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Besser spielen, besser leben
Ambitionierte Golfspieler müssen ein gewisses Fitness-Level haben; das ist längst eine Binsenweisheit. Zahlreiche Tourspieler haben vorgemacht, was man sich unter einem «gewissen Fitness-Level» vorstellen muss. Jetzt sind seitens der ASG und der Swiss PGA Schritte in die Wege geleitet worden, golfspezifische Fitness von Weltklasseniveau auch unseren besten Turnierspielern – Amateure und Pros – zugänglich zu machen.
Fitness-Guru Ramsay McMaster zusammen mit Paris Buckingham (Swiss PGA), Damian Ulrich (Pro) und der japanischen Weltklassespielerin Shiho Oyama beim kraftspezifischen Ausdauertraining in den Dünen auf der Mornington Peninsula, in der Nähe von Moonah Links.
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Ein Artikel über Golf und Fitness kann nicht geschrieben werden, ohne dass drei Protagonisten erwähnt werden; Athleten, die das Golfspiel geprägt haben – oder, anders gesagt, Golfer, die punkto Fitnesstraining Massstäbe gesetzt haben. Der erste war der Südafrikaner Gary Player. Er gehörte zu den grossen Drei der Sechziger und Siebziger Jahre, zusammen mit dem erfolgreichsten Golfer aller Zeiten, Jack Nicklaus, der sich einen Deut um Krafttraining oder Stretching scherte, trotzdem aber 18 Majors und massenweise andere Turniere gewann, und mit Arnold Palmer, der aus heutiger Sicht in seinen besten Jahren ein von Natur aus athletischer, sehr beweglicher


Sportler war. Player selber war klein und unscheinbar, aber er war mit Abstand der fitteste. Dank einem ausgefeilten Training und einem dazu passenden Ernährungskonzept, basierend auf Früchten, Gemüse und Nüssen. Player wird nachgesagt, dass er heute noch täglich vor dem Frühstück tausend Crunches (Bauchmuskeln!) macht.
Nick Faldo kennen wir als ehemalige Nummer 1 der Weltrangliste, als dreimaliger Sieger des US Masters und des British Open, und man weiss von ihm auch, dass er auf dem Höhepunkt seiner Karriere mit der Hilfe von David Leadbetter seinen Schwung komplett neu aufbaute.
Ramsay mit Damian: die verschiedenen Gummizüge dienen dazu, unter Belastung auch die stützende Muskulatur im Schultergürtel zu trainieren. Die Kombination von Kraft udn Ausdauer in einer Übungsausführung ist ein zentrales Element im Programm von Ramsay McMaster.
Dass er daneben aber auch immer schon ein extensives Krafttraining betrieben hat und das bis heute tut, das ist weniger bekannt. Faldo erreicht im Kraftraum heute noch Werte, wie man sie eher einem 25 Jahre alten Zehnkämpfer zuordnete.
Woods und wir Clubspieler
Und dann ist da noch der Supersportler par excellence, Tiger Woods. Auch er ist täglich im Fitnessraum anzutreffen; er hat öffentlich nie ausführlich über sein Fitnesstraining informiert, doch wer Augen hat, der sah, wie sich der magere Tiger nach seinem Übertritt zu den Pros nach und nach zu einem Athleten verwandelt hat. Er hat das Bewegungsmuster eines Sprinters: flexibel, schnellkräftig und muskulös. Anders als Player, der eher der Typ des Langstreckenläufers ist, tendiert Woods zu grosser Muskelmasse, wie sie bei einem Sprinter oder einem Weitspringer üblich ist.
Das passt gut zum Golfspiel; denn ein Schwung ist eine Schnellkraftübung, an welcher der ganze Körper beteiligt ist und bei welcher ein komplexer Bewegungsablauf in einem perfekten Rhythmus ablaufen muss. Wenn man diesen gut oder sogar perfekt beherrschen will, ist ein – wie eingangs gesagt – gewisses Fitness-Level unabdingbar; sonst wird man immer nur einen unordentlichen Hack hinkriegen, aber keinen gepflegten, leistungsfähigen und belastbaren Golfschwung.
Das sind eigentlich keine guten Nachrichten für Clubgolfer. Einer überwiegenden Zahl von Amateuren nämlich müsste man zuerst ein massgeschneidertes Fitnessprogramm verordnen, bevor man ihnen beizubrin- gen versucht, den Club besser zu schwingen und mehr Länge vom Tee zu erreichen.
Wer nun denkt, dass das eine provokative und vorlaute Aussage ist, dem muss Weiteres zu bedenken gegeben werden. Erklärtes Ziel jedes Körpertrainings sind nicht nur mehr Kraft, mehr Ausdauer und mehr Beweglichkeit, sondern auch mehr Verletzungsprophylaxe. In vielen Fällen kann das sogar das oberste Ziel sein: man denke nur an die Rehabilitation nach Verletzungen. Das Golfspiel hat bei den meisten Leuten Abnützungserscheinungen zur Folge, gegen die man sich rechtzeitig wappnen kann. Naheliegende Beispiele sind die Lendenwirbel, die Schulter- und die Kniegelenke. Eine gut trainierte Rotatorenmanschette (Rotator Cuff) stabilisiert das kompliziert aufgebaute Schultergelenk; gut trainierte Rumpfmuskeln entlasten die Lendenwirbel, und mit der Oberschenkelmuskulatur helfen wir mit, die in wenig physiognomischer Richtung wirkenden Kräfte im vorderen Knie während des Finish eines Schwungs aufzufangen.
Ab ins Trainingslager!

