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Der Boss des Course Rating
Verantwortung in einem Unternehmen zu tragen, zusätzlich von der Bürde eines Amtes in der Clubleitung belastet zu sein, und schliesslich auch noch Mitglied im Vorstand der ASG – und da soll noch Zeit bleiben, um ab und zu Golf zu spielen? Jean-Marc Mommer nahm sich diese Zeit für eine Runde Golf mit dem Golf-Suisse-Redaktor auf seinem Heimplatz, im GC Montreux nämlich.
Er ist der ideale Partner für eine Runde Golf: elegant, humorvoll, immer gut gelaunt, ein sehr guter Spieler dazu. Er darf sich an einem wie geschmiert funktionierenden Swing erfreuen, den er sich schon in seiner Jugendzeit angeeignet hat: Jean-Marc Mommer ist in Crans-Montana aufgewachsen. Er ist also sozusagen als Kind in den Kessel mit der «Potion magique» gefallen und hat alles ausgetrunken. In Montreux ist er seit rund 30 Jahren Mitglied; nach dem Abschluss seiner Studien an der psychologischen Fakultät der Uni Neuchâtel zog es ihn zurück an den Genfersee. «Ich bin 55-jährig», lacht er. Im Spiel lässt sich leicht erkennen, dass er sein aktuelles Handicap von 6 jederzeit wert ist. «Ich war schon als Jugendlicher im Bereich der einstelligen Handicaps und bin es bisher geblieben. Ich liebe den Wettkampf, und ich bin ein Perfektionist und ein Fighter!» Sein Schwung, wie gesagt, verrät die Erfahrung, im Kurzspiel ist er ein absoluter Könner, aber seine Stärken und Schwächen sind ebenso klar: Drive und Eisen sind seine Domäne, während er mit dem Putter kein Meister ist und das auch offen zugibt. Das trifft sich doch gut – wir bringen das Thema «Psychologie» aufs Tapet, denn das Putten spielt sich ja zu einem grossen Teil zwischen den Ohren des Spielers ab. Hat er da schlechte Kindheitserinnerungen oder Phobien, die ihn daran hindern, den Ball einzulochen? «Ich trainiere nicht genug auf dem Green, ganz einfach!» – der Fachmann hat den Hobbypsychologen elegant ausgetrickst. «Ich lebe weitgehend von meiner Erfahrung und von der Technik, auf die ich mich verlassen kann. Ich bin kaum mehr als einmal pro Woche auf dem Golfplatz. Ich liebe das Spiel wegen seiner sozialen Aspekte, weshalb ich eigentlich nie alleine spiele. Ich spiele oft mit meiner Frau Mary und unserer Tochter. Wahrscheinlich werde ich häufiger spielen, wenn ich einmal pensioniert bin. Aufgefallen ist mir, dass ich nun seit Beginn dieses Jahres Senior bin und bisher keinen Unterschied zu früher bemerkt habe».
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Ein glücklicher Präsident
Ende April, anlässlich unseres Gesprächs, konnte man kaum anders als diese Wärme, dieses schöne Wetter zu geniessen; in der Sonne auf der Terrasse des Clubhauses bei diesem Interview. «Beruflich bin ich im unternehmerischen Bereich in Europa und in den USA tätig, wo ich übrigens meine Frau kennen gelernt habe. Seit acht Jahren bin ich als Leiter der Abteilung für Human Ressources und Communications bei Firmenich SA in Genf tätig». Unüblich, dass ich als Journalist ein Interview mit einem Mann mache, der beruflich Leute interviewt. Langsam, aber sicher nähert sich dieses Gespräch denn auch dem «offiziellen Teil» sozusagen; denn Jean-Marc Mommer ist seit andert- halb Jahren der Leiter der rechtlichen Abteilung der ASG, der Technischen Kommission nämlich. Dass er im Club seit 1998 Präsident ist und deshalb eine entsprechende Führungserfahrung mitgebracht hat, war seiner Wahl in den Zentralvorstand sicher nicht hinderlich. Unter seiner Leitung vollzogen sich zuerst die Hundertjahrfeier des GC Montreux und anschliessend der Gesamtumbau des Golfplatzes von Montreux; der auf dem Gemeindegebiet von Aigle liegende Parcours wurde vom Architekten Ronald Fream vorgenommen, doch innerhalb des Vereins musste ziemlich viel Überzeugungsarbeit geleistet werden, und der zwei Jahre dauernde Umbau, der aus dem über 100 Jahre alten Golfplatz mit den langen Baumreihen eine abwechslungsreiche, moderne und spannend zu spielende Anlage gemacht hat, musste vereinsintern organisiert werden. Die Operation gelang perfekt, und heute sind alle zufrieden und der Präsident glücklich.
