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Ein völlig neuer Golfplatz
Seit über hundert Jahren wird in Interlaken Golf gespielt; allerdings nicht ununterbrochen und auch nicht immer am gleichen Ort. Jetzt verfügt der GCIU nach über zweijähriger Bauzeit über einen ganz neuen Platz – wer «Interlaken» in seiner bisherigen Version gekannt hat, der wird staunen über die Veränderungen, welche Architekt John Chilver-Stainer realisiert hat.
Pünktlich zu seinem 40-Jahre-Jubiläum konnte der Golf Club Interlaken-Unterseen im letzten Herbst seinen «neuen» Golfplatz in Betrieb nehmen. Dem Umbau waren jahrelange Diskussionen, Konzepte, Verhandlungen und Versammlungen vorausgegangen. Denn es war nicht der Wunsch des Clubs und seiner Mitglieder gewesen, einfach so zum Spass den ganzen Platz umzugestalten. Das Gelände, auf welchem die Interlakner Golf spielen, war ur- sprünglich landwirtschaftlich genutzt worden. Die 55 Hektaren zwischen Neuhaus und dem Naturschutzgebiet in der Weissenau – dort, wo die Aare in den Thunersee mündet – gehören zur Gänze den Burgern von Unterseen, was es den Initianten ausgangs der Fünfziger Jahre etwas leichter machte, zum Ziel zu kommen: nur ein einziger Grundeigentümer musste überzeugt werden. Die Berner Oberländer sind nicht weniger dickschädlig ist andere Schweizer; doch die Argumente aus der Ecke des Tourismus wirkten, so dass bald einmal uneingeschränkte Befürwortung in der ganzen Region vorhanden war. Einsprecher aus den verschiedensten Lagern, wie wir sie heute kennen, gab es damals noch nicht.
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So erhielt der renommierte Architekt Donald Harradine den Auftrag, einen Golfplatz zu entwerfen und zu bauen. Man dachte an nahezu alles; neben einem Clubhaus auch an Drainage, Parkplätze, Bewässerung, Übungs- gelände und – 7000 Birken. Für den gesamten Bau wurden 800000 Franken budgetiert.
Zeugen von damals sprechen von einem offenen, sonnigen Golfplatz, der überall den Blick auf den See und auf die Alpen freigab. Die Nähe zum See und vor allem die Tatsache, dass der Seespiegel nur wenig unter dem Niveau des Geländes lag, sollte sich mit der Zeit aber als tückisch erweisen. Kräftiger Regen führte schnell einmal zu unspielbarem Platz; und bei der ersten der grossen Überschwemmungen der jüngsten Zeit, im Juni 1999, stand ein ansehnlicher Teil des ganzen Golfplatzes tagelang unter Wasser, weil sich mit dem Seespiegel auch der Grundwasserspiegel gehoben hatte.
Renaturierung
Hätten sich die Golfer nach dem zweiten Weltkrieg nicht durchgesetzt, wäre das Gelände in der Zwischenzeit wahrscheinlich in Bauzone umgewandelt worden. Durch den auch touristisch wertvollen Golfplatz war auf lange Zeit sichergestellt worden, dass diese Parklandschaft erhalten blieb. Doch im sensiblen Berührungsbereich zwischen Feuchtgebiet entlang des Seeufers und Sportplatz lokalisierten die kantonalen Behörden Handlungsbedarf für eine Renaturierung, die kurz vor dem Millenium beschlossen und in Angriff genommen wurde. Die Wasserläufe, welche vom See her bis zum Golfplatz vorstiessen, sollten verbreitert und so vernetzt werden, dass das Seewasser auch hier zirkulieren konnte; Fischlaichplätze sollten entstehen. Die Feucht- und Riedwiesen, welche von den Golfern als hohes Rough empfunden wurden, sollten aufgewertet werden, um eine bessere Pufferzone zwischen Zivilisation und Naturschutzgebiet Weissenau zu bilden.
Der Club erkannte eine Chance und handelte. Die 7000 Birken waren zusammen mit einer imposanten An- zahl Pappeln in der Zwischenzeit nämlich so hoch gewachsen, dass Schatten vorherrschte – von Blick auf den Thunersee sowieso keine Rede mehr. An gewissen Stellen, wie dem 13. Green, war der Schatten der Bäume so total, dass das Gras Wachstumsschwierigkeiten hatte…
Die Idee wurde auf eine griffige Formel gebracht: die zusätzlichen Wasserflächen, welche im Rahmen der Renaturierung entstehen würden, konnten genau so gut als Wasserhindernisse in den Golfplatz integriert werden. Bestechend, der Gedanke, fanden die Mitglieder, und stimmten einem entsprechenden Projekt von John Chilver zu.
Neben zahlreichen neuen Wasserläufen und -flächen sollen auch einige Baumreihen ausgelichtet werden. Der Verlauf der 18 Holes ist nicht geändert worden; doch die Grundkonzeption des Layouts schon. Insbesondere die Bereiche um die Greens, das war eine weitere Zielsetzung, sollten modernisiert werden; das Putten sollte interessanter und schwieriger werden, und der gesamte Platz sollte optisch und ästhetisch aufgewertet werden.
Umsetzung gut gelungen
Zuerst die Backnine, anschliessend die ersten neun Löcher wurden seit 2003 nun nacheinander und unter Einsatz von schwerem Gerät umgebaut. Zahlreiche Lücken wurden in die uniformen Baumreihen geschlagen, um einen offeneren, lichteren Eindruck zu schaffen. Einige Holes erfuhren nur geringfügige Veränderungen im Bereich des Greens, andere wurden komplett neu gestaltet und verlaufen jetzt nicht mehr genau gleich wie vorher. Der dominierende Gesamteindruck für den Spieler ist der, auf einem ganz neuen Golfplatz zu stehen.
Die Greens sind teilweise überhöht, sind wesentlich stärker onduliert und an zahlreichen Stellen von Mounds flankiert. Deutlich mehr Wasserhindernisse stellen den Golfer vor andere, neue Aufgaben. Neu ist auch der Aufbau: wer an die alten Greens denkt, die im wesentlichen aus Humus bestanden, der wird einen grossen Unterscheid zu den modern aufgebauten Puttingflächen mit einem hohen Sandanteil in der Topschicht feststellen.
In spieltechnischer Hinsicht ist der Golfplatz ein bisschen schwieriger geworden. Die Gesamtlänge ist vergleichbar geblieben, die zusätzlichen Hindernisse und die jetzt wieder besser ins Spiel kommenden Fairwaybunker verlangen aber präziseres Platzieren des Balles. Dazu muss, wer wirklich scoren will, den Annäherungsschlag näher an die Fahne bringen, wenn er eine Chance auf ein gelegentliches Birdie haben will – das Putten auf den neuen Greens ist um einiges heikler geworden.


