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Longhitter vom Dienst
Wer ihn weit haut, den Ball, der ist der Chef auf dem Abschlag. Dann geht es allerdings gleich auch um die Präzision – man muss den Ball noch finden und weiterspielen können. Das gilt sogar für die Teilnehmer an den RE/MAX Long Drive World Championships, die jeden Herbst in Mesquite (Nevada) stattfinden: sie bekommen sechs Bälle, und wer keinen in einem Sektor von 45 Metern Breite hat, der ist draussen. Was jedoch ist das wichtigste bei einem wirklich langen Drive?
Das Finale 2009 wurde vom erst 20 Jahre alten Jamie Sadlowski gewonnen, der mit 417 Yards der längste war. 400 Yards der Distanz schaffte er durch die Luft, die restlichen 17 Yards rollte der Ball aus. 250000 Dollar war der Siegercheck wert, und das ist doch schon mal eine ganze Menge. Doch noch beeindruckender ist eine andere Zahl: mehr als 10000 Spieler versuchten an über 300 Ausscheidungen in zahlreichen Staaten der ganzen Welt, sich für diesen Final zu qualifizieren.
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Zweiter hinter Sadlowski wurde Dewald Gouws von Westonaria in Südafrika mit 387 Yards; im Halbfinal hatte er 415 Yards gehauen. Den längsten Drive auf dem Weg durch die elf Ausscheidungsrunden und gleichzeitig auch den längsten des ganzen Turniers hatte Sadlowski mit 434 Yards vorgelegt. Wind hatte es am Finaltag keinen.
Doch mit Gegenwind mussten sich die Finalisten in der Kategorie Super
Seniors (53 Jahre und älter) herumschlagen. Das hinderte Sieger Mike Corton aus Colorado nicht daran, 301 Yards weit zu schlagen – ohne Wind wären das mindestens 350 Yards gewesen. Und noch eine Präzisierung ist notwendig: die Landezone der Bälle war eine Rasenfläche mit Bermuda-Gras, welches auf 8 Millimeter Länge gemäht wurde.
Wie machen die das?
Also, die entscheidende Frage lautet: wie haut man einen Golfball 415 Yards weit – das sind 370 Meter, und damit kann man auf den meisten Par4-Holes der Schweiz den Abschlag aufs Green schiessen… Selbstverständlich sind die besten Longhitter der Welt auch WeltklasseAthleten. Jason Zuback, der acht Mal Weltmeister war, hält sich mit Body Building fit – und wer jetzt meint, Golf spielen könne er dafür nicht mehr, der irrt sich. Zuback hat einen Stroke Index von unter Par; doch er hat herausgefunden, dass er als Longdriver viel besser zu Geld kommt als mit dem Versuch, sich in einer Tour durchzusetzen.

Weltmeister Sadlowski dagegen ist ein Phänomen: er hat keine besonders dicken Muskeln, und er ist auch noch sehr jung. Doch den Ball zum Fliegen bringen, das macht man ja sowieso nicht in erster Linie mit den Muskeln, sondern mit der Schnelligkeit – der neue Weltmeister hat ein besonders extremes Beschleunigungsvermögen, er ist also schnellkräftig wie ein Sprinter oder ein Hochspringer.
Dazu hat er ein ebenso überdurchschnittliches Koordinationsvermögen, Voraussetzung für einen sehr effizienten Schwung und eine hohe Clubhead-Geschwindigkeit. Auch einige seiner Konkurrenten, die in den letzten Jahren das Geschehen in der Long-Drive-Szene mitbestimmt haben, sind keine Kraftsportler, sondern kombinieren Technik und Fitness in idealer Weise.
Der richtige Driver
Die RE/MAX World Long Drive Championship wird vor allem von Cobra und Pinnacle gesponsort. Es überrascht deshalb kaum, dass bei den Ratschlägen für längeres Driven bald einmal kommt, man solle einen Cobra-Driver (das Modell Speed Pro D) und Pinnacle-Bälle (den Gold FX Long) verwenden. Doch längst nicht alle Teilnehmer haben sich für diese Marken entschieden; es geht auch mit anderem Material.
Interessant ist aber, dass Jason Zuback für das Finale mit einem Bag voll Drivern aufgekreuzt ist. Ganze
29 Stück hat er dabei gehabt, jeder ein bisschen anders. Dass man für die aktuellen Verhältnisse den genau richtigen Club hat, das kann entscheidend sein.
Grundsätzlich gilt, dass Driver von Teilnehmern an der RE/MAX World Long Drive Championship – und an allen Ausscheidungen selbstverständlich auch – nichts mit denjenigen Drivern zu tun haben, welche Amateure spielen. Die Schäfte sind es vor allem, die den Unterscheid ausmachen: sie sind meistens XS, XXS oder gar XXXS. Das sind supersteife, schwere Dinger, mit welchen «wir andern» sicher keinen Ball in die Luft brächten. Denn auch die Lofts der Clubheads sind anders. Sadlowski spielte mit einem Loft von 4,5°; das ist etwa gleich viel Loft wie bei einem Putter, und da denken wir doch, dieser habe eine senkrechte Schlagfläche.

Dann sind diese Driver auch länger: umgerechnet auf die Messweise der USGA ist eine Maximallänge von 49,5 Inch zugelassen. Handelsübliche Driver sind heute 45 Inch lang, der Unterschied beträgt also mehr als 10 Zentimeter.
Punkto Technik ist interessant, dass der Ball sehr weit vorne und extrem hoch aufs Tee gesteckt wird. Er wird getroffen, wenn der Clubhead sich schon in sehr starker Aufwärtsbewegung befindet, also in einer ganz anderen Position als bei einem «normalen» Golfspieler. Der geringe Loft des Clubheads bedeutet, dass der Ball die volle Wucht des Schwungs abbekommt, mit relativ wenig Backspin; dass er aber trotzdem auf einer sehr hohen Flugbahn quasi auf Umlaufbahn geschossen wird. Ballgeschwindigkeiten von über 300 km/h sind üblich. Aber so zu schwingen, das ist auch eine extreme Beanspruchung gewisser Körperpartien. Jason Zuback liess verlauten, er habe sich gerade vier Diskushernien im Lendenwirbelbereich operieren lassen und sei noch im Aufbautraining… (Wer sich für bewegte Bilder interessiert: Youtube hat das zu bieten, unter Sadlowski oder auch Zuback).
