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TURIN: VIEL MEHR ALS FIAT

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Weiherhof

Weiherhof

Turin ist als Golf-Destination weitgehend unbekannt. Wer Italiens Top-Plätze sucht, sollte hier beginnen.

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Turin verwundert den Besucher – weil es eben nicht die Autostadt ist, die man erwartet, sondern ein charmanter Ort, an welchem der Glanz der Savoyer seine Spuren hinterlassen hat. Kombiniert mit zahlreichen Museen, neuen Märkten und dem üppigen grünen Hügelland ergibt sich ein Ziel, das auch ohne Golf seine Reize zeigt. Dazu locken aber vor allem auch fünf Top-Plätze, vier davon in einem ehemaligen Jagdgebiet.

Turin ist Agnelli

Da stehen sie, auf dem Parkplatz des Golfclubs von Turin: klein, rund, bunt, ein Fiat 500 neben dem anderen – und wir grübeln. Wie in aller Welt stopft man all seine GolfUtensilien in diesen kleinen Cinquecento? Für den Turiner Golfer stellt sich diese Frage nicht. Der Cinquecento ist Lebensgefühl und Lieblingsauto – zumindest als Zweitwagen. Turin ist Fiat, Turin ist Juventus und Turin ist Agnelli, weil der Clan der Agnellis in seiner norditalienischen Heimatstadt Fiat gegründet hat, seit 1923 den Fussballclub Juventus sponsert und dann auch vor exakt

50 Jahren den Golfclub Royal Park I Roveri ins Leben rief. Irgendwie gehört also alles zusammen. Eine Reise nach Turin fühlt sich deshalb vielleicht auch an wie ein Ausflug zu einem Familientreffen. Die Namen bleiben immer die gleichen, man taucht ein in dieses so typische italienische Geflecht von Freunden, Bekannten, Netzwerken – und fühlt sich sofort heimisch.

Molinari ist der nächste Name, der uns während dieser Reise immer wieder begegnet. Zweimal Molinari genaugenommen, weil es den einen Bruder Edoardo gibt, der eine erstklassige Molinari-Academy in Royal Park I Roveri betreibt. Und weil es Francesco gibt, der 2018 die British Open gewann und zusammen mit Edoardo im Golfclub Turin La Mandria aufwuchs, dessen Einfahrt fünf Minuten Fahrtzeit von Royal Park I Roveri entfernt liegt. Klingt kompliziert? Das ist es nicht, aber eben typisch italienisch. Und so tauchen wir für fünf Tage ein in das Golfzentrum Turin, das erfreulicherweise noch nicht zu jenen Standardzielen des Golftourismus gehört, an denen man oftmals vergeblich nach ein wenig Atmosphäre sucht.

Schlicht perfekt

Diese findet der Golfer hier mehr als reichlich, was schon damit zu tun hat, dass sich die beiden 36-Loch-Anlagen Royal Park I Roveri und La Mandria im Parco Regional La Mandria befinden, einst ein 3600 Hektar grosses Jagdgebiet der Savoyer, das diese mit einer 35 Kilometer langen Mauer umringten. Vier Championship-Kurse sind integriert in ein riesiges Landschaftsschutzgebiet, dessen einzige Gebäude historische Anwesen oder einige wenige Höfe oder Lagerhallen sind, die allesamt dem Unterhalt des Parks dienen.

Das Ergebnis ist Golf in perfekter Natur – und das in 1aQualität. Eine dermassen dichte Ansammlung von TopLayouts findet man in Italien ansonsten nicht. Robert Trent Jones Sr. baute in Royal Park einen seiner wenigen Plätze in Kontinentaleuropa, die mehrfach Schauplatz der Italian Open waren. Es ist ein schwieriger Kurs mit langen, aber schmalen Grüns, dazu mit vielen Wellen in ihrer Mitte. Zahllose kleine Wasserläufe ziehen sich durch das Gelände, oftmals unauffällig und gleichzeitig tückisch. Verloren ist der, der seine Schläge nicht vom Abschlag weg plant, weil die grossen Bäume rechts und links den Schlag ins Grün oftmals versperren, wenn der Drive nicht perfekt positioniert war.

Die 18 Löcher auf der anderen Seite des Geländes bilden einen deutlichen Kontrast. Der Kurs der Amerikaner Michael Hurdzan und Dana Fry erinnert an Amerika: Riesige, lang auslaufende Grüns mit zahlreichen Ondulierungen bilden den Endpunkt der 18 Löcher, die weniger eng wirken und sich mit etwas weniger Druck spielen lassen. Üppig sind die Wasserhindernisse aber auch hier, und weil die Grüns in perfektem Zustand und schön schnell sind, findet sich am Ende niemand, dem man die Schuld am eigenen Score geben könnte.

Zweiter Klassiker

Nur fünf Minuten weiter, in Turin La Mandria, wiederholt sich der Eindruck: Der Blu-Kurs wird von den Mitgliedern intern als der bessere der beiden Plätze gehandelt, aber gut ist auch der Giallo, respektive gelb. Es sind Klassiker ohne viel Schnickschnack oder Fehler. John

Golfen – das ist mehr, als einen kleinen weissen Ball von einem Abschlag aus mit möglichst wenigen Schlägen in ein fünfhundert Meter entferntes Loch zu befördern.

Ein wunderschönes Zimmer mit allem Komfort, ein bisschen schwimmen vor dem grandiosen Frühstück, dann raus aus dem Hotel und keine 25 Meter zum Tee 1, nach dem Spiel ein gepflegtes Weissbier, ein Stündchen Sauna und Massage und am Abend erlesene Speisen und hervorragende Weine.

