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DIE LPGA-TOUR UND IHR «ASIEN»PROBLEM

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VORSCHAU

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Die Flut asiatischer Berufsspielerinnen stellt die Verantwortlichen der mächtigen LPGA-Tour immer mehr vor ein ImageProblem – denn keiner kennt die derzeit besten Golferinnen der Welt.

Sie spielen nicht nur Golf, Sie interessieren sich auch für das, was sich an der Spitze des Golfsports abspielt? Hand aufs Herz: Was sagen Ihnen die Namen Yani Tseng, Jiyai Shin, Na Yeon Choi, Sun Ju Ahn oder I.K.Kim? Nun, reden wir nicht lange um den heissen Brei herum. Die fünf Damen stammen aus Taiwan beziehungsweise Südkorea und gehören zu den besten sieben Golfspielerinnen der Welt. Sie treten an zu Turnieren der amerikanischen Tour der Ladies Professional Golf Association (LPGA). Und damit gelangen wir auch bereits zum Problem dieser Organisation. Nicht nur an der Spitze der Weltrangliste gehaltenen Angaben zur Person an, der Vater (oder die Eltern) hätten den entscheidenden Ein uss auf die Entwicklung zur Golfspielerin und ihre Karriere genommen. Kein Wunder, dass ihre Geschichten und Werdegänge verblü ende Kongruenz aufweisen, obwohl sie sich optisch bei genauerem Hinsehen durchaus voneinander unterscheiden. Individualität lässt sich diesen Damen jedoch (zumindest durch ein amerikanisches oder europäisches Publikum) kaum zuordnen. Welche ist momentan die Nummer 1? Welche hat unlängst dieses oder jenes Turnier gewonnen? Ratloses Schulterzucken. Als Folge erscheinen derzeit vornehmlich Namen asiatischer Berufsspielerinnen. In den Top 100 waren zur Osterzeit 36 Koreanerinnen, 23 Japanerinnen und 3 Taiwanchinesinnen aufgeführt. 62 Prozent der besten Berufsspielerinnen auf der US-Tour stammen also aus dem asiatischen Raum, Tendenz steigend, zumal die Szene in absehbarer Zeit auch noch durch Chinesinnen «angereichert» werden dür e.

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Alle diese Ladys verstehen ausgezeichnet mit Clubs und Kleinstball umzugehen, aber ausserhalb Asiens werden diese Frauen als Individualistinnen etwa so wahrgenommen wie einzelne Soldaten beim Paradeaufmarsch eines Infanterieregiments. Diese Damen scheinen nicht zu leben auf dem Platz, Spielfreude ist kaum zu erkennen, ebenso wenig sichtbare Frustration misslungene Schläge.

Das Vorgehen zum

Vorrücken an die Weltspitze ist nach dem stets gleichen Muster gestrickt: Analyse der Spielweise der Besten, diese einprägen und kopieren. Und dann repetieren bis zum Umfallen. Das alles mit eiserner Trainingsdisziplin. Die Runden werden abgespult, nicht etwa zum Vergnügen, aus Lust am ra nierten Ballspiel, sondern ernstha , verbissen, stur, möglichst nahe an der Perfektion und als Resultat harter Arbeit. Zu dieser werden sie unablässig angetrieben, zumeist von einem Vater, der realisiert hat, dass eine Spitzenspielerin auf der LPGA-Tour Millionen von Dollar sche eln kann, warum also nicht auch das eigene Fräulein Tochter. Zu 95 Prozent geben denn die koreanischen (weniger die japanischen) Proetten in ihren ausnahmslos kurz davon fehlt auch jegliches Identi kationspotenzial. Wiederum als Konsequenz daraus schrump das Interesse an der Szene.

Einst war in einem amerikanischen Magazin die Rede davon, die Asiatinnen würden mit ihrem De zit an Emotionen, der Gleichförmigkeit und wegen ihres Hangs, sich der englischen Sprache nur ungenügend gewandt und zu wenig häu g zu bedienen, die US-Tour töten. Empörung stellte sich postwendend ein, vornehmlich aus Kreisen mit asiatischem Migrationshintergrund. Die Äusserung wurde als rassistisch und infam apostrophiert. Wirkung zeitigte sie gleichwohl. Als positive Reaktion auf die publik gewordene Befürchtung von Interesseverlust der LPGA-Tour bemühte sich die Organisation, Asiatinnen besser in die Tour zu integrieren. Bemühungen, diese Spielerinnen davon zu überzeugen, dass es für sie nützlich sei, wenn sie kulturelle ren überwänden, mehr Emotionen investieren und ihre Persönlichkeit individuell markanter entwickeln würden, fruchteten zumindest teilweise. Sie dienten dazu, bessere Beziehungen zu scha en unter den Spielerinnen, sich dem Publikum zu ö nen und besseren Zugang zu den Sponsorvertretern zu nden. Die Förderung von PR-Akti- vitäten seitens asiatischer Spielerinnen scha e Goodwill. Sie demonstrierte den guten Willen, der Tour, der sie ihren Wohlstand zu verdanken haben, auch etwas zurückgeben zu wollen. In den USA stieg die Akzeptanz asiatischer Professionals nicht zuletzt auch dank der koreanisch-amerikanischen Spitzenspielerin Michelle Wie aus Honolulu. Schon im Alter von 14 Jahren hatte die heute 21-jährige Hawaiianerin aufgrund ihres Ausnahmetalents Aufsehen erregt. Auch wegen ihres unrealistischen Drangs, sich schon im zarten Teenageralter auf der Männertour Achtung verscha en und an PGA-Turnieren den Cut scha en zu wollen, was zumeist kläglich missglückte, wie beispielsweise 2006 in CransMontana, wo sie den letzten Platz belegte. Vergleichbare Probleme kennt die Ladies European Tour (LET) nicht. Zwar ist Suzann Pettersen die einzige in den Top Ten der Weltrangliste vertretene europäische Proette, zudem spielt sie zumeist auf der weit höher dotierten LPGATour, aber eine Flut von Spielerinnen aus dem asiatischen Raum überschwemmt die LET (noch) nicht. In Europa sind bekannte, weil charismatische Spielerinnen willkommen und werden auch als Persönlichkeiten wahrgenommen. Auch wenn ihre Klassierungen in der Weltrangliste vergleichsweise schlecht sind, geniessen etwa die Engländerin Laura Davies oder die Schwedin Helen Alfredsson, beide frühere Spitzenspielerinnen, oder aber junge Athletinnen wie die Britin Melissa Reid, die Norwegerin Marianne Skarpnord oder die Russin Maria Verchenowa einen vergleichsweise hohen Beachtungsgrad. Und sie gleichen sich auch auf den ersten Blick nicht wie ein Ei dem anderen.

Urs Osterwalder ist langjähriger Golfexperte der «Neue Zürcher Zeitung» und Kenner par excellence der internationalen Golfgrössen.

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