Am frappantesten ist der Unterschied zu früher in optischer Hinsicht. Vieles sieht ganz anders aus, moderner, aktueller – das Golfplatzdesign folgt natürlich auch Modeströmungen.
John Chilver, ein im Wallis lebender Schotte, hat schon einige Golfplätze in der Schweiz gebaut. Er ist nicht überall völlig unbestritten, hat aber in Interlaken eine Arbeit abgeliefert, welche sich sehen lassen darf. Die Mitglieder des GCIU können jeden- falls zu recht stolz auf ihren «neuen» Golfplatz sein – auch wenn sie sich an der einen oder andern neuen Schwierigkeit noch ein Weilchen die Zähne ausbeissen dürften…
Das 2. Loch (grosses Bild) und das 18. Loch gehören zu denjenigen Spielbahnen, welche ihren Charakter ziemlich radikal geändert haben.

Über 100 Jahre am Ball
Etwas grosszügig betrachtet ist das nun der vierte Golfplatz in Interlaken. 1904 wurden in der Neuen Ey auf einem 18-Loch-Platz von 6300 Metern Gesamtlänge (Par 72) die ersten Bälle gespielt. Dort, südöstlich von Interlaken, entstand später ein Militärflugplatz. Belege für reges Clubleben und einen Turnierbetrieb hat Urs Zaugg in den Annalen gefunden; der Verfasser einer aussergewöhnlich aufwendig und interessant zusammengestellten Chronik mit dem Titel «Golfgeschichte Interlaken Jungfrauregion 1900 – 2005». Der Pächter hatte damals die Verpflichtung, dafür zu sorgen, dass das Gras nicht zu hoch wuchs; am besten durch regelmässigen Einsatz einer Schafherde (sic!). Doch dieser Golfplatz musste 1915, als der Erste Weltkrieg quasi keinen Stein mehr auf dem andern beliess, wieder aufgegeben werden, weil der Fremdenverkehr zusammenbrach und der Pachtzins nicht mehr bezahlt werden konnte.

Zwischen den beiden Weltkriegen wurden in der Schweiz einige Golfplätze eröffnet, keiner aber in Interlaken. Erst 1964, paradoxerweise nur ein Jahr vor der Eröffnung des Platzes in Unterseen, wurde nach einer Bauzeit von anderthalb Jahren der Platz des Golfclub Trümmelbach – Lauterbrunnental eröffnet. Hinter diesem Projekt standen Hoteliers und andere Personen vor allem aus Wengen; verbürgt ist auch der Name von Karl Molitor, der nach einer imposanten Karriere als Skirennfahrer mittlerweile ein Sportgeschäft betrieb, eine Skischuhmarke produzierte – und Golf spielte. Auch in Trümmelbach hatte Donald Harradine die Finger im Spiel; als Jungpro und Mädchen für alles startete ein gewisser Köbi Kressig hier seine berufliche Laufbahn.
Doch der Neunlochplatz zuhinterst im Lauterbrunnental hatte auf die Dauer keine Chance; nicht zuletzt, weil die Gemeinde ohne jede Über- zeugung mitmachte und 1970 einen einmaligen Betriebsbeitrag von 50000 Franken an der Urne ablehnte. Das war das Aus für den «GCTL», der als ein weiteres amüsantes Kapitel in der Geschichte des Golfspiels in der Schweiz aber erhalten bleibt. Schliesslich gibt es aus der Jungfrauregion ebenfalls zu berichten, dass man in Grindelwald Golf spielen kann. Seit 1993 wird versucht, auf einem relativ ebenen Stück Land unten an der Lütschine einen NeunlochPlatz zu realisieren. Seither gibt es dort eine Driving Range und einen Pitch&Putt-Platz mit fünf Holes. Die Initianten sind nach eigener Einschätzung im Frühling 2005 kurz davor gewesen, eine Umzonung für ein Par35-Layout durch eine Volksabstimmung durchzubringen; auch in Grindelwald hat man die Wichtigkeit eines Golfangebots für den Tourismus längst erkannt. Anlässlich der Überschwemmungen im Herbst 2005 wurde das Gelände mitsamt der bestehenden Driving Range aber zu einem guten Teil von einer Kieslawine zugedeckt, was den Zeitplan möglicherweise etwas verzögern könnte. Doch auch «Grindelwald Golf» wird nichts daran ändern, dass der neue Parcours des GCIU der Leader im Berner Oberland bleiben wird – und zur Champions League der schweizerischen 18-Loch-Plätze gehört!
■ Urs Bretscher