Und das alles umrahmt von einer unwiderstehlich familiären Gastfreundschaft. Ja, das ist Golf! Wenn Sie das auch so sehen, kommen Sie doch einfach.

Morrison und Harry Colt legten die ersten Bahnen des Blu-Kurses 1956 an, der Kanadier Graham Cooke liess später ein Redesign folgen. Die Grüns sind seitdem gewellter und anspruchsvoller.

Die Runden hier fühlen sich an wie ein perfekter Ausflug in einen Park: schöne Ausblicke auf grosse Wasserhindernisse, Bahnen, die sich perfekt um alte Bäume ziehen, bewegte Grüns. Der Unterschied zwischen den beiden Plätzen ist bei weitem nicht so markant wie im Royal Park I Roveri, aber wer nach einem anspruchsvollen ParklandKurs in entspannender Umgebung sucht, ist hier richtig. Dabei wird man nur auf wenige andere Touristen treffen, schliesslich hat man in keinem der beiden Clubs ausländische Greenfee-Spieler jemals gross im Auge gehabt. In Turin La Mandria trifft sich seit der Entstehung des Platzes 1956 die Gesellschaft der Stadt, in Royal Park I Roveri ist der Turnierkalender auch jetzt noch voll mit üppigen Sponsorenturnieren. Ums Überleben muss keine der beiden Anlagen kämpfen, aber mit dem Marketing als «Golf Destination Turin» will man zumindest ein weiteres Geschäftsfeld aufmachen, nachdem man mit Blick auf die Region Mailand erkannt hat, wie begehrt Italien auch als Golf-Destination ist.

Biella La Betulle: Schön schwer

Zumal man mit dem Golfclub Biella La Betulle ein weiteres Aushängeschild in der Region hat. Noch ein John-Morrison-Design aus dem Jahr 1957, noch ein Parkland-Klassiker, der etwa eine Stunde entfernt von Turin in den Hügeln liegt. 18 Mal (!) wurde der Platz zum besten Italiens gewählt. Alljährlich beissen sich hier Europas Top-Junioren bei einem der bekanntesten Nachwuchsturniere Europas, der Italian International Under 16 Championship, die Zähne aus.

Dieser enge Platz mit seinen oftmals hängenden, vor allem aber blitzschnellen Grüns ist so gar nichts für den typischen jungen Wilden, der seinen Drive erst einmal planlos in die Gegend zündet. Der Platz von Biella ermittelt den Könner, gerade vom Abschlag muss der Ball angesichts der schmalen Fairways zwischen unzähligen Bäumen sein, und das richtige Gefühl für die komplizier- ten Grüns sollte man haben. Kein Wunder also, dass Rory McIlroy dort vor genau 15 Jahren die Europameisterschaften der Amateure gewonnen hat.

Man merkt, ein Ausflug nach Turin fordert auch die guten Golfer. Der Genuss aber ist auch bei schlechtem Spiel garantiert, weil sich auf diesen fünf Top-Plätzen neben wirklich grossartigem Golf und erstklassigem Übungsgelände eben auch das typische Italien finden lässt. Die selbstgebackenen Kekse in den Glasvitrinen der Clubhäuser, das Restaurant mit vielen regionalen Gerichten, die Sonnenterasse, auf der man auch schon im März gut sitzen kann. Zur Not auch etwas länger. •

Greenfees & Packages

Die Greenfees für Biella La Betulle, Royal Park I Roveri und Circolo Golf Torino beginnen bei 70 Euro und gehen am Wochenende im Fall von Royal Park I Roveri hoch bis auf 160 Euro pro Person. Insofern empfiehlt sich die Buchung eines Packages.

UNA Golf Hotel Cavaglia: Das Vier-Sterne-Hotel liegt direkt am Golfplatz und auf dem Weg von Turin nach Biella. Ein Fall für Golfer, die einen preisgünstigen Standort in einem unkomplizierten Hotel suchen. Drei Nächte mit zwei Greenfees in Biella und auf den Turinerplätzen sowie unlimited Golf in Cavaglia gibt es bereits für zirka 450 Euro. GC Biella: Unter www.golfhotellebetulle.it kann man Packages für das B&B direkt vor Ort anfragen. Die Terrassen sind zum 18. Grün ausgerichtet, der erste Abschlag liegt direkt vor der Tür – perfekt.

Circolo Golf Torino und Royal Park I Roveri: Für Fussballfans mit Golfleidenschaft empfiehlt sich die Buchung des J Hotels in Turin, das ebenfalls der Agnelli-Familie gehört und dessen oberstes Stockwerk unter anderem Fussballstar Ronaldo als Unterkunft dient, solange er in Turin seiner Arbeit im Stadion 900 Meter um die Ecke nachgeht. Das moderne Hotel mit 138 Zimmern liegt 2,5 Kilometer von den Golfplätzen entfernt.

Bei Buchung mindestens sieben Tage im Voraus kann man ein Ticket für ein Heimspiel von Juventus Turin mit erstehen. Das Package «All you can play» dürfte mit 179 Euro pro Person im Doppelzimmer unschlagbar sein, weil es neben zwei Nächten im Hotel auch noch eine Runde Golf in Royal Park I Roveri beinhaltet. Auf Anfrage können weitere Runden in Circolo Golf Torino und Royal Park I Roveri hinzugefügt werden.

Einziger Nachteil: Das J Hotel liegt im neuen Sport-Areal der Stadt Turin. Wer abends das Flair der Stadt mit ihren quirligen Fussgängerzonen und erstklassigen Restaurants geniessen will, muss auf das Auto oder Taxi ausweichen.

Unter www.torinogolfdestination.com können Packages individuell zusammengestellt werden.

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