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Die Optik des National-Coaches

Mit einigen Erwartungen haben die leistungssportlich orientierten Funktionäre der ASG – Sportkommission, Juniorenkommission – und die Athleten selber diese Saison 2007 in Angriff genommen. Doch herausgekommen ist weniger, als selbst die allergrössten Pessimisten prognostiziert hatten. Der Jahrgang 2007 geht nicht in die Annalen ein; es sei denn als Waterloo. Nun ja, vielleicht nicht ganz so schlimm. Doch die wirklich enttäuschenden Resultate waren Anlass, dem Nationalcoach der ASG, Graham Kaye, ein paar kritische Fragen zu stellen. Im Clubhaus des GC Lausanne, an einem verregneten September-Nachmittag, hat er sie uns beantwortet.

Golf Suisse: Graham Kaye, wie schlimm steht es wirklich um unser Spitzengolf, um unsere besten Amateure?

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Graham Kaye: Auch aus meiner Sicht ist diese abgelaufene Saison völlig missraten. Alle vier Schweizer Teams an den Europameisterschaften im Juni – Men, Ladies, Boys, Girls – haben weit unter den Erwartungen abgeschnitten. Auch die Pros, vor allem die jungen Pros, haben ihre Ziele nicht erreicht. Hier kann der Herbst mit den Qualifikationen für die verschiedenen Tours immerhin noch einige positive Überraschungen bringen; das werden wir sehen. Doch der Gesamteindruck ist nicht gut.

Alles kann doch nicht wirklich total daneben gehen, nicht einmal im Golf. Es müssen sich doch einige gute Ergebnisse finden lassen!

Wenn man etwas genauer hinschaut, dann entdeckt man schon einige wenige Lichtblicke. Martin Rominger, oder auch Damian Ulrich in der EPD bei den Pros, das lange erwartetet Comeback von Julien Clément, von dem wir allerdings zuerst noch eine Bestätigung im nächsten Jahr fordern müssen, oder auch Florence Lüscher, die sich in Schweden auf der Telia Tour ebenfalls gut geschlagen hat. Bei den Amateuren hat es einzelne wirklich gute Runden gegeben, und als herausragendes Resultat würde ich wahrscheinlich den Sieg von Andy Chris Orsinger an den Internationalen Juniorenmeisterschaften von Italien bezeichnen. Aber das alles ist, zusammen genommen, nicht besonders viel.

Das Problem definieren heisst Verbesserungsvorschläge einbringen. Was soll sich nun also ändern, um so schlechte Leistungen zu vermeiden?

Ich glaube nicht, dass wir Vieles ändern müssen. Jeder Golfer weiss, dass es Geduld braucht in diesem Spiel. Wenn die Bälle nicht fallen, dann kann man nichts anderes tun als das nächste Loch in Angriff nehmen und wieder versuchen, das Birdie zu spielen. Wir haben in der Schweiz in den letzten Jahren sehr vieles getan und haben heute Strukturen, von welchen wir absolut überzeugt sind. Wir hören auch immer wieder von ausländischen Verbänden, dass unsere Strukturen im Leistungssport beispielhaft sind. Aus meiner Sicht lautet die Frage also nicht, ob sich gute Resultate einstellen, sondern wann.

Sie leisten jetzt über zehn Jahre Aufbauarbeit, und wir haben immer noch keinen Spieler in der European Tour. Als ich mein Mandat als Nationalcoach angetreten habe, befand sich das Spitzengolf der Schweiz in einer Art Umbruch. Die zahlreichen ausgezeichneten Spieler aus den 60er und 70-er Jahre waren längst nicht mehr international einsetzbar. Die nächste Generation, zu der auch Leute wie Paolo Quirici, André Bossert, Steve Rey, Dimitri Bieri, Christophe Bovet und so weiter gehörten, hatten den Übertritt zu den Pros bereits vollzogen. International dagegen hatte sich das Leistungsniveau und die Leistungsdichte im Amateurgolf auf ein beinahe professionelles Niveau angehoben. Die besten Amateure der zweiten Hälfte der 90-er Jahre (zum Beispiel Chopard, Zimmermann, de Sousa, Clément, Chatelain) haben sich zudem bei den Pros nicht wie gewünscht durchsetzen können, was uns gleichzeitig auch eine Leistungslücke im professionellen Turniergolf gibt. Zumindest in der Art, dass wir bisher keine Spieler haben, die sich in der European Tour halten können.

Trotzdem hat es in den letzten Jahren aber extrem gute Auftritte von Schweizer Teams an internationalen Titelkämpfen gegeben, wie der 4. Rang der Männer an den Weltmeisterschaften 2004 und die Bronzemedaille der gleichen Mannschaft an den EM 2005. Und jetzt plötzlich ein solcher Absturz?