Freude am Technischen
Natürlich sorgen solche landesweit beachteten Interna (Jubiläum und Platzneubau) für eine gewisse Reputation, was mit eine Rolle gespielt haben mag, als es darum ging, die Nachfolge von Paul Quéru im ASG-Vorstand zu regeln. «Mich auf nationalem Niveau mit allem Reglementarischen im Golfspiel beschäftigen zu können, das war eine echte Herausforderung. Die Identität des Spiels, seine Wurzeln, der Spirit und die Ethik, das sind Dinge, die mir persönlich Freude bereiten. Demgegenüber sehe ich in meiner Vorstandstätigkeit nichts Verbandspolitisches. Das waren die Gründe für mich, die Anfrage betreffend einer Vorstandstätigkeit positiv zu beantworten». Mit Neugier und Vorfreude stürzte sich Mr. President denn auch auf die Unterlagen, welche das Course Rating und das Handicapwesen betreffen; er absolvierte sogar einen Kurs für das Vermessen eines Golfplatzes. Er besuchte Seminare der USGA (United States Golf Association) und der EGA (European Golf Association); denn er hatte den persönlichen Wunsch, diese Dinge voll zu verstehen und aus dem Effeff zu beherrschen.
Heute sind alle Golfplätze der Schweiz nach den Grundsätzen des Course Rating, das von der USGA entwickelt worden ist, vermessen. Das Grundprinzip ist ziemlich einfach: alle neuen Golfplätze erhalten nach dem Besuch der Rating-Equipe ihr erstes Rating. Bereits nach vier Jahren werden diese Golfplätze nochmals vermessen und erhalten ein an die Veränderungen und das Pflanzenwachstum angepasstes Rating. Von nun an erfolgen die periodischen Nachkontrollen nur noch alle zehn Jahre (Umbauten ausgenommen), weil das Tempo der Veränderungen mit der Zeit langsamer wird.
Sind denn die Clubs mit diesem System zufrieden? «Im Allgemeinen ja. Wir erhalten wenig Beschwerden. Meine Kommission unterhält mit den Clubvorständen gute Beziehungen, und die meisten Fragen können im Dialog geklärt werden».
Und jetzt das CSA
Die gewaltige zahlenmässige Entwicklung des Golfspiels, mit mehr als doppelt so vielen Spielern in der Schweiz als 1990, machte es notwendig, das vorher etwas lockere Handicapwesen zu straffen. «Es ging wirklich um das Schaffen von Ordnung und um das Vereinheitlichen. Ich bin überzeugt, dass wir heute mit dem Course Rating ein korrekteres Handicapwesen haben, und dass jeder Spieler heute ein Exact Handicap hat, das seine Spielstärke gut ausdrückt. Immerhin ist diese Methode in einer grossen Anzahl von Ländern im Einsatz – so falsch kann sie nicht sein!»

2007 wurden nun verschiedene Verbesserungen eingeführt, darunter das bereits vorgestellte CSA (Competition Stableford Adjustement – letzte Ausgabe von Golf Suisse). Es erlaubt im Wesentlichen ein besseres Berücksichtigen der Tagesverhältnisse, das langjährige Turnierspieler von früher her als SSS kennen. Der relative Schwierigkeitsgrad des Golfplatzes fliesst in die Auswertung der Turnierergebnisse ein, und die Anpassung der Handicaps erfolgt unter Berücksichtigung dieses relativen Schwierigkeitsgrades des Platzes, und zwar automatisch durch das Computerprogramm, welches in nahezu allen Schweizer Golfclubs im Einsatz ist (PC Caddie). Die Clubs haben ein entsprechendes Update erhalten.
