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Golf, die Vollblut-Sportart

Verletzung und ihre Vorbeugung

Immer wieder wird Golf als Altherrensport verspottet – von Leuten natürlich, welche noch nie einen Schläger in der Hand gehalten haben. Sicher entspricht der Golfsport nicht dem gängigen Bild von schweisstriefenden, schwer atmenden Menschen, welche mit grimmiger Miene am Trainieren sind. Vielmehr ist Koordination, Bewegungs- und Rhythmusgefühl, mentale Stärke sowie viel Ausdauer und Beharrlichkeit gefragt. Wie in jeder anderen Sportart kommt es jedoch auch im Golf zu Verletzungen und zu Über- und Fehlbelastungsphänomenen.

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Und wie auch in den meisten anderen Sportarten könnten diese zum grössten Teil vermieden werden. Hierzu gehört ein ausgewogenes und seriöses Training, welches sich nicht nur auf das Schlagen von Bällen oder das Spielen von Runden beschränken sollte. Obwohl ein solches Training einigen Zeitaufwand bedeuten kann, sollte nicht ausser acht gelassen werden, was für Rückschläge im Handicap durch eine verletzungsbedingte Zwangspause in Kauf genommen werden müssen.

In diesem Artikel geht es darum, dem passionierten Golfspieler mittels einer einfachen Checkliste aufzuzeigen, wo genau die Gefahrenpunkte liegen, wie das Auftreten von Verletzungen und Fehl- sowie Überlastungsphänomene vermieden werden, wie sich (falls eine Prophylaxe fehlgeschlagen hat) entsprechende Symptome manifestieren, und wie diesen abgeholfen werden kann.

Schulterbeschwerden/periarthropathia humeroscapularis (PHS)

Befunde: Schmerzen diffus im Schulterbereich; lokale Schmerzen am Schulterdach und/oder am Oberarm

Ursachen: Fehlbelastung der schulterumgebenden Muskulatur (Rotatorenmanschette) meist durch mangelnde Koordination der Schultergelenkführung während des Schwunges; Schläge in den Boden; Überbelastung durch zu hohe Spielfrequenz bei fehlender Kraft; Impingementsymptomatik (Einklemmung) durch hochstehenden Gelenkkopf oder durch Schleimbeutelentzündung unter dem Schulterdach

Therapie: Koordinationsschulung der Rotatorenmanschettenmuskulatur, Kraftaufbau, Dehnungsübungen = Korrektur von muskulären Dysbalancen; Spannungsreduktion in bestimmten Muskeln; Haltungsschulung meist durch Aufrichtung der Brustwirbelsäule

Prophylaxe: Physiologische («normale») Haltung der Wirbelsäule; regelmässiges Dehnen und Kräftigen der SchulterNackenmuskulatur, Brustmuskulatur; Techniktraining zur Vermeidung von Bodenschlägen und Fehlbelastungen.

Golferellbogen/epicondylopathia ulnaris humeri

Befunde: Schmerzen an der Kleinfingerseite des Ellenbogens/Unterarms

Ursachen: falsche Technik; Überlastung durch zu hohe Spielfrequenz; Schläge in den Boden; falsche Griffdicke; Schlägergewicht.

Therapie: Änderung der Technik, Kraftaufbau; Dehnübungen; Anpassen des Trainings; Optimierung des Materials

Prophylaxe: Kraft der Handgelenk- und Fingerbeuger aufbauen; regelmässig dehnen; keine «Kaltstarts»/Aufwärmen; langsamer Belastungsaufbau nach Spielpausen.

Rückenschmerzen

Befunde: Schmerzen im Kreuz, eventuell im Gesäss/Leiste meist einseitig; möglicherweise Schmerzen im Bein; Steifigkeit mit Unmöglichkeit, locker zu schwingen

Ursachen: Abnützung, Fehl- und Überbelastung der Gelenke zwischen den Wirbelkörpern; selten: Bandscheibenvorfall; muskuläre Dysbalancen (Fehl- und Überbelastung/Verkürzung)

Therapie: Beheben von muskulären Dysbalancen durch regelmässiges Krafttraining der Rumpfmuskulatur und Dehnen von Rumpf- und Beinmuskulatur; ergonomische Schulung mit dem Ziel, den Rücken im Alltag möglichst nicht falsch zu belasten; bei Bandscheibenvorfall: spezifische Therapie, Schmerztherapie eventuell durch Nervenwurzelblockade, im Extremfall eventuell Operation; Anpassen des Schwunges, d.h. möglichst physiologische Belastung der Wirbelsäule (S-Form erhalten)

Prophylaxe: Über- und Fehlbelastungen von Wirbelgelenken, Bandscheiben und Muskeln vermeiden im Alltag (homo staticus); regelmässiges Krafttraining der Rumpfmuskulatur und Dehnen von Rumpf- und Beinmuskulatur; Bodenschläge vermeiden.

Knieschmerzen

Befunde: Schmerzen am/im Knie; Schmerzen am Unterschenkel; Steifigkeit; Schwellungszustände

Ursache: Fehlbelastung beim Golfspiel; (beginnende) Abnützung Arthrose von Kniegelenk zwischen Oberschenkel und Unterschenkel und/oder dem Gelenk zwischen Kniescheibe und Oberschenkel (patellofemorales Gelenk); Meniskusschäden

Therapie: Beinachsentraining, um X- oder O-Beine zu vermeiden; Koordinationsschulung; Beheben von muskulären Dysbalancen; eventuell arthroskopische Gelenktoilette oder falls notwendig Gelenkersatz

Prophylaxe: Techniktraining: das Standbein vor allem im Finish mitdrehen und nicht am Boden fixieren; Körpergewicht beachten; Beinachsentraining, um X- oder O-Beine zu vermeiden; regelmässiges Dehnen der Beinmuskulatur; Schuhe wählen, welche eine gute Stabilität gewährleisten und dennoch die Drehung der Füsse am Boden erlauben.