Das zeigt ja gerade, dass wir auf dem richtigen Weg sind. Aber es zeigt auch, in welch schwieriger Situation das Amateurgolf mit einer so schmalen Spitze ist. Denn von dieser Mannschaft habe ich heute keinen einzigen Spieler mehr. In den letzten Jahren habe ich jährlich ein halbes Team zu den Pros ziehen lassen müssen. Ein solcher Ader- lass könnte nur verkraftet werden, wenn die Jungen in einer viel grösseren Zahl nachdrängen, als das gegenwärtig in der Schweiz der Fall ist. Die Schweiz ist eben ein kleines Land. Wenn wir uns zur Zeit eher in einer Talsohle befinden, dann scheint mir das normal zu sein. Von der EM-Mannschaft von 2005 zum Beispiel (Tino Weiss, Roger Furrer, Damian Ulrich, Martin Rominger, Nicolas Sulzer, Sandro Tan-Piaget) ist nur noch Tan-Piaget Amateur, und die andern fünf kämpfen um den Durchbruch bei den Pros.

Wie können Sie dann sagen, unsere Strukturen im Nachwuchsgolf seien gut, wenn nach wie vor zu wenig gute Spieler daraus hervorgehen, um einen Platz im europäischen Mittelfeld zu behaupten? Wir liegen zur Zeit auf dem Niveau von Tschechien, Portugal oder Slowenien! Das entspricht doch sicherlich nicht ganz dem Selbstverständnis innerhalb der ASG?

Natürlich nicht. Diese angesprochenen Strukturen haben vor zwei Jahren eine weitere solide Verbesserung erfahren, indem jetzt ja bekanntlich zwei vollamtliche Regionalcoaches dafür sorgen, dass auch dem Level des Club- golf intensiver in die Arbeit mit den jugendlichen Golfern investiert wird. Es gibt je ein Regionalkader West und Ost, und bereits stellen wir fest, dass sich vielerorts auch die Qualität der Zusammenarbeit mit den Pros in den Clubs zu verbessern beginnt. Sie sind es ja in den meisten Fällen, welche das Training des Nachwuchses leiten. Ich freue mich auch über die enormen Anstrengungen, welche die Swiss PPA unternimmt, um den Berufsstand des Golflehrers aufzuwerten. In den berufsbegleitenden Weiterbildungsprogrammen («Further Education Programm») bekommen die Pros viel Wissen geboten, welche sich auch in der Qualität der Arbeit mit den Boys und Girls niederschlagen wird.

Welches sind denn aus Ihrer Sicht die Stärken der heutigen ASG-Strukturen im Leistungssport? Da müssen verschiedene Punkte erwähnt werden.

• Seit längerer Zeit können wir mit dem gleichen Team arbeiten. Neben mir und Régine Lautens als Nationalcoaches sind das auch Simin Hofstetter Öz und Johnny Storjohann an der Geschäftsstelle der ASG.

• Markus Gottstein, der Präsident der Sportkommission, ist selber ein ehemaliger Spitzengolfer. Er war lange Mitglied der Nationalmannschaft, und er kennt auch als Verbandsfunktionär alle wichtigen Stufen der Organisation aus eigener Erfahrung. Er ist voll engagiert für den Spitzensport. Das stellt sicher, dass auch im Vorstand die Anliegen des Leistungssports richtig verstanden und unterstützt werden.

• Wir sind darauf eingerichtet, unseren besten Spielern ein Maximum an internationalen Startmöglichkeiten zu ermöglichen. Solche wichtigen Erfahrungen können wir heute sogar den Regionalkadern bieten.

Ein Thema, das auf Verbandsebene, aber auch im Gespräch zwischen den Technikern und anderen Leuten, oftmals etwas tabuisiert wird, das sind die technischen Grundlagen unserer besten Spieler. Sie kommen aus zahlreichen verschiedenen Clubs im ganzen Land. Jeder hat seinen Werdegang, ist von Trainern, Coaches, Pros und anderen Schlaumeiern beeinflusst worden. Diese Talente landen irgendwann in einem Regionalkader, später sogar in einer Nationalmannschaft oder vollziehen den Übertritt zu den Pros. Wenn ich, als Chefredaktor von Golf Suisse, bei zahlreichen Gelegenheiten mit unseren Spitzenspielern im Kontakt, sie schwingen sehe, dann stellen sich in gewissen Fällen schon Fragen. Ohne jetzt über konkrete Beispiele zu reden: gerade in der Alterskategorie der Boys und der Girls, als 14- bis 18-jährig, spielen zahlreiche Sportler auf einem ordentlichen Level, also mit einem tiefen einstelligen Handicap, welche über einen Schwung verfügen, der für höhere Aufgaben ganz offensichtlich zu wenig robust, zu wenig solid ist. Dazu muss sich der Nationalcoach doch auch einmal äussern! Das sind absolut richtige Beobachtungen. Allerdings muss man auch wissen, wie heikel es ist, sich bei einem heranwachsenden Spitzensportler – oder sagen wir besser: bei einem jungen Talent – in die Zusammenhänge zwischen Wachstum, Kraftentwicklung, Technik und Coaching einzumischen. Kinder erlernen oftmals rasch einen ziemlich guten Schwung und können damit ordentliches Golf spielen. Die Resultate der 14+under zeigen das eindrücklich. Doch wenn sie einmal Teenager sind, dann verlangsamt sich das Längenwachstum, und das Entwickeln von mehr Kraft und mehr Masse tritt in den Vordergrund. Davon ist auch die Koordination betroffen, weshalb man das reine Technik-Training mit einer gewissen Vorsicht angehen muss.

