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Die Links – der heilige Gral

Jedes Jahr findet das British Open auf einem der neun Golfplätze, welche sich gegenwärtig in der «Open Rota» befinden, statt; und immer ist es ein Links Course. Das ist die ursprüngliche Form des Golfspiels, so, wie es die Old Tom Morris und Willie Park vor bald 150 Jahren gespielt haben. In Wind und Regen, zwischen Dünen und Ginster, mit Rabbits und Schafen, auf dem Golfplatz der Natur. Noch heute begeistert das Links Golf jeden wirklichen Liebhaber des Spiels. Auch wenn hier Gelingen und Ungerechtigkeit so nahe beieinander liegen wie nirgendwo sonst auf einem Golfplatz...

Nicht einmal der beste aller Golfschläge ist in Sicherheit vor einem zufälligen Kicken nach links oder rechts ins Gebüsch. In den Links, da lernt man, geduldig zu sein. «Links», das ist ein Wort, welches in Schottland schon von Alters her für den Streifen Land zwischen Meer und Festland gebraucht wurde. In diesen verlassenen, unfruchtbaren Zonen mit einem viel zu salzigen Boden wachsen vor allem struppige Büsche und hartes Gras, das immerhin den Schafen bekömmlich ist. Die abgeweideten Matten eigneten sich denn auch hervorragend zum Golfspielen – Jahrhunderte vor der Erfindung von motorisierten Mähmaschinen.

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Das Meer, der Wind, der Sand, die Dünen und der Regen: das waren die Architekten, welche die ersten Golfplätze gestalteten, mit all den natürlichen Ondulierungen und den harten Kräutern. Auf dem festen (weil sandigen) Boden ist es sehr angenehm zu marschieren; der Ball kann gut gespielt werden und rollt, und er verschwindet auch kaum in Wasserlachen oder Schlammlöchern, weil das Wasser hier rasch versickert. Das Gras ist nicht nur struppig, sondern auch spärlich, und Sand für Bunker gibt es im Überfluss.

Die ersten Golfplätze hatten selbstverständlich keine vom Menschen eingebrachten Design-Elemente; man zog Kreise auf den flacheren Partien, und das waren die Greens. Der Abschlag des nächsten Holes war eigentlich eine Ecke dieses Greens – die Einheit von Green und Abschlag ist noch heute auf dem Old Course in St. Andrews ein typisches Merkmal.

Natur als GolfplatzDesigner

Aus heutiger Sicht ist es nicht so einfach zu sagen, wann das aktive Gestalten der Golfplätze in Mode gekommen ist. Sicher ist, dass der legendäre Old Tom Morris bereits Mitte des 19. Jahrhunderts erstmals in das Layout des Old Course in St. Andrews eingriff. Er war Golfpro und Greenkeeper in St. Andrews und wurde nach seinen ersten Experimenten von zahlreichen anderen Städten in Schottland gerufen, um auch deren Golfplätze aufzuwerten.

Die ersten wirklich renommierten Namen tauchten um die Jahrhundertwende mit Donald Ross und Alister Mackenzie auf. Jetzt wurde auch begonnen, gewisse Prinzipien und

Standardisierungen anzuwenden; gerade Mackenzie reiste viel, bis nach Australien oder Kalifornien, was zu einer raschen Verbreitung seiner Ideen führte. Längst sind indessen seine Plätze nicht alles Links Courses, aber die an den Küsten gewonnenen Erkenntnisse begannen bald auch in den Parkland-Kursen aufzuscheinen. Wer glaubt, auf den «nackten» Flächen hinter den Dünen sei das Golfspiel einfach, der irrt sich gewaltig. Zwar kommen da kaum Bäume ins Spiel, weil auf dem salzhaltigen Boden kaum welche gedeihen; und auch die Wasserhindernisse sehen anders aus – meistens sind es schmale Wasserläufe, die aber meistens genau am richtigen Ort liegen. Man nennt sie «Burns»: die berühmtesten sind wohl der Swilcan Burn in St. Andrews und der Barry Burn in Carnoustie. Sie winden sich durch einige Holes des Platzes – und zahlreiche Golfer haben darin ihre Illusionen gewassert!

