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Holmes & Watson
Die neuen Longhitter
«My dear Watson» – nicht ausgeschlossen, dass wir diese Worte in dieser Saison auf der US Tour einmal hören. John B. Holmes könnte so Bubba Watson ansprechen, auf dem Fairway, fernab vom Rest der Welt. Sherlock Holmes, so wird kolportiert, war ein ziemlich begeisterter Golfer – zumindest war das sein geistiger Vater, Sir Arthur Conan Doyle. Dieser hatte sich als junger Mann zum Arzt – besser: zum Augenspezialist – ausbilden lassen, hatte dann Holmes und Watson erfunden und angesichts schneller schriftstellerischer Erfolge den Beruf als Mediziner gar nie recht ausgeübt, sondern es im Golf zum einstelligen Handicap gebracht. Holmes dagegen, den gibt es in Fleisch und Blut erst heute. Er heisst J.B. Wenn der 23-Jährige Tour-Neuling, der sich mit seinem Sieg am FBR Open von Phoenix im Februar mitten ins Scheinwerferlicht des Planeten Golf katapultiert hat, auf einen Abschlag tritt, dann bleibt es nicht bei halben Sachen. Auf dem TPC of Scottsdale, wo Clubgolfer schon vor Ehrfurcht zittern, wenn sie nur schon das Clubhaus am Horizont auftauchen sehen, hatte er in der Schlussrunde keinen einzigen Drive, der kürzer war als 300 Yards!
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90 Kilo schwer ist der Bursche, 1 Meter 80 gross, kompakt, man könnte auch bullig sagen. Aber vor allem ist er schnell mit dem Golfclub. Am letzten Loch des Schlusstags, einem langen Par 4, landete sein Ball 15 Yards nach dem Fairwaybunker; dazu braucht es 320 Yards. Sein Drive wurde mit 354 Yards angegeben. Ein 169 Yards langes Par 3 spielte er mit einem Pitching Wedge, und auf dem 17. Loch, dem berühmten kurzen Par 4 (311 Yards zur Fahne), schoss er ein Fairway-Holz aufs Green. Von J.B. Holmes aus Kentucky wird man noch hören – vor allem auch, weil seine Drives schnurgerade sind. Vielleicht wird man hören, wie er sagt: «Respect, my dear Watson!» Denn Bubba Watson haut sie vielleicht noch weiter. Jedenfalls hat er das am Sony Open auf Oahu (Hawaii) getan: da wurde ein Drive mit 394 Yards gemessen.
OK – das Hole ist ein Dogleg, gemessen der Fairwaymitte entlang, und Watson schnitt die Kurve. Dazu musste er aber über einen Palmenhain zielen, musste einen extrem hohen Abschlag, einen ultralangen Fade schiessen. Das ge- lang dem Linkshänder so perfekt, dass sein Ball über den Wald mitten auf den Fairway flog. Der Südafrikaner Rory Sabbatini, bis letzte Saison einer der Longhitter vom Dienst, lag rund 50 Meter weiter hinten und bekannte, sich nicht vorstellen zu können, so weit abzuschlagen. Respect, my dear Watson – die beiden Jungs schreiben gerade das nächste Kapitel in der Geschichte um die langen Drives. Kaum dass wir die 300-Yarder von Daly, Woods, Mickelson und bald einmal der halben Truppe der PGA Tour verdaut, die Golfplätze so weit wie möglich verlängert und die Driver reglementiert haben, kommt die nächste Generation von Zirkusartisten daher. Wenn sie treffen, dann ist es Driver, ein Sack voll Wedges und ein Putter. Wenn sie nicht treffen, können Daly (der auch nicht immer trifft), Woods (der auch nicht immer trifft, aber trotzdem unter Par spielt), Mickelson (der immer besser trifft) und Co. erst aufatmen...
(J.B. Holmes hat im November 2005 das Turnier der QSchool gewonnen, nachdem er eine ausserordentlich gute Amateur-Karriere erlebt hat, mit Selektion für den Walker Cup 2005 als einer der Höhepunkte. Er ist 1982 geboren und hat neben dem Sieg am FBR Phoenix Open, erst seinem fünften PGA-Turnier, auch einen 10. Platz am Sony Open erreicht.
Bubba Watson, der wirklich so heisst, ist 1978 in Bagdad, Florida, geboren und ist 1,92 m gross. Nach einer Zeit als College-Golfer wurde er 2003 Pro und spielte drei Saisons auf der Nationwide Tour, der zweiten Liga in den USA. Die ersten 21 der Money List 2005 stiegen auf in die PGA Tour – Watson war 21. Am Sony Open 2006 belegte er am Schluss Rang 4.)

■ Urs Bretscher
Holmes und Watson haben einen neuen Tarif durchgegeben – aber nicht für das Aufklären von Kriminalfällen…

