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Alle, ausnahmslos!
Wenn man den Rasen von Wimbledon betreten wollte, um eine Partie Tennis zu spielen, oder wenn man sich gar mit einem Fussball unter dem Arm dem Wembley-Stadion näherte, dann käme man wohl kaum auf den Platz. Das ist im Golf ganz anders: die meisten Golfplätze, auf welchen das British Open gespielt wird, sind offen für Besucher. Das Feeling, mit einem guten Score in Aussicht den 18. Fairway runter dem Clubhaus zu marschieren und mit lässigem Antippen der Krempe das applaudierende Publikum zu grüssen, dieses Feeling ist auch für uns normale Golfer erlebbar. Also, habe ich mir vor Jahren gesagt, will ich es auch erleben!
ziemlich prompt Antwort oder gar die Bestätigung der Startzeit. Am schwierigsten gestaltet sich die Jagd nach dem gewünschten Auftritt auf dem Old Course von St. Andrews oder in Muirfield. Im ersten Fall gibt es zahlreiche Tour Operator oder Agenturen, welche diese Starzeiten zu Tausenden vorreservieren und sie dann weiter verkaufen, nicht selten im Rahmen von Reise-Packages mit Flug und Hotel, und das bevorzugt in den USA. Doch neuerdings lassen sich auch Tee Times auf dem Old Course per Internet-Anfrage buchen, und sonst bleibt immer noch die tägliche Verlosung einiger freier Zeiten. Wer nichts und niemanden fürchtet, der kann sich frühmorgens in die Reihe der Kandidaten stellen und sich beim Starter melden; die wenigen freien Startzeiten – zum Beispiel in Dreierflights – werden so aufgefüllt. Aber es kann sein, dass man in der Schlange schon um sieben Uhr morgens Nummer 15 oder so ist...
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In Muirfield ist eher ein schriftliches Gesuch zu empfehlen, welches nicht spart mit Enthusiasmus. Die Briten reagieren auf solche Bekenntnisse meistens eher positiv.
Die lange Wanderung zu und über alle 14 Golfplätze, auf welchen jemals ein British Open stattgefunden hat – das habe ich mir vorgenommen. Und das hat nicht einmal etwas damit zu tun, dass ich als Golfjournalist tätig bin. «The Open» ist das bedeutendste, das älteste und auch das schönste Turnier, weshalb ich mir gesagt habe, dass das ein wunderbares golferisches Lebensziel sei. Bereits zehn dieser Plätze habe ich kennen gelernt, es bleiben mir noch vier. Vielleicht die schwierigsten: Musselburgh, Muirfield, Troon und Royal Portrush. Allen 14 Plätzen ist gemein, dass es sich um Links handelt. Auf einem Links-Platz zu spielen, ist in jedem Fall schon ein aussergewöhnliches Vergnügen; aber dieses Vergnügen wird potenziert durch das Wissen darum, dass hier auch schon das beste aller Golfturniere gespielt worden ist. Allerdings: zu einer Startzeit auf einem Open-Platz zu kommen, erfordert nicht selten Geduld, Planung und etwas Glück – und billig ist es auch nicht. Rund die Hälfte der Plätze liegen in Schottland, wo die Verantwortlichen längst kapiert haben, wie man aus einem solchen Juwel ordentlich Kapital schlägt. So sind denn die Greenfees nicht selten absurd hoch; doch ich denke, das Erlebnis mit seinen Dimensionen rechtfertigt die Investition.
Die Mehrzahl dieser Golfplätze ist offen für Besucher; ein Telefonanruf, heute in einigen Fällen sogar die Möglichkeit, per Online-Reservation über die offizielle Website zu einer Startzeit zu kommen, genügen, und man bekommt auch
Atmosphäre unschlagbar
Echte Golfliebhaber – wie ich einer bin – werden sich im Paradies fühlen. Man muss unbedingt einige Stunden vor der Abschlagszeit im Clubhaus ankommen, um die besondere Atmosphäre einzusaugen, welche alles hier umgibt. Nicht selten sind zahlreiche Exponate aus früheren, glorreichen Epochen zu besichtigen. Beim Umziehen benötigt man auch etwas mehr Zeit, weil auch das Verweilen im Change Room ausgekostet werden muss. Vielleicht hat man das gleiche Schränklein, in das auch schon Tom Watson, Greg Norman oder Jack Nicklaus ihre Siebensachen reingestopft haben?