Prophylaxe und Langlebigkeit bei guter Lebensqualität sind nicht nur golferische Zielsetzungen; so kann ein Mensch durchaus seinen gesamten Lebensentwurf sehen. Schliesslich wird das Golfspiel oft als der Spiegel des Lebens beschrieben...
Wenn der nationale Golfverband, die ASG, zusammen mit der Swiss PGA nun eine Zusammenarbeit mit Ramsay McMaster, einem der weltweit führenden Experten in Sachen Golf-Fitness, gestartet hat, so steht dahinter in erster Linie das Bestreben, alles zu tun, um unseren besten Spielern optimale Voraussetzungen für eine erfolgreiche Sportkarriere anzubieten. Die wichtigsten Pfeiler sind dabei die folgenden:

• Regelmässige Berücksichtigung von Fitness-Themen im Further Education Programm der Swiss PGA; der beruflichen Weiterbildung, welche der Berufsverband der Golflehrer seinen Mitgliedern anbietet. Ramsay McMaster wird regelmässig als Referent an diesen Kursen auftreten. Die besser ausgebildeten Pros können ihre Kenntnisse dann nicht nur für die Clubgolfer, sondern auch im Rahmen der Arbeit mit den Junioren im Club einsetzen.
• Integration des Fitnesstrainings in die Arbeit der National- und Regionalcoaches mit den Kadern der ASG. Bereits für den Winter 08/09 ist allen Mitgliedern von Swiss Golf (dem Förderungsgefäss der ASG für junge Pros) angeboten worden, mit einem namhaften Beitrag an den Kosten eines Trainingsaufenthaltes im Institut von Ramsay McMaster in der Nähe von Melbourne zu partizipieren. Tino Weiss und Damian Ulrich haben davon Gebrauch gemacht – man sieht ihrer Turniersaison mit Spannung entgegen!
Genaue Analyse
Doch bereits vorher, im November 2008, weilte McMaster für einige Tage in der Schweiz. Die Nationalmanschaft der Männer und einige Pros aus dem Swiss Golf Team wurden in einem zweitägigen Lehrgang im GC Lausanne einem ersten Screening unterzogen und lernten die Grundelemente der Arbeitsweise von McMaster kennen, welcher Leute wie Henrik Stenson, Alex Noren, Geoff Ogilvy, Robert Allenby oder Aaron Baddeley zu seinen Klienten zählt. Ein Screening steht immer an Anfang: eine präzise Analyse der körperlichen Situation eines Spielers unter Einbezug der Schwunganalyse auf einem 3D-System, welches dem Experten verrät, wo der Spieler – oder die Spielerin –muskuläre Schwächen hat, die seinen Schwung negativ beeinflussen.