Weitere Änderungen in Sicht
Aber das CSA ist nicht das einzige, was neu ist bei den Handicaps. Zusammen mit der EGA will auch die ASG weiterhin darauf einwirken, dass alle Spieler ein Handicap haben, das möglichst präzise ihre wahre Spielstärke reflektiert.
Dazu ist es notwendig, dass sie viele Turniere bestreiten und viele Scores in die Handicapverwaltung eingeben; deshalb wird auch zum Spielen von Karten (Extra Day Scores) ausdrücklich ermuntert. Das wird neu nun das ganze Jahr hindurch möglich sein, auch im Winter, sofern die volle Länge des Platzes gespielt werden kann.«Das Handicap kann nun auch bei Winterregeln (Preferred Lies) gespielt werden: der Ball darf gereinigt und innerhalb von 15 Zentimetern, nicht näher zum Loch, platziert werden. Das bedeutet auch, dass in allen Clubs nur noch diese Preferred Lies angewendet werden sollten, und nicht irgendwelche eigenen Winterregeln».
«Ab 2008 werden wir alle Clubs auffordern, die Handicaps aller Spieler regelmässig zu überprüfen. Wer innerhalb einer Saison weniger als vier Karten in der Wertung hat, dessen Handicap wird vom aktiven in einen inaktiven Status versetzt. Das hat zur Konsequenz, dass der Spieler oder die Spielerin zwar an Turnieren starten darf, aber nicht preisberechtigt ist».
Bisher galt eine ungeschriebene Regel, dass die sportlichen Organe das Handicap eines Spielers nach einer Saison ohne Turniere um einen Schlag anhebt. Das setzte natürlich einen Dialog mit dem Spieler voraus, und der Captain oder die Sportkommission sah sich in einer Art Richterrolle. Das wird es nicht mehr geben: neu wird ein solcher Spieler in der folgenden Saison drei Karten nach seinem vorherigen Handicap spielen und abgeben müssen, welche als Grundlage für die Berechnung seines neuen Handicaps dienen. Doch das ist noch nicht alles. Bisher wurden für ein erstes Handicap drei Karten verlangt, deren Durchschnitt das erste Handicap war. Neu wird ein solcher Spieler mit Handicap 36 drei Karten spielen; spielt er gut, erhält er direkt das Handicap seines bestens Scores. «Damit wollen wir Leute unterstützen, welche motiviert sind, trainieren und rasche Fortschritte machen wollen. Sie werden so rascher runterspielen können als bisher. Diese Neuregelung gilt innerhalb der gesamten EGA».
Die Änderungen im Handicapwesen haben gemäss JeanMarc Mommer das Ziel, für mehr Transparenz, klarere Verhältnisse und als Folge davon weniger überflüssige Diskussionen zu sorgen. «Das Bewahren der Ethik des Golfspiels ist das wichtigste. Wir werden in diesem Sinne unsere Kommunikation mit den Clubs intensivieren. Wir haben die ersten Massnahmen bereits an die Hand genommen, und man darf hier auch erwähnen, dass wir über eine kompetente, leistungsfähige und gut funktionierende Geschäftsstelle verfügen. Das Sekretariat der ASG ist ein echter Glücksfall!»
Nach diesen instruktiven Ausführungen scheint das Risiko gross, dass nicht nur die Handicaps aller ASG-Clubspieler, sondern auch dasjenige des Golf-Suisse-Redaktors in Gefahr ist, wieder anzusteigen. Vielleicht wäre es also besser, auf dem Golfplatz zu trainieren als auf der Terrasse zu diskutieren?
■ Jacques Houriet