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Alles anders – aber Tiger siegt trotzdem

Vor einem Jahr schien die professionelle Golfwelt in den USA aus den Fugen zu sein, als der Commissioner der US PGA Tour, Tim Finchem, ankündigte, der TourKalender werde radikal umgebaut. Im Laufe der Saison nun hat es sich gezeigt, dass die Idee und damit auch die Änderungen noch besser waren, als man zuerst geglaubt hatte. Zum Schluss der Playoffs gewann der, von dem man das erwartet hatte – Tiger Woods nämlich.

Im amerikanischen Berufssport herrschen nicht die zaghaften Zauderer. Es geht um Spektakel, um Show und um Geld; und das Fernsehen ist noch viel mehr als in Europa das Mass aller Dinge. Allerdings: wenn man Fernsehen sagt, meint man Einschaltquoten, «Ratings», und damit Zuschauer. Das gilt bei den Footballern, den Baseballern, den Basketballern, aber auch bei den Golfern. Immer sind die Wettkampfperioden so organisiert, dass es am Schluss zu Playoffs kommt.

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Auf diese Events hin wird das Interesse hingesteuert, und da erreichen die Umsätze dann Höhen, welche nur noch als astronomisch bezeichnet werden können.

Auch im Golf nun hat der FedEx Cup in einem genau definierten Szenario nach und nach alle nicht so interessanten Spieler rausfaulen lassen, um am letzten Turnier, den Tour Championships, gerade noch die 30 absoluten Cracks aufeinander los zu lassen. Damit es ja keinem dieser Herrschaften in den Sinn käme, irgendwo an einem asiatischen Strand oder gar in den Alpen alte Freundschaften zu pflegen, winkte dem Sieger des sich über vier Turniere erstreckenden FedEx Cup ein Bonus von zehn Millionen Dollar. Zu den üblichen Preisgeldern hinzu, wohlverstanden.

Natürlich wurde so die normale Tour-Saison wesentlich kürzer. Das gab Finchem und seinem Stab zuerst ein wenig zu denken; doch die Lösung dieses kleinen Problemchens haben wir in diesem Herbst ebenfalls erlebt. Denn die kürzere Saison war ja gewollt: so hatte man die Klimax vor dem Beginn der Regular Season im American Football, und die Golfstars kamen so endlich zu einigen Wochen Ausspannen. Denn diese Stars müssen sich ja keine Gedanken machen über den Verbleib in der Tour –die anderen Spieler aber schon. Deshalb folgten sieben Turniere auf die Tour Championship, welche dem Rest die Gelegenheit gab, in der Money List um einen Platz in den Top-125 zu rangeln. Das kommt der Tourkarte für die nächste Saison gleich; aus den ersten 30 starteten sehr wenige Spieler an diesen Turnieren, so dass verhältnismässig attraktive Preisgelder zur Verfügung standen. Es gab denn auch bis zum letzten Turnier Anfang November immer wieder Umwälzungen, und nicht nur in einem Fall entschied am Schluss ein eingelochter oder verpasster Putt über die wirtschaftliche Zukunft des betreffenden Spielers.

Punkte, Dollars, Euros, Pfund…

Euros und Pfund natürlich noch nicht – es sind nicht die Amerikaner, sondern die Engländer, die immer alles in ihre eigenen Währungen umrechnen. Aber neben den Dollars spielten in diesem Jahr plötzlich auch Punkte eine Rolle. Denn neben den Preisgeldern, welche in die «Money List» kommen, teilte die Tour allen regulären Turnieren auch Punkte zu; je wichtiger das Turnier, desto mehr Punkte gab es zu gewinnen. Diese Punkte-Rangliste entschied am Schluss darüber, welche Spieler für die vier Events des FedEx Cup qualifiziert waren. Nicht überraschend, dass kaum ein Unterschied zur Money List zu sehen war … Ende Saison, also Mitte August, hatten die ersten 144 die Berechtigung zum Start an den The Barclays in Westchester, im Staate New York.