Andrerseits wissen wir natürlich auch, dass kein Spieler ohne solide technische Grundlagen auf die Dauer Resultate bringen wird. Ich werde deshalb mit meinen beiden Regionalcoaches Christophe Bovet und Patrick Kressig ab sofort versuchen, direkteren Einfluss auf die Technik unserer Kadermitglieder zu nehmen. Dazu müssen wir die Spieler häufiger selber sehen, aber wir müssen auch enger mit ihren Clubtrainern zusammen arbeiten. Und wir werden häufiger Trainingslager anbieten, oftmals auch nur über ein Weekend. Und wir werden ebenfalls häufiger an Turnieren als Beobachter anwesend sein müssen, wo die Jungs spielen.

Immerhin will ich zu dieser Frage auch festhalten, dass das spieltechnische Niveau unseres Nachwuchses bereits jetzt daran ist, besser zu werden.

Wenn das die neuen Zielvorstellungen sind, kann es denn sein, dass der Nationalcoach am Genfersee wohnt? Das ist ein Problem. Deshalb habe ich bereits angeboten, gegebenenfalls meinen Wohnsitz in Richtung Mitte der Schweiz zu verlegen. Man kann nicht Visionen haben und selber nicht bereit sein, dafür die notwendigen Konsequenzen zu ziehen. Mir schwebt nicht ein «Swiss National Golf» oder so etwas ähnliches vor. Eher sehe ich, dass ich mich selber in den Mittelpunkt stelle und wir bestehende Anlagen in den Regionen benutzen. Kleinere Neunlochplätze würden sich dazu bestens eignen, sofern sie gute Trainingsanlagen haben. So könnten die Kadermitglieder mit kurzen Anreisedistanzen mich oder den Regionalcoach häufiger zum Training sehen.

Das tönt nach Verhältnissen wie in Schweden oder Frankreich.

Ich denke nicht, dass wir jemals so weit kommen werden. Allerdings kann ich nicht erkennen, was an «Verhältnissen wie in Schweden oder Frankreich» so falsch ist. Beide Länder haben zahlreiche Spitzenspieler hervorgebracht. Mir geht es aber vor allem darum, den Spielern meine eigenen Kenntnisse und diejenigen meiner Mitarbeiter optimal zur Verfügung zu stellen. Ich sehe sie häufig, kenne sie gut, und ich bin als Golflehrer sehr flexibel, bin nicht auf eine bestimmte Theorie eingeschworen, wie Leadbetter, Harmon oder sonst wer. Unseren Spielern muss man helfen, sich selber besser zu verstehen. Doch wir müssen ihnen nicht nur diejenige Hilfe bieten, die sie selber abrufen wollen; wir sollten kreativ werden und aktiv eingreifen, wenn wir den Eindruck haben, das sei notwendig.

Reden wir zum Schluss nochmals über unsere Pros. Julien Clément hat nach einer mehrjährigen Durststrecke gute Aussichten, sein bestes Niveau wieder zu erreichen. Martin Rominger bringt in der Asian Tour immer wieder gute Leistungen. Damian Ulrich hat in der deutschen EPD ausgezeichnet gespielt. Raphael de Sousa gilt als ein exzellenter Ballstriker. André Bossert spielt seit Jahren auf einem beständigen Niveau. Tino Weiss hat während seiner Collegezeit in den USA kontinuierlich Fortschritte gemacht und ist jetzt ebenfalls Pro geworden. Man hat den Eindruck, dass es nur noch eine Zeitfrage ist, bis endlich einer – oder auch mehrere – sich wirklich durchsetzen. Sie können mich zitieren: ich sage voraus, dass innerhalb der nächsten 12 Monate irgend etwas Grosses von Seiten unserer Pros geschehen wird. Ich habe dieses untrügliche Gefühl, dass es kurz bevorsteht. Ich weiss nicht wer, ich weiss nicht wann und wie, aber man spürt förmlich, wie sie wie Rennpferde am Zaumzeug reissen. Ich bin sehr optimistisch für die kommende Zeit!

Graham Kaye, besten Dank für dieses interessante Gespräch!

Interview: Urs Bretscher

ASG GolfCard: Diskussionen in den Regionen

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