Die einzigen richtigen Hindernisse sind die Bunker; dabei zeigen auf den Links-Plätzen viele Bunker die klassische Form des «Pot Bunkers», ein tiefes, kleines und oftmals kreisrundes Loch im Fairway oder beim Green, aus welchem es je nach Lage sehr schwierig sein kann, den Ball schon nur zurück aufs Gras zu bringen. Ein langer Schlag zum Green ist in vielen Fällen buchstäblich unmöglich. Teuflisch wird die Geschichte, weil das Gelände um diese Pot Bunker herum wie ein grosser Trichter geformt ist, so dass die Bälle auch hineinrollen, wenn sie ein paar Meter entfernt landen und der Spieler schon aufgeatmet hat. Manchmal muss man seitwärts oder gar rückwärts rausspielen! Puristen sagen, solche Bunker seien wirkliche Hindernisse, weil es unweigerlich den Verlust mindestens eines Schlages bedeute, wenn man hineingerate.

Bäume, wie gesagt, spielen in den Links keine Rolle; Büsche aber schon. Der Ginster, den man in Schottland «Gorse» nennt, ist allgegenwärtig. Seine Äste sind hart, oft mit Dornen besetzt; es ist schon sinnlos, hier einen Ball schon nur zu suchen, aber erst recht unmöglich, diesen herauszuspielen.

Das himmlische Kind…

Der Wind, sagt man, ist himmlisch, aber auf einem Links Course ist er das grösste Hindernis, das bis zu einem guten Score überwunden wer- den muss. Und zwar immer wieder. Hat man heute auf einem Par 3 mit einem Eisen 9 abgespielt, so kann es morgen wegen einer anderen Windrichtung ein Eisen 3 oder gar ein Holz sein. Nicht einmal mit Rückenwind wird ein Hole einfacher; denn es wird so noch schwieriger, den Ball auf der harten Oberfläche des Greens, auf welcher der Ball wie auf einer Trommel spickt, anzuhalten. Immerhin ist der Wind, wenn er vom Meer her bläst, regelmässig und unverwirbelt, also besser zu berechnen als zwischen hohen Bäumen oder in hügeligem Terrain.

Im Vergleich zu demjenigen Golfspiel, das wir in der Schweiz kennen und spielen, ist typisches Links-Golf also eine komplett andere Sache. Viel Kreativität ist gefragt; denn man muss den Ball flach halten oder den Konturen des Bodens entlang spielen, um den Wind aus dem Spiel zu nehmen. Deshalb ist es mehr als akzeptiert, schon von weit ausserhalb des Greens mit dem Putter zu spielen; zwischen der Beschaffenheit des Fairways und des Greens gibt es so wenig Unterschied, dass es manchmal sogar schwierig ist, den Greenrand zu erkennen.

Grundsätzlich dürfte es schwierig sein, auf einem solchen Golfplatz auf Anhieb sein Handicap zu spielen. Als Besucher ist man besser beraten, Matchplays auszutragen –immerhin: mit dieser Spielform hat alles angefangen, irgendwann im tiefen Mittelalter. Denn auf einem LinksPlatz kann man kaum sein gesamtes Spiel kontrollieren. Vielmehr ist es so, dass Dinge passieren und man sie erdulden muss.

Auf einem Links gut zu spielen, das ist die wahre Meisterschaft!

