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Materialentwicklung bei den Eisen
Die stürmische Entwicklung des Materials in den letzten 15 bis 20 Jahren wurde begleitet von einem steten Kommen und Gehen der Marken sowie von einer von den Clubspielern meist unbemerkten Veränderung, die jedoch besonders das Augenmerk des Clubfitters fordert: Abweichungen von den gebräuchlichen Standardmassen der Eisen bezüglich Loft, Lie und Schlägerlänge von Hersteller zu Hersteller.
Vor 20 Jahren hielten sich alle an – allerdings ungeschriebene – Regeln. Wohl gab es grössere Lücken von einem Schläger zum anderen, jedoch betrug die Abstufung im Loft stets regelmässige 4 bis 5°. Zum Beispiel war der Standard eines Eisens 6 durch 36°Loft, einem Lie von 60 oder 61°und der zu einer Körpergrösse von 175 bis 180 cm passenden Länge von 37 Inch charakterisiert. Zum Vergleich: heute weist ein Eisen 6 einen Loft von bis zu 29°, einen Lie von 62 bis 63°und eine Länge von 37,75 bis 38,5 Inch auf, was früher einem Eisen 3 entsprach.
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Vom Eisen 0 zum Eisen 3
Dass heute viele Spieler mit längeren Eisen Schwierigkeiten bekunden, hängt mit dieser Entwicklung zusammen. Früher waren Eisen bis zum Eisen 0 im Gebrauch. Ein solches kann einem heutigen Eisen 3 entsprechen, denn viele Marken pflegen die Nummern auszutauschen. Das suggeriert dem Spieler, dass sich die Schläger länger spielen – ein zentrales Anliegen des Marketings. Daraus ergibt sich jedoch das Problem, dass, weil 56°für ein Sandwedge ein sakrosanktes Mass darstellt, grössere Lücken zwischen den einzelnen Schlägern entstehen. Diese Lücken werden folgerichtig mit Zwischenschlägern gefüllt. Der Gap–Wedge ist ein Beispiel eines solchen Modells. Wenn die Entwicklung weiter in dieser Richtung verläuft, so wird nach Ansicht von Alain Pfister in Zukunft das Eisenset im Bag aus einem Eisen 8 und 9 sowie aus 6 verschiedenen Wedges bestehen.
Socket-Gefahr

Die längeren Schläger und zusätzlich die Tatsache, dass der Lie heutzutage mehr upright – für grössere Spieler – statt flacher ausgerichtet ist, beweisen es; das Zielpublikum der Standard-Schläger hat sich verändert; man richtet sich nach grösseren Spielern. Früher passten die Normsets zu Spielern zwischen 175 und 180 cm Körpergrösse, und erst ab Körpergrössen über 180 cm wurde überhaupt ein längerer Custom-made-Schläger nötig. Im Gegensatz dazu sind heute die Norm-Schläger für Körpergrössen zwischen 185 bis 187 cm konzipiert. Es ist also – umgekehrt zu früher – für Körpergrössen unter 185 cm nötig, einen ab Stange gekauften Schläger punkto Lie und Länge zu verändern.
Viele Spieler achten jedoch zuwenig auf diese Änderungen und meinen, über passendes Material zu verfügen. Dieser Irrtum führt dazu, dass sie zu aufrecht vor dem Ball stehen, um den sonst zu upright ausgerichteten Schlägerkopf in der richtigen Position halten zu können. Dieser Haltungsfehler beeinflusst den Schwung, der deswegen zu flach ausfällt, was zu Sockets führt. Alain Pfister spricht in diesem Zusammenhang von einer wahren Socket-Epidemie, der nach seiner Beobachtung in den Fittings sogar Topspieler befällt, wenn sie mit zu langen Schlägern ausgerüstet sind. Der Schwung wird fehleranfällig, man muss den Ball schneiden und das Schlägerblatt öffnen, will man den Ball geradeaus schlagen. Diese Entwicklung war in den letzten Jahren immer vermehrter zu beobachten und zwar vor allem bei Schlägen mit langen Eisen. Mit kurzen Eisen lässt sich der Fehler durch das Öffnen des Schlägerblattes besser kaschieren.
Das beweist, dass viele Käufer von Eisensets ab der Stange sich dieser Facts nicht bewusst sind und wie gewohnt Schläger eingekaufen, die in Wahrheit für sie zu lang und zu upright ausgelegt sind.
Kontrolle ist besser
Warum aber haben die Hersteller die Standards verändert? Der Grund liegt darin, dass sie gemerkt haben, dass sie im Custom-made-Bereich Kosten sparen können, wenn sie ihre Normschläger den grösseren Spielern anpassen. Diese Massnahme mag aus kommerziellen Gründen durchaus ihre Richtigkeit haben, doch der Wechsel wird gegen aussen schlecht kommuniziert, mit der Folge, dass kleinere Spieler mit zu langen Schlägern spielen und grössere – wie gewohnt – ihre Schläger verlängern lassen. Der Clubfitter empfiehlt daher, neu gekaufte Eisensets durch einen Fachmann prüfen und allenfalls die Länge und den Lie korrigieren zu lassen.
Ein Eisen ist passend, wenn man den Ball im, wie es der Fachmann ausdrückt, «Impact-Core» des Schlägerkopfes trifft. Das heisst so mittig wie möglich im Sweetspot. Das Design, der Lie und die Länge des Schlägers beeinflussen die Treffgenauigkeit. Die beiden letzteren Komponenten lassen sich mit einem Fitting optimieren. Stimmen diese Spezifikationen nicht, so kommt es immer wieder zu Offcenter-Schlägen, das heisst, der Schaft verdreht sich bei jedem Schlag – mit nachteiliger Wirkung auf die Gelenke.
Dieser Effekt fördert übrigens, wie Alain Pfister betont, die Entwicklung des gefürchteten, schmerzhaften Golferellenbogens stärker, als es ein zu harter Schaft vermöchte.
Fortschritte bei den Schäften
Die grössten Entwicklungsschritte der letzten Zeit im Materialsektor haben im Bereich der Schäfte stattgefunden. Bis zu 10 Schäfte sind gegenwärtig pro einzelnes Schlägermodell erhältlich. Bei den Graphit-Schäften drücken sich die Fortschritte in der verbesserten Beherrschung der Technologie dadurch aus, dass die angegebenen Härtegrade konstanter mit der fachmännischen Nachmessung übereinstimmen und zudem feinere Abstufungen möglich geworden sind. Was das Gewicht anbetrifft, so ist Graphit punkto Leichtigkeit nicht zu übertreffen: Stahlschäfte haben zwar aufgeholt, ebenfalls was die Konstanz, die Abstufungen und das Gewicht betrifft – der leichteste Stahlschaft wiegt nur noch 85g. Er ist jedoch immer noch fast doppelt so schwer wie der mit 45g leichteste Graphitschaft.
Ein professionelles Fitting ist mit einem Puzzle zu vergleichen. Damit ein optimales Ganzes erreicht wird, müssen alle Teile zusammenpassen. Dabei spielt die Auswahl des passenden Schafts eine zentrale Rolle.
Ein Fitting alle 4 bis 6 Jahre
Alain Pfister, der erfahrene Clubfitter und Golflehrer, muss immer wieder feststellen, dass es die Spieler selber gar nicht merken, wenn ihr Material nicht zu ihrer Konstitution und zu ihrem Spielniveau passt. Vielmehr bauen sie in ihrem Schwung unbewusst Korrekturen zum Ausgleich der Mängel ein, die Fehlschläge provozieren. Als Folge davon, werden die Resultate immer schlechter, und sich steigernde Ratlosigkeit macht sich breit. Nach einem Fitting, wenn alles wieder im Lot scheint, lassen sich die antrainierten Schwungmängel in der Regel nicht kurzfristig über Nacht ausmerzen, sondern der Weg zurück erweist sich oft als land und steinig.