Im Gespräch mit dem Clubmanager, der Receptionistin oder auch dem Pro erfährt man nicht selten interessante Episoden von einem Open. Das sind kostbare, einmalige Momente – die Vorfreude macht uns empfänglich für alles. Emotionalere Erlebnisse im Golfspiel sind für einen Amateur, der über das notwendige Sensorium für den «Spirit of the Game» verfügt, kaum mehr drin!
Rechtzeitig sollte man sich über den Dress Code informieren. Spikes, auch Softspikes, sind in vielen Clubhäusern nicht erlaubt, und nicht selten verlangt das Restaurant «formal attire» – lies: Veston und Krawatte. Nur die Bar darf in der Spielbekleidung betreten werden. Auf dem Parcours selber sichere ich mir in jedem Fall die Dienste eines Caddies. Meistens sind das gute Spieler aus der Region, die sich ein Paar Pfund verdienen wollen; ihre Tips während der Runde und die Geschichten, die sie erzählen, machen das Spiel nur noch interessanter. Sie kennen jede Drive-Linie, auch wenn man vom Abschlag aus nur Büsche («Gorce») und nirgends einen Fairway sieht; sie kennen alle optischen Täuschungen und wissen, wie weit die Bunker tatsächlich entfernt sind, und sie kennen natürlich auch die Slopes und Breaks auf den Greens. Dazu schleppen sie den Bag, rechen die Bunker, streuen Sand in die frischen Divots und lassen dem Spieler jede Menge Zeit, die salzige Luft, die frische Brise oder die wunderbare Sicht aufs Meer zu geniessen. Sofern man dieses sieht: alle diese 14 Plätze liegen am Meer, aber manchmal verdecken Dünen oder Ginster den Blick.
Könnte es sein, dass man auch 36 Löcher zu spielen bereit ist? Britische Golfplätze bieten oft neben dem regulären Greenfee auch einen Tagestarif; eine sehr vorteilhafte Möglichkeit, den Tag auf dem Golfplatz optimal auszunützen – erst recht, wenn man weiss, dass Schottland sehr weit nördlich liegt und die Tage im Sommer noch länger sind als in der Schweiz.
Eine letzte Bemerkung betrifft das Spielniveau des Besuchers. Auf dieser Kategorie Golfplätze wird in der Regel ein eher tiefes Handicap verlangt, um überhaupt Zutritt zu bekommen. 24 vielleicht; doch das ist angesichts der objektiven Schwierigkeiten, den betreffenden Golfplatz in Ehren und in einer vernünftigen Zeit zu bewältigen, auch gerechtfertigt. Man sollte zudem genügend Bälle dabei haben. Wer in Carnoustie in den Ginster oder in Royal Birkdale ins hohe Rough schiesst, der hat kaum eine andere Möglichkeit, als nachzuladen. Denn, nicht wahr, der Wind gehört auch dazu!
Lassen Sie mich Ihnen nun diese vierzehn Kostbarkeiten vorstellen, in der Reihenfolge, in welcher sie das British Open zum ersten Mal ausgerichtet haben. Einige unter ihnen gehören schon längst nicht mehr zur Liste der «Open Rota» – das sind alle Plätze, welche der Royal & Ancient Golf Club of St. Andrews gegenwärtig in einer gewissen Rotation für die Open Championship berücksichtigt. (Redaktionelle Anmerkung: Die Reihe wird in den nächsten beiden Ausgaben von «Golf Suisse» fortgesetzt.).