Royal St. George's – am nächsten

Besser bekannt unter dem Namen Sandwich, ist der Golfplatz von Royal St. George's seit 1894 dreizehn Mal vom R&A für die Ausrichtung des Open ausgewählt worden. Die letzte Austragung 2003 blieb wegen des Debakels, welches der in Führung liegende Däne Thomas Björn im Bunker neben dem drittletzten Green anrichtete, in Erinnerung; der überraschende Amerikaner Ben Curtis war der Nutzniesser. Dieser Golfplatz ist in mancher Hinsicht aussergewöhnlich. Seine Hindernisse sind kaum kaschiert, sondern gut sichtbar und teilweise riesengross, wie zum Beispiel der riesige Fairwaybunker des vierten Holes. Par 70, mit 6465 Metern Länge, das sind imposante Zahlen; tiefe Scores sind hier schon nur wegen den extrem unruhigen Fairways schwierig, was die Zahlen des letzten Opens problemlos belegen – auch die Pros haben sich schwer getan in Royal St. George's. Die Abschläge

Royal St. George's werden beim Landen von den unzähligen Wellen und Buckeln irgendwohin gespickt, anders als auf den meisten andern Links-Plätzen mit ihren eher flachen Fairways.

Royal St. George's ist auch aus schweizerischer Sicht interessant; denn es liegt in Kent, in der äussersten Ecke des Südostens Englands, einig Kilometer nördlich von Dover. Wer es ansteuern will, der kann das durch den Eurotunnel in einigen Stunden sogar im eigenen Auto tun! Dabei kann der Trip hierhin nicht nur mit dem Besuch zweier weiterer Parcours aus der Vierzehnerliste der Open Courses verbunden werden; nein, auch die Normandie hat einige herausragende Plätze direkt an der Küste zu bieten. www.royalstgeorges.com

Royal Liverpool – typisch Links

Nach fast 40 Jahren Abwesenheit ist Royal Liverpool 2006 in die Liste der Open-Plätze zurückgekehrt. 1967 hatte Jack Nicklaus hier gesiegt, 2006 war es Tiger Woods, der so für einmal dessen direkter Nachfolger wurde. Man weiss ja, dass Woods auch nach Jacks Rekord von 18 Major-Siegen schielt.

Zum ersten Mal wurde hier um den Titel «Champion Golfer of the Year» 1896 gespielt, und seither hat das Open elf Mal Station gemacht – auf diesem Platz, den man auch Hoylake nennt und der einer der typischsten Links Courses der ganzen Open Rota ist. Alles ist so flach, dass nur ein sehr erfahrener Caddie genau weiss, wohin man auf den Abschlägen zu zielen hat. Der Test ist seriös, mit einem Par von 72 und 6470 Metern Länge, mit teuflischer Präzsion am «dümmsten» Ort platzierten Bunkern und vielen weissen Out-Pfosten. Das bewog Tiger vor drei Jahren bei seinem Sieg zur berühmt gewordenen Strategie, mit langen Eisen abzuschlagen und so die Gefahren aus dem Spiel zu nehmen – den Driver setzte er während der vier Runden genau ein einziges Mal ein, und dieser Abschlag missriet ihm erst noch. Doch er gab Birdiechancen preis, um Bogeys oder noch Schlimmeres zu vermeiden, und sein Plan ging auf; seine Gegner dagegen spielten aggressiver, was sich nicht auszahlte. Tigers Strategie ist hier auch uns Amateuren zu empfehlen!

Royal Liverpool steht Besuchern offen, das «Welcome» ist herzlich, und das Erstaunen über den Gast aus der Schweiz provoziert eine spontane Konversation. Man merkt das Erstaunen darüber, dass die Schweiz nicht ganzjährig unter einer Schneedecke liegt! Der Preis für eine Runde variert ein bisschen, je nach Saison muss man mit 120 bis 150 Pfund rechnen. www.royal-liverpool-golf.com

Royal Cinque Ports –der beste von allen

Hier habe ich mich endgültig ins Links Golf verliebt, bin ihm an diesem sonnigen Spätnachmittag quasi rettungslos verfallen! Kaum ein anderer Spieler war in Sicht, die Schatten wurden länger und länger, das Licht war warm und kontrastreich, und der sportliche Challenge war belebend! Royal Cinque Ports wird von einem Deich gegen die hereingetragene Gischt vom Kanal geschützt, doch der Wind entfaltet hier sein Spiel; Royal St. George's ist der direkte Nachbar. Nach 1909 und 1920 ist hier kein Open mehr ausgetragen worden; aber der Platz wird regelmässig für die Open-Qualifikation benutzt.