Das war gerade im Falle von Damian Ulrich besonders aufschlussreich. Denn besonderes Interesse in einem Screening gilt der Bewegung des Beckens während eines Schwungs; Ulrich hatte im Laufe der Zeit eine ganz leicht unpräzise Beckenrotation entwickelt, was zur Folge hatte, dass er in seinem Schwung mit dem Schläger in Bezug auf die Körperrotation etwas zu spät kam. Um den Ball square zu treffen, musste er daher mit der rechten Hand aktiv nachhelfen – ungenügende Ballkontrolle und Entzündungen im Handgelenk waren die Folge. Beides Gründe für seine verpatzte Saison 2008!
Diese Zusammenhänge hatte der Sportler selber nie herausgefunden; und auch sein Schwungcoach hat keine eine so gesamtheitliche Sicht der Dinge gehabt. Ramsay McMaster arbeitet dazu in Melbourne eng mit Spezialisten des Australian Institut of Sport (AIS) und mit den Pros der Leadbetter Academy in Moonah Links zusammen, wo Weiss und Ulrich in ihren Trainingslagern ideale Bedingungen für Technik, Spiel und Fitnesstraining vorgefunden haben. Die Bestrebungen der Swiss PGA und ihres Ressortchefs für die Weiterbildung, Paris Buckingham, sowie der Nationalcoaches der ASG gehen für die Zukunft dahin, mehr Spitzenspieler dazu zu bringen, mehrwöchige Trainingsaufenthalte in Moonah Links einzuplanen – bevorzugterweise im Saisonende, also in der Periode November/Dezember, einer kritischen Periode im Rahmen der Vorbereitung der folgenden Saison.
Ramsay McMaster
Wer ist nun aber der «grosse Zampanoo» Ramsay McMaster? Oder anders gefragt: Fitness-Instruktoren gibt es weltweit doch Tausende? McMasters Leistung besteht vor allem darin, dass er richtig verstandene, golf-spezifische Elemente in seine Trainingsempfehlungen eingebaut hat. Body-Building allein macht ja schliesslich noch keine Turniergolfer.
Ramsay McMaster ist gebürtiger Schotte und ausgebildeter Physiotherapeut. Während des Falkland-Krieges tat er Militärdienst und betreute verletzte Soldaten; er vergleicht diese punkto Training, Belastung und Intensität der Einsätze mit Spitzensportlern. Selber war er Langstreckler, spielte aber seit seiner Jugend auch Golf.
Dass er nicht in Schottland bleiben wollte, war ihm schon früh klar. Das sportverrückte Melbourne lockte ihn; auch hier arbeitete er zuerst als Physiotherapeut. Er merkte rasch, dass er mit dem richtigen Training sein eigenes Golfspiel verbessern konnte. Eher zufällig kam er mit den Verantwortlichen des Royal Melbourne GC in Kontakt, und dort lernte er nicht nur Top-Spieler, sondern auch Ross Herbert vom AIS kennen. Dieser vermittelte ihm Kontakte mit der PGA of Australia.
Inzwischen hatte er auch «Golfmed» eröffnet, eine Klinik für Golfverletzungen. Doch die Tourspieler wollten ihn mehr und mehr mit dabei haben, was zu regelmässigen Trips zu Tour-Events nach Europa und in die USA führte. Unter den Tourspielern hat er beobachtet, was er «Tiger Woods Effekt» nennt: Tiger ist so austrainiert, dass er jederzeit und kompromisslos Vollgas geben kann. Andere jedoch, die ihm das nachmachen, verletzen sich. Als Folge davon müssen sie nicht nur pausieren und ihre Verletzun- gen auskurieren, sondern sie müssen während der Rehabilitationsphase auch Übungen erlernen, die ihre strukturellen muskulären Schwächen eliminieren, um sich nicht erneut zu verletzen.

Ramsay hat folgende Schwerpunkte in seinen Screenings, welche ihn besonders interessieren:

• Muskuläre Dysbalance, also einseitige Trainingszustände, die sich auch durch langdauernde falsche Belastungen entwickeln können.

• Wegen solchen Schwachstellen schleichen sich Ungenauigkeiten oder Ausweichbewegungen in die Bewegungsabläufe ein.
• Wie bereits erwähnt, ist die Position des Beckens von besonderem Interesse. Gerade Personen, die einen Bürojob mit täglichem langem Sitzen haben, tendieren zu einem Erschlaffen der stabilisierenden Skelettmuskulatur. Das
• erkennt man zum Beispiel bei Spielern, die während des Rückschwungs das hintere Bein strecken. Das ist eine solche Ausweichbewegung!
• Ebenfalls kritisch für einen guten Golfschwung wird es, wenn jemand im Lendenbereich zu schwach ist und den Bauch vorne raushängen lässt. Diese mangelnde Stabilität im Rumpf kann ein seitliches Schieben des Beckens anstatt einer korrekten Rotation zur Folge haben, und das erhöht das Risiko von Diskushernien.
• Im Schultergürtel können solche Schwächen zu einem allzu starken «Arm-Schwung» führen. Das hat als erstes ein wenig konsistentes Ball-Striking zur Folge und kann langfristig Schulter-, Ellbogen- oder Handgelenkprobleme hervorrufen.
Grundsätzlich ist einer der wichtigsten Punkte in einem präzisen, konsistenten Golfschwung die Synchronisation der gesamten Bewegung; das heisst, dass der Körper den Golfclub zum genau richtigen Zeitpunkt und in der richtigen Position an den Ball zurückbringt. Die Rede ist hier von einer ähnlich kraftvoll-kompakten und kontrollierten Bewegung wie zum Beispiel bei einem Kunstturner. Das setzt aber einen gut und ausgeglichen trainierten Körper und eine gute Flexibilität voraus.

Ebenso wichtig ist es, seinen Körper zum Golfspiel so vorzubereiten, dass man dem Spiel während des ganzen Lebens frönen kann. Das wird neben der Qualität des Spiels auch die Lebensqualität insgesamt positiv beeinflussen!
■ Urs Bretscher