Prestwick Golf Club – wo alles angefangen hatte

Das haben sie sich nicht vorgestellt, 1860, die Clubmitglieder, als sie einwilligten, auf ihren 12 Holes ein Turnier um den «Silver Belt» auszutragen. Die 12 Holes mussten drei Mal gespielt werden; es war Willie Park Sr., der vor Old Tom Morris gewann. Denn was niemand ahnte, damals, in diesem Kaff an der schottischen Westküste: das war der Anfang dessen, was wir heute als British Open kennen. Mit richtiger Bezeichnung «The Open Championship».
Bis 1925 hat das Turnier 25 mal hier stattgefunden. Es ist quasi der Archetyp eines Links Courses; mit einem natürlichen Verlauf in den Dünen, mit einem Par von 71 und 6068 Metern Länge. Eine Bahnlinie verläuft direkt neben den Fairways, landseitig des Golfplatzes. Alle Greens sind gut geschützt, teils etwas erhöht, von Bunkern umgeben, wie wir sie in der Schweiz nicht kennen. Hole Nummer 5 ist ziemlich einzigartig; handelt es sich doch um ein Par 3 mit einem blinden Schlag – hinter dem Green steht ein Pfosten als Zielangabe!
Der Prestwick GC ist nicht zu verwechseln mit dem benachbarten Prestwick St. Nicholas. Neben den gut verteidigten, kleinen Greens ist es vor allem der vom Meer her wehende Wind, der das Spiel hier trickreich macht. Mit Sicherheit ein guter Start für die lebenslange Pilgerfahrt zu allen Golfplätzen, welche zur Geschichte des Open beigetragen haben. Praktisch: Troon und Turnberry sind nicht weit entfernt. Das Greenfee für 2009 ist mit 120 Pfund festgelegt worden. www.prestwickgc.co.uk

St. Andrews Old Course – mystisch
Sogar viele Leute, die nicht Golf spielen, wissen, dass sich das Mekka des Golfspiels in St. Andrews an der schottischen Ostküste befindet. Was dagegen schon weniger bekannt ist: das ist ein «public course», und er ist am Sonn- tag geschlossen, denn da sind die Links vor der Stadt von Alters her den Bürgern zum Spazieren vorbehalten. Die Einheimischen haben auch Prioritäten beim Spielen; doch auch Gäste haben eine gute Chance, zu einer Startzeit zu kommen. Und speziell ist auch, dass das Clubhaus hinter dem 18. Green nichts mit dem Golfplatz zu tun hat – es gehört dem Royal & Ancient Golf Club, während der Platz selber, zusammen mit vier anderen, direkt an ihn angrenzenden Golfplätzen, von der Stadtverwaltung betrieben wird. In dieses Clubhaus übrigens kommt man nur als Mitglied des R&A oder auf Einladung! Spielen auf dem Old Course, das steht jedem Golfer offen; und auch Frauen sind willkommen. Allerdings (siehe oben) werden diese Tee Times hoch gehandelt; Geduld und etwas Glück sind wichtig. Der Preis für eine Runde wird gegenwärtig mit 135 Pfund angegeben, und das ist das Vergnügen mehr als wert. Immerhin: «The Home of Golf»! www.standrews.org.uk
1873 wurde das Turnier, das mittlerweile so hiess, wie es heute noch immer heisst, zum ersten Mal hier ausgetragen. 27 Mal sind es seither gewesen, und seit 1990 gastiert das British Open alle fünf Jahre hier, zum nächsten Mal 2010. Es geht auf diesem Golfplatz zuerst hinaus, immer in nordnordwestlicher Richtung. Loch 9 und 10 bilden eine kleine Schlaufe, und ab Loch 11 geht es zurück zur Stadt. Es gibt nicht weniger als sieben Doppelgreens, Besonders markant sind die beiden Schlusslöcher, mit dem Road Hole und dem Valley of Sin. Der zweitletzte Abschlag muss über eine am Old Course Hotel angebaute Veranda auf den Fairway gezirkelt werden. Die Strasse hinter dem 17. Green ist im Spiel; es gibt hier keine Erleichterung. Das letzte Loch dann ist ein eher kurzes Par 4, mit einer markanten Bodenwelle direkt vor dem Green, aus welcher es sehr heikel ist, eine kurzgesteckte Fahne anzuspielen. Dieses Green liegt buchstäblich mitten in der Stadt!