Der Spieler muss hier seine Fähigkeiten richtig einschätzen, nicht zu hoch greifen, sich etwas denken und vor allem vorsichtig sein. Für mich persönlich ist das hier einer der schönsten Links Courses, die ich überhaupt kenne; ich rangiere ihn vor anderen

Plätzen, auf welchen das Open heute noch immer regelmässig gespielt wird. Mehr Freude am Golfspiel habe ich kaum jemals erlebt als in Royal Cinque Ports. Dazu ist der Preis für eine Runde erfreulich günstig (70 bis 120 Pfund). Sein Par ist 72, bei 6264 Metern Länge. www.royalcinqueports.com

Royal Troon – am schweizerischsten

Irgend eine Beziehung zwischen einem schottischen Golfplatz und der Schweiz? Zugegeben, das ist etwas an den Haaren herbeigezogen. In Royal Troon hat 2003 Raphael de Sousa an den British Amateur Championship den Final erreicht; hätte er hier Gary Wolstenholme geschlagen, wäre er sogar ans US Masters eingeladen worden!

Royal Troon ist ein grossartiger Links Course an der Westküste Schottlands, nur wenig nördlich von Prestwick. So nahe sogar, dass die Spieler von Prestwick nach einigen Holes den Zaun übersteigen, Richtung Clubhaus von Troon weiterspielen, um sich nach einigen Whiskys auf den Rückweg Richtung Süden zu machen. Im eigenen Clubhaus-Pub geht das Gelage dann ungebremst weiter...

Die Länge von 6537 Metern ist beachtlich (Par 71); doch zuerst geht es eher vernünftig zu. Das berühmteste Loch ist Hole Nummer 8, «Postage Stamp» genannt: ein Par 3 von bloss 112 Metern mit einem Green, das kaum grösser ist als eine Briefmarke. Gegen den Schluss hin werden die Spielbahnen allerdings immer länger. Eröffnet wurde Royal Troon 1878, aber das erste Open fand erst 1923 statt. Acht Mal war die Weltklasse seither hier zu Gast; das letzte Mal 2004, als ein gewisser Todd Hamilton überraschend gewann, wobei er immer wieder mit seinem Rescue aus allen Lagen ans Loch chippte. Dem Besucher macht man ein sympathisches Angebot: für 220 Pfund startet man den Tag bei einer Tasse Kaffee, spielt dann Royal Troon, setzt sich mittags im Clubhaus zum Lunch und rückt anschliessend zu einer zweiten Runde auf dem Portland Course aus. www.royaltroon.co.uk

Royal Lytham & St. Annes –der charmanteste

Im Norden von Liverpool und ganz in der Nähe von Royal Birkdale gelegen, empfängt Royal Lytham & St.

Annes den Besucher mit dem ganzen Charme eines englischen Kleinstädtchens. Die Ambiance ruft ein wenig St. Andrews in Erinnerung, mit dem Golfplatz beinahe mitten im Zentrum und den altehrwürdigen, markanten Buildings entlang des 18. Fairways. Von der – pardon – Arroganz, die man auf einem renommierten britischen Golfplatz nicht selten antrifft, ist hier nichts zu spüren. Das Par ist 71, die Länge 6240 Meter, und der erste Open Champion hier hiess 1926 Bobby Jones. Seither ist das Open hier noch neun Mal gespielt worden; 2001 gewann David Duval hier seinen einzigen Major-Titel.

Auf den ersten Blick scheint der Parcours nicht so eindrücklich zu sein. Aber wenn der Wind auffrischt, dann kann es hier so schwierig werden wie in Carnoustie, welches ja als das Maximum in Sachen Sadismus gilt.

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