Schmerzen des Fussgelenkes

Befunde: Schwellung, Schmerzen

Ursache: mangelnde Stabilisierung vor allem im Finish, möglicherweise verstärkt nach einer Bandverletzung und ungenügendem Muskelaufbau im Anschluss; Fussfehlstellungen; (beginnende) Arthrose/Abnützung; Sehnenüberlastungen

Therapie: Beheben von muskulären Dysbalancen: Kräftigen/Dehnen; Technikschulung; eventuell Schuheinlagen; Koordinationsschulung

Prophylaxe: Tragen von guten Schuhen (siehe Knieschmerzen); Korrektur von Fussfehlstellungen durch Instruktion/Kräftigung, eventuell Einlagen; Techniktraining.

Daumengelenk linke Hand (Rechtshänder; vice versa bei Linkshändern)

Befunde: Schmerzen im Bereiche des Daumengelenkes der körpernahen Hand

Ursachen: Zu starker Druck der rechten Hand führt zu einem Einklemmen des Daumengrundgelenkes und dadurch zu einer passiven Überdehnung des Gelenkes in Streckrichtung

Therapie: Schonung; Kühlen; eventuell entzündungshemmende Medikamente; Kräftigung der Handmuskulatur

Prophylaxe: Techniktraining

Hüftbeschwerden (Schmerz/Beweglichkeit)

Befunde: Unmöglichkeit, die Hüfte vor allem einwärts zu drehen; Schmerzen in der Leiste, im Gesäss, im Bereiche des grossen Hüftknochens aussen (trochanter maior)

Ursachen: beginnende Abnützungen (Arthrose); Fehl- und Überbelastung der hüftumgebenden Muskulatur eventuell durch Kompensation bei Arthrose oder Beschwerden in angrenzenden Gelenken (Rücken, Knie, Fussgelenk); falsche Technik («Ausrenken» der Hüfte)

Therapie: bei Arthrose: Anpassen des Schwunges an die neuen Verhältnisse (Verkürzung bestimmter Muskeln, um dem Arthroseschmerz auszuweichen); Behandlung der ursächlich betroffenen Gelenke (Rückenbeschwerden, Knieschmerzen usw.); Technikschulung

Prophylaxe: Regelmässiges Dehnen und Kräftigen der hüftumgebenden Muskulatur; Techniktraining.

Handgelenkschmerzen/Sehnenscheidenentzündung an der linken Hand (Rechtshänder; vice versa bei Linkshändern)

Befunde: Schmerzen und/oder Schwellung des Handgelenkes

Ursachen: Fehl- und Überbelastung meist durch ungenügende Stabilisierung des Gelenkes während des Schwunges; Schläge in den Boden/in die Matte auf der Driving Range; Schläge aus hohem Gras.

Therapie: Kraftaufbau; Beheben von muskulären Dysbalancen; eventuell Schonung nach Bodenschlägen (Verstauchung/Distorsion)

Prophylaxe: Techniktraining: kontrolliertes und nicht zu starkes Abwinkeln der Hand beim Backswing; Kraftaufbau; Dehnen; Aufwärmen vor dem Training/Spiel; den Boden (insbesondere auf den Abschlagmatten) streifen, nicht «graben»; auf den Aufprall des Schlägerkopfes hören.

Zusammenfassend kann gesagt werden, dass sich die meisten Verletzungen und Überlastungsphänome durch gezielten Kraftaufbau, Schulung der Koordination, regelmässiges Dehnen und eine tolerable Technik vermeiden lassen. Ein solches Training sollte nach Spiel- und Trainingspausen ca. 6-8 Wochen vor Start der Golfsaison in Angriff genommen werden. Zu beachten bleibt, dass auch dann eine langsame Steigerung auf der Driving Range und auf dem Platz optimal ist. Eine mehrstündige repetitive Belastung des Bewegungsapparates, wie sie das Schlagen von Bällen auf der Driving Range oder während einer Golfrunde darstellt, kann auch im besten Vorbereitungstraining nicht imitiert werden. Allgemein sollte eine Trainingseinheit/eine Runde Golf wie folgt angegangen werden:

• Sanfte, lockere Drehbewegungen des Rumpfes um die eigene Achse mithilfe des quer über die Schultern gelegten Schlägers

• Seitneigungen des Rumpfes aus obiger Ausgangsstellung

• Kreisen der Hände

• Kreisen der Schultern mit hängenden Armen

• Schwingen der Arme (grossamplitudig d.h. 360°-Bewegung)

• Kreisen des Beckens

• Dehnungsübungen für die hintere Beinmuskulatur, den grossen Brustmuskel und die Handgelenk- und Fingerbeuger und -strecker

Erst dann: lockeres Schlagen von Bällen, bevor mit voller Kraft und dem vollen Bewegungsausmass gearbeitet wird. Kalte und verkürzte Muskeln haben ein viel grösseres Risiko, verletzt zu werden. Das Aufwärmen und die Dehnungsübungen verbessern die Durchblutung. Investieren Sie diese wenigen Minuten, Sie verhindern möglicherweise eine lange Verletzungspause.

■ Autoren

Dr. med. Susanna Bischoff, SportClinic Zürich Puls 5 FMH Physikalische Medizin und Rehabilitation Sportmedizin SGSM Eidg. Dipl. Physiotherapeutin

Bruno Griss, Head Professional, GC Zürich-Zumikon

10 Jahre Golfclub Engelberg-Titlis

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