Ausserdem bietet ein Fitting keine lebenslange Garantie. Im Zeitenlauf verändert sich der Schwung, das zunehmende Alter fordert Veränderungen hinsichtlich des Materials, sei es, dass sich die Schlägerkopfgeschwindigkeit etwa wegen besserer Technik und Fitness markant erhöht hat oder sei es, dass der Altersprozess seinen Tribut fordert und nach leichterem Gerät verlangt. Alain Pfister folgert aus diesen Tatsachen, dass beim Clubgolfer mindestens alle 4 bis 6 Jahre ein Fitting auf dem Programm stehen sollte.
Vielfältiges Testmaterial
Kompetenz ist eine selbstverständliche Anforderung an ein seriöses Fitting. Dazu gehört auch eine Vielfalt an Spezifikationen bezüglich des zur Verfügung stehenden Testmaterials. Nach Ansicht von Alain Pfister sind Fitting Center, die auf einen Schläger-Hersteller beschränkt sind, mit dem Problem konfrontiert, dass ihnen diese Vielfalt fehlt. Denn von einer Marke sind in der Regel immer nur Schlägerköpfe, die gegenwärtig im Handel sind, für ein Fitting verfügbar. Der Fachmann hält jedoch ein Spektrum von 8 bis 10 Spezifikationen für notwendig, die sich nur aus einem Fundus verschiedener Hersteller eruieren lassen. Der Grund liegt darin, dass bei den Eisen das Clubmaking keine eigentlichen Neuheiten mehr bieten kann. Die Physik, Geometrie und Technologie lassen keine Überraschungen mehr erwarten – vorausgesetzt, die Kräfte der Gravitation verändern sich nicht. Aus dem bekannten Angebot an Spezifikationen wählen die Hersteller für ihre aktuelle Serie zwei oder drei aus – meistens aufgeteilt für Anfänger, die Mittelklasse und Top-Spieler – was demnach die Möglichkeiten beim Fitting einschränkt, wenn nicht noch Schläger anderer Marken und damit weitere Spezifikationen (zum Beispiel betreffend der Gewichtsverteilung im Schlägerkopf und dem damit verbundenen Ort des Sweetspots, oder der Offset) zur Verfügung stehen. Für ein professionelles Fitting sind Erfahrung und Wissen unabdingbare Voraussetzungen. Als Golflehrer bringt Alain Pfister noch ein zusätzliches förderliches Element ins Spiel, denn, neben den Spezifikationen der Schlägerköpfe stehen für ein Eisenset bis zu 35 Schaftmodelle zur Auswahl. Ohne Vorauswahl durch den Fachmann wären mindestes drei Fitting-Sessionen nötig, um schon nur die beste Schaft-Variante herauszufiltern.
Neben den Eisen haben auch die Hölzer und Hybride im Laufe der letzten 15 bis 20 Jahre Veränderungen erfahren. Darauf wird Alain Pfister in der nächsten Folge der Serie über das Clubfitting zu sprechen kommen.


■ Martin Schnöller
