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«Pull the Strings»

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The Incredible

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Er zieht die Fäden – aber er tut das nach eigenem Bekunden am liebsten im Hintergrund. Golf ist eine Sportart, die selbständige Athleten fordert, die sogar vom bescheidensten Amateur immer wieder selbständige Entscheidungen verlangt. Coaching während der Runde ist bis hinauf auf allerhöchstes internationales Amateur-Level nicht erlaubt; deshalb ist es Graham Kayes generelle Richtlinie, sich im Zweifelsfall eher zurückzuhalten, bis seine Boys von sich aus Fragen stellen. Im Gespräch mit Golf Suisse, das im GC de Lausanne stattgefunden hat, hat er sich allerdings alles andere als zurückhaltend gezeigt und aus der Arbeit des «Strippenziehers» geplaudert.

Zusammen mit dem Captain Toni Matti bin ich für die Selektion der Nationalmannschaft zu internationalen Titelkämpfen verantwortlich. Das kann durchaus eine heikle Sache sein. Natürlich stellen wir ab auf die Resultate in den Selektionsperioden. Das ergibt einen Stroke-Durchschnitt für alle gespielten Turnierrunden; und das ist ein wichtiger Punkt. Aber genauso wichtig ist, was für eine Mannschaft so zusammenkommt. Unsere ausgezeichneten Resultate der letzten Jahre waren auch das Ergebnis eines hervorragenden Team Spirit. Mannschaftsgeist, das lässt sich nicht organisieren. Eine der Voraussetzungen ist, dass die selektionierten Spieler ein Zusammengehörigkeitsgefühl haben. Golf ist zwar eine Einzelsportart. Trotzdem werden EM und WM als Team-Events durchgeführt. Ich will also eine Truppe dabei haben, in der jeder für das Team kämpft bis zum letzten Ball und alle sich gegenseitig unterstützen. Schliesslich spielt, zusammen mit dem Alter, auch die internationale Erfahrung jedes Spielers eine Rolle. Der Druck an einer WM oder EM ist gewaltig, nicht zu vergleichen mit irgend einem anderen Turnier. An der Weltmeisterschaft im kommenden Herbst in Südafrika werden 65 Länder erwartet. Das wird ein so gross aufgezogenes Turnier, dass jeder Neuling hier zuerst einmal sehr beeindruckt ist. Um gute Scores zu bringen, muss man über ein solides Spiel und ein intaktes Selbstvertrauen verfügen – da muss alles stimmen. Dreierteams nehmen teil; pro Runde zählen die beiden besten Scores. Es hat also nicht viel Raum für Abstürze!

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Wir haben hohe Zielsetzungen: das Erreichen der ersten 15 ist das Budget, mehr wäre ein Bonus. Vorbereitung ist al- les, und da kann der Coach massiv helfen. Wir analysieren die beiden WM-Meisterschaftsplätze, von Loch zu Loch. Jeder Spieler soll in der Lage sein, einen präzisen Game Plan aufzustellen.

Kann man zu viel am Golfspiel herumstudieren? Sicher. Deshalb betreibe ich ein Coaching auf Abruf. Das heisst, ich stehe jedem Spieler uneingeschränkt zur Verfügung, aber nur so viel und so oft, wie er selber das will. Wir erarbeiten gemeinsam alle Informationen, die ins Spiel kommen, wie Wetter, Wind, Luftfeuchte, Bodenbeschaffenheit, aber auch das Design des Platzes und die Strategie. Bei jedem Loch lässt sich planen, wo man den Drive platzieren will. Das ergibt Zonen auf dem Fairway; beispielsweise eben kürzer als die Fairwaybunker, oder auf der einen Seite des Fairways, um einen besseren Winkel zum Green zu haben – je nach Fahnenposition natürlich. Doch mit welchen Mitteln ein Spieler seinen Ball in der gewählten Zone platziert, das kann ich ihm nicht sagen. Jeder Spieler hat einen anderen Ballflug, erreicht andere Distanzen vom Abschlag.