Musselburgh Links – der älteste
Nichts ist wirklich einfach bei den Briten! In der Liste aller Open-Plätze ist mir derjenige von Musselburgh schon nur darum aufgefallen, weil alle sechs Open, die dort stattgefunden haben, vor 1889 gespielt wurden. Aber als ich dann auf die Suche nach diesem in den Suburbs von Edinburgh gelegenen Golfplatz ging, wurde es kompliziert. Denn Royal Musselburgh wurde zwar 1774 gegründet, doch sein Platz wurde erst 1926 eröffnet. Mungo Park hätte also hier unmöglich seinen einzigen Open-Sieg 1874 erringen können! In der Tat existierten damals verschiedene Clubs in der Gegend, darunter auch «The Honourable Company of Edinburgh Golfers», die alle auf dem gleichen Platz spielten, den sie Old Course nannten. Höchstwahrscheinlich ist das der älteste Golfplatz der Welt, auf welchem noch heute gespielt wird! Die Geschichtsbücher erwähnen erstmals 1502 eine Golfpartie, welche King James IV in Perth auf einem Platz namens Scone Palace gespielt haben soll, welcher allerdings nicht mehr existiert. Anders in Musselburgh, wo Mary Stuart 1567 auf den damaligen sieben Links-Holes gespielt haben soll. 1838 wurden daraus acht Löcher, 1870 sogar neun. Dem Vernehmen nach sind diese neun Holes noch heute im gleichen, originalen Zustand (Par 34, 2555 Meter), und der Clubvorstand wacht mit Argusaugen darüber, dass das auch so bleibt. Man pflegt die eigene History, man ist sehr traditionsbewusst, was so weit geht, dass es eine Spezialofferte für Besucher gibt: 55 Pfund pauschal, für eine Runde von neun Holes mit Hickory-Clubs, einen Lunch und eine weitere Runde mit modernem Material! www.musselburgholdlinks.co.uk
Muirfield – sehr exklusiv
Die Honourable Company of Edinburgh Golfers spielte 1836 bis 1890 in Musselburgh und beschloss dann, weiter östlich, nahe der Ortschaft Gullane, ihren eigenen Platz zu bauen. Zum Glück, ist man aus heutiger Sicht geneigt zu sagen, denn der Platz von Muirfield wird gemeinhin als der schönste aller Open-Plätze eingestuft. Jack Nicklaus, Lee Trevino, Nick Faldo oder Ernie Els werden kaum etwas gegen diese Aussage einzuwenden haben – sie gewannen vier der insgesamt fünfzehn Open, die zwischen 1892 und 2002 hier gespielt worden sind. Muirfield ist aber nicht nur schön, sondern auch ein Monster von 6336 Metern Länge mit dickem Rough und hohen Bunkern, so dass man kaum ungeschoren davonkommt, wenn man die Fairways verfehlt. Der Open-Sieg von Nick Faldo 1992 war besonders dramatisch, mit einem vor Erschöpfung zitternden Sieger, nachdem er seine berühmte Runde mit 18 Pars gespielt hatte. 2002 kam es zu einem Playoff, für welches neben Sieger Ernie Els auch die schlaggleichen Stuart Appleby, Steve Elkington und Thomas Levet antraten. Muirfield, das ist ein echter Test, ein typischer, schwieriger Links Course. Wer Glück hat, weil seine schriftliche Bewerbung akzeptiert wird, der erlebt hier eine seiner persönlichen golferischen Sternstunden. Zwar muss er dazu die horrende Summe von 175 Pfund investieren – entscheidet er sich aber für zwei Runden, so sind die 220 Pfund schon etwas angenehmer. www.muirfield.org.uk
■ Jacques Houriet