördert werden soll». Unter anderem fällt das Stichwort «Prävention». Golf als körperliche Aktivität kann zur Vorbeugung und Behandlung von 40 grossen chronischen Krankheiten beitragen, darunter Diabetes, Herzinfarkt, Schlaganfall, Brust- und Darmkrebs, Depression und Demenz. Studien belegen, dass Golf Risikofaktoren für Schlaganfälle – namentlich Cholesterol und Bluthochdruck – reduziert. Golferinnen und Golfer leben im Durchschnitt fünf Jahre länger als Nicht-Golfer.
Wunderschön fürs Auge und am Duft zu erkennen: die Bocks-Riemenzunge, eine von über 70 Orchideenarten, die in der Schweiz vorkommen.
Foto: Michael Wiesner/waldzeit.ch