Eine der grössten Schwächen vieler Schweizer Spitzenspieler ist die Distanzkontrolle mit den Wedges; und zwar Amateure und Pros. Dabei geht es um fünf Meter und weniger; das sind die realistischen Birdie-Chancen. Eine der wenigen Ausnahmen ist André Bossert. Bei ihm lässt sich beobachten, wo diese Kontrolle herkommt: von unermüdlicher Arbeit nämlich. Bossy kann Stunden damit verbringen, Wedges mit verschiedenen Bounces von verschiedenen Unterlagen – Fairway, Rough, Sand, nackter Boden oder was er auch immer auf einem konkreten Golfplatz vorfindet – zu spielen, um die Distanzen ganz genau zu kennen. Das ist sehr beeindruckend, und es erlaubt ihm, weiterhin der beste Schweizer Playing Pro zu sein, auch wenn er von seiner Abschlagslänge her (altershalber, natürlich) benachteiligt ist.

Die Kommunikation ist der wichtigste Teil meiner Arbeit. Einen guten Schwung müssen die Athleten mitbringen; ich muss ihre Technik zwar kennen, aber sie sind nicht in der Nationalmannschaft, um technische Fortschritte zu machen. Ich will ihnen Wege zur spielerischen Verbesserung aufzeigen, das gewisse Etwas mehr, das es ausmachen kann. Die Regelmässigkeit und der Durchhaltewillen sind mir am wichtigsten.

Pressure: wie einer unter Druck spielt, das kann man im Training nicht üben. Irgendwo hat jeder seine Belastungsgrenzen; wo er beginnt, Fehler zu machen. Deshalb ist es so wichtig, dass ich an möglichst vielen Events selber dabei bin. Wenn wir nach der Runde analysieren wollen, zusammen Fehler finden und ausbügeln wollen, dann reicht es nicht, wenn ich nur die subjektive Sicht des Spielers habe. Ich muss es selber gesehen haben. Zudem gibt es dem Team zusätzlichen Rückhalt, wenn der Coach auf dem Platz dabei ist. Auch wenn das manchmal bedeutet, das ich von morgens sieben Uhr bis fast zum Einnachten draussen bin!

Jüngere Spieler benötigen mehr Unterstützung durch den Coach. Wer schon einige Male dabei war, dem kann seine Routine sehr viel helfen.

Stört Intelligenz beim Golfspiel? Ich glaube nicht, obschon es immer wieder Spieler gibt, die den Durchbruch schaffen und sich vor allem auf ihre Instinkte verlassen. Ich bin aber überzeugt, dass die Gründe vieler Erfolge vor allem in der Vorbereitung zu finden sind. In körperlicher Hinsicht, in technischer Hinsicht, in mentaler Hinsicht, in der Ernährung. Und da ist der Schritt vom guten Amateur zum guten Pro noch immer sehr gross. Man hat nicht zu allen Menschen den gleich guten Draht; das ist auch zwischen mir und den Nationalspielern nicht anders. Natürlich machen wir Teamsitzungen, wo allgemeine Themen angesprochen werden. Alles andere läuft aber im Einzelgespräch. So lasse ich jedem Spieler den Freiraum, wo viel Hilfe und Infos vom Coach zu suchen, wie er will. Es ist gar nicht mein Stil, die Spieler mit Infos zu bombardieren – wenn sie nicht auf Empfang geschaltet haben, ist das sowieso sinnlos.

Ich bin überzeugt, dass solide Schwung-Fundamentals absolut wichtig sind. Vielleicht gibt es ab und zu ein Jahrhundert-Talent; doch die meisten Golfer müssen hart an ihren Grundlagen arbeiten. In den Regionen und in vielen Clubs wird sehr solide Arbeit geleistet, im Juniorentraining. Die Swiss PGA sorgt mit ihren Programmen auch dafür, dass die Pros wissen, wie Jugendliche zu trainieren sind. Entscheidend ist bei den Kindern der Schritt vom rein spielerischen Spass zu einer gewissen Effizienz, zu einer mehr zielgerichteten Arbeit. Mit den neuen Regionalstrukturen wollen wir die Basisarbeit in den Clubs aber weiter positiv beeinflussen.

Ein Verband kann nie genug Nachwuchs haben. Je mehr Nachwuchstalente, desto besser sind die Chancen, dass der eine oder andere es bis ganz an die Spitze schafft. Von der Ausgangslage ist es wirklich eine reine Frage der Zahlen. Doch ich bin auch nicht naiv: wir werden in der Schweiz die Anzahl Nachwuchsspieler nicht einfach so verdoppeln können. Dafür ist schon nur die allgemeine Bevölkerungsentwicklung ungünstig: es gibt immer weniger Kinder!

Marc Dobias, einer der Spieler des Nationalteams, zusammen mit dem Coach auf dem Fairway von Hole Nr. 6 des GC de Lausanne.

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