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Justin Rose setzt neue Marken
Die European Tour spielt sich vor unserer Haustüre ab, und trotzdem nehmen die meisten Golfer und Golferinnen der Schweiz die ewiglange Saison dieser zweitteuersten Tour der Welt nur partiell wahr. Das hat mehrere Gründe: «unsere» Tour trägt ihre Turniere nahezu auf der ganzen Welt aus, sie kann kaum integral am Fernsehen mitverfolgt werden, und die grossen Tenöre Europas spielen meistens in der US PGA Tour. Trotzdem schaut Ende Saison immer wieder ein sehr prominenter Sieger der Order of Merit heraus.
Das überlässt er seinen Kronprinzen. Allerdings bedeutet das noch lange nicht, dass wir die Ernies, Retiefs, Justins, Padraigs oder Sergios auf dem alten Kontinent bewundern können. Seit der Erfindung des FedEx Cups ist es vorderhand auch vorbei mit einem Start solcher Stars am Omega European Masters. Ernie Els, fast während der ganzen Saison Leader unserer Preisgeldrangliste, reist immerhin regelmässig nach England, weil er in Wentworth wohnt, und zwar direkt neben dem 16. Loch des West Course, wo sowohl die European PGA Championship als auch die World Match Play Championship ausgetragen werden (letztere hat er dieses Jahr zum siebten Mal gewonnen, was eine erstaunliche Million Pfund wert war…). Dazu ging er immerhin einmal auf dem Kontinent ins Ries; und zwar im Juni in München am BMW International Open, das er im 7.Rang mit 55000 Euro beendete.
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Padraig: keinen Deut besser
Wer sich mit dem Tourkalender der europäischen Superliga beschäftigt, der entdeckt zahlreiche wirklich erstklassige Events. Und er entdeckt Ende Saison auch, dass Tiger Woods einige Turniere der European Tour gewonnen hat. Wollte sich dieser ein Spässchen mit uns Europäern erlauben, würde er Mitglied der European Tour – er würde auch diese Order of Merit mit Leichtigkeit, mit einem Riesenvorsprung und mit einem einzigen Trip nach Europa gewinnen. Dem Abstecher zum British Open nämlich. Denn Woods gewinnt Majors und Turniere der WGC, der World Golf Championship; und diese zählen alle auch zur European Tour. Weil der Tiger aber bisher noch nicht auf diese – eigentlich nahe liegende, für ihn aber absurde –Idee gekommen ist, ist er eben nicht Mitglied der hiesigen Tour, was bedeutet, dass er zwar Turniere bestreiten und gewinnen kann, dass er aber nicht in die Order of Merit aufgenommen wird.
Am Volvo Masters 2006 in Valderrama hatte der Ire Padraig Harrington dank einem verpassten Putt von Sergio Garcia die letztjährige Order of Merit für sich entschieden. Aber auch er orientiert sich in erster Linie an den interessanten Terminen der US PGA Tour und an den Majors, von welchen er mit dem British Open in Carnoustie immerhin sein erstes gewann – interessanterweise wieder gegen Sergio Garcia, den er in einem Playoff bezwang. Zweimal in Irland und je einmal in England und in Schottland beehrte Harrington sein Heimpublikum mit einer Audienz, während er den europäischen Kontinent aber wahrscheinlich nur als Niemandsland zwischen Valderrama und Helsinki kennt. Helsinki? Amer Sports, Eigentümer von Wilson, hat seinen Sitz in der finnischen Metropole, und mit Produkten von Wilson ist Harrington unterwegs.
Ist diese Beschreibung des Desinteresses der besten Spieler auf der European Tour am wirklichen, an unserem Europa nun aber weltfremd oder was? Wahrscheinlich nicht; denn hierzulande ist leider deutlich weniger Preisgeld zu holen als in Übersee, und das wird mit Bestimmtheit so bleiben. Das hat sich mit dem FedEx Cup ja sogar noch wesentlich akzentuiert. Sprich: für die European Tour verschlechtert.
Davon können nicht zuletzt die Organisatoren des Omega European Masters ein Lied singen. Ihr Termin Anfang September, den sie natürlich im voll gepackten Tourkalender nicht verschieben können, fällt genau in die Periode dieser Playoffs in den USA, weshalb alle wirklichen Stars des Weltgolf auf absehbare Zeit für Crans-Montana ausser Abschied und Traktanden fallen dürften. Wer waren denn nun aber die Sieger der Euro-Turniere, die in Spanien, Frankreich, Schweden oder Deutschland ausgetragen worden sind? Und wie weit nach vorne haben es diese in der Order of Merit überhaupt gebracht?
Die echte Order of Merit

Ernie Els hat es mit seinem «World Golf» auf 18 Wertungen in Europa gebracht – als Leader der Order of Merit erlaubte er sich sogar den Luxus, das Volvo Masters Anfang November in Valderrama, also die europäische Tour Championship, zu Gunsten des Barclays Singapore Open auszulassen. Dieses offensichtliche Desinteresse an Europa wird seiner Popularität natürlich keinen Abbruch tun, aber es zeigt auf, wohin die aktuellen Trends zeigen. Dass er dann in Singapur auch noch den Cut verpasste, das allerdings war sicherlich keine optimale PR-Aktion in eigener Sache! Einen der schönsten Schwünge hat er immer noch, aber daran haben wir uns mittlerweile ja auch gewöhnt. Stirbt Ernie nun in Schönheit? Oder hält er sich mit Antrittsgagen über Wasser?
Die aktuellen Trends illustriert auch ein Blick in den Kalender der European Tour des nächsten Jahres. China, Australien, Neuseeland, Südafrika, Abu Dhabi, Doha, Dubai, Indien, Singapur, Indonesien, Malaysia, Korea, und dann, Ende März, endlich Madeira (mit bescheidenem Preisgeld), Spanien und Portugal – so sehen die ersten Termine aus. Im April kommt es zu einem erneuten Abstecher ans Volvo China Open in Peking und ans BMW Asian Open in Shanghai, bevor dann endlich die uns vertrauten Termine in Mitteleuropa und auf den Britischen Inseln anstehen.
Schwierige Zeiten für manches Turnier in Europa, nicht nur für das Omega European Masters: die Stars spielen in den USA, wo Justin Rose – unten rechts – so viele Euros gutgeschrieben bekam, dass er mit seinem stupenden Sieg am Volvo Masters auch die Order of Merit der European Tour 2008 gewann.


Luke Donald, Michael Campbell: international zur Zeit nicht allererste Wahl, aber doch nicht darauf angewiesen, in Europa oder gar in Crans-Montana anzutreten.
Der Inder Jyoti Randhawa gehört zu einer ganzen Gruppe von asiatischen Pros, die voll im Trend sind und bereits zahlreiche Tour-Siege errungen haben. Miguel Angel Jimenez dagegen als Vertreter einer ganz anderen Golfer-Generation muss langfristig wohl eher schauen, wo er bleibt…
Zahlreiche «co-sanctionned events», also Turniere, die sowohl für die europäische als auch für die Asian Tour gewertet werden, stehen auf dem Programm. Deshalb zeigt die Siegerliste 2007 der Euro-Tour Namen wie Yong-Eun Yang, Wen-Chong Liang oder Chapchai Nirat. Doch im asiatischen Teil der Tour gewannen auch Henrik Stenson zwei Mal, Paul Casey, Retief Goosen oder der Finne Mikko Ilonen; und Justin Rose siegte am Australian Masters.
Vier Birdies für Simon
Dass der Engländer Simon Dyson es bis ins Playoff des Volvo Masters schaffen würde, das hätte ihm vor dem Turnier nicht so mancher zugetraut. Der flachsblonde Langweiler hat allerdings eine stupende Technik, spielt ausgezeichnete Eisen und ist auch ein begnadeter Scrambler. Auf dem Weg zu seiner 66-Runde am Samstag fallen die vier Birdies auf, welche er an diesem Tag auf den vier Par-3-Holes notierte. Dieses seltene Kunststück hatte auch Miles Tunicliff am Omega European Masters im September geschafft.
Ilonen siegte noch ein zweites Mal, und zwar am Scandinavian Masters, doch die beiden Siege brachten ihm trotzdem nur Rang 32 in der Order of Merit. Neben einigen verpassten Cuts schaffte er gerade noch drei Top Ten Klassierungen für zusammen eine knappe Million Euros. Niclas Fasth, Andres Romero, Sören Hansen, Lee Westwood, Nick Dougherty, Paul Casey, Colin Montgomerie, Richard Sterne, Graeme Storm und Gregory Havret: so etwa könnte die Order of Merit aussehen, wenn man nur diejenigen Spieler berücksichtigt, welche sich voll auf die European Tour konzentrieren und diese Turniere auch spielen; wenn man also Spieler auslässt, die dank einigen guten Klassierungen in Asien, an Majors und WGCEvents so viel Preisgeld aufhäufen, dass sie das geografische Europa links liegen lassen können.
Justin von Übersee
Zu diesen Abtrünnigen gehört auch der neue Superstar. Wenn es erstaunlich ist, dass Justin Rose, Sieger am Volvo Masters 2008 in Valderrama und Sieger der Order of Merit, bloss zwölf Wertungen geraucht hat, um Ernie und Padraig auf die Plätze 2 und 3 der Geldrangliste 2007 zu verweisen, dann bedeutet das eben auch, dass er vor allem in Majors gepunktet hat. Er schaffte dort alle vier Cuts und war nie schlechter denn als 12. klassiert. Dazu hatte er drei zweite Ränge an lukrativen Turnieren plus jetzt auch den Sieg an der europäischen Tour Championship im schwierig zu spielenden, windigen Valderrama, wo er vor allem Padraig Harrington hinter sich lassen musste. Dass er am Schluss auch noch Sieger wurde, nach einem unerwarteten Playoff gegen zwei eher unbekannte, wenig charismatische Spieler (Simon Dyson und Sören Kjeldsen), das war quasi die Krönung einer europäischen Saison, welche insgesamt nicht unproblematisch für die Tour verlaufen ist. Die Tätschmeister im PGA-Hauptquartier in Wentworth stehen unter Handlungszwang und haben auch zugegeben, über Neuerungen nachzudenken und im Laufe des Winters an die Öffentlichkeit zu treten. Also Ende gut – alles gut mit einem sympathischen Sieger mit Ausstrahlung einem hervorragenden Schwung? Den Sympathiebonus darf sich Justin Rose, der 1998 als 18- jähriger Bengel vier Runden im British Open in Birkdale überstand und weltweite Berühmtheit erlangte, als er einen Pitch aus dem Rough einlochte, getrost gutschreiben. Sein Auftritt in Valderrama war sicherlich Balsam für zahlreiche Nerven, gerade auch auf den Inseln; nach Peter Oosterhuis, Lee Westwood und Nick Faldo ist Rose immerhin erst der vierte Engländer, der die Order of Merit zu gewinnen vermochte. Und nach wie vor ist es so, dass England die Hälfte des europäischen Golfmarktes ausmacht – wenn die Engländer also glücklich sind, bessert sich auch bei uns das Wetter.





Justin Rose hatte sich dann in einer mehrjährigen Durststrecke als junger Pro vor allem mit verpassten Cuts zu beschäftigen; man hatte ihn eigentlich bereits als ewiges Talent abgeschrieben. Doch dann gewann er 2002 zwei Turniere, und man durfte wieder hoffen. Jetzt sieht es nach endgültigem Durchbruch aus, und zwar ganz weit oben: nach seinem Sieg in Valderrama ist Nummer in der Weltrangliste, und vor sich hat er keinen anderen Europäer mehr. Wenn man jetzt noch weiss, dass sich sein Spiel hervorragend für einen Platz wie den Augusta National eignet – schade, dass das US Masters erst im April stattfindet!


US PGA Tour und FedEx Cup