Steve Stricker siegte, Tiger Woods liess aus – sein Vorsprung in der Rangliste war so, dass er sich das leisten konnte. Zum zweiten Turnier, den Deutsche Bank Championship in der Nähe von Boston, trat er an, musste aber zusehen, wie Phil Mickelson siegte. Zusehen, das hiess für

Woods wegen noch etwas rostigem Putten Zweiter werden.

Runde 3, zu der noch 70 Spieler antreten durften, war die BMW Championship in Lemont bei Chicago: jetzt machte Tiger ernst und spielte auf seinem besten Level. Seine Schläge waren an Schönheit kaum mehr zu übertreffen, die Putts fielen, der Sieg und die Führung in der Gesamtrangliste waren ihm sicher. Schon vor der Tour Championship hatten nur noch ganz wenige Konkurrenten eine geringe Chance, ihn zu überholen.

Doch die Tour Championship presented by Coca Cola in East Lake (Atlanta), wie üblich von einem Feld von 30 Playern bestritten, nutzte Woods nochmals dazu, ein Statement über die Verhältnisse an der Spitze der Weltrangliste abzugeben. Acht Schläge Vorsprung vor einem eher überraschenden Zach Johnson auf dem zweiten Platz, und die Mickelson, Furyk, Singh, Els, Stricker, Garcia, Harrington oder Scott waren nicht einmal irgendwo in seiner Nähe: das Verdikt war gesprochen.

Dieses Verdikt entsprach auch der Logik; immerhin hatte Woods die Saison dominiert, war mit grossem Vorsprung

Leader in der Money List, hatte etwa drei Mal so viele Punkte im World Ranking wie sein bester Verfolger und schwang den Club so gut wie selten zuvor. Nicht einmal die Geburt seines ersten Kindes im Juli, einem Mädchen mit dem Namen Sam Alexis, konnte ihn in seinen Turniervorbereitungen stören. Natürlich passte es aber perfekt zum Selbstverständnis der Nummer 1, dass er sich in der ersten Austragung des FedEx Cup durchsetzte. Zehn Millionen waren, wie schon gesagt, die angenehme Begleiterscheinung. Ob man aber einen Tiger Woods mit zehn Millionen Dollar ködern kann? Steve Stricker wurde am Schluss Zweiter, und da gab es noch drei Millionen, was in seinem Fall sicherlich eine extreme Budgetaufbesserung darstellte…

Kleines Detail am Rande: wie im amerikanischen Berufssport üblich, wird dieser Bonus dem Gewinner nicht sofort ausbezahlt. Er wird ihn nach Beendigung seiner Karriere in Form von jährlichen Renten überwiesen bekommen. Irgendwie tröstlich zu wissen, dass uns damit Tigers Altersvorsorge nie mehr wird Kopfzerbrechen bereiten!

Blick über den Teich

Hat nun dieser neu kreierte FedEx Cup dem Golfspiel neue Impulse gegeben? Wohl kaum. Was sich jedoch nicht bestreiten lässt, das ist der Erfolg beim Publikum, den diese kürzere, mehr auf die Superstars konzentrierte und showmässiger aufgezogene Saison gehabt hat. Nach vielen Diskussionen und Spekulationen wissen wir nun, wie das läuft; und so wird es vorderhand auch weiterlaufen, denn das Engagement von Federal Express ist langfristig. Also: im September ist Schluss, dann kommt der Ryder Cup oder der Presidents Cup für die Amerikaner, und dann sind Ferien bis im Januar.

Und dann ist da die neue, absolute Domination des Männergolfs durch einen einzigen Spieler, durch Tiger Woods, der sich längst den Luxus leisten kann, nicht für Geld, sondern für die sportlichen Meriten, für Rum und Ehre auf Rekordjagd zu gehen. Was ihn mit jeder Sicherheit lockt, das ist die offizielle Zahl von 18 Majors, welche Jack Nicklaus gewonnen hat. Jetzt hat Woods 13, so dass man davon ausgehen kann, dass er diese 18 mit Leichtigkeit übertreffen wird. Sowieso dann, wenn er das andere grosse Ziel, das einen Spieler seines Kalibers unweigerlich wie ein Schatten begleitet, ins Auge fasst. Der echte Grand Slam.

Das würde bedeuten, dass er zuerst einmal das US Masters gewinnen muss; denn nach dem ersten der vier Majors kommt logischerweise immer nur noch ein einziger Spieler für den Grand Slam in Frage. Alle vier Majors in der gleichen Saison: das hat mit den heutigen vier Majors (US Masters, US Open, British Open und PGA Championship) noch keiner geschafft. Bobby Jones 1930 ist der einzige echte Grand-Slammer; doch damals waren das US Open und US Amateur sowie British Open und British Amateur – was auch gleich zeigt, dass der Grand Slam damals nur Amateuren offen stand.

Auch eine andere Zahl schwirrt in der Szene herum – 82 Siege an PGA-TourEvents, welche Sam Snead in seiner langen Karriere erreicht hat. Auch hier ist Tiger auf bestem Weg, das zu schaffen: den 60. Sieg hat er in der abgelaufenen Saison verbuchen können. Doch wird Tiger seine aussergewöhnlich gute Verfassung auf dem Golfplatz im Januar immer noch ausspielen können? Drei Monate ohne Turniergolf, mit einigen lockeren

Regent und Kronprinz – Pokale werden genügend verteilt, so dass auch Phil Mickelson sich unter die Sieger einreihen konnte.

Padraig Harrington gewann das British Open in Carnoustie –erster Major-Sieg eines Europäers, seit Paul Lawrie 1999 das British Open gewonnen hatte. In Carnoustie.

Auftritten hier und dort, mit einem halbjährigen Töchterchen, das wahrscheinlich gleich wie alle anderen Babys die Eltern tage- und nächtelang auf Trab hält; das ist Tigers Programm, bis es im Januar mit den Mercedes Championship auf Maui wieder losgeht (welche nur Turniersiegern des Vorjahres offen steht, und welche Tiger bisher immer ausgelassen hat). Spätestens drei Wochen nach Maui, am Buick Invitational in Torrey Pines nämlich, muss er antreten; denn Buick ist einer seiner Hauptsponsoren.

Tigers Rhythmus

Heute mehr denn je tickt die Uhr des internationalen Turniergolfs im gleichen Rhythmus wie die Küchenuhr zu Hause bei den Woods. Tritt er an, ist Grande Festa, bleibt er zu Hause, ist Tour-Alltag. Natürlich lebten auch die Turniere des Fed Ex Cup von der Spannung, ob Tiger seinen standesgemässen Erfolg würde buchen können oder nicht. Doch was ist nach Tiger, was hatte Commissioner Tim Finchem dem Rest der US Tour zu bieten? Die Antwort heisst «Fall Series», Herbst-Serie also.

Sieben Turniere, welche grundsätzlich allen Tour-Spielern offen standen, aber an welchen vor allem diejenigen Underdogs eine Chance erkennen konnten, welche noch ein paar Dollars mehr nötig hatten, um sich innerhalb der ersten 125 zu halten. Das bedeutet Spielberechtigung auch nächstes Jahr; wer Rang 126 oder dahinter erreicht, der ist halb – oder auch ganz – weg vom Fenster. Am Ende steht eine Money List, welche wie jedes Jahr einige Überraschungen zu bieten hatte. Zuerst ging es darum, welche ehemaligen Stars oder zumindest Habitués sich in die Mühle der Q-School zu begeben hatten. Auch dort gibt es nicht nur jede Menge junger Talente, sondern immer wieder auch eine Reihe von tragischen Figuren, die versuchen, gegen das Ende ihrer Karriere hin nochmals das Recht zum Spielen in der höchsten Liga zu errangeln. Aber Tiger Woods kann nur als absoluter Superstar glänzen, wenn er Kronprinzen hat, die er immer wieder schlagen kann, die aber selber sehr viel Persönlichkeit und Profil haben müssen, um dem Publikum als Identifikationsfiguren zu dienen. So kommt es immer wieder zu der bekannten Polarisierung des Favoriten gegen den (oder die) Aussenseiter. Quasi ein Wiederaufleben alter Western-Mythen, die ihrerseits natürlich auf historische oder gar biblische Vorbildern zurück gehen. Gut gegen Böse, David gegen Goliath, Phil gegen Tiger. Nichts vermag breites Interesse unter der Zuschauerschaft so zu stimulieren wie so rudimentäre Grundmuster. Und längst ist weitherum auch verstanden worden, dass Tigers dunkle Hautfarbe diese Akzente eher verstärkt als dämpft, was in

Bezug auf die mit der Tour zu machenden Umsätze durchaus wie ein Turbolader wirkt.

Wer ist der Kronprinz?

So stellte man sich während der ganzen abgelaufenen Saison die Frage, wer denn nun wirklich in der Lage sei, Tiger ernsthaft zu gefährden. Dass es die drei Major-Sieger Zach Johnson, Angel Cabrera und Padraig Harrington kaum sein würden, das war angesichts deren Unbeständigkeit nie das Thema. Im vierten Major hatte Tiger Woods ja dann dafür gesorgt, dass sich die Dinge wieder im richtigen Licht zeigten.

Auch ein Blick in das World Ranking bringt keine Antwort. Jim Furyk war eine temporäre Nummer 2, der diesen Rang nicht in erster Linie dem eigenen überragenden Spiel verdankt, sondern den diskreten Leistungen der Phil Mickelson, Ernie Els oder Vijay Singh. Diese drei hatten sich auf der ersten Verfolgerposition in lockerer Folge abgewechselt, ohne aber die jeweils abgegebenen Versprechen einlösen zu können.

Schliesslich waren da auch Namen wie Steve Stricker, Rory Sabatini, Aaron Baddeley, Retief Goosen, K.J. Choi, Justin Rose, Adam Scott oder Sergio Garcia, die alle anerkanntermassen oder selbsternannt darauf aspirieren, einmal die Nummer Eins zu sein.

Aber da würde Tiger nur lachen, wenn er sich diese politisch nicht ganz korrekte Freiheit herausnehmen würde. Denn sein Vorsprung im World Ranking ist derart, dass nicht einmal Roger Federer im Tennis als Vergleich herzuhalten vermag. Wahrscheinlich wäre Woods 2010 immer noch die Nummer Eins der Welt, auch wenn er ab sofort alle Turniere nur noch mit vier Clubs im Bag bestritte. Driver, Eisen 7, Sandwedge, Putter!

Über die Klinge gesprungen

Die Lektüre der Money List nach Saisonschluss ist spannend. Bis Rang 125 ist die Welt in Ordnung, die Spielberechtigung für 2008 gesichert. Ränge 126 bis 150 bedeutet eingeschränktes Spielrecht, und ab 151 spielen die Jungs in der Nationwide Tour.

Aufgefallen ist die folgende Prominenz:

120. Alex Cejka

123. Jeff Maggert

124. Kevin Stadler

125. Matthias Grönberg

126. Ben Curtis

150. Billy Andrade

151. Corey Pavin

154. Bob Tway

160. Lee Janzen

161. Chris Riley

166. Duffy Waldorf

173. Kirk Triplett

177. Lee Westwood

188. John Daly

193. David Howell

201. Paul Azinger

202. John Huston

204. Mark Brooks

212. Todd Hamilton

214. Carlos Franco

215. Darren Clarke

219. Brad Faxon

222. David Duval

229. Sandy Lyle

230. Fred Couples

231. Mark O'Meara

236. Steve Jones

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