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Size fits all?»
Zeug zum Par-Spieler nicht haben, sind in ihrer Vorstellungswelt extrem an einem perfekten Golfschwung orientiert. Dabei behindert der Versuch, die perfekte Technik zu erreichen, gerade wichtige Elemente wie Harmonie, Fluss, Ökonomie der Bewegung; lässt den Spieler von der reinen Technik gar nie richtig zum Spiel vordringen, weil er ständig korrigieren und sich verbessern muss. Das sind Erkenntnisse, die nicht etwa auf dem Mist eines Redaktors oder der Verantwortlichen der Swiss PGA gewachsen sind. Der PGA immerhin kommt das Verdienst zu, zwei Experten für ein Seminar engagiert zu haben, welche sich als Forscher und Anwender mit einer Disziplin namens «Typologie» beschäftigen. Ralph Hyppolyte vom INSEP (Institut National de Sport et d’Education Physique) in Paris und der Schweizer Bertrand Théraulaz arbeiten seit Jahren mit den beiden Pros Olivier Knupfer und Steve Rey zusammen; sie sind jedoch längst nicht auf Golf allein fokussiert, sondern haben einen enormen Erfahrungsschatz in Sportarten wie Volleyball, Tennis, Fussball oder Judo gesammelt. Golf wird denn auch gar nicht anders als irgend eine andere Sportart behandelt. Jeder Spieler bringt einiges mit, das in sein Spiel einfliesst und das nicht beeinflusst oder verändert werden kann. Seine motorischen Fähigkeiten sind ihm angeboren, allenfalls in seiner frühen Jugend ausgebildet und gefördert worden. Schon nur, weil kaum jemals zwei verschiedene Individuen vergleichbare Talentvoraussetzungen mitbringen, ist es einleuchtend, dass sie den Club auch nicht gleich schwingen können.
Viele Fragen, die sich auf dem Golfplatz und auf dem Übungsgelände täglich stellen, finden eine Antwort in der Art und Weise, wie der Mensch konstruiert ist. Um das zu verstehen, haben Psychologen, Psychiater und Forscher seit Jahrhunderten an der menschlichen Natur herumgerätselt, geforscht, untersucht und experimentiert. Dabei hat sich der Schweizer Carl Gustav Jung besondere Meriten erworben; auf seine Arbeiten gehen viele der heutigen Erkenntnisse und Techniken zurück.
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Der Aufbau des Gehirns ist ein Schlüssel zum Verständnis unserer Funktionsweise. Man hat herausgefunden, dass nicht alle Hirnareale die gleichen Aufgaben haben, sondern dass bei den meisten Menschen die linke Hemisphäre rational, die rechte dagegen kreativ ausgerichtet ist. An dieser Stelle ist es ausgeschlossen, die ganze zu Grunde liegende Theorie aufzuarbeiten; wir beschäftigen uns ausschliesslich mit den für Golfer relevanten Ergebnissen. Es ist die linke Hemisphäre, welche vom Spieler verlangt, dass er der Perfektion nachrennt. Das ständige Korrigieren, die Suche nach dem repetitiven Weltklasseschwung verhindern das Akzeptieren von Ergebnissen. Bei der Suche nach der absoluten Kontrolle über jeden Schlag kommt dem Spieler aber ein anderes Phänomen, das er ebenfalls in sich selber hat, in die Quere. Der perfekte Golfschwung, so es ihn denn gäbe, erfordert volle Konzentration gleichzeitig auf viele Details. Jeder Körperteil, jedes Element des ganzen Schwungs will überwacht und analysiert sein; und genau das schafft kein Mensch. Volle Konzentration heisst: ein normaler Mensch kann sich nur auf ein einziges Ding gleichzeitig konzentrieren. Bringt er aber nicht die uneingeschränkte Konzentration auf, so schadet er sich selber: «99% concentration is 100% failure» – nur 99% Konzentration bedeutet 100% Scheitern, wie es einer der Referenten am PGA-Seminar umschrieb.
Zweitens verstehen nicht alle Menschen unter dem Begriff «Konzentration» das gleiche. Jeder Golfer hat seine eigene Art, sich zu konzentrieren. Auch das Feedback für die Verbesserungen beschaffen sich die Leute auf unterschiedliche Weise: einige sehen, andere hören, die dritten haben eine Kombination von Informationsquellen, die sie auswerten.
Der Pro kommt ins Spiel
Als Autodidakt schafft es auf die Dauer kaum einer; jeder Golfer ist früher oder später auf Hilfe von aussen angewiesen. Es ist die Aufgabe des Pros, sich nun als erstes auf den individuellen Golfer einzustellen. Das ist allerdings leichter gesagt als getan; denn in vielen Fällen muss er sich zuerst mit den unrealistischen Erwartungshaltungen seiner Klienten auseinander setzen. Dabei ist die perfekte Technik nur eine der Möglichkeiten; fast noch heikler dürfte der Fall sein, dass ein schnelles Rezept für ein Problem erwartet wird, das damit dann ein- für allemale gelöst wäre…
Viel zu viele Golfspieler gehen davon aus, dass eine perfekte Technik – also eine rein mechanisch orientierte Sicht – der finale Schlüssel zum Erfolg ist. So falsch diese Philosophie ist: sie ist durch den fleissigen Einsatz des Videorecorders noch verstärkt worden. In den Standbildern wird die eigene Position in dieser oder jener Schwungphase als gut oder falsch erkannt; man vergleicht sich mit Weltklassespielern und beschäftigt sich am Schluss ausschliesslich mit der Schwungmechanik. Ganz abgesehen davon können zwei Leute auf das gleiche Bild blicken, ohne das gleiche zu erkennen. Video kann nie aufzeigen, was während einer technischen Bewegung im Kopf abgelaufen ist. Einer der Referenten erzählte dazu ein schlagendes Beispiel. Als der Franzose Jean Van de Velde 1999 mit drei Schlägen Vorsprung auf das Schlussloch des British Open ging und so eigentlich der sichere Sieger war, soll er nach dem gelungenen Abschlag seinen Caddie gefragt haben, welchen Veston er am Abend zum Sieger-Dinner wohl tragen solle. Ab diesem Zeitpunkt gelang ihm kein Schlag mehr, und er verlor das Open im Playoff – die Konzentration war weg. Nun spielen Clubgolfer in der Regel nicht um die offenen britischen Meisterschaften. Trotzdem können sie anfällig für Konzentrationslücken sein. Um sein eigenes Spiel zu entwickeln, ist jedem Golfer zu empfehlen, in seinem Pro nicht nur einen Schwungberater, sondern einen Trainer oder Coach für alle Belange zu sehen. Die Mechanik des Schwungs ist dabei eine wertvolle Informationsquelle für den Coach; doch an den Grundvoraussetzungen eines Spielers kann auch der Pro nichts ändern. Er muss ihn nehmen wie er ist; dabei kann er ihm aber entscheidend dabei helfen, aus seinen Voraussetzungen das Optimum herauszuholen.
Welche Hemisphäre dominiert?
In der linken Hemisphäre des Gehirns sind bei den Menschen rationale Eigenschaften am Werk. Hier dominiert das logische Denken, die Vernunft, die Kontrolle, das Streben nach Präzision, nach Erklärungen, nach Strukturen und Exaktheit. Zielgerichtetheit und Management sind hier angesiedelt.
In der rechten Hemisphäre dagegen ist die Kreativität zu Hause. Auseinanderdriftende Tendenzen, Flexibilität, sich treiben lassen, die Suche, der Drang, die Toleranz, die Neugier, Ungewissheit und das Sich-nichtFestlegen stehen für diesen eher emotionalen Teil des Menschen. Selbstverständlich tendieren wir Schweizer aus sozio-kulturellen Gründen schon fast extrem zur Bevorzugung der linken Hemisphäre.
Für den Golf-Coach sind das wichtige Hinweise; er weiss zudem, dass linksdominierte Menschen das Sehen unter ihren fünf Sinnen extrem stark gewichten, während rechts-dominierte Menschen den visuellen Sinneseindrücken weniger Gewicht beimessen, also Gehör, Geschmack, Testsinn und Geruchssinn stärker mitberücksichtigen – unwillkürlich natürlich.
Der Coach bekommt hier aber einen Schlüssel in die Hand, die wahren Bedürfnisse eines Menschen zu erkennen, um auf diese reagieren zu können. Nochmals: zu diesen Themen wurden ganze Bibliotheken mit Büchern und Arbeiten gefüllt – hier kann bloss eine stark vereinfachte und ausschliesslich auf die Beziehung
Golfer – Pro reduzierte Sicht wiedergegeben werden.
Die wahren Bedürfnisse eines Menschen müssen durchaus nicht diejenigen sein, welche er in Form von Ansichten und Überzeugungen äussert.
Der Coach – also der Swiss PGA Pro – befindet sich also in der Rolle des Psychologen, der herausspüren sollte, was sein Schüler eigentlich ganz genau will. Kommt als drittes Element das sportliche Talent dazu, das meistens nicht ausreicht, um die geäusserten Vorstellungen zu erreichen. Die meisten Menschen haben nämlich von Haus aus nicht die motorischen Fähigkeiten zum WeltklasseAthleten; und genau gleich verhält es sich mit den Golfspielern.
Wer einmal draussen in der Wirklichkeit und nicht nur am Fernsehen gesehen hat, wie schnell Abfahrer am Lauberhornrennen den Hundschopf hinter rasen, dem ist klar, dass er das selber nicht drauf hat. Und genau gleich verhält es sich mit einem Drive von 300 oder mehr Yards: wer einmal anlässlich eines Turniers der PGA –das können auch die Swiss PGA Championship sein, die 2006 auf dem Platz des GC de Genève stattfinden werden – gesehen hat, wie weit die besten Pros wirklich driven, dessen Erwartungshaltung wird sofort etwas realistischer. Daneben kann man seine Träume immer noch behalten…
Noch etwas praktischer?
Niemand weiss so genau, ob er nun ein links-dominierter oder ein rechtsdominierter Typ ist. Zudem ist das eine krasse Vereinfachung, die aber immerhin Hinweise darauf gibt, wie sehr ein unterrichtender Golflehrer sich ständig vor dem Problem sieht, an einen individuellen Schüler überhaupt heranzukommen.
So ist zum Beispiel die Balance ein wichtiger Aspekt eines guten Schwungs. Schafft es der Spieler, seinen Finish schön ausbalanciert zu halten, so ist das die Quittung für eine harmonische, rhythmische und komplette Ausführung des Bewegungsablaufs. Jetzt gibt es aber Menschen, die ihre Balance eher in der Vorwärts-Rückwärts-Dimension suchen, und solche, die eher seitwärts um das Gleichgewicht kämpfen. Und das hängt direkt zusammen mit den Vernetzungen im Gehirn.
Der Golfschwung ist eine komplexe Interaktion zwischen dem Bewuss-