5 minute read

«Es ist E in E nEgativspiralE »

Next Article
Nirwana

Nirwana

Boss E rt, Quirici und rE y E rinn E rn sich

Vor zwanzig Jahren haben André Bossert, Paolo Quirici und Steve Rey auf der PGA European Tour gespielt und zur Elite des europäischen Golfs gehört. Daher sind sie in der Lage, die Entwicklung dieses Sports zu beurteilen und zu erklären, warum ihre Nachfolger zurzeit eine solch schwierige Zeit erleben.

Advertisement

Jacques Houriet

Das Schweizer Profi-Golf hat sich verändert. In den vergangenen zwanzig Jahren hat er sich den internationalen Anforderungen angepasst und verlangt inzwischen von seinen Vertretern mehr Engagement und Intensität in der Vorbereitung. Diesen Eindruck gewinnt man jedenfalls nach Befragung der drei Profis, deren beste Zeiten die 90er Jahre waren. Auch wenn heute die Bemühungen zielgerichteter sind und stärker unterstützt werden als in der Vergangenheit, hat dies doch nicht zu greifbaren Resultaten geführt. Man kann sogar sagen, dass sich die Schweizer Profis im Moment in einer äusserst fruchtlosen Phase befinden, wobei alle hoffen, dass diese mit der Qualifying School am Schluss der Saison beendet sein wird. Um besser verstehen zu können, was mit unseren Profis los ist, haben sich André Bossert, Paolo Quirici und Steve Rey bereit erklärt, sich zu ihrer Blütezeit in den 90er Jahren zu äussern: was hat sich verändert auf dem golfplatz in den vergangenen Jahren?

André Bossert: Meiner Meinung nach geht es im Moment in erster Linie ums Material, vor allem die Bälle, welche heute gerader fliegen. Golf ist zu einem Powerplay geworden. Der Abstand zwischen einem kurzen und einem langen Spieler betrug vor zwanzig Jahren 25 Meter. Heute liegt diese Differenz bei 45 Metern, was zeigt, dass der technische Fortschritt vor allem den Big Hitters zugute kommt. Logischerweise sind so die Plätze verlängert worden. In den 90er Jahren war ein Loch von 400 Yard eine lange Bahn. Vor kurzem habe ich einen Parcours gespielt, dessen kürzester Par vier noch 395 Yard lang war. Die Anzahl der Spieler ist heute grösser, sie sind wettbewerbsfähiger und besser trainiert. Der Tiger-Woods-Effekt ist unübersehbar, nicht nur, weil das Spiel an Popularität gewonnen und mehr Show Business mit sich gebracht hat, sondern vor allem wegen der sportlichen Vorbereitung der Golfer. Diese jungen Profis sind besser vorbereitet, als wir es damals waren.

Paolo Quirici: Das Durchschnittsalter der Golfer ist stark gesunken und sie sind sehr gut vorbereitet auf die Anforderungen der Tour. Ich stelle fest, dass viele Länder viel Arbeit geleistet haben bei der Suche nach jungen Talenten und bei deren technischen und sportlichen Ausbildung. Meiner Meinung nach befindet sich die Schweiz im Vergleich dazu im Verzug. Man hat eben erst begonnen, auf vergleichbare Weise vorzugehen. Das ist sicher positiv, aber man muss viel Geduld aufbringen, bis man die Früchte dieser Investitionen ernten kann. Bei uns ist das Schulsystem nicht angepasst an die Anforderungen des Spitzensports. Unsere Mentalität ist einer sportlichen Karriere nicht förderlich. Die Rechnung ist einfach: Um sich gut vorbereiten zu können, muss ein junger Sportler 25 Stunden pro Woche trainieren. Mit unserem Schulsystem ist dies nicht möglich. Man muss einfach sagen, dass unsere Nachbarn in dieser Hinsicht besser strukturiert sind.

Steve Rey: Es hat nicht nur mehr Spieler, auch das Niveau hat sich unglaublich gesteigert. Erst vor kurzem konnte ich dies bei der ersten Etappe der europäischen Qualifying-School feststellen. Zu unserer Zeit war das Niveau mittelmässig, heute hingegen schon sehr stark. Nicht zu vergessen ist, dass nur 25 Plätze zur Verfügung stehen für die European Tour im nächsten Jahr. Das Material wird immer leistungsfähiger und die Spieler sind immer besser vorbereitet. Die Amateure von heute sind schon Halb-Profis! Die Saisons sind auch viel intensiver, die Spieler sind das ganze Jahr über engagiert. Da die Anforderungen so hoch sind, muss man in jeder Beziehung professionell vorgehen: körperliche und technische Vorbereitung, Umgebung, Trainingskonditionen etc. Die Schweiz ist die «arme Verwandte» im europäischen Golfsport… warum hat es heute nicht mehr schweizer auf der europäischen tour?

André Bossert: Es ist eine Frage der Anzahl Spieler. Alle uns umgebenden Länder verfügen über mehr Profispieler. Auch konnte ich einen Fortschritt feststellen bei unseren Nachbarn in Bezug auf Strukturen, Vorbereitung sowie Unterstützung. In Österreich zum Beispiel hat man vor sieben Jahren ein beeindruckendes Programm zur Unterstützung der Profis lanciert, das heute Früchte trägt, indem das Land mehrere Vertreter bei der PGA European Tour hat. In der Schweiz ist während beinahe 15 Jahren gar nichts getan worden!

Paolo Quirici: Ich sehe die Schwierigkeiten, die die Jungen zwischen 15 und 18 Jahren durchmachen. Das Schweizer Niveau ist sehr mittelmässig in dieser Altersklasse und es hat zu wenig Spieler. Ich glaube auch, dass sich die Motivation bei den Jugendlichen verändert hat. Im Vergleich mit der Konkurrenz sind sie nicht genügend engagiert. Sie sind in einem Alter, in welchem sie losstürmen und sich einbringen müssen. In struktureller Hinsicht müsste man die regionalen Strategien überdenken: Die guten Spieler müssten systematisch miteinander trainieren können, unabhängig davon, wo wohnen. Die Franzosen haben eine sehr gute Dynamik, sie helfen einander und spielen immer in der Gruppe. So etwas sehe ich bei uns nicht.

Steve Rey: Es hat nicht genügend Nachwuchs. Leider gibt es gute Golfer, die auf minderwertigen Touren «dahinvegetieren», und ich weiss, wie zermürbend es ist, wenn sich der Erfolg und die Resultate nicht einstellen. Niemand in der Schweiz hat es geschafft, eine Führungsrolle einzunehmen und damit motivierend auf andere Spieler zu wirken. Es ist eine Negativspirale. was kann man tun, damit sich dies ändert?

André Bossert: Ich glaube, man muss einfach geduldig sein. Das kommt schon, aber erst in mindestens drei Jahren; die Zeichen sind positiv.

Paolo Quirici: Wir haben genügend gute Spieler, aber sie sind zu stark isoliert. Am Anfang meiner Karriere hatte ich die Möglichkeit, in Italien zu trainieren. Ich gewann die internationalen Amateurmeisterschaften von Italien und wurde von erfahrenen Spielern wie Costantino Rocca zu Trainingspartien eingeladen. Es war sehr motivierend, unter solchen Bedingungen trainieren zu können. Ich würde aber auch sagen, dass die Jungen mehr Leidenschaft aufbringen müssen für den Golfsport. Es ist dieser grosse Wunsch, der den Erfolg bringen kann.

Steve Rey: Bei den Amateuren muss man die Dinge sehr früh an die Hand nehmen. Die Quantität sowie die Qualität des Trainings bestimmen den Erfolg. Eine Studie hat gezeigt, dass in einem Zeitraum von zehn Jahren 10 000 Trainingsstunden geleistet werden müssen, wenn man zur Elite gehören will, in welcher Sportart auch immer. Verlorene Zeit kann man nicht einholen – früher vielleicht eher, aber heute nicht mehr. Das Bestreben muss also wirklich gross sein! Man muss Leidenschaft zeigen und einen unglaublichen Hunger. Viele Turniere spielen –was übrigens viel Geld kostet –, sich an verschiedenen Tour Schools beteiligen, planen, auf anderen Turnierserien als nur in Europa spielen, zum Beispiel in Kanada oder in Asien, die guten Parcours und gute Trainingsbedingungen suchen. Ausserdem muss man in sich verschie- dene menschliche Fähigkeiten vereinigen. Diejenigen, die man sofort sieht, sind das technische Talent. Unverzichtbare Voraussetzungen für den Erfolg sind aber auch die mentale Stärke, die Fähigkeit zur Anpassung beim Reisen sowie zum Ertragen der Strapazen. Die Anforderungen sind also hoch! waren sie begabter als die Jungen von heute?

André Bossert: Nein, gar nicht! Übrigens ist es sehr schwierig, Talent zu definieren sowie zu quantifizieren. Das Schlagen des Balles macht nur etwa 10 Prozent des Spiels aus

Paolo Quirici: Ganz sicher nicht! Wir waren zerstreut und ablenkbar, aber vielleicht etwas weniger als heute. Ich würde sagen, dass die heutige Kommunikationstechnologie viel Raum einnimmt und die Jungen ihr zu viel Zeit opfern. Wir waren vielleicht etwas konzentrierter. Heute sind die Jungen desillusioniert, weil schon lange kein Schweizer mehr an der Spitze des europäischen Golfs gestanden hat. Ich denke, André, Steve und ich hatten das Glück, Jan Blomqvist zu begegnen. Dieser schwedische Trainer hat in den 90er Jahren einen gewaltigen Fusstritt in den «Ameisenhaufen» gegeben. Er war wie ein Motor für unseren Erfolg, weil er uns half, die anderen Spieler als normale, also besiegbare Personen wahrzunehmen. Darum glaube ich, dass man die Jungen motivieren, antreiben und ermutigen muss. Jan hatte ein Talent dazu!

Steve Rey: Nein, begabter sicher nicht. Ich stelle mir hingegen Fragen zur Motivation der Jungen von heute: Sind sie ebenso bestrebt, erfolgreich zu sein, wie wir damals? Es handelt sich dabei um eine kulturelle Frage, die sich nicht auf die Schweiz beschränkt